Charakterbäume in der Stadt: Eine neue Methode zur Einschätzung

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1. Markanter Ginkgo-Solitär in einer Parkanlage – ein starker Charakterbaum. Foto: A. Roloff

Immer mehr Menschen entwickeln eine neue Sensibilität, wenn es um die Frage nach Bäumen in der Stadt geht. Die Meinungen können mitunter kaum gegensätzlicher sein. Von beliebten Gestalten und Treffpunkten bis hin zu Straßen- und Luftverschmutzern gehen die Meinungen teilweise weit auseinander. Neuerdings spielt die Ästhetik bei der Baumbewertung eine immer größere Rolle.

Dabei kann gerade der Schutz von sehr alten Bäumen, wie den Naturdenkmalen, besonders im urbanen Raum schnell in das Konfliktfeld des Menschen geraten, wenn es beispielsweise um die Verkehrssicherheit geht (Roloff 2013, 2019). Zunehmend ist das Grün in der Stadt gewollt und viele Menschen erfreuen sich an der Gestalt der Bäume. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, das ist auch bei Bäumen nicht anders. Jeder verbindet sicherlich etwas anderes mit einem besonders schönen, eindrucksvollen Baum, einem Charakterbaum. Doch was ist eigentlich mit dem Begriff gemeint? Hierbei soll es nicht um den Charakter einer Region gehen, wenn beispielsweise von der Zypresse als Charakterbaum der Toskana die Rede ist. Vielmehr soll die Frage thematisiert werden, wie ein markanter Einzelbaum einen eindrucksvollen und individuellen Charakter darstellen kann. Welche Merkmale können diesen von anderen grundlegend unterscheiden und was macht den Charakter eines Baumes aus? Diese Fragen wurden jüngst in einer Bachelorarbeit an der Technischen Universität (TU) Dresden in Tharandt untersucht (Hartig 2018), um der Subjektivität der Ästhetik von Bäumen eine objektivere Grundlage zu verleihen.

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2. Charakterbaum mit schiefem Stamm, einseitiger Krone und tief angesetztem Seitenast (junge Stiel-Eiche). Foto: Hartig

Hintergrund, Fragestellung und Definition

Bäume werden schon lange von Landschaftsarchitekten, Raum-, Grün- und Stadtplanern als gestalterisches Mittel eingesetzt (Fuhr 2009). Sie bieten einen wirkungsvollen Kontrast zu Bauwerken und sind ein elegantes Mittel, um Besonderes hervorzuheben oder Unschönes zu verstecken. Kaum eine moderne Stadt kommt noch ohne Baumalleen oder stilvoll eingesetzte Bäume in Parkanlagen aus. Während im Mittelalter der Fokus auf einer engen Bebauung lag, um kurze Wege zu realisieren, wird heute wieder mehr Platz für Grün eingeplant (Meyer 1982, Roloff 2013). Die Wahl der Baumarten spielt hierbei eine große Rolle, dabei wurde jedoch dem einzelnen Baumindividuum bislang eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich wissen beispielsweise Baumpfleger oder Gartenbau-Fachleute schon lange um die Kunst der Baumpflege, ganz zu schweigen von der asiatischen Kunstform der Bonsai-Gestaltung. Hier sind bereits viele Gestaltungsformen bekannt oder interessante Wuchsvarianten herausgezüchtet worden (Seipel 2007). Doch wie steht es um die Schönheit eines Baumes, der sich weitgehend ungestört von der Hand des Menschen entwickeln kann?

In einer Welt, in der die Bewirtschaftung der Naturressourcen bevorzugt maschinell durchgeführt wird und unberührte Landschaften zumindest in Mitteleuropa weitgehend verschwunden sind, kommen alte Baumrelikte immer seltener vor. So kann in der heutigen Zeit gerade die Stadt ein Refugium für solche Solitäre werden, in der die Wirtschaftlichkeit des Holzes keine große Rolle spielt, sondern die optische, mentale und gesundheitliche Wirkung im Vordergrund steht. Dabei soll schon auf die erfolgreiche Arbeit des Schutzes von Naturdenkmalen im städtischen und ländlichen Raum hingewiesen werden. Auch das jährliche Ausweisen eines "Baum des Jahres" der gleichnamigen Stiftung (www.baum-des-jahres.de) konnte bereits zur Sensibilisierung im Umgang mit Bäumen beitragen und den Erhalt von Individuen sicherstellen. Die Frage ist jedoch, ob ein Baum sehr alt sein muss, um einen besonderen Charakter auszustrahlen. Gibt es weitere Kriterien neben dem Stammumfang, die dabei eine Rolle spielen könnten?

