Eine Untersuchung am Beispiel der Gutsanlage Noer in Schleswig-Holstein
Wege im Landschaftsgarten des 19. Jh.
von: M. Sc. Martin JeschkeDie folgende Untersuchung von Wegen im Landschaftsgarten entstand während des Seminars des Masterstudiengangs "Gartenarchitektur und Gartendenkmalpflege" der Hochschule Neubrandenburg im Oktober 2010¹). Unter der Leitung von Prof. Dr. Marcus Köhler und in Zusammenarbeit mit ehemaligen Absolventen des Fachbereichs und Frau Dr.-Ing. Margita Meyer, Gartendezernentin im Landesamt für Denkmalpflege (Kiel), fand das Seminar mehrere Jahre in Folge, in verschiedenen Bereichen der denkmalgeschützten Gutsanlage Noer statt. Der Ort Noer liegt in Schleswig-Holstein im Kreis Rendsburg-Eckernförde, etwa zehn Minuten von der Eckernförder Bucht entfernt und 15 Kilometer nördlich von Kiel.
Der 15 Hektar große und zum Teil stark überkommene Park ist Teil der Gutsanlage. Das barocke Herrenhaus sowie der Marstall und das Inspektorenhaus fungieren heute als Jugendbildungs- und Begegnungsstätte. Seit 1960 ist die Schleswig-Holsteinische Gesellschaft für Einrichtungen der Jugendpflege e. V. Träger des seit dem 15. Jahrhundert bestehenden Gutes. Richtungweisend für die vorgenommenen Eingriffe und forschenden Tätigkeiten war die ebenfalls 2010 vorgelegte Master-Thesis "Dokumentation und Bewertung des historischen Gutsparks zu Noer" von Dipl.-Ing. Dirk Schmitz. Ein nachvollziehbarer gartendenkmalpflegerischer Leitzustand wurde in dieser Arbeit für den Zeitraum von 1840 bis 1870 bestimmt. Ziel des Seminars war die praktische Pflege überkommener gärtnerischer Gestaltungen des Landschaftsgartens in ausgewählten Parkbereichen. Neben den Arbeiten an Gehölzrändern und erhaltenen Clumps sollte auch die Situation der historischen Wege im Gutspark untersucht werden. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe²) "Wege" sind im folgenden Text zusammengefasst.
SUG-Stellenmarkt
Wege im Landschaftsgarten
Durch die Verbindung von Natur und Gestaltung ergibt sich für die Wege im Landschaftsgarten eine Sonderstellung. "Der ursprüngliche Weg entwickelte sich aus dem getretenen Pfad, den der tastende Fuß des Menschen als Verbindung zweier Punkte fand"³). Die Verbindung "zweier Punkte" durch einen Weg erfolgt günstigster Weise so gerade wie möglich, um dem Zweck des schnellen Ankommens gerecht zu werden. Hier beginnt die Sonderstellung der Wege im Landschaftsgarten. An diesen Orten ist keine Eile geboten, Besitzer oder Besucher flanieren durch die Anlage, sie erkunden, entdecken und erschließen sich eine Reihenfolge gestalteter und ausstaffierter Naturszenen. Das Vergnügen des Spaziergangs entlang des Weges ist das Ziel. Der Weg ist roter Faden durch die wechselnden Kulissen der idealisierten Welt des Gartenkünstlers. Diese Auffassung ist prägend für den Stil der "englischen Gärten" und wurde auch in Deutschland von den Gartenschaffenden im späten 18. und 19. Jahrhundert unterstützt.4) So ist es bezeichnend, wenn Fürst von Pückler-Muskau von einer hinführenden "unsichtbaren Hand" oder dem "stummen Führer" im Bezug auf die Wege spricht.5)
