Von antiken, christlichen und germanischen Vorbildern

Der Weihnachtsbaum - ein kulturhistorischer Exkurs

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Kultur Stadtmöblierung
„Dr. Martin Luther im Kreise seiner Familie zu Wittenberg am Christabend 1536.“ Quelle: Stahlstich des Carl August Schwerdgeburt, 1843 (Druck von F. A. Zehl, Leipzig)

Wenn man sich die zahlreichen Gebräuche, die mit unserem Weihnachtsbaum zusammenhängen anschaut, wird deutlich, dass sie überwiegend von der christlichen Kirche übernommen und umgedeutet wurden.

Weihnachtsbaum und Weihnachtsfest sind ein Gemisch antiker, christlicher und germanischer Wurzeln. So ist die Schmückung von Bäumen bereits aus der Antike bekannt. Bäume wurden bestimmten Gottheiten zugeordnet und gleichermaßen wie diese verehrt. Diese heiligen Bäume wurden zum Teil mit Hörnern und Fellen, aber auch mit Bändern, Kränzen, Tüchern, Goldblechstreifen und Tontafeln geschmückt.¹ Antik ist auch das Datum des Festes am 25. Dezember, das auf die Festlichkeiten zu Ehren des römischen Sonnengottes Mithras zurückgeht. An diesem Tag wurde auch das Hauptfest heidnischen Glaubens begangen, die Wintersonnenwende.

Christlich ist der Sinn des Festes, auch wenn die frühen Christen den antiken Brauch am Tag der Geburt zu feiern ablehnten. Sie feierten den Tag des Todes, denn er war gleichbedeutend mit dem Eingang in die Ewigkeit. Auch wenn die Evangelien kein Geburtsdatum vorgaben wurde der Termin der alten Feierlichkeiten übernommen, da die christliche Kirche hoffte, mit diesem Datum dem immer noch fest verwurzelten Heidentum entgegen wirken zu können. So kann die erste Feier des Weihnachtsfestes erstmalig für das Jahr 354 n. Chr. in Rom belegt werden.²

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Fichte aus dem Park von Bad Muskau. Quelle: Hermann L. H. von Pückler-Muskau: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau, 1834, Tafel XLI 274

Germanisch ist der Name Weihnachten, der sich von der "geweihten Nacht" ableitet. Auch der Brauch, die dunkle Jahreszeit mit grünen Pflanzen als Zeichen der Hoffnung auf ein neues Leben zu schmücken ist germanischen Ursprungs. So fand unser heutiger Weihnachtsbaum sein Vorbild in der heidnischen Sitte der Mittwinterzeit. Hier wurden abgeschnittene Obstbaumzweige ("Wintermaien") in die Behausungen geholt um das Frühjahr zurück zu bringen und gleichzeitig die Fruchtbarkeit zu fördern. Es gelang jedoch nicht immer, diese Zweige zum Blühen zu bringen, so dass man sich alsbald auch immergrüner Zweige bediente.³

Die "Entstehung" des Weihnachtsbaums und seine Ausbreitung

Wann genau die ersten geschmückten Weihnachtsbäume aufkamen, kann heute nicht mehr mit Sicherheit ermittelt werden. Man geht heute davon aus, dass von Lichtern und Äpfeln geschmückte Weihnachtsbäume zunächst in den Vorhallen von Domen und Kirchen standen.4 Auch wird vermutet, dass unser Weihnachtsbaum seinen Ursprung in mittelalterlichen Krippenspielen haben könnte.5

Der erste Hinweis auf einen geschmückten Weihnachtsbaum stammt aus dem Jahr 1597. Man verwendete Backwaren, Zuckerwerk, Äpfel und Knistergold. Zunächst war das Schmücken des Baumes mit Kerzen wohl nur Adligen vorbehalten und ist seit 1611 belegt. 1765 sah der junge Student Johann Wolfgang von Goethe in Leipzig einen mit Süßwaren geschmückten Weihnachtsbaum im Hause von Theodor Körners Mutter.6

Einen Beleg dafür, dass der Weihnachtsbaum sich etwa ab Mitte des 18. Jahrhunderts auch bis in die Stuben des Bürgertums ausgebreitet hatte, liefert Karl Philipp Moritz, der in seinem Werk "Anton Reiser" (1785-1790) von einem Christbaum im Haus einer wohlhabenden Familie berichtet. Dennoch blieb der Weihnachtsbaum - so müssen wir vermuten - auch im Verlauf des 19. Jahrhunderts noch primär wohlhabenden Familien vorbehalten, in denen er zum Zeichen des Reichtums und somit zu einem Vorzeigeobjekt wurde.

