Ein Beispiel aus Karlsruhe Südost

Der Prozess einer großräumigen Stadtreparatur

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Karlsruhe Freiraumplanung
Entwicklungsstand 2011: im Vordergrund das Schloss Gottesaue mit dem Ostauepark, links das Kleingartenband und in der Bildmitte das neue Wohnquartier mit dem Stadtpark und der neuen Stadteinfahrt. Foto: Aurelis

Der fächerförmige Planstadtgrundriss Karlsruhes setzte die 1715 in den Hardtwald gegründete Stadt in ein spannungsvolles Beziehungsgefüge zu den neu entstandenen höfischen Gärten und zur umgebenden Landschaft. Diese planerische Leitidee haben die nachfolgenden Planergenerationen aufgenommen und auch heute arbeiten wir in dieser Kontinuität weiter.

So entstanden im 19. Jahrhundert der aus bürgerschaftlichem Engagement hervorgegangene Stadtgarten und ab 1970 mit der Günther-Klotz-Anlage ein dritter Park im Westen der Karlsruher Kernstadt. Damit konnte, ergänzt durch ein Geflecht aus Grünverbindungen und kleineren Quartierparks, eine nahezu optimale Grünversorgung der innerstädtischen Quartiere erreicht werden. Allerdings verblieb im Osten, der in weiten Teilen durch großflächige Bahnanlagen sowie durch heterogene, zum Teil aufgelassene Gewerbe- und Industrieanlagen geprägt war, ein gravierender Mangel an öffentlichen Freiraumangeboten.

Über den nun nahezu drei Jahrzehnte laufenden städtebaulich-grünplanerischen Planungs- und Umsetzungsprozess mit dem Ziel einer Neuordnung der östlichen Kernstadt Karlsruhes wird im Folgenden berichtet.

Vorbereitende Wettbewerbe - vom Stadtteilpark zum vernetzten Stadtpark

1977 beschloss das Land Baden-Württemberg, die Ruine des 1588 errichteten Renaissanceschlosses Gottesaue als Musikhochschule Karlsruhe wieder aufzubauen. Dies war gleichzeitig die Initialzündung für eine städtebauliche Neuordnung des Schlossumfeldes. Das einst in einer Auelandschaft zwischen Durlach und der sich ab 1715 entwickelnden Stadt Karlsruhe gelegene Schlossareal wurde ab dem 19. Jahrhundert vollständig von städtischen Infrastrukturen wie dem Schlacht- und Viehhof, dem Gaswerk und der KFZ-Zulassungsstelle umbaut und verlor dadurch seine stadträumliche Einbindung.

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Das innerstädtische Grünsystem des aus dem Planstadtgrundriss abgeleiteten Karlsruher Grünen Fächers. Rechts ist die frühere Nutzung des Neuordnungsgebiets unterlegt. Grafik: Gartenbauamt Karlsruhe

Ein gemeinsam von Stadt und Land 1983 ausgelobter Städtebaulicher Ideenwettbewerb ergab dann die weiterführende Idee, das Schloss wieder mit einer zeitgemäß als Stadteilpark gestalteten und ausgestatteten "Aue" zu umgeben, die weite Teile des aufzugebenden Schlacht- und Viehhofgeländes beanspruchen sollte.

Anfang der 80er Jahre kündigte die damalige Deutsche Bundesbahn die Schließung des Bundesbahnausbesserungswerkes an der Nahtstelle zwischen der Südstadt und der Oststadt an. Mit dieser Entscheidung gingen viele Arbeitsplätze verloren, es bot sich aber gleichzeitig die einmalige Chance, ein nahezu 160 Hektar großes, unmittelbar östlich an die Innenstadt angrenzendes industriell geprägtes Areal städtebaulich-grünplanerisch neu zu formen. Politisch wurde zudem die Bewerbung um die Ausrichtung einer weiteren Bundesgartenschau in Erinnerung an die erfolgreiche Veranstaltung von 1967 ins Gespräch gebracht.