Die Wegeführung ist dementsprechend ein entscheidender Gestaltungsaspekt der landschaftlichen Gartenkunst und muss somit auch für ein Verständnis der etwa ab 1838 auf dem Gut Noer angelegten Wege angewendet werden. Örtliche Gegebenheiten und die Topographie des Ortes beeinflussten auch hier die Führung der "Schönheitslinien", die eine Gartenanlage so natürlich wie möglich erschließen sollten, was durch geschwungene, an Gelände und Szenerie angepasste Linien erfolgte.6)
Der Parkbereich in Noer wird insgesamt von Forstflächen begrenzt und öffnet sich nur zur Nordseite, die durch ein mäßiges Abfallen des Geländes in nördlicher Richtung einen Blick auf die Ostseebucht gewährt. Dieser Meeresblick stellt bis heute die wichtigste Szenerie des Parks dar, die durch Wegeführungen gezeigt werden sollte.7) Die wohl in jeder Hinsicht für die Grundsätze der landschaftlichen Gartengestaltung nutzbare malerische Sicht zur Ostsee ergibt sich durch die gut gewählte Lage des Grundstückes, war aber nicht der einzige Anlass für einen durch die "unsichtbare Hand" geführten Spaziergang. Ein Rosenpavillon aus dem 19. Jahrhundert, der die Zeiten nicht überdauert hat, und ein Mausoleum, das zwischen den Jahren 1882 und 1885 zu Ehren des Grafen von Noer, Friedrich Christian Carl, entstand, waren architektonische Objekte, die mit der dazugehörigen Bepflanzung weitere abwechslungsreiche Szenen boten (siehe Idealplan).8) Zum Schmuck des Parks gehören auch die durch unterschiedliche Bäume gestalteten Clumps.9) Sie dienen, damals wie heute, als Hindernis für den überschauenden Blick, gliedern die Fläche, und erzeugen dadurch Tiefenwirkung und Spannung während des Spaziergangs.
Die durch die Gartenkünstler der Zeit geforderte Natürlichkeit für Gestaltung und Anlage von Wegen beeinflusste die Beschaffenheit der Wege und die Technik des Wegebaus, im Besonderen die der wassergebundenen Wegedecke, grundlegend.10) Wegematerial, Farbe der Wegedecke und Konstruktion wurden den Ansprüchen der Landschaftsgärten angepasst. Das Bauwerk Weg musste "der Beschaffenheit des Bodens entsprungen scheinen"11), um den Gedanken der Naturnähe nicht zu stören.
Der Einfluss, den diese Richtlinien auf die Wegeführung, Wegebreite, verschiedene Materialien und die Bautechnik der wassergebundenen Wegedecke hatten, kann am Beispiel Noer, unter Voraussetzung der örtlichen Gegebenheiten, vergleichend festgestellt werden. Die folgende Untersuchung der Wege beschreibt die Suche nach überkommenen Wegestrukturen, die Vorgehensweise der Arbeitsgruppe und die Herstellung eines geschichtlichen Bezugs für die Gutsanlage im Kontext der Landschaftsgärten Mitte des 19. Jahrhunderts.
Wege suchen und finden
Auf den ersten Blick scheinen die ehemaligen Wege der Gutsanlage Noer gänzlich verschwunden. Die vorhandenen Wege sind als informell zu bezeichnen und können passend mit dem Begriff "Trampelpfad" zusammengefasst werden. Diese Pfade erschließen die Anlage hauptsächlich im Sinne des direkten Gehens von A nach B und zeichnen sich durch die fußläufige Verdichtung, des für das gesamte Gelände anstehenden Lehmbodens aus. Einige dieser informellen Wege folgen dem Verlauf von linearen Geländevertiefungen. Dies sprach als Indiz für den vertieften historischen Einbau dieser Wege, aber auch für die dauerhafte Nutzung ursprünglicher Wegeführungen.
