Freiraumplanung in der DDR: marginalisiert, aber nicht isoliert
Soziales Grün und politische Landschaft
von: Dr. Bernhard WiensLandschaftsarchitekten waren von Anfang an dabei: sowohl im Allgemeinen, beim Wiederaufbau Berlins, in das der Krieg große Schneisen mit durchbrochenen Raumkanten gerissen hatte, als auch im Besonderen, beim Aufbau des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden. Die meisten hatten sich im Planerkollektiv um Hans Scharoun versammelt, etliche entschieden sich dann für die DDR, wo sie ins Kollektiv der einzelnen Bauvorhaben eingebunden waren. Die Chance war ihnen gegeben, zu verhindern, was damals im Westen geflügeltes Wort war und heute überall Aktualitätsbezüge hat: Landschaftsarchitekten haben den Dreck, den die Stadt- und Verkehrsplaner hinterlassen, dekorativ zu verhübschen. Wie kommt es dann, dass Walter Funcke schon Anfang der 50er Jahre ausgerechnet für die DDR beklagte, Grünplanung werde nur als Dekor angesehen? Im gleichen Zeitraum legte er "in Zusammenarbeit mit dem Bund deutscher Architekten eine Statistik vor, aus der hervorging, dass in 16 von 26 Entwurfsbetrieben für Hoch- und Industriebau in der DDR Grünplanungsabteilungen überhaupt nicht oder nur unvollkommen, das heißt mit nur einem Grünplaner bestanden."1 Boten nicht wenigstens Enteignungen und Bodenreform, so umstritten sie waren, die Chance zu einer einheitlichen und damit ästhetisch fundierten Landschaftspflege auf planwirtschaftlicher Grundlage? Das Gegenteil war der Fall. "Landeskulturelle Fehlentwicklungen ,von historischer Tragweite' (wurden) durch einseitige agrarpolitische Entscheidungen verursacht."2 In diese Aussage ist das Scheitern der Umweltplanung eingeschlossen.
Aufbau geht vor Diagnose
Hoffnungsvoll hatte alles angefangen. Nach Voruntersuchungen wurden Reinhold Lingner und Frank Erich Carl 1950 beauftragt, in allen (damals noch) Ländern der DDR eine Landschaftsdiagnose durchzuführen. Mittels Kartierungen sollte das gesamte naturräumliche Potential im Hinblick auf Störungen erfasst werden. Alles war inbegriffen von der Bodenerosion, Wald- und Bergbauschäden bis zur Luftverunreinigung und der Untersuchung des Wasserhaushaltes. Entsprechend groß war das Spektrum der beteiligten Disziplinen. Da der Fokus auf territorialen Untersuchungen lag, griff Lingner auf "Landschaftsanwälte" des Deutschen Reiches als Länderverantwortliche zurück, darunter Otto Rindt und Hermann Göritz. Diese hatten im Nationalsozialismus die ressortübergreifende Aufgabe, die neuen Autobahnen mit Landschaftsbändern im Heimatschutzstil zu begleiten. Lingner hielt sie weiterhin für berufen, Schäden im "Organismus der Kulturlandschaft" zu erheben. Stellte er sich, obwohl in der Nazi-Zeit beruflich kaltgestellt und sich zum Aufbau des Sozialismus bekennend, mit der organizistischen Vorstellung von Landschaft selbst ein Bein? Nach vier Monaten wurde die Landschaftsdiagnose von den "Organen" der Exekutive abrupt beendet. Axel Zutz weist auf Lingners Spagat hin: "In der Landschaftsdiagnose (verschmelzen) Landschaftsbegriff und -bild der Landschaftsanwälte mit den sozialistischen Ideen Lingners und Carls."3
