Gartenschau Freyung im Bayerischen Wald mit Blick in die Ferne
Wald. Weite. Wunderbar?
von: Dipl.-Ing. Christian LodererAustragungsort Freyung
Nachdem ein Volksentscheid Anfang 2016 die Austragung der bereits nach Traunstein vergebenen Gartenschau für 2022 stoppte, wurde ein neuer Veranstaltungsort gesucht. Die Stadt Freyung nutzte diese Chance und bewarb sich für das Format einer kleinen Gartenschau "Natur in Freyung 2022". Inzwischen wird dieser Unterschied nicht mehr gemacht. Zukünftig werden in Bayern jährlich Landesgartenschauen in unterschiedlicher Größenordnung und Dauer stattfinden.
Die Beauftragung der Planungen für den Kernbereich erfolgte nach der Durchführung eines offenen freiraumplanerisch-hochbaulichen Wettbewerbs Ende 2017 für den erweiterten Bereich erst im Frühjahr 2019. Der Zeitplan war also von Anfang an knapp bemessen. Bedingt durch die Auswirkungen der Pandemie musste die Austragung schließlich auf das Jahr 2023 verlegt werden. Lieferengpässe und Kostenexplosionen beim Baumaterial aber auch das Fehlen von Mitarbeitern durch Krankheit und durch die zeitweise geschlossenen Grenzen wirkten sich für die ausführenden Firmen in der Grenzregion besonders negativ aus.
SUG-Stellenmarkt
Freyung hat gut 7000 Einwohner und ist Kreisstadt des Landkreises Freyung-Grafenau im Regierungsbezirk Niederbayern. Die Stadt liegt im Dreiländereck Bayerischer Wald nahe an der Grenze zu Tschechien und Österreich. Sie sieht sich in einer Vorreiterrolle um den ländlichen Raum zu stärken. Die vor einigen Jahren neu gestaltete Innenstadt ist lebendig und verfügt über einen vielfältigen Einzelhandel, einen Supermarkt und sogar ein Kino. Seit mittlerweile fünf Jahren läuft das Modellprojekt "FreYFahrt" das beweisen soll, dass Rufbussysteme auch außerhalb von Metropolen funktionieren. 2019 wurde eine Volksmusikakademie eröffnet, für 2026 erfolgte bereits der Zuschlag für die Durchführung der Bayerischen Landesausstellung. Die Gartenschau fügt sich also in ein umfassendes Konzept der Stadtentwicklung.
Standort Geyersberg gestern und heute
Der Geyersberg ist ein Stadtteil Freyungs. Von einer mittelalterlichen Höhenburg ist nichts erhalten. Noch heute existieren aber einige landwirtschaftliche Höfe aus dem frühen 19. Jahrhundert. In den 1970er Jahren boomte der Tourismus im Bayerischen Wald. In kurzer Zeit entstanden am und um den Geyersberg rund 3000 neue Urlauberbetten. Damals wurden im Stil der Zeit der Ferienpark, eine Apartmentanlage aus mehreren Hochhäusern mit rund 400 Wohnungen, die GESA-Klinik - eine frühere Kurklinik die ursprünglich als Luxushotel geplant wurde - sowie die Bavaria-Klinik gebaut.
Mit der Zeit ließ die Attraktivität des Standortes nach. 1999 schloss die GESA-Klinik da die Nutzung als Reha-Klinik nicht mehr rentabel war. Das Gebäude konnte kurz vor der Gartenschau abgerissen werden. Der Ferienpark wird seit Jahren immer weniger für touristische Zwecke genutzt. Die Freizeiteinrichtungen wie ein vorhandener Spielplatz oder eine Minigolfanlage waren nicht mehr zeitgemäß. In den letzten Jahren erlebte der Winterurlaub auf dem Geyersberg eine Renaissance. Ein Skilift vom Tal auf den Geyersberg und Übungslifte zum Gipfel wurden wieder intensiv genutzt. Das Skivergnügen vor der Haustüre erscheint vielen ökologisch vertretbarer als die Fahrt in weit entferne Skigebiete. Doch der Klimawandel wird auf absehbare Zeit sicher auch hier neue Ideen für die Wintersaison erfordern.
Nach der vom Büro lohrer.hochrein aus München erarbeitete Machbarkeitsstudie soll der Geyersberg mit Hilfe der Gartenschau nachhaltig als zukunftsweisender touristischer Standort und Naherholungsgebiet entwickelt werden.