Neben der optischen Wirkung wurde bereits eine Vielzahl weiterer positiver Effekte von Bäumen in der Stadt beschrieben. Auch hier ließe sich die Frage stellen, inwiefern ein Charakterbaum diesen Nebenwirkungen im besonderen Maße gerecht werden kann. Nach Reuter (2018) sind beispielsweise Bäume für das Erleben der Jahreszeiten in der Stadt entscheidend. So kann die auffällige Blüte der Rosskastanie oder das intensive Rot einer Ahornkrone als Indikator den Wechsel der Jahreszeiten widerspiegeln. Und in Japan wird beispielsweise das Ereignis der Kirschblüte als kultureller Höhepunkt gefeiert. Ohne die Möglichkeit der Steuerung durch den Menschen kann hier noch eine Rückbesinnung auf die Demut von früheren Zeiten geschehen, in denen die Natur als richtungweisend für den Lebensrhythmus angesehen wurde. Noch heute kann so ein markanter Einzelbaum in einer gleichförmigen, naturfernen Stadtlandschaft als Zeigerelement mit Wiedererkennungswert durch den Menschen wahrgenommen werden. Geruchsintensive Baumarten, wie unter anderem die Balsam-Pappel oder Robinie liefern dabei auch noch einen olfaktorischen Impuls, der besonders für beeinträchtigte Menschen von außerordentlicher Bedeutung sein kann.

Nach Hellbrück (1999) wird eine natürlichere Landschaft mit Bäumen einer vom Menschen vollständig überprägten Siedlungslandschaft vorgezogen, da sie der Struktur der Savanne ähnelt und daher für den prähistorisch geprägten Menschen den idealen Lebensraum darstellt. Freie Flächen mit einzelnen Bäumen und Baumgruppen werden als einladend und freundlich empfunden, da sie übersichtlich sind, zugleich Sichtschutz und Zuflucht bieten und gleichzeitig in der Lage sind, Schatten und Windschutz zu bieten. Nach Roloff (2013) ist die Psychologie der Menschen besonders im Umgang mit Hausbäumen untersucht worden. Hier geht die Bewertung der Bäume weit über den Schutz und den ästhetischen Aspekt hinaus. Diese Bäume werden gar als Familienmitglieder angesehen, und dadurch entwickeln Menschen eine enge Bindung zu ihren Gehölzen. Gemeint sind hierbei in aller Regel eindrucksvolle Solitäre.

"Ein Charakterbaum ist ein markanter Solitär, der die artspezifischen Eigenschaften und Besonderheiten mit ausgeprägten morphologischen Merkmalen darstellt" (Hartig 2018).

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3. Großer Garten – Karte mit den 50 ausgewählten Bäumen. Quelle: Wikipedia.de
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4. Umfangmessung zur Ermittlung der Wurzelstärke an einer alten Hainbuche. Foto: Hartig

Ansprache und Bewertung

In der neu entwickelten Methode zur Einschätzung von Charakterbäumen wurden zunächst Kriterien berücksichtigt, die das Aussehen und den Wuchs eines Individuums beschreiben sollen. Diese wurden nach vermuteten Interessantheitswerten bewertet, gewichtet und anschließend zu einer Gesamtpunktzahl addiert. Dabei wird die sogenannte "Nutzwertanalyse" angewendet, die schon seit den frühen 1970er-Jahren aus der Betriebswirtschaft bekannt ist (Zangenmeister 1970). Sie wird noch heute häufiger für eine Entscheidungsfindung herangezogen, um nicht-monetäre Alternativen zu bewerten.