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Kriegsweihnacht 1916, Feldpostkarte, gelaufen 1916. Quelle: Sammlung Autor

Ärmere Bevölkerungsschichten mussten sich mit wenigen Zweigen begnügen, die teilweise zu Kränzen geflochten wurden und nur wenige Kerzen trugen, da diese immer noch sehr kostbar waren. Diese Tradition des Adventskranzes begann wohl erst im Jahr 1839 und nahm ihren Ausgang in der Stadt Hamburg. In diesem Jahr wurde im Betsaal des Rauhen Hauses in Hamburg ein hölzerner Adventskranz entzündet, der in etwa die Größe eines Wagenrades hatte und mit roten und weißen Kerzen geschmückt war. Die weißen Kerzen standen für die Adventssonntage und die roten Kerzen für die übrigen Tage. Dabei wurde jeden Tag eine weitere Kerze entzündet bis am Heiligen Abend alle Kerzen des Kranzes brannten. Ab circa 1860 wurde der Kranz auch mit Tannenzweigen und weißen Bändern verziert. Aus diesem "Weihnachtsbaum-Ersatz" ärmerer Bevölkerungsteile wurde der uns heute bekannte Adventskranz mit seinen typischen vier Kerzen, stellvertretend für die Adventssonntage, als dessen Erfinder der aus Hamburg stammende Theologe und Gründer des Rauhen Hauses, Johann Hinrich Wichern, gelten kann.7

Die Sitte des geschmückten Weihnachtsbaumes verbreitete sich also vom Adel über das Bürgertum ausgehend in den folgenden Jahrhunderten: 1780 wird sie für Berlin, 1813 für Wien und Graz, 1815 für Danzig, 1818 für Hamburg und 1825 für München gemeldet. Doch auch innerhalb von Garten- und Parkanlagen wurden teilweise Weihnachtsbäume aufgestellt oder dort stehende Bäume als solche geschmückt. Eine Fichte aus seinem Park in Bad Muskau bezeichnete Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871) in seinen "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" (1834) als so ausgezeichnet, dass er sie portraitieren ließ, (s. Abb.1). Es handelte sich um eine 100 Fuß (ca. 30 m) hohe Fichte, "deren Nadelgehänge aber an den unteren Aesten bis zu 7 Fuss Länge erreichen. Sie wurde einmal mit Papierlaternen, in Form colossaler Früchte, als Christbaum illuminiert, eine Bescheerung, wie sie vielleicht noch niemals irgendwo anders statt gefunden hat."8

Zum weihnachtlichen Brauchtum gehört sicher auch das Singen. Noch bis zur Zeit Martin Luthers war die Gemeinde ganz überwiegend vom Gesang ausgeschlossen, denn dieser wurde in der Regel von Mönchen oder Geistlichen vorgetragen, zudem in lateinischer Sprache, die die einfachen Bürger weder lesen noch verstehen konnten.9 Luther wusste um die Kraft des Gesanges, so stammen zum Beispiel Text und Melodie des Weihnachtsliedes "Vom Himmel hoch, da komm ich her" von ihm. Nunmehr wurde zu hohen Festen auch zu Hause gesungen.

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„Der deutsche Weihnachtsbaum in den Ruhmeshallen von Versailles“ (Otto Günther). Quelle: Die Gartenlaube (1871), hier S. 109

Ein Blatt des Weimarer Kupferstechers Carl August Schwerdgeburth aus dem Jahr 1843 zeigt demnach die häusliche Idylle im Hause Luther zu Weihnachten. Er titulierte den Stich mit den Worten "Dr. Marin Luther im Kreis seiner Familie zu Wittenberg am Christabend 1536." Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass die Stube mit dem geschmückten Baum so ausgesehen haben dürfte. Zumindest Mitte des 19. Jahrhunderts stellte man sich dies aber so vor und verdeutlichte damit zugleich, dass Bräuche wie das Schmücken des Baumes sich weit im Bürgertum ausgebreitet hatten.

Von Deutschland ausgehend begann die Ausbreitung des Weihnachtsbaumes über Europa und schließlich in weitere Teile der Welt. Durch Hochzeiten zwischen den europäischen Adelsgeschlechtern erreichten die Weihnachtsbäume 1837 Frankreich und 1840 England.10 Deutsche und österreichische Auswanderer brachten den Tannenbaum zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch nach Amerika. Der in der Nähe Gießens geborene Karl Theodor Christian Follenius anglisierte 1824 bei der Einwanderung seinen Namen in Charles Follen. Der spätere Harvard-Professor erinnerte sich insbesondere an Weihnachten immer wieder seiner deutschen Heimat und der Sitte des weihnachtlich geschmückten Baumes. Familie Follen hatte für den Silvesterabend 1835 die englische Schriftstellerin Harriet Martineau eingeladen und ihr zu Ehren mit dem Entzünden der Lichter und dem Öffnen der geschmückten Stube gewartet, damit diese die Freude der Kinder miterleben könne. Als diese dann am Abend erschien wurden die Kerzen am mit Süßigkeiten und Spielzeug geschmückten Baum entzündet. Den Weihnachtsbaum der Follens mit den Kerzen, den Süßigkeiten und den staunenden Kindern behielt die Autorin, die zu dieser Zeit an einem Buch über die USA arbeitete, in unvergesslicher Erinnerung und tief bewegt schrieb sie darüber zwei Jahre später in ihrem Werk "Retrospect of Western Travel" (1838). Mit ihrer Erzählung trug sie ganz maßgeblich zur Verbreitung der Weihnachtsbaumsitte in den Vereinigten Staaten bei. 1891 wurde erstmals ein Weihnachtsbaum in Washington vor dem Weißen Haus aufgestellt.¹¹