In einem zweistufigen, europaweit ausgelobten Wettbewerbsverfahren wurden von der Stadt Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn 1992 städtebaulich-landschaftsplanerische Ideen und dann 1993 Ideen- und Realisierungsvorschläge für eine Bundesgartenschau 2001 nachgefragt. Das Umfeld um das Gottesauer Schloss war erneut Teil der Aufgabenstellung, da nun über die Oststadt hinausreichende freiraumplanerische Fragestellungen in wesentlich größeren Dimensionen anstanden, die ein Hinterfragen der bisherigen Planungsziele notwendig machten. Immerhin fehlten im unmittelbaren Umfeld des Auslobungsgebiets etwa 35 Hektar öffentliche Grünflächen! Auch die Möglichkeiten einer Vernetzung mit bestehenden Grünräumen wie dem Alten Friedhof, einer fast bis an den Hauptbahnhof reichenden Kleingartennutzung und dem Südstadtgrünzug waren zu klären. Weitere Fragestellungen bildeten die Erweiterung der Südstadt um neue Wohnstandorte und Dienstleistungsangebote, die Weiterentwicklung der Musikhochschule, die Nachnutzung des inzwischen in weiten Teilen denkmalgeschützten Schlacht-Viehhofareals und schließlich die maßvolle Einbindung einer neuen Stadteinfahrt zur Entlastung der Durlacher Allee, die die Oststadt in belastender Weise zerschnitt.

Die Konzeption der Karlsruher Stadtplaner Rossmann + Partner mit Landschaftsarchitekt Karl Bauer überzeugte in beiden Wettbewerbsstufen mit ihrer klaren, vernetzten Freiraumstruktur in der Typologie eines klimatisch bis an den Rand der Innenstadt wirksamen Grünkeils sowie mit ihrer wie selbstverständlich weiterentwickelten Blockstruktur der Südstadt (S. 23 unten). Vorgeschlagen wurden drei Parkteile mit zusammen etwa 35 Hektar Fläche: der "Stadtpark" auf dem Bahnareal in unmittelbarem Kontakt zum neuen Wohnquartier, der "Ostauepark", nun in seinen vergrößerten Dimensionen als überzeugend spürbare Aue um das Schloss Gottesaue und die aufzuwertende Kleingartenanlage entlang der Stuttgarter Straße. Für die Erweiterung der Musikhochschule schlugen die Verfasser eine rechteckige Struktur aus bestehenden und neu zu errichtenden Gebäuden vor, die sich an der barocken Phase des Schlossumfeldes orientiert. Nördlich des Schlosses sollte ein Grünkeil wie ein grünes Fenster die Oststadt an die neuen Parkräume anbinden.

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Blick in den westlichen Teil des Stadtparks mit der erhöht gelegenen Esplanade und der neuen Randbebauung entlang der Stadteinfahrt. Foto: Thomas Henz
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Bereits in der ersten Ausbaustufe wird die Weite des Ostauepark spürbar (ehemals Gaswerkgelände). Foto: Thomas Henz

Der Weg zum Planungsrecht

Auf der Grundlage des Wettbewerbsergebnisses erarbeitete die Verwaltung einen Rahmenplan, dessen Inhalt in fünf Bebauungsplanverfahren bereichsweise konkretisiert wurde. In diese Zeit fiel die Umstrukturierung der Bahn in selbständig agierende Geschäftsbereiche. Der Ausnutzungsgrad der bahneigenen Grundstücke, insbesondere das Verhältnis von Freiflächen zu bebaubaren Grundstücken wurde verschärft diskutiert und der Stadtpark in seiner geplanten Dimension infrage gestellt. Schließlich legte die DB-AG einen alternativen Planentwurf mit einem rudimentären Freiraum vor. Im weiteren Planungsprozess konnte die Stadt jedoch den Park sichern, allerdings verbunden mit der Zusage einer stärkeren Ausnutzung der Baugrundstücke. In diesem Zusammenhang entstand die Idee, entlang der geplanten Stadteinfahrt eine Zeile mit Dienstleistungsnutzungen zu entwickeln, die mit einer erhöht geführten Promenade den Park nach Norden zum Verkehr hin abschirmt. Über einen städtebaulichen Vertrag wurde schließlich die Umnutzung des ehemaligen Ausbesserungswerkes geregelt: Die Stadt Karlsruhe schafft das Planungsrecht über einen Bebauungsplan, die DB-AG erstellt die Erschließungsanlagen und den Stadtpark auf eigene Rechnung und übergibt diese anschließend an die Stadt.

Inzwischen sind mit Ausnahme des Kleingartenareals, in dem eine schwierige Altlastenthematik ansteht, alle Bereiche des Rahmenplanes planungsrechtlich abgesichert und die für öffentliche Nutzungen vorgesehenen Grundstücke von der Stadt erworben worden.