Für gezielte gartenarchäologische Prospektionen und um die Wahrscheinlichkeit nutzbarer Befunde zu erhöhen, galt es, zu untersuchende Bereiche zu definieren und einzugrenzen. Mehrere Faktoren bestimmten die Entscheidung zur Verortung erster Untersuchungen im Westen der Anlage. Zum Einen befand sich hier, laut des auch für die Wege als Leitzustand zu nutzenden Planes von 1840, eine Kreuzung, die einen der Hauptwege vom barocken Herrenhaus zur Ostsee mit einem den Park erschließenden Weg verband (siehe Idealplan). Zum Anderen wurde die Lokalisierung möglicher Bestandsbefunde durch die wahrscheinlich an dieser Stelle kontinuierlich genutzte Wegeführung, die mit der Überlagerung der historischen Pläne größtenteils übereinstimmte, erleichtert. Diese Ergebnisse dienten als Grundlage für die Arbeitsgruppe und waren Ausgangspunkt der Suche nach den alten Wegen des Landschaftsgartens. Grundsätzlich kann für ein Verständnis der Probleme beim Suchen und Finden historischer Wege Dieter Hennebo zitiert werden: "Die Wegeführung weicht nach und nach auch ohne bewußte Zerstörung oder Verwilderung vom ursprünglich festgelegten Verlauf ab. Vorwachsende Vegetation zwingt die Benutzer der Wege zum Ausweichen, und so entstehen ursprünglich nicht beabsichtigte Schwingungen, andererseits werden Kurven allmählich und unmerklich begradigt. Bei der nächsten Ausbesserung oder Erneuerung wird dieser veränderte Zustand dann festgeschrieben."¹²)
Hilfsmittel bei der Wegesuche
Um die alten Wege in Noer zu finden, deren Vorhandensein zu bestätigen und sie somit zu wissenschaftlich nutzbaren Befunden werden zu lassen, erfolgte die Suche mit verschiedenen Hilfsmitteln. Der erstellte Lageplan der Befunde zeigt den Verlauf der gartenhistorischen Untersuchung, deren Ausgangspunkt die besagte Wegekreuzung war. (Im Rahmen dieser Veröffentlichung sollen Lageplan und Legende nur als Anhaltspunkte dienen.)
Bodensonde
Die Bodensonde ist ein technisches Hilfsmittel der Bodenkunde. Meist aus Edelstahl gefertigt und etwa einen Meter lang dient sie zum "Erfühlen" verdichteter Schichten im Boden. Für die Zwecke der Gartendenkmalpflege liefert sie erste Hinweise auf vorhandene Wegedecken. Durch die Reibung des Metalls an einer kieshaltigen Bodenschicht entsteht ein "knirschender" Widerstand. Auf der Suche nach diesem Knirschen "stocherte" die Arbeitsgruppe mit Bodensonde und Zählnadeln die gedachte Wegeführung entlang.
Die Verwertbarkeit der Ergebnisse der Widerstandsmessung wurde durch den für das gesamte Gelände anstehenden Lehmboden eingeschränkt, da dieser völlig von Kieseln in "Weintrauben-Körnung" durchsetzt war. Folglich begann die Gruppe besonders knirschende "Stichproben" genauer zu untersuchen. Im Verlauf der Arbeiten wurden Bodensonde und die in gleicher Weise genutzten Zählnadeln meist für die Ermittlung der Wegebreiten verwendet.
Pürckhauer - ein Hohlmeißelbohrer
Der Pürckhauer ist ein Gerät, das bei bodenkundlichen und geomorphologischen Untersuchungen im Gelände zum Einsatz kommt. Es werden Bodenproben aus dem oberflächennahen Grund bis zu einer Einschlaglänge von 1,5 Meter entnommen. Eine Nutzung des Pürckhauers zur Aufnahme historischer Wegebefunde ist in der Disziplin nicht weit verbreitet, schien aber im Fall Noer möglich. Die Abbildung zeigt einen der Befunde der Schichtung des Wegebaus (P5, Fahrweg zur Ostsee). Der Pürckhauer ermöglichte eine Bestätigung der Bodenwiderstandsmessungen, ohne eine Suchgrabung durchführen zu müssen. Im Rahmen einer denkmalpflegerischen Zielstellung wird so eine größere Beschädigung des Bestandes verhindert. Durch den geringen Durchmesser des Gerätes sind aber die Grenzen für diese Art der Untersuchung schnell erreicht. Für die Bestimmung der Körnungen bis 0/15 konnte der Pürckhauer verwendet werden, obwohl auch hier größere Steine einzelne Befunde unbrauchbar machten. Ein Einsatz bei Wegedecken über dieser Körnung ist dem Gerät nicht zuträglich.