Ob in die Diagnose wegen der politischen Belastung der ehemaligen Landschaftsanwälte interveniert wurde, ob aus militärstrategischen Gründen - den neuen Feinden im Westen könnten die Pläne zugespielt werden - oder weil eine Umweltplanung von da an der wachsenden Dominanz des wirtschaftlichen Aufbaus im Wege stand, ist nicht mehr zu klären. Durch seinen Draht zu politischen Größen wie Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, für die er privat und öffentlich Gärten gestaltet hatte, konnte Lingner die Wiederaufnahme in reduzierter Form erreichen. Aber 1952 war Schluss, und die 1957 veröffentlichten Ergebnisse und Folgerungen blieben unverbindlich. Sie wurden nicht in den Volkswirtschaftsplänen berücksichtigt. Einer umweltbezogenen Landschaftsplanung war die Basis entzogen mit der Folge, "dass die Staatliche Plankommission die Landschaftsplanung nicht als Beitrag zur räumlichen Entwicklung akzeptierte."4 Es war ein schlechtes Omen für die kommenden Jahrzehnte. Landschaftsarchitektur wurde mehr und mehr zum Anhängsel des Bauwesens. Zunächst wurde es eher zur Regel als zur Ausnahme, dass die Grünplanung erst begann, nachdem der bauliche Komplex fertig gestellt war. Die Architektur war das a priori, nach welchem sich die Freiraumgestaltung zu richten hatte. Beim Bau der Großwohnsiedlungen in den 70er Jahren bemaß sich der Abstand zwischen den Scheiben nach dem Radius der Baukräne. Das war, trotz weiterer Ansätze zu Mieter- und Terrassengärten sowie Wohngebietsparks, die DDR-Variante von seriellem Abstandsgrün. Der Brigadier stand in Ansehen und Funktion über dem Landschaftsarchitekten. Routiniert wurde "gemetert" entlang der Normvorschriften ("Komplexrichtlinien") und Kennziffern (TGL).
SUG-Stellenmarkt
Aber am Anfang, als Reinhold Lingner und Hermann Mattern noch an gemeinsames Handeln glaubten, stand "Landschaftlichkeit". Sie schien für die Stadtlandschaft des perforierten, "aus Ruinen auferstehenden" Berlin ebenso geeignet wie für Neugründungen à la Stalinstadt. Die Mitte Berlins war leer und der neue Marx-Engels-Platz eine einzige Ödnis, nachdem das Schloss abgeräumt war. Der rhetorischen Übung, dies "großzügige Raumbildung" zu nennen, entsprachen die ersten Massenaufmärsche vor der großen provisorischen Tribüne. Die Inszenierung selbst bildete den Raum. Es gemahnt an Albert Speers Lichtdome, die dieser in Ermangelung einer realen Architektur in Nürnberg inszenierte. Die Rituale waren quasi-sakral. Erich Voegelin prägte für solche massenpsychologischen Formationen den Begriff der Politischen Religion. Auch Parks und später Schinkels Neue Wache wurden in den kultischen Kontext gestellt. Gedenkstätten für die Opfer des Faschismus oder die Führer der Arbeiterklasse wurden eingerichtet.
1951 wurden - mit einem ersten Wettbewerb für die Stalinallee - Achsen wiederentdeckt. Nur hieß die neue Magistrale jetzt "Achse der Befreiung" und war nach Osten ausgerichtet. Die Achse verlangt nach klaren Raumkanten, die den Rahmen für die hierhin verlegten Aufmärsche bilden sollten. Sie verlangt aber auch, um die sich heraus kristallisierende Repräsentativität zu betonen, nach einer Stadtkrone. Hermann Henselmann schuf sie als Turmhochhäuser, die heute vergleichsweise zurückhaltend wirken, damals jedoch mit pathetischer Geste der Überlegenheit der sozialistischen Idee Ausdruck verliehen. In einer bescheideneren Metapher, die nach wie vor erlebbar ist, nannte es Henselmann das Tor zur Stadt.5 Nicht erst im Sozialismus standen Städte für Frieden und Freiheit. Der Repräsentativität stellte sich Lingner, indem er für die Stalinallee einen Schmuckplatz im Anklang an Schinkel/Lennés Lustgarten entwarf (mit Hubert Matthes) und an der Weberwiese eine Achsensymmetrie entwickeln wollte, die auf ein Hochhaus von Henselmann ausgerichtet war.6 Beides wurde nicht ausgeführt, obwohl Lingner sich auf die damals vorgegebene Parole vom "Bauen in Nationaler Tradition" berief, die mit den neoklassizistischen Fassaden des Zuckerbäcker-Stils kompatibel sein sollte.