Die gestalterischen Hauptelemente des Höhenparks
Wiesenpark
Die Kuppe des Geyersbergs ist geprägt durch raumbildende Waldkanten und einen zentralen, offenen und langgestreckten Wiesenbereich. Anders als im ursprünglichen Bewerbungskonzept vorgesehen, wollten wir die zentralen Einrichtungen nicht durch eine von uns als zerschneidend empfundenen "Promenade" verbinden, sondern setzten auf das Gegenkonzept: die freie Mitte. In einem an den Wettbewerb anschließenden Vergabeverfahren konnten wir schließlich mit dieser Idee überzeugen. Der dadurch entstehende, durchgängige Wiesenpark wird zukünftig extensiv landwirtschaftlich genutzt. Der Erhalt der Offenfläche ist für die Landschaftspflege und die Artenvielfalt von großer Bedeutung. Zum Wald hin wurden über gezielte Artenanreicherungen blühende Magerrasensäume entwickelt. Erschlossen wird der Bereich durch den Wiesensteig, einen Wanderweg am Waldrand. Er umschließt die mittige freie Fläche und bindet alle wichtigen Freizeiteinrichtungen.
Terrassen
An dieser freien Mitte wurden zwei Terrassen angeordnet. Sie geben dem Park Halt und Orientierung und inszenieren die Aussicht. Die "Terrasse am Burgberg" erinnert an die nicht mehr existierende mittelalterliche Burg und rahmt den zukünftigen Hotelstandort. Die gegenüberliegende "Terrasse am Ferienpark" bildet gleichzeitig den Raum für ein in den Hang geschobenes, zweigeschossiges Tiefgaragenbauwerk. Die Fassaden der Terrassen bestehen aus markant gefalteten Fassadenelementen die an Felsformationen erinnern. Mathias Gussmann vom Büro Gussmann Atelier und Architekt der Tiefgarage am Geyersberg nutzte beim Holzschutz eine traditionelle aber in unserer Region - zu Unrecht - in Vergessenheit geratene Technik: Durch die Karbonisierung der Hölzer, also dem gezielten Flammen der Holzlamellen entstehen ohne den Einsatz von chemischen Mittel ein langlebiger Witterungsschutz. Eine dritte Terrasse an der Bergglashütte soll im Rahmen der noch nicht realisierten Erweiterung entstehen.
Durch die Tiefgarage konnten die großflächigen offen Parkplatzflächen verschwinden. Der entstehende zentrale Wiesenbereich zwischen den Terrassen wurde weitgehend eben gestaltet und kann temporär als Festwiese für Veranstaltungen genutzt werden. Der anschließende Hang bildet eine natürliche Tribüne.
Waldpark und Waldgärten
Der Wiesenpark wird beidseitig gesäumt durch Waldbereiche. Durch eine nachhaltige Bewirtschaftung, und Entwicklung des Waldes können seine ökologischen Qualitäten und Klimaresilienz verbessert werden. Im westlichen Bereich befinden sich zur Gartenschau die Waldgärten in denen Ausstellungsbeiträge rund um das Thema Umwelt- und Naturschutz informieren. Der existierende Rundweg durch den Waldpark wurde auf der westlichen Seite des Geyersberges ergänzt. Entlang des Waldsteigs bilden möblierte Aufweitungen an Aussichtspunkten und besonderen Orten Rastplätze. Zusammen mit dem Wiesensteig fügt er sich in ein übergeordnetes Netz aus Geh- und Radwegen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden ein.
Aktivpark
Während der östliche Waldbereich vorrangig dem Arten- und Biotopschutz dient und frei von intensiven Freizeitnutzungen bleibt, wird der westliche Teil zum Aktivpark. Wir haben dabei den zunehmenden Wunsch nach aktiver Freizeitgestaltung inmitten der Natur aufgegriffen. Auch die ältere Generation ist zunehmend aktiv und anspruchsvoll. Für die daraus entstehenden Bedürfnisse wurden neue und innovative Angebote geschaffen.
Das Herzstück des Aktivparks ist ein Kletterspielplatz mit Spiel- und Aktionselementen, die das "Bergsteigen" thematisieren. Der Schwierigkeitsgrad der Kletter- und Spielangebote steigt mit zunehmender Höhenlage. Ausgangspunkt für ein Bergabenteuer ist die vorhandene "Berghütt`n" mit Restaurant und Skischule. Von hier geht es auf die begrünten Terrassen auf dem Dach der neuen Tiefgarage am Geyersberg. Dort finden vor allem kleinere Kinder Spielbereiche mit Kletter- und Sandspiel. Ein sich schlängelnder Weg führt die Besucher hinauf zur "Kletterwolke", einer markanten und weithin sichtbaren Kletterlandschaft am Waldrand. Die Firma KuKuk aus Stuttgart gewann einen separat ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung und Realisierung dieser besonderen Kletterskulptur.