Stand der Realisierung

Ostauepark (13 Hektar)

Die gewerblichen und industriellen Nutzungen um das Schloss Gottesaue sind inzwischen weitestgehend rekultiviert worden und die beabsichtigte Weitläufigkeit des neuen Parks wird spürbar. Neben temporär wechselnden Kunstinstallationen und einem Veranstaltungszelt für die städtische Kinder- und Jugendarbeit bietet die Ostaue Aktivitätsangebote für Kinder und Jugendliche, unter anderem eine Skaterbahn und Ballspielplätze. Nach der Verlagerung eines Busdepots werden in den kommenden Jahren ein betreuter Aktivspielplatz und weitere Spielangebote folgen. Ob künftig der geplante See oder Wasser in einer anderen Form angeboten wird, ist unter anderem abhängig vom Aufwand der Altlastensanierung aus den Vornutzungen des Geländes.

Die hofartige Umbauung des Gottesauer Schlosses mit Funktionsgebäuden für die Musikhochschule wird in diesem Jahr in großen Teilen fertig gestellt sein und dann den Rahmen für einen zweigliedrigen Hochschulcampus bilden, der wie eine Insel im Ostauepark liegt.

Auf dem ehemaligen Schlachthofgelände entwickelt sich zur Zeit ein Kreativpark mit Raumangeboten für alternative Kulturangebote und kreatives Gewerbe in denkmalgeschützten und neu hinzugefügten Bauten. Der angrenzende Park bietet weitere Potentiale für Außenaktivitäten.

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Das Wettbewerbsergebnis 1992 mit den drei Parkteilen und der Südstadterweiterung, die im Osten durch einen verlängerten Schlossstrahl begrenzt wird. Entwurf: Rossmann + Partner mit Karl Bauer

Stadtpark (10 Hektar)

Der Park ist zoniert in einen hainartigen Baumgürtel am südlichen Rand des neuen Wohngebietes mit Spielarealen und den Außenanlagen für die neue Quartiersschule, in einen zentralen, offenen Wiesenraum und in die erhöht gelegene "Esplanade", die von einem Wasserkanal begleitet wird. Von dort bieten sich Ausblicke in das neue Quartier, über die Freiräume und auf die Schwarzwaldausläufer am östlich Rand der Stadt. Die Promenade, unter der sich die Tiefgaragenstellplätze der Randbebauung zur Stadteinfahrt befinden, beginnt mit einer Wassertreppe am östlichen Rand der Innenstadt und wird künftig über eine Brücke in den Ostauepark überbinden. Von dort ist mittelfristig eine Grünverbindung bis in den Stadtteil Durlach, der am Rand der Vorbergzone liegt, vorgesehen. Voraussichtlich 2014 wird der überwiegende Teil des Parks in etwa zeitgleich mit dem Abschluss der Bautätigkeit im Wohnquartier der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Damit kann die im städtebaulichen Vertrag vereinbarte Herstellung "Zug um Zug" weitgehend erfüllt werden. Es steht

dann nur noch die Verlagerung einer im östlichen Teil des Stadtparks gelegenen Tennisanlage aus.

Südstadterweiterung (Zielwert 5000 bis 6000 Einwohner)

Die festgesetzte hohe Ausnutzungsziffer (GFZ über 3) bedingt eine nahezu vollständige Unterbauung der Grundstücke mit Tiefgaragen. Bei den zuerst realisierten Baufeldern mussten deshalb umfangreiche Nebenanlagen wie Fahrrad- und Müllunterstände im Blockinnenbereich untergebracht werden. Bemerkenswert ist allerdings der Entwicklungsprozess bei der weiteren Vermarktung der Bauprojekte, die zu etwa zwei Drittel als Eigentumswohnungen erstellt werden. Den anfänglich dicht überbauten Blöcken mit einem eher mäßigen Erscheinungsbild stehen nun im östlichen Teil Baufelder gegenüber, die, zum Teil in offener Bauweise als Stadtvillen ausgeformt, die Nutzungsziffern des Bebauungsplanes nicht mehr ausschöpfen. Eine differenziertere Baukörpergestaltung und durchweg begrünte, großzügig gestaltete Innenhöfe prägen dort das Quartiersbild. Eine gestalterische Konstante bilden die ausreichend breit dimensionierten öffentlichen Straßenräume, die alle mit mindestens einer Baumreihe ausgestattet sind.