Kindheitsmuster
Verträgt sich das alles: Repräsentationsarchitektur mit Achsensymmetrie auf der einen Seite und Landschaftlichkeit der aufgelockerten Stadt andererseits? Idealtypisch verbunden sind diese gegensätzlichen Elemente in Anfang der 50er Jahre errichteten Kinder- und Jugendeinrichtungen, die von Absolventinnen der Landschaftsarchitektur/-planung an der TU Berlin7 auf einem Workshop am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung vorgestellt wurden. Das Institut verfügt über eine umfangreiche Sammlung zur Bau- und Planungsgeschichte der DDR. Das Kinderheim "A.S. Makarenko" in Berlin-Königsheide, die Pionierrepublik "Wilhelm Pieck" am Werbellinsee nördlich von Berlin und die FDJ-Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" am Bogensee bei Berlin, vormals Landsitz von Joseph Goebbels, folgen einem ähnlichen planerischen Muster: Im Innenhof geometrisch angelegte Wegachsen, orthogonale Rasenflächen sowie Staudenbeete vor den Häusern, nach außen hin bauliche Auflockerung und Eingliederung in die Landschaft unter Berücksichtigung von Naturschutzaspekten. Die Freiraumplanung war auch hier zeitlich wie sachlich nachrangig, und das architektonische Vorbild für die zentralen Bauten am Bogensee wurde aus Berlin geliefert. Denn nachdem Ulbricht persönlich Henselmanns Vorschläge zu einer kleinteiligen Bebauung gekippt hatte, empfahl er für den repräsentativen Trakt dringend die noch unfertige Stalinallee zur Nachahmung. Ein "Denkmal des Sozialismus" sei zu schaffen. Er ließ es sich nicht nehmen, selbst griechische Tempel mit dorischen Säulen (vor) zu zeichnen.8
Die nicht nur architektonische, sondern zugleich städtebauliche Wende zum "sozialistischen Klassizismus" oder "Realismus" machte auch beim Kinderheim "Makarenko" in Berlin erste asymmetrische Entwürfe zur Makulatur. Es wurde 1952/53 für 600 Kinder errichtet. Im realisierten Ergebnis wurde der Innenbereich axial von einer Straße durchschnitten, die vom Haupteingang zum zentralen Schulgebäude führte. L-förmige und versetzt angeordnete Häuser erleichterten jedoch den Übergang in das umgebende Grün.9 Am Werbellinsee wiederum leitete sich die Bebauung nach Entwürfen vom Richard Paulick unverkennbar aus dem Heimatschutzstil ab.
Die Traditionslinien und Parallelen quer über politische Regimes und längs von Zeitbrüchen sind auf den ersten Blick verblüffend. - Die Planung der Freiflächen der Pionierrepublik, die heute verwildern, war Lingner und Carl übertragen worden. Zum landschaftlichen Stil passte die Verwendung von Feldstein. Freilichtbühne und Fahnenrondell oder -geviert gehörten hier wie andernorts zum Standard, aber den asphaltierten Appellplatz überließ Lingner der Verantwortung anderer. Er beklagte, dass Heranwachsende zum Gleichschritt angehalten werden. Drill war Bestandteil der Ausbildung.