Suchgrabung
Die Suchgrabung im Sinne der historischen Wegefindung erfolgt durch Spaten und Schaufel. Hierbei wird eine Schachtung erstellt, welche sich nach jeder Bodenschicht, wenn möglich etagenartig, abtreppt. So können einzelne Wegeaufbauten sowie Schüttungen und Schichtungen sehr gut erkennbar nachgewiesen und freigelegt werden.¹³) Die durchgeführten Grabungen dienten zur Ermittlung des gesamten Wegeprofils und des Wegematerials.
Auswertung der Befunde
Der Nachweis von Wegeaufbau und Wegebreiten erfolgte durch die genannten Hilfsmittel. Mit diesen Verfahren konnten Wege 1. Ordnung, also Fahrwege, und Wege 2. Ordnung, also den Park erschließende Fußwege, unterschieden werden. Besonders eindeutige Befunde wurden durch eine Suchgrabung ergänzt, um ein vollständiges Wegeprofil für die spätere Erstellung von Regelquerschnitten zu erhalten.
Fahrweg zur Ostsee/Weg 1. Ordnung
Der Weg zwischen der Anlegestelle für Schiffe an der Ostsee und dem barocken Herrenhaus war eine repräsentative Hauptzufahrt der Anlage. Nach der Ankunft in der Ostseebucht ermöglichte der Weg von der Kutsche aus einen Überblick des Gartens. Es folgte die Präsentation der Gartenseite des Hauses, um im Anschluss die Besucher zu begrüßen. Als einer der Hauptwege in diesem Landschaftsgarten sollte er Aussichten öffnen und einen ersten Eindruck vermitteln.
Dass die Wege im Landschaftsgarten immer auch der Beschaffenheit des Bodens und vor allem den umgebenden natürlichen Bedingungen angepasst sein sollten, wurde schon erwähnt. Die Herstellung der Wege aus dem vorhandenen Boden erfolgte aber nicht nur aus gestalterischen Zwecken, denn der Bau von guten Wegen war kostenintensiv.¹4) Eine Nutzung der vor Ort befindlichen Materialien konnte so die Kosten eindämmen.
Alle für den Fahrweg zur Ostsee relevanten Befunde ergaben ein sehr ähnliches Bild des historischen Wegeaufbaus. Unter einer fünf bis zehn Zentimeter starken Schicht aus humosem Oberboden, befand sich eine acht bis zehn Zentimeter starke Schicht aus einem Lehm-Kies-Gemisch, darauf folgte der anstehende lehmige Boden mit Sandanteil. Die Auswertung dieser Befunde lässt für den historischen Wegebau den Schluss zu, dass der verdichtete anstehende Lehmboden als Tragschicht verwendet wurde.
Die Gartenkünstler der Zeit, im besonderen Fürst von Pückler-Muskau und Gustav Meyer, verwiesen auf die Verdichtung des Untergrunds durch Stampfen oder Walzen.¹5) Eine vorgenommene Verdichtung scheint also obligatorisch. Ebenfalls obligatorisch scheint der Einbau einer Tragschicht für Fahrwege, deren Vorteil den damaligen Wegebauern in Noer bekannt gewesen sein musste. Eine solche Tragschicht konnte während der Untersuchung an keiner Stelle des Weges nachgewiesen werden, es bleibt zu vermuten, dass auch hier der Kostenfaktor eine entscheidende Rolle spielte und bei seltener Nutzung die Verdichtung des Lehmbodens genügte. Zur Herstellung von Wegen "immer wieder aufgetragene Kies- und Lehmschichten"¹6) ohne Unterbau waren zudem nicht unüblich.
