Die Neuinterpretation des Osnabrücker Schlossgartens

Zurück in die Zukunft

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Bei der Neugestaltung des Schlossgartens in Osnabrück stand eine zentrale Frage im Raum: Wie können Gartendenkmäler ihre originären Geistes- und Gestaltungshaltungen als Spiegelbilder vergangener Gesellschaften und als historische Zeugnisse bewahren und sich dabei so umgestalten lassen, dass sie unseren heutigen Bedürfnissen Rechnung tragen?
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1 Harmonie durch Symmetrie – der Osnabrücker Schlossgarten. Foto: Hanns Joosten

Ein im Jahr 2017 von der Stadt Osnabrück ausgeschriebener freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb, den POLA Landschaftsarchitekten für sich entscheiden konnte, bildete die Grundlage zur Umgestaltung der in die Jahre gekommenen und in den 60er Jahren stark überzeichneten Park- und Gartenanlage. Aufgabe des Wettbewerbs war es, für den im Jahr 1674 vom französischen Gartenarchitekten Martin Charbonnier entworfenen Barockgarten aufzuzeigen, wie sich das 2,5 Hektar große Gelände ökologisch, funktional und denkmalgerecht so umgestalten lässt, dass es zu einem Ort persönlicher Identifikation und zum sozialen Interaktionsraum unterschiedlichster Alters- und Gesellschaftsgruppen wird und eine zentrale stadtgesellschaftliche Bedeutung erhält. Der Schlossgarten ist dabei aufgrund seiner Lage, Größe, Funktion und historischen Bedeutung der wichtigste innerstädtische Freiraum der Stadt Osnabrück.

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2 Entwurfsplan Schlossgarten. Abbildung: POLA Landschaftsarchitekten

Dabei galt es die im 17. Jahrhundert begonnene, fragmentarisch gebliebene Schlossgartengestaltung samt der in den letzten 340 Jahren durchgeführten Veränderungen zu bewerten und respektvoll weiter zu denken.

Sophie von der Pfalz, die damalige Hausherrin, schrieb einmal: "Ich stehe alle Morgen um sechs Uhr auf, dann beobachte ich die Soldaten, die unseren Garten vergrößern und ihn mit einem Kanal umgeben. Er ist noch nicht sehr schön, aber es freut mich, ihn fortschreiten zu sehen." Wie sich herausstellte, sollten weder Sophie noch das Schloss selbst die Vollendung des Gartens erleben. Als Kurfürstin Sophie von Hannover und Frau von Ernst August zog sie nach Hannover und machte sich wie ihr mitgereister Gartenarchitekt, der von nun an für die Weiterentwicklung der Herrenhäuser Gärten in Hannover mitverantwortlich zeichnen sollte, einen Namen.

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3 Inszenierte Wasserkunst barocker Repräsentation – das Schlossparterre. Foto: Hanns Joosten

Schnell war klar, dass es keine Rekonstruktion, sondern nur eine Neuinterpretation des seinerzeit beim Adel hochgeschätzten Barockgartens geben kann. POLA Landschaftsarchitekten wagte sich damit an die Transformation eines Gartentyps, der einst radikal modern und seiner Zeit weit voraus war, indem er auf mathematische Ausgewogenheit und vegetative Harmonie setzte. Die Berücksichtigung und Herausarbeitung der historischen Grundstruktur dieser wertvollen Garten- und Kulturanlage war dem Berliner Büro hierbei ein wichtiges Anliegen. Dabei galt es auch, den bestehenden Nutzungsdruck durch die Universität Osnabrück, den Wunsch der Stadt nach einem neuen großen Kinderspielplatz inmitten des Schlossgartens, sowie das alljährlich stattfindende "Schlossgarten Open Air" mit seinen über 10.000 Besuchern zu berücksichtigen.

POLA stellte die vorhandenen Schmuckbeete von einer aufwendigen und wenig nachhaltigen Wechselflorbepflanzung auf eine Pflanzung mit mehrjährigen Stauden und Gräsern um. Durch eine präzise Pflanzung von 35 Großbäumen konnte der Altbaumbestand von über 230 Bäumen unterschiedlicher Arten schattenspendend ergänzt und der Schlossgarten raumwirksam komplettiert werden.