Die relativ lange Bauzeit von 1951 bis 1956 für die FDJ-Jugendhochschule am Bogensee führte auch dort zu einer Melange aus Heimatschutz-Elementen (Walmdächer) und "sozialistischem Stil". Zu Gunsten des letzteren wurde stärker in den vorhandenen Baumbestand eingegriffen. Walter Funcke, der bis ca. 1954 die Freiflächengestaltung besorgte, erschloss die Tiefe der Räume des Innenhofs mit Sichtachsen, die vereinzelt auch in die Umgebung reichten. An den Wegachsen zogen sich Baumreihen entlang. Der innere Freiflächenbereich trägt eine formale geometrische Handschrift. Der landschaftliche Stil ist in diesem Komplex nach der Intervention Ulbrichts zurückgedrängt. Das könnte zur Unzufriedenheit und schließlich Ablösung Funckes beigetragen haben. Petra Kolbe hat im Vergleich der drei Einrichtungen als Kennzeichen der Pflanzenverwendung den Gebrauch von Koniferen, Rhododendren und Bodendeckern ausgemacht. Die Pflanzen mussten robust und pflegeleicht sein. Zu den Charakterpflanzen gehörten Pfitzer-Wacholder und Zwergmispel. Dazu wurden lichtkronige Baumarten bevorzugt, aber auch kleinkronige von Crataegus carrierei bis zu Zierapfel. In der folgenden Zeit schrumpfte die Sortenvielfalt, die Baumschulen und Gärtnereien zu bieten hatten, immer weiter. Der Pflanzenexport hatte für die DDR Vorrang.
Die Entstalinisierung setzte nicht von einem Tag auf den anderen ein, aber allmählich machte sich Ernüchterung breit. Entsprechend wurde der städtebauliche Stil sachlich-nüchtern und funktional. Nicht nur für die FDJ-Hochschule am Bogensee, sondern auch für den Ausbau der Stalinallee selbst hieß das: Abspecken. Gleichzeitig wurden Wohnungsbauprogramme aufgelegt. Das Bauen wurde industrialisiert, noch ohne Fertigbauweise. Zwischen der Gesichtslosigkeit dieses Bauens und dem Anschluss der DDR an eine Nachkriegsmoderne behauptete sich die Landschaftsarchitektur mit "handwerklicher" Solidität. Hochbeete und Sommerblumen sind die Stichworte. Schrittweise wurde jedoch das Freiraumsystem erst dem expansiven Städtebau eingeordnet, dann nach- und untergeordnet, so im Planwerk für die "sozialistische Umgestaltung der Hauptstadt" von 1958. Der Städtebau selbst wurde immer stärker nach ingenieurtechnischen Maßgaben betrieben. Für die landschaftsarchitektonische Ausbildung symbolisierte sich dies im Umzug des Fachs von Berlin nach Dresden um 1970. Ökonomisierung und Rationalisierung hieß die Parole, die zum Bau von Großwohnsiedlungen ausgegeben wurde. Der Standort der Wohnkomplexe richtete sich nach dem Erschließungsaufwand. Die Landschaftsarchitektur wurde zum Moment der "Wohnungsbau-Landschaft". Ästhetische Gesichtspunkte blieben bei der Gestaltung der Wohnhöfe außen vor. Vorstöße, eine Landschaftsplanung zu institutionalisieren, etwa im "Landeskulturgesetz" zu verankern, scheiterten. Ebenso musste der Umweltschutz ökonomischen Belangen weichen, um so mehr, als Umweltverschmutzung als Auswuchs des westlichen Kapitalismus abgetan wurde und Umweltdaten durch Geheimhaltungsvorschriften unterdrückt werden konnten.