Für die Bewertung von Charakterbäumen wird mithilfe dieser Methode ein Ranking erstellt, und dies wurde an 50 Einzelbäumen im Großen Garten in Dresden untersucht. Vorab aufgestellten Hypothesen zufolge ließen sich diese Einzelbäume am ehesten in einer sogenannten Freistellung finden (Solitäre), in der sie möglichst ohne konkurrierende Einflüsse von anderen Bäumen aufwachsen konnten. Dabei sollte auch der Einfluss des Menschen das Erscheinungsbild des Baums nicht wesentlich beeinflusst haben. Außerdem wurde eine gewisse Lebensspanne vorausgesetzt, um eindrucksvolle Merkmale entwickeln zu können. Diese Methode sollte sich von bisherigen Herangehensweisen, wie beispielsweise der Liste von Deutschlands stärksten Bäumen "Champion Trees" abgrenzen (www.championtrees.de). Demnach war also nicht nur die Stärke des Stammes, das heißt der Brusthöhenumfang für die Bewertung ausschlaggebend (vgl. Kühn et al. 2017). Jedoch hat sich gezeigt, dass dieser dennoch viele andere Kriterien mitbedingt und damit weiterhin eine bedeutende Rolle in der Ansprache solcher Bäume spielt.

Ziel dieser Untersuchungen war es, die Subjektivität der optischen Wirkung von markanten Einzelbäumen sowohl mit Hilfe von messbaren, aber auch mit visuell abgestuft bestimmbaren Kriterien zu untermauern. Außerdem soll der Begriff "Charakterbaum", der bisher nur vereinzelt in der Literatur auftaucht, damit näher beschrieben werden (vgl. Roloff 2017).

Letztendlich wurden 50 besondere Einzelbäume im Dresdner Großen Garten ausgewählt, verglichen und bewertet, um die Bedeutung der aufgestellten Kriterien innerhalb dieser Untersuchungen zu überprüfen. Dazu wurden jeweils zehn Individuen der Gattungen Eiche, Buche, Hainbuche, Platane und Rosskastanie betrachtet, um die Methode erstmalig anzuwenden und zu testen. Es sollten also bereits potentielle Charakterbäume ausgewählt werden, an denen im Vergleich herausgestellt werden kann, welche Kriterien oder Merkmale für die optische Wirkung entscheidend sind.

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5. Durchschnittliche Punktebewertung (linke Achse) der zehn untersuchten Kriterien nach Baumarten. Grafik: Hartig
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6. Gesamte Punktesumme (linke Achse), Median (Linie), Mittelwert (x), Streuung und Extremwerte der Ergebnisse nach Baumarten. Grafik: Hartig

Die zehn Kriterien

Bei Roloff (2017) wurden bereits Merkmale wie Zwieselbildung, krumme oder schiefe Stämme, sowie markante oder einseitige Kronen angesprochen. Vergleichbare Symptombeschreibungen sind auch im Zusammenhang mit der Bewertung von Holzqualität bekannt (Richter 2007). In den durchgeführten Untersuchungen wurden nun weitere Kriterien zur Baumansprache entwickelt. Hierzu sind zunächst fünf quantitative Merkmale mittels Messungen erhoben worden. Dabei handelt es sich größtenteils um gängige Parameter der forstlichen Praxis, womit dem subjektiven Eindruck der Ästhetik zunächst ein Fundament aus nüchtern erhobenen Zahlen gegeben werden soll. Um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, wurde es als wichtig angesehen, den Brusthöhenumfang zu erheben, wie es in der Vermessung von Bäumen jahrzehntelange Praxis ist. Dieser Wert steht im engen Zusammenhang mit weiteren erhobenen Werten und dient als Indikator für die Dimension eines Baumes. Definitionsgemäß muss ein Charakterbaum eine gewisse Dimension erreicht haben, um die baumartentypischen Merkmale wie eine charakteristische Borke oder erkennbare Wurzelstärke entsprechend ausgebildet zu haben und als markanter Solitär bezeichnet werden zu können.