Einen weiteren Anstoß zur Ausbreitung des Baumes in allen Bevölkerungskreisen lieferte eine Weihnachtseinladung des preußischen Königs Wilhelms I. während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/1871. So hatte er zu Weihnachten 1870 Familien und Generäle in das von Deutschen besetzte Schloss von Versailles eingeladen und empfing die Personen hier unter einem geschmückten Weihnachtsbaum. Das Symbol des Baumes avancierte hiermit neben der "Familie" gleichsam zu einem nationalen Symbol, dem die Deutschen in der Heimat nacheiferten.

Zudem hatte die Heeresleitung um Weihnachten 1870 auch in Lazaretten, Quartieren und Unterständen kerzengeschmückte Weihnachtsbäume aufstellen lassen. Die geschmückten und erleuchteten Bäume müssen neben dem nationalen Stolz wohl eine große Sehnsucht nach der Heimat und der Familie in den Soldaten hervorgerufen haben, denn mit den Erinnerungen an dieses Erlebnis zog der Wunsch nach einem Weihnachtsbaum im eigenen Haus mit den einfachen Soldaten - vor allem auch nach ihren Kriegsweihnachtserfahrungen an den Fronten des Ersten Weltkriegs 1914-1918 - wieder in die Heimat und breitete sich schließlich über alle Bevölkerungskreise aus.¹²

Schlusswort

In unserem heutigen Brauchtum haben sich die alten Sitten unserer Vorfahren erhalten. Unwissentlich pflegen die meisten von uns sie wohl, ohne zu wissen, woher sie eigentlich stammen. Und auch eigene (regionale) Traditionen haben sich über Generationen in unseren Familien festgesetzt, denke man einmal an das Weihnachtsessen, das Singen von Weihnachtsliedern, das Aufstellen des Baumes und seinen Schmuck.

Literatur und Quellen

Bernatzky, A.: Leben mit Bäumen. 256 S., Deutscher Fachschriften-Verlag, Wiesbaden 1988.

Demandt, A.: Über allen Wipfeln. Der Baum in der Kulturgeschichte. 366 S., Böhlau Verlag Köln 2002.

Gretzschel, M., 2016: Das große Weihnachtslied von Martin Luther. In: Hamburger Abendblatt (Weihnachtsausgabe, 24.-26.Dezember 2016). Online unter: www.abendblatt.de/kultur-live/article209081759/Das-grosse-Weihnachtslied-von-Martin-Luther.html [Zugriff: 2.Januar 2017]

Hamberger, J.: Eine Kulturgeschichte des Weihnachtsbaumes. In: LWFaktuell (42, 2003), S. 47-49.

Jörn, J.: Stadtgrün in der Antike in Griechenland und Vorderasien. In: Hennebo, D.: Geschichte des Stadtgrüns - Band I. Entwicklung des Stadtgrüns von der Antike bis in die Zeit des Absolutismus. S. 20-24, Patzer Verlag, Hannover 1979.

Smertka, B., 2016: Vier Kerzen erobern die Welt. In: Hamburg Historisch (4, 2016), S. 34-37.

Stolz, G.: Wie der Weihnachtsbaum nach Amerika kam. Deutsche und österreichische Auswanderer brachten ihn zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit in die Neue Welt. In: GLOBUS (4, 2004)

von Pückler-Muskau, H. L. H.: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau. Ungekürzter und nur in den Maßen veränderter Nachdruck der ersten Auflage von 1834 (Herausgegeben von der Fürst Pückler-Gesellschaft). 276 S., Deutscher Kunstverlag Berlin 1933.

Anmerkungen

1 Jörn 1979: 20; Demandt 2002: 108.

2 Demandt 2002: 250.

3 Hamberger 2003: 47. Ein Hinweis hierauf findet sich z. B. in Sebastian Brants Werk "Daß Narrenschyff ad Narragoniam" - oder kurz "Das Narrenschiff" - das 1494 erstmalig gedruckt wurde.

4 Bernatzky 1988: 214f.

5 Hamberger 2003: 47.

6 Bernatzky 1988: 214f; Demandt 2002: 250.

7 Smertka 2016: 37.

8 von Pückler-Muskau 1834: 274.

9 Gretzschel 2016: o. S.

10 Demandt 2002: 251f; Hamberger 2003: 48.

11 Stolz 2004: o. S.

12 Hamberger 2003: 49.

Dr.-Ing. Simon Rietz
Autor

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