In den 80er Jahren sollten einige dieser Entwicklungen zurückgedreht werden, wie auch die "Rückkehr in die Innenstädte" angesagt war. Neue Freiraum-Akzente wurden in Berlin gesetzt im Kontext städtebaulicher Maßnahmen zur 750-Jahr-Feier, die sich erneut auf das "kulturelle Erbe" beriefen. Auf ehemaligen Rieselfeldern wurde ein Erholungswald aufgeforstet (Hobrechtsfelde). Aber so wenig man die passenden Bäume bekam, so schlecht klappte es im Rest der Republik. Von dort wurden die Bau-Brigaden nach Berlin abgezogen, und die Altstädte verfielen vollends. Die großen Wohnungsbau-Kombinate waren auch nicht auf filigrane Restaurierungsmaßnahmen eingestellt, und sie waren zum Staat im Staate geworden. In der Retrospektive ist es ein Paradox: Kein Mensch hat den 9. November 1989 vorausgesehen, aber der Niedergang allein der Landschaftsarchitektur und Umwelt- und Landschaftsplanung in den 80er Jahren hätte als Vor-Zeichen der Implosion gelesen werden können.
Wo aber von den Generallinien jener Entwicklung abgewichen wurde, blieben Zeugnisse einer Freiraumplanung übrig, die über die DDR hinaus Substanz haben.
Dazu zählt die von Lingner bis 1961 gestaltete iga in Erfurt mit ihrer so formalen wie großzügigen Gesamterscheinung, die dem (auch westdeutschen) Stil der Zeit entsprechend Symmetrien umgeht. Großzügig und einheitlich waren auch die Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre etablierten innerstädtischen Zentren für Dienstleistungen und Kultur, die vom Autoverkehr befreit wurden. Diese Freiräume bieten, sieht man von architektonischen Fehlleistungen im Detail ab, alle Chancen für die Stadt des 21. Jahrhunderts. Diese Chancen für ein Revival der Stadtlandschaft werden durch Verdichtungsstrategien blockiert, wie sie im Berliner "Planwerk Innenstadt" von 1999 eingefordert wurden. Es sind aber auch kleinere Beispiele wie der von Hubert Matthes 1969 gestaltete Rosengarten im Berliner Treptower Park, der zum sowjetischen Ehrenmal hin geometrisch und zum Landschaftspark organisch orientiert ist. Eine der Sichtachsen wird sogar am anderen Ufer der Spree fortgeführt. Die denkmalpflegerische Restaurierung des mehrfach überformten Gartens durch das Büro Ahner/Brehm ist überaus sorgfältig. Diese Arbeit wurde schon auf der Tagung des Leibniz-Institutes belohnt: Der anwesende Hubert Matthes zeigte sich bei der Projekt-Vorstellung hocherfreut, um so mehr, als seine Zeitzeugenschaft darunter leidet, dass er die Unterlagen von damals entsorgt hat.
Links und rechts kann man verwechseln
Auch in der Architektur gab es nach 1960 noch originelle Ausprägungen wie etwa die bezeichnenderweise im Ingenieurbau entwickelten "Hyparschalen" Ulrich Müthers. Aber es blieben Ausnahmen, Kontrapunkte zu den Fertigbau-Serien. Die Kämpfe um Stile wurden jedoch in den 50ern ausgetragen, wobei der Bau der sozialistischen Zukunft sich zur Legitimation umso heftiger auf historische Bautraditionen berief. Das ist nicht ungewöhnlich, aber wenn die "Nationale Bautradition" Schinkel, den Klassizismus oder gar das Barock als Vorbilder ansteuert, wird die nächste Vergangenheit unterschlagen. Sämtliche Traditionslinien verlaufen durch den Nationalsozialismus. Zunächst leiteten die von der Sowjetunion inspirierten 16 "Grundsätze des Städtebaus" in der DDR eine Wende zur kompakten Stadt und zugleich zur baupolitischen Spaltung Berlins ein. Verworfen wurde die aufgelockerte und gegliederte Stadt, die sich ihrerseits auf die Charta von Athen und weiter auf die Gartenstadtbewegung stützte. Ermöglicht wurden dekorative "Paläste des Volkes" an den zu Plätzen ausgeweiteten Achsen. Architektonisch war es neuer Wein in alten Schläuchen. Verworfen wurde aber auch das Paradigma von der "Landschaftlichkeit der Stadt", der zwei der führenden Landschaftsarchitekten der DDR, Lingner und Funcke, etwas hatten abgewinnen können. Außerhalb Berlins sahen sie noch Möglichkeiten zur Verwirklichung. In Stalinstadt, nachmals Eisenhüttenstadt, vertrug sich ein sozialistischer Städtebau mit einer landschaftlichen Gestaltung, die Funcke 1953 vorschlug. Sein Plan verknüpfte die Stadtanlage mit benachbarten Höhen, und seine Landschaftsplanung ging von der standorttypischen Vegetation aus. Der Bornimer Stil hielt - wenn auch ausgebremst von den Verantwortlichen - Einzug in die "erste sozialistische Stadt im Grünen". An dieser Stelle kommt neben dem geistigen Vater jenes Stils, Karl Foerster, noch Hermann Mattern ins Spiel und damit der Vergleich mit der Entwicklung im westlichen Deutschland.