Der Wert der Abholzigkeit (h/d-Wert) (Kramer & Akca 2008) wird herangezogen, um die Schaftform abzubilden. In der Konkurrenzsituation eines Waldes ist es einem Individuum kaum möglich, einen art-typischen Habitus zu entwickeln, da die Lichtkonkurrenz jeden Baum nach oben zwingt und einen schlanken, als vollholzig bezeichneten Stamm zur Folge hat (vgl. Roloff 2015). Daher ist eine gewisse Einzelstellung (= Solitär) anscheinend eine Voraussetzung für die Ausbildung eines charakteristischen Stammes und einer ausladenden Krone. Die sogenannte Relative Kronenbreite und der Bekronungsgrad beschreiben die Mächtigkeit der Krone. Diese sind für die Ästhetik eines Baums von grundlegender Bedeutung und prägend für das Gesamtbild. Die Einschätzung der Vitalität anhand der Kronenstruktur nach Roloff (2001) wurde ursprünglich für die Bewertung von Waldbäumen entwickelt, zuletzt 2018 aktualisiert, und bezieht nun bei der Bewertung der Vitalität das Baumalter mit ein, um auch besonders geschützten (sehr alten) Bäumen vor allem in der Stadt gerecht zu werden (Roloff 2018, 2019). Eine Vermessung des Wurzelanlaufs wurde in diesem Rahmen neu entwickelt und ähnlich wie die Messung des Stammumfangs durchgeführt. Hierbei entsteht ein weiterer Wert der Dimension des Stammes, in 20 Zentimeter Höhe, als Indikator für die Stärke des Wurzelanlaufes. Dieser wird in hiesigen Parkanlagen oft bei alten Hainbuchen oder Flatter-Ulmen deutlich. Da er in der Regel eine deutliche Reifung des Individuums voraussetzt, sind solche eindrucksvollen Wurzeln nicht alltäglich und daher in die Bewertung mit hoher Gewichtung eingeflossen.

Auch bei den qualitativen Kriterien wird davon ausgegangen, dass sie nach Fakten zu erheben sind, jedoch lassen diese eine größere Subjektivität zu. Hierbei erfährt nun die Schaftform Berücksichtigung. Sie beschreibt die Beschaffenheit des Stammes beziehungsweise der Hauptachse. Es wird davon ausgegangen, dass ein Charakterbaum im Gegensatz zum forstlichen Idealtypus keine walzenförmige, einstämmige Schaftform hat, sondern sich bereits am unteren Stammende ein- oder mehrfach verzweigt, um somit eine Vielzahl von Variationen zu erzeugen. Um den Habitus grundlegend zu beschreiben, wurde als weiteres Kriterium die Kronenausprägung hinzugezogen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Charakterbaum in seiner Entwicklung ungestört eine große, arttypische Krone ausbildet. Dies wäre auch das Ziel eines in der Landschaftsgestaltung oder Konzeption einer Parkanlage eingesetzten Baum-Solitärs (vgl. Borchardt 2013). Wurde in die Kronenentwicklung stärker durch den Menschen eingegriffen oder diese durch Konkurrenz mit anderen gestört, kann nicht mehr von einem natürlichen Charakter des Baums ausgegangen werden, und er wäre daher in der Methode geringer bewertet worden.

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7. Mächtige Rotbuche mit weit ausladenden Ästen im Großen Garten in Dresden. Foto: Hartig

Totholz, gängiger Weise eher als Sicherheitsrisiko oder Pflegerückstand angesehen, erfuhr in der Methode eine größere Wertschätzung. Es wird davon ausgegangen, dass abgestorbene Kronen- oder Stammteile eine sehr reizvolle Wirkung haben können (vgl. Caspar David Friedrich: Der einsame Baum). Wenn auch besonders im urbanen Raum zum Beispiel an Verkehrswegen selten geworden, lässt ein wettergegerbter Stamm oder ein "Überlebender" nach einem Blitzschlag Baumliebhaber nicht völlig kalt. Bonsai-Meister aus Japan beispielsweise lassen sogar Stammteile ihrer Miniaturbäume absichtlich absterben, um den Bäumen eine besondere Würde zu verleihen. Diese Gestaltungen mit Totholz sind den auch als Kampfbäume bezeichneten Exemplaren aus den Bergen nachempfunden (Stahl 2010).