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4 Neue Osnabrücker Gärten – die Schmuckbepflanzung im Schlossgarten. Foto: Hanns Joosten

Zum prägenden Element der Umgestaltung wurde das zentral zwischen Schloss und seiner großen Wiese gelegene Schlossparterre, mit einem von allen Seiten begeh-, erleb- und nutzbaren Wasserspiel. Mehrere Wasserspeier betonen den barocken Charakter von Schloss und Schlossgarten. Hier findet die verspielte Leichtigkeit des Barocks ihren ortsspezifischen Ausdruck. Das Schlossparterre, welches von der erhöht liegenden Schlossterrasse zu überblicken ist, bildet das neue Herz, den kommunikativen Mittel- und Treffpunkt des Schlossgartens.

Westlich des Schlossparterres befindet sich ganz im Sinne der gewünschten gartenhistorischen Neuinterpretation ein mittels einer Spielpergola gerahmtes Heckenboskett, ein Outdoor-Spielzimmer für Kinder bis zehn Jahren. Die Transformation der Pergola, eines seit der Antike bekannten und in der Renaissance wiederentdeckten Elementes klassischer Ziergärten, zu einem Spielgerät ermöglicht neben der gartenkünstlerischen Doppeldeutigkeit eine in Bezug auf die vorhandene Fläche überdurchschnittliche Vielfalt an Spielmöglichkeiten.

Vis-à-vis der Spielpergola, auf der östlichen Seite der Gartenanlage neben dem Mensavorplatz, wurde für Studierende und Lehrende der Universität Osnabrück eine Studierendenpergola samt Chillout Lounge, WLAN Access Point und Freiluft-Arbeitsplätzen geschaffen.

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5 Verspielte Strenge – die Spielpergola. Foto: Hanns Joosten
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6 Ein Spielzimmer im Freien – das Spielboskett. Foto: Hanns Joosten

Heute erscheint alles beim Alten und doch vollständig neu. Der zuweilen unbekümmert verspielte, streng ordnende, im Ansatz aber immer unprätentiös-minimalistische Umgang mit den Eingriffen in den denkmalgeschützten Bestand sowie die Einführung der Spiel- und Studierendenpergola in den Garten hat das Leichte mit dem Schweren und die Zukunft mit dem Vergangenen verbunden. "Als wäre alles schon immer so gewesen", äußerte eine Besucherin während eines Rundganges durch den 2020 wiedereröffneten Osnabrücker Schlossgarten. Treffender lässt sich der Erfolg der neuen Gartenanlage – die es 2021 als erstes landschaftsarchitektonisches Projekt überhaupt in der Geschichte der Verleihung des Niedersächsischen Staatspreises für Architektur in die engere Wahl schaffte – nicht beschreiben.

Schlossgarten Osnabrück

Projektdaten

Auftraggeber: Stadt Osnabrück
Vertreten durch: Osnabrücker ServiceBetrieb, Abt. Stadtgrün

Planung | Entwurfsverfasser: POLA Landschaftsarchitekten GmbH

Wettbewerb: 2017 - Freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb, RPW | 1. Preis

Planungszeit: 05/2017–2019

Bauzeit: 2020–2023

Fertigstellung: 10/2021 (Schlossgarten) 09/2023 Schlossterrasse und Mensavorplatz

Gesamtfläche: 27.000 m²

Baukosten (KG 200/KG 500): 2,5 Millionen EUR, netto

Fachplanung Wassertechnik: ifw Ingenieurbüro für Wassertechnik

am Bau beteiligte Firmen:

Garten- und Landschaftsbau: Wiebold Straßen- und Landschaftsbau GmbH

Wassertechnik: Boymann Garten- und Landschaftsbau GmbH & Co.KG

Spiel- und Studierendenpergola: Spiel-Bau GmbH, Brandenburg a .d. Havel

Dipl.-Ing. Jörg Michel
Autor

POLA Landschaftsarchitekten - Neue Schönhauser Straße 16

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