Ein Unterzug der Landschaftlichkeit verbindet Lingner, Funcke und Mattern. Bei dieser Generation, deren Sozialisation vom Wandervogel, erweitert von Jugendbewegung und Lebensreform beeinflusst ist, nimmt es nicht Wunder. Funcke stammt aus einem musischen Elternhaus, zu lokalisieren zwischen Bremen und der Lüneburger Heide. Er hatte eine Vorliebe für das Heide-Motiv, mit dem er noch in DDR-Zeiten repräsentative Orte gestaltete.10 Ein Quell der Inspiration könnte der Jugendstil sein, der frühe künstlerische Ausdruck jener sozialen Strömungen. Alle drei gehörten zum Bornimer Kreis. Ebenso Georg Pniower, der an der Berliner-Universität Hochschullehrer wurde. Er sprach sich zwar aus politischen Gründen gegen den "landschaftlichen Stil" aus, aber die damit verwandten Naturgärten mit Heide gehörten zu seinem Repertoire.11 Das politische Verdikt setzt "Landschaftlichkeit" mit dem Heimatschutz-Stil gleich, was in Zeiten des Reichsautobahnbaus sicherlich der Fall war. Mattern war maßgeblich beteiligt, entschied sich aber nach 1945 bewusst für das demokratische Westdeutschland. Seiner Persönlichkeit war Autoritarismus fremd.
Die Nazis hatten aber nicht nur das vorindustrielle Ideal einer organischen Landschaft und eines völkischen Landlebens gegen das "Zementgefüge" der lasterhaften Städte propagiert, sondern sie blähten die Hauptstadt zugleich megalomanisch auf mit Hilfe von Achsenkreuzen. Solche Ambivalenzen existierten bereits vor 1933 und auch nach 1945. Die Bornimerin Herta Hammerbacher formulierte den Gegensatz auf der landschaftsarchitektonischen Ebene aus als Antithese des geometrisch-formalem, architektonischen Gartens zum Naturgarten bzw. "neuen landschaftlichen Stil", den sie selbst vertrat. Damit sie nicht mit nationalsozialistischen Planungsidealen in Verbindung gebracht wird, drehte sie den Spieß einfach um und bezeichnete - im Hinblick auf Wiepking - nun den architektonischen Garten als "Stildiktat" der Nazis. Als einem der ersten Vertreter hatte Hammerbacher den architektonischen Stil fälschlich Hermann Muthesius unterstellt. Darin steckt das ganze Dilemma. Hammerbachers Gegenüberstellung beider Stile wirkt konstruiert. Die Realität war hingegen verwickelt.
Das Karussell wechselnder stilistischer und politischer Zuschreibungen drehte sich weiter nach dem Krieg. Die Genannten arbeiteten Hans Scharoun zu, dessen Kollektivplan von 1946 den Begriff der Landschaftlichkeit für die moderne Stadtlandschaft in Anspruch nahm. Aber