Ist der Stamm mit einer dicken Moosschicht überzogen oder gar völlig mit Efeu bewachsen, kann dies eine grundlegende Auswirkung auf die Erscheinung des Einzelbaumes haben. So wird der sogenannte Epiphyten-Bewuchs in der Methode ebenfalls berücksichtigt. Dabei können Algen, Moose, Flechten oder Kletterpflanzen in die Bewertung einfließen. Denkbar wären auch weitere Lebensgemeinschaften auf Bäumen, Spechthöhlen oder besondere Habitate, die allerdings in den Untersuchungen im Großen Garten keine Rolle gespielt haben.

Im Weiteren wird der Schiefstand oder auch die Schaftkrümmung von Bäumen als bedeutend für die optische Wirkung angesehen. Schon von weitem sichtbar, zeigen solche Exemplare dadurch ein besonderes Aussehen. Man stelle sich einen aufrecht und symmetrisch gewachsenen Baum vor: Ändert dieser nun auf einmal seine Wuchsrichtung, weil er etwa bei einem starken Sturm angeschoben wurde und wieder versucht in die Vertikale zu wachsen, so wird dies eine ganz individuelle Form zur Folge haben. Diese Bäume erzählen eine Geschichte und zeigen damit ein überlebtes Ereignis. Das gleiche gilt für Individuen, die besondere Schaft- oder Stammformen durch Krümmung aufweisen. Häufig sind diese eine Anpassung auf bestehende Umwelterscheinungen oder Reaktion auf Ereignisse im früheren Baumleben und daher prägend für den individuellen Charakter. Das könnte man in diesem Zusammenhang auch als eine Abweichung von der Norm beschreiben, die ein Baumindividuum zu einem unverwechselbaren Exemplar reifen lässt.

Addiert und gewichtet ergibt die Gesamtheit der integrierten zehn Merkmale die Punktzahl eines Untersuchungsbaumes. In den Ergebnissen konnten verschiedene Trends festgestellt werden. Für den Einen verwunderlich, für den Anderen nicht überraschend bekamen im Schnitt die untersuchten Eichen die höchsten Punktzahlen. So wird der Eiche auch schon aus historischer Tradition ein ganz besonderer Charakter zugemessen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass diese Gattung zu den beliebtesten Parkbäumen im Untersuchungsgebiet zählt und daher nicht nur sehr zahlreich, sondern auch mit sehr vielen alten Exemplaren vorhanden ist. Manche von ihnen tragen sogar eigene Namen wie die "Splittereiche" im Großen Garten Dresden oder viele Goethe-Eichen. Interessant war allerdings eine deutlich geringere Punktzahl bei den untersuchten Platanen. Die auffallenden Rindenbilder dieser Baumart gingen beispielsweise nicht in die Untersuchungen ein, dennoch bleiben eindeutige Erklärungen hierfür offen.

Schlussbemerkungen

Ziel der Arbeit war es, der komplexen Fragestellung nach Ästhetik und Gestalt der optischen Wirkung von Bäumen eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Als Hilfestellung bei einer Bewertung (vgl. Herbig 2016) soll auch auf die vielen positiven Wirkungen von Bäumen, besonders in der Stadt hingewiesen werden. Außerdem möchten wir damit die emotionale Diskussion um Bäume beleben, denn ein Baum sollte nicht nur als ein grünes Strukturgebilde angesehen werden, sondern es sollten auch seine Geschichte und Gestalt mit einbezogen werden (Meyer 1982). Für den Umgang mit markanten Bäumen wäre es hilfreich zu wissen, was genau an ihnen uns anspricht. Vielleicht lässt sich so auch im Angebot der Baumschulen und Gartencenter eine größere Abwechslung bei einheitlichen Sortimenten entdecken oder entwickeln.