Die historische Deckschicht der Wege bildet die acht bis zehn Zentimeter starke Schicht aus einem Lehm-Kies-Gemisch mit einer Körnung von 0/15. Ein für die Konstruktion von Wege während des 19. Jahrhunderts typisches Material. Es entspricht sowohl in der eingebrachten Schichtstärke und Körnung als auch in der favorisierten gelblichen bis braungelben Farbe dem bevorzugten Material für Deckschichten.¹7)
Die ermittelte Wegebreite von 3,90 Meter entspricht in Noer einem Hauptweg 1. Ordnung. Die Breite der Wege ist im Sinne der Gestaltung eines Landschaftsgartens in Abhängigkeit von Größe und Frequentierung zu beurteilen. Die von Fürst von Pückler-Muskau für Fahrwege zwischen 3,00 bis 4,20 Meter und von Gustav Meyer zwischen 3,60 bis 3,90 Meter angegebenen Breiten, sind als Richtwerte zu verstehen und entsprechen den Befunden.
Der derzeitig fußläufig genutzte Weg zwischen Herrenhaus und Ostsee folgt grundsätzlich der historischen Wegeführung. Die Befunde zeigen, beim Bau der Wege in Noer, eine Orientierung am "Stand der Technik" und den Richtlinien bekannter Gartenkünstler des 19. Jahrhunderts.
Fußweg zum Rosenpavillon/Weg 2. Ordnung
"Wie die Hauptwege die Bestimmung haben nothwendige Verbindungen herzustellen und das Grandiose des Parkes und der Landschaft in umfassenden Gemälde vorzuführen, und daher in ihren Zügen möglichst diesem Charakter anzunähern sind, so haben hinwiederum die Fußwege vorzüglich die Bestimmung die kleineren, lieblicheren, abgeschiedenen oder für Wagen nicht zugänglichen Szenen aufzuzeigen und uns mehr mit dem Einzelnen zu unterhalten".¹8)
Diese "Bestimmung" erfüllt der Fußweg zum Rosenpavillon in eindeutiger Art und Weise. Der ursprüngliche Weg führte zwischen dem Buchen- und Kastanien-Clump eine Anhöhe hinauf zum Rosenpavillon, der sich nicht an der heutigen Position des Grillpavillons befand, sondern weiter in westlicher Richtung vor dem "Weißdorn-Clump" (siehe Idealplan). Der Forderung nach einer malerischen und kleinteiligen Abfolge der Szenen für Fußwege wurde unverkennbar entsprochen. Der vom Buchen-Clump bis zum Rosenpavillon zu genießende Ostseeblick ergab den Hintergrund dieses "Gemäldes".
Verwertbare Befunde ergaben nur die Pürckhauerprobe P3, die Suchgrabung und die Nadelprobe N2. Direkt nach dem Abzweig des Fußweges vom Fahrweg zur Ostsee konnte ein Wegeaufbau festgestellt werden, der jedoch nach wenigen Metern, etwa ab der Mitte beider Clumps, fehlte. Keines der verwendeten Untersuchungsverfahren lieferte aussagekräftige Befunde in diesem Bereich. Der nach der Abzweigung festgestellte Wegeaufbau stimmte mit dem Aufbau des Fahrweges zur Ostsee überein. Der humose Oberboden tritt insgesamt in diesem Bereich in einer etwa zwölf Zentimeter starken Schicht auf. Das verwendete Lehm-Kies-Gemisch ist identisch mit dem Material des Fahrweges zur Ostsee, auch hier wurde der anstehende Lehmboden wahrscheinlich als Tragschicht genutzt. Die durch Suchgrabung und Nadelprobe ermittelte Wegebreite beträgt 2,85 Meter und entspricht in Noer einem Weg 2. Ordnung.
Bei einem Vergleich mit den historischen Angaben zu den Wegebreiten fällt auf, dass nur für stark genutzte Wege eine Breite von 2,10 bis 2,70 Meter angegeben wurde, bei einer geringen Frequentierung aber höchstens 2 Meter erwähnt werden. Dies, und die fehlenden weiterführenden Befunde entlang des Weges werfen einige Fragen auf. Der Fußweg zum Rosenpavillon wirkt mit einer Breite von 2,85 Meter in Bezug auf die Situation vor Ort und auf die Einbindung der Wege in das Gesamtkonzept überdimensioniert.