Von dort führt der Weg zur "Nordwand" mit gefalteten Kletterwänden aus großen, speziell in den Hang eingepassten Betonelementen. Zielpunkt ist schließlich die "Alm", eine aufgewertete Spiel- und Veranstaltungswiese am Gipfel. Das Almgebäude wurde vom Architekturbüro ppp Planungsgruppe aus Freyung als moderne Berghütte konzipiert. Eine kleine Küche, öffentliche Toiletten und ein Versammlungsraum schaffen einen vielfältig nutzbaren Treffpunkt.
Von dort führt der Aufstieg zur "Nordwand". Sie besteht aus kristallinen Kletterwänden, die aus großen Betonelementen speziell in den Hang eingepasst wurden. Ziel des Aufstiegs ist schließlich die "Alm", eine Spiel- und Veranstaltungswiese am Gipfel. Das Almgebäude wurde vom Architekturbüro ppp Planungsgruppe aus Freyung als moderne Berghütte konzipiert. Eine kleine Küche, öffentliche Toiletten und ein Versammlungsraum schaffen einen vielfältig nutzbaren Treffpunkt.
Bewegungsparcours
Im Übergangsbereich zum Ferienpark runden die Trainingsstationen des Bewegungsparcours das Angebot ab. Im Wald oberhalb des Ferienparks gelegen bietet er allen Altersgruppen mit und ohne Einschränkungen Trainingsoptionen an der frischen Luft an. Diese reichen von Angeboten für Koordination und Beweglichkeit bis hin zu besonders herausfordernden Trainingseinheiten beispielsweise an der Calisthenicsanlage. Die Stationen des Bewegungsparcours können zusammen mit den Spiel- und Bewegungsangeboten des Aktivparks beliebig zu einem individuellen Trainingsplan kombiniert werden. Das Wegenetz im Waldbereich wurde saniert und regt zur aktiven Erholung, zum Nordic Walking oder zum "Waldbaden" an.
Gärten am Burgberg
Heute ist eine neue Heimatverbundenheit spürbar, der Wunsch nach festem Boden unter den Füßen. Erfolge von Zeitschriften wie "Landlust" zeigen seit Jahren das wachsende Bedürfnis nach Naturverbundenheit und Naturerleben. Wir entdecken unsere Liebe zum Authentischen, zum "Echten". Regionale Eigenheiten werden daher als Leitmotiv der Gartenschau herausgestellt: die herrliche Natur- und Kulturlandschaft des Bayerischen Waldes, traditionelles Handwerk wie die Glasbläserei, Bräuche und die regionale Küche. Die Gärten am Burgberg stehen deshalb unter dem Leitmotiv der Regionalität.
Die kristallingeformten Gartenparzellen sind mit regionalen Materialien, vor allem Holz und Naturstein, gestaltet. In den Beeten präsentieren sich Partner aus der Umgebung. Ein Gesteinspfad zeigt die vorkommenden Gesteine und deren Bearbeitungsformen. Ein Staudenband zieht sich durch alle Gärten und bildet gleichzeitig eine Entwässerungsmulde. Streuobstbäume im Hang und in den Gärten zeigen robuste Arten und Sorten für die Höhenlage. Über den "Walderlebnissteg" erreicht man die östlichen, am Waldrand gelegenen Gärten. Sie spielen mit der regionalen Pflanzenwelt und rücken dabei verschiedene Themen wie Gräser, Blattschönheiten oder den "essbaren Wald" in den Mittelpunkt. Der "Goldene Wald" erinnert an den hier verlaufenden Goldenen Steig, einem wichtigen Handelsweg der im Mittelalter Böhmen mit der Donauregion verband.
Während der Gartenschau wird der Standort für ein zukünftiges Hotel als Ausstellungsbereich zwischengenutzt. Die ebenfalls kristallfömig gestalteten Bereiche bekommen durch Wände aus gestapelten Holzscheiten eine räumliche Struktur. Neben dem Herausstellen regionaler Eigenheiten soll in den Beiträgen und Themengärten beispielhaft dargestellt werden, wie moderner, aktiver und interaktiver Naturschutz mit attraktiven Angeboten zur Erholungsnutzung in Einklang gebracht werden können.