Ziel dieses Beitrages ist es, einen Gedankenprozess anzuregen und den Fokus zu verstärken. Die vorgestellten Merkmale und Kriterien können für eine erweiterte Methodik stets ergänzt werden, um neue Facetten aufzudecken. Letztendlich lässt sich mit der hier verwendeten Nutzwertanalyse lediglich ein Vergleich von Alternativen unter der individuellen Bewertung eines Einzelnen durchführen (vgl. Mühlenkamp 1994, Herbig 2016). Sie soll als Werkzeug dienen, um bedeutungsvolle Aspekte im Umgang mit Bäumen zu konkretisieren und vergleichbar zu machen.

Es bleibt zu hoffen, dass hiermit ein weiterer Anstoß für die Diskussion um wertvolle Bäume sowie ihre Daseinsberechtigung geleistet werden kann und das der Sensibilität im Umgang mit (alten) Bäumen förderlich ist. Auch ist zu wünschen, dass der Begriff "Charakterbaum" in Zukunft im wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Bereich differenzierter betrachtet wird und im Weiteren die Frage eine Rolle spielt, was genau den besonderen Charakter eines Baumes ausmacht und wie sich dieser in seiner natürlichen Gestalt darstellen kann.

Literatur

Fuhr, T. (2009): Baumpflege mit Köpfchen; Wissenswertes über den Kopfbaum. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken.

Hartig, A., 2018: Charakterbäume im urbanen Raum: Konzeption zur Ansprache. Bachelorarbeit Forstbotanik, TU Dresden

Hellbrück, J.; M. Fischer, (1999): Umweltpsychologie; Ein Lehrbuch. Hogrefe, Göttingen et al.

Herbig, N. (2016): Nutzwertanalyse: Eine Methode zur Bewertung von Lösungsalternativen und zur Entscheidungsfindung. 2. Aufl. Books on Demand, Norderstedt.

Kramer, H..; A. Akca, (2008): Leitfaden zur Waldmesslehre. 5. Aufl. J. D. Sauerländer's Verlag, Frankfurt/Main.

Kühn, S.; B. Ullrich; U. Kühn, (2017): Charakter Bäume; Zwischen Küste & Alpen erleben. BVL Buchverlag GmbH & Co.KG, München.

Meyer, F. H. (1982): Bäume in der Stadt. 2. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

Mühlenkamp, H. (1994): Kosten-Nutzen-Analyse. Oldenbourg Verlag GmbH, München.

Reuter, B. (2018): Bäume in der Kulturlandschaft; Ein Handbuch zur Erhaltung und Gestaltung von Flurgehölzen. Oekom, München.

Richter, C. (2007): Holzmerkmale; Beschreibung der Merkmale, Ursachen, Vermeidung, Auswirkung auf die Verwendung des Holzes, technologische Anpassung. DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen.

Roloff, A. (2001): Baumkronen. Ulmer, Stuttgart.

Roloff, A. (2013): Bäume in der Stadt; Besonderheiten - Funktionen, Nutzen, Arten, Risiken. Ulmer, Stuttgart.

Roloff, A. (2015): Handbuch Baumdiagnostik - Baum-Körpersprache und Baum-Beurteilung. Ulmer, Stuttgart.

Roloff, A. (2017): Der Charakter unserer Bäume; Ihre Eigenschaften und Besonderheiten. Ulmer, Stuttgart.

Roloff, A. (2019): 1000-jährige Baumarten - Besonderheiten, Potenzial und Methusalems von Eichen, Linden, Lärche, Ginkgo, Ess-Kastanie und Eibe. Forstwiss. Beitr. Tharandt Beiheft 21: 59-87.

Seipel, H. et al., 2007: Fachkunde für Garten- und Landschaftsbau. 4. Aufl. Dr. Felix Büchner Verlag, Hamburg.

Stahl, H., 2010: Bonsai; Vom Grundkurs zum Meister. 3. Aufl. Kosmos Verlag, Stuttgart.

Zangemeister, C., 1970: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik; Eine Methodik zur multidi-mensionalen Bewertung und Auswahl von Projektalternativen. Büro-Technik GmbH, Berlin.

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