Stadtgestalterisch erfüllt die Südstadterweiterung nicht die an sie gesetzten Erwartungen. Auch die Ausformung des engeren Wohnumfeldes und die Bauökologie bleiben hinter den Potentialen des Standortes zurück. Zudem erinnern leider nur noch die Kantine des Ausbesserungswerkes aus den 1930er Jahren - heute Bürgerzentrum - und der Wasserturm an die frühere Bahnbetriebsnutzung. Auch die Freiraumgestaltung hat diesen Bezug nur punktuell thematisiert.

Aufgrund der hohen Nachfrage nach innerstädtischen Wohnstandorten wird sich das Gebiet bald nach nur achtjähriger Bauzeit, und damit deutlich schneller als prognostiziert, gefüllt haben.

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Über das "grüne Fenster" wirkt das Schloss Gottesaue bis in die Oststadt hinein (ehemals gewerbliche Nutzungen). Foto: Helmut Kern

Neue Stadteinfahrt

Die Bebauung entlang des von vier Lindenreihen gesäumten Stadtboulevards entwickelt sich ebenfalls deutlich schneller als erwartet. Die dort entstehenden Dienstleistungsnutzungen, ergänzt durch Wohnen, profitieren von der innerstädtischen Lage am Park und zugleich von der direkten Anbindung an die Autobahn. Unter Einhaltung der vorgegebenen Bauflucht und Traufhöhe entstehen dort individuell gestaltete Baukörper in einer mitunter eigenwilligen Architektursprache. In der Mitte des Boulevards verläuft im Rasengleis eine neue Straßenbahntrasse, die auch Teile des Stadtparks und des Ostaueparks durchläuft und an das Netz der Innenstadt anbindet. Die Einbindung der Bahnanlagen mit ihren Oberleitungen in die neu entstehende Parklandschaft bildet eine der gestalterischen Herausforderungen des Gesamtprojektes.

Kleingartenanlage Stuttgarter Straße (12 Hektar)

Als innenstadtnächstes Gartengebiet hat das Areal traditionell eine besondere soziale Bedeutung insbesondere für die multikulturell geprägte Südstadt mit ihrer hohen Wohndichte. Die bisherige planungsrechtliche Ausweisung für eine bahnbezogene Sondernutzung führte zu Unsicherheiten, die sich im unbefriedigenden Erscheinungsbild ausdrücken. Inzwischen konnte die Stadt das Gelände erwerben und nun ist der Weg frei für eine behutsame Neuordnung, die auch den besonderen ökologischen Wert dieses Standorts mit seinem artenreichen Baumbestand auf der Bahnböschung berücksichtigen wird.

Fazit

Der Stadtentwicklungsprozess Karlsruhe Südost ist das Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten sowie des Zusammenspiels einer zielorientierten, beharrlichen Grünplanung mit einer konsequenten Stadtplanung. Auf Augenhöhe haben beide Planungsdisziplinen bei komplexen und schwierigen Rahmenbedingungen eine großzügige Konzeption auf den Weg bringen, planungsrechtlich absichern und inzwischen weitgehend realisieren können. Mit der endgültigen Fertigstellung der Maßnahmen in den kommenden Jahren wird die östliche Kernstadt Karlsruhes Wohn-, Arbeits- und Freizeitqualitäten aufweisen, von denen man zu Beginn des Prozesses kaum zu träumen gewagt hatte. Auf bislang weitestgehend versiegelten Flächen konnten großzügige Grünareale für die Bevölkerung und für die Stadtökologie zurück gewonnen werden, die nun im Verbund mit den vorhandenen Parkanlagen die innerstädtischen Quartiere optimal versorgen.

Auch ohne die zweifellos befördernden Wirkungen, aber zugleich auch einschränkenden Komponenten einer Bundesgartenschau, geht dieses Projekt ohne gewichtige Abstriche seinen Weg, wenn auch mit einem gewissen zeitlichen Verzug. Dies ist nicht zuletzt auch Ausdruck des über Jahrzehnte kontinuierlichen politischen Willens, dieses für die Karlsruher Stadt- und Standortentwicklung bedeutende Vorhaben umzusetzen. Eines von mehreren Geschenken, das die Stadt ihrer Bevölkerung 2015 zum 300. Stadtgeburtstag machen kann und das dazu beiträgt, die Stadt zukunftsfähig zu machen.

Autor

Garten- und Landschaftsarchitekt

Stadt Karlsruhe

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