Eine Breite von etwa 1,50 Meter scheint für den Landschaftsgarten Noer ausreichend und angemessen. Da sich die Wegekreuzung Fahrweg/Fußweg am Fuß einer Anhöhe befindet, lässt sich eine Ausschwemmung der Deckschicht des Fußweges in Richtung Kreuzung vermuten. Diese Vermutung wird durch die fehlenden Befunde der Pürckhauerproben P10 bis P15 und die ebenfalls ergebnislose Nadelprobe N6 gestützt. Eine Zuwegung zum Rosenpavillon ist in dem Plan von 1840 verzeichnet und lässt, wie bei den gefundenen Fahrwegen, auf eine tatsächliche Ausführung schließen. Weitere Hinweise für die Ausschwemmung ergeben sich durch die Häufung des Materials der Deckschicht im Bereich der Wegekreuzung, die nicht passende Wegebreite und der im Vergleich stärkeren Schicht von humosem Oberboden.
Fahrweg West/Weg 1. Ordnung
Der Fahrweg in westliche Richtung, der auch eine Zufahrt zur Gutsanlage Noer war, stellt wie der Fahrweg zur Ostsee einen der ältesten Wegeführungen dar. Der Wegeverlauf wurde im Bereich des Landschaftsgartens geändert, führt aber im westlichen Waldstück noch durch die Reste einer barocken Lindenallee. Der durch den Wald gradlinig geführte Weg bekommt erst mit Erreichen des Parkbereichs seine markanten Schwünge. Der Einsatz des Pürckhauers war aufgrund der Körnung der aufgefundenen Tragschicht nur bei P18 möglich, zur Schonung des Gerätes fand er keine weitere Anwendung.
Die Befunde ergaben folgende Ergebnisse. Der Weg wird forstwirtschaftlich genutzt. Typische Fahrspuren eines solchen Waldweges sind zu erkennen, dementsprechend ist der größte Teil der Wegeoberfläche in diesem Bereich sichtbar. Eine Ablagerung von humosem Oberboden konnte nur für den Mittelstreifen und die Ränder festgestellt werden. Die zehn Zentimeter starke Deckschicht des Weges bestand meist aus dem schon bekannten Lehm-Kies-Gemisch 0/15, die darunter befindliche zwölf bis 15 Zentimeter starke Tragschicht mit einer Körnung von 0/70 aus ungebrochenen Feldsteinmaterial. Im Verlauf des Weges durchmischten sich die beiden Schichten häufig, so dass oftmals Steine der Tragschicht die Wegeoberfläche bildeten. Die Untersuchung durch Nadelproben ergab für die Tragschicht eine durchschnittliche Breite von 2,50 Meter. Neben der Tragschicht konnte unter mehreren Zentimetern humosen Oberbodens und Wurzeln der angrenzenden Vegetation das Lehm-Kies-Gemisch der Deckschicht bis zu einer Breite von 4,20 Meter "erstochert" werden. Dieser Aufbau wird nach dem Waldrand auf dem Gelände des Landschaftsgartens weitergeführt und lässt sich bis zum Gutshaus verfolgen.
Der aus diesen Ergebnissen resultierende Schluss beinhaltet die Vermutung des Baus eines einschichtigen Forstweges aus dem ungebrochenen 0/70 Material, der auf der historischen Wegeführung basiert.
Die durch die Nadelproben ermittelte Breite der Deckschicht von 4,20 Meter entspricht im Allgemeinen den beschriebenen historischen Wegebreiten für Fahrwege und in Noer einem Fahrweg 1. Ordnung. Die Befunde S4 und N4 wurden zwischen den Resten zweier, zur barocken Allee gehörenden, Linden erstellt. Wegebreite und Abstand der Bäume sind aufeinander abgestimmt, was bedeutet, dass Teile dieser Wegeführung sowohl in der barocken Anlage, dem Landschaftsgarten, als auch für den Bau des Forstweges genutzt wurde.