Grünes Band
Das Gelände des östlichen Waldparks ist überwiegend im Eigentum des Ferienparks, bestehend aus zwei Eigentümergemeinschaften mit rund 400 Eigentümern. Diese konnten in intensiven Gesprächen und Beteiligungen dafür gewonnen werden, die Freiflächen langfristig an die Stadt zu verpachten. Damit war auch die Realisierung des "Grünen Bandes" möglich.
Vorwiegend heimische, robuste Stauden und Gehölze begleiten den Besucher vom zentralen Wiesenpark durch die Vorbereiche des Ferienparks. Der bisher private Weg konnte ins Rundwegenetz einbezogen werden. Die Erschließung wurde als Shared Space neugestaltet, die Zuwege zu den Gebäuden konnten barrierefrei errichtet werden. Aufenthaltsbereiche mit Sitzgelegenheiten inszenieren die Ausblicke in die Umgebung. Von der Neugestaltung wird sicher auch der Ferienpark profitieren. Die Wiedereröffnung eines langen geschlossenen Restaurants in den Gebäuden stimmt optimistisch.
Was bringt die Zukunft?
Die Gartenschau ist eine Wette auf die Zukunft des Standortes. Vor allem den Auswirkungen der Pandemie ist es geschuldet, dass einige Projekte wie ein sicher geglaubter Hotelneubau auf dem Gelände der abgerissenen Klinik oder die von den Eigentümern versprochene Erweiterung der Bergglashütte zu einem spektakulären Glasmuseum bisher nicht realisiert wurden. Im Herbst 2022 musste sogar die am Fuß des Geyersbergs liegende Klinik Bavaria ihre Pforten schließen. Die zukünftige Nutzung des großen Gebäudekomplexes ist ungewiss.
Gerade deshalb ist die Gartenschau ein Glücksfall für Freyung und kann der erhoffte "Gamechanger" werden: Urlaub in der Region boomt. Statt Fernreisen ist die "Sommerfrische", also die Erholung in der Region, wieder angesagt. Ein zunehmendes Umweltbewusstsein verstärkt vermutlich diesen Trend.
Der Geyersberg ist ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen in die umgebende Landschaft. Der Bergsteiger-Spielplatz mit der spektakulären Kletterwolke wird sicher ein langfristiger Anziehungspunkt für Familien. Zu hoffen ist, dass vor allem durch bürgerschaftliches Engagement auch die Gärten am Burgberg langfristig intensiv genutzt und entwickelt werden.
Der Geyersberg mit seiner facettenreichen Natur, seinen grandiosen Ausblicken und seinen neuen Aktions- und Erholungsangeboten hat das Potenzial, wieder zu einem Sehnsuchtsort zu werden: Der Sehnsucht nach einem Leben in Einklang mit der Natur. Wald. Weite. Wunderbar!
Auftraggeber
- Freyung 2023 gGmbHGeschäftsführung:
Claudia Lenz und Katrin Obermeier, Stadtplatz 1, 94078 Freyung
Projektbeteiligte
- Planung Freianlagen:
plancontext gmbh landschaftsarchitektur, Greifenhagener Straße 39, 10437 Berlin - Ausschreibung, örtliche Bauüberwachung Freianlagen:
Großberger Beyhl Partner Landschaftsarchitekten mbB, Kaflerstraße 15, 81241 München - Hochbau (Tiefgarage):
GATE Gussmann Atelier, Am Lokdepot 6, 10965 Berlin - Umweltbaubegleitung:
Team Umwelt Landschaft, Am Stadtpark 8, 94469 Deggendorf - Wechselpflanzungen:
Hanne Roth, Freie Landschaftsarchitektin, Stauferstraße 37, 85051 Ingolstadt - Projektsteuerung:
HSP Projektmanagement und Beratung GmbH, Werkstraße 12, 84513 Töging - Verkehrsplanung, Tragwerksplanung:
Wolf Ingenieurbüro GmbH, Freudenhain 10, 94481 Grafenau - Spielbereich "Kletterwolke" (Planung und Umsetzung):
KuKuk GmbH, Rosenwiesstraße 17, 70567 Stuttgart
Ausführende Firmen Freianlagen, Verkehrsanlagen
- Mathias Bauer GmbH, Bahnhofstraße 19, 94051 Hauzenberg
- Haderstorfer GmbH, Albing 2, 84030 Ergolding
- RK Landschaftsbau Neuenmarkt GmbH, Wirsberger Straße 17, 95339 Neuenmarkt
- Paulik OHG, Speltenbach 25A, 94078 Freyung
- Karl Bachl Hoch und Tiefbau GmbH Co. KG,
- Deching 3, 94133 Röhrnbach
- Huber Landschaft, Offersdorf 12, 93485 Rimbach