Von Wegen
Wie so oft, wenn es die Absicht ist, die Geschichte und Geschichten von Gärten zu untersuchen, steht die individuelle Entwicklung der Anlagen einer eindeutigen und in allen Teilen nachvollziehbaren Aufarbeitung im Wege. Die Vergleiche mit historischen Vorbildern und Richtlinien sind wichtig und nützlich, können aber immer nur Anhaltspunkte bleiben. So gab es auch in Noer Anhaltspunkte und Potenzial für Vergleiche, die aber die individuellen Phänomene nicht erklären konnten:
- Die in großen Teilen seit 1840 erhaltene Wegeführung des Fahrwegs zur Ostsee in Form des selbstverständlichen Gebrauchs als informeller Weg.
- Die wahrscheinliche Ausschwemmung des Fußwegs zum Rosenpavillon.
- Die mehrfache Überbauung des Fahrwegs West, der im Zusammenhang der Pflanzung der barocken Lindenallee entstand.
Diese Ergebnisse der forschenden Tätigkeit stehen beispielhaft dafür, dass es für die Suche nach "verlorenen" Wegen gilt, Indizien ihrer Geschichte zu sammeln und durch Befunde zu unterstützen. Für ein Verständnis landschaftlicher Gartengestaltung, die eine so enge Beziehung zur Kunst der Landschaftsmalerei pflegte, muss das Gesamtkonzept der Anlage im Auge behalten werden, um die "unsichtbare Hand" des Gestalters zu erahnen.
Anmerkungen
1) Seminararbeit. (2010): Kulturdenkmal Gutsanlage Noer, Pflegemanual für exemplarischen Areale des Gutsparks Noer. Fachbereich Landschaftsarchitektur, Geoinformatik, Geodäsie und Bauingenieurwesen. Hochschule Neubrandenburg.
2) Christoph Linde, Martin Rosenberger, Martin Jeschke.
3) Schultze-Naumburg, P. (1928): Die Gestaltung der Landschaft durch den Menschen. Kulturarbeiten Band 1. Erster Teil. 3. Auflage. S. 19. (Hrsg.): Georg D. W. Callwey Verlag, München.
4) Vgl. Rohde, M. (2008): Pflege historischer Gärten, Theorie und Praxis, S. 124. (Hrsg.): Stiftung, Fürst Pückler Park Bad Muskau, Leipzig.
5) Pückler - Muskau, H.L.H. (1834): Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, S. 115. Hallberger`sche Verlagshandlung, Stuttgart.
6) Richter B. und Druminski T. (1997): Technik des Wegebaus früher. In: Technik in historischen Gärten, früher und heute. Thematisches Seminar im WS 1996/97 und SS 1997, Institut für Grünplanung und Gartenarchitektur, Universität Hannover. S. 72f.
7) Vgl. Köhler, M. (2010): Geschichte des Gutsparks Noer, Manuskript, Exkursionsbericht 2010.
8) Vgl. Köhler, M. (2010).
9) Fünf Clumps befinden sich im Parkbereich, die nach ihrer prägenden Baumart (Kastanie, Buche, Ahorn oder Weißdorn) benannt sind.
10) Vgl. Rohde, M. (2008), S. 531.
11) Rohde, M. (2008), S.126.
12) Hennebo, D. et al. (1985): Gartendenkmalpflege, Grundlagen der Erhaltung historischer Gärten und Grünanlagen, S. 136. Stuttgart.
13) ebd.
14) Vgl. Pückler Muskau, H.L.H. (1834), S. 114.
15) Vgl. Hallmann H.W. und Foerner J.U. (2004): Historische Bauforschung und Materialverwendung im Garten- und Landschaftsbau, Wegebau und Wasserbau. S. 313f. Norderstedt.
16) Hennebo, D. et al. (1985), S. 137.
17) Vgl. Hallmann und Forner (2004), S. 313f.
18) Meyer G. (1873): Lehrbuch der schönen Gartenkünste. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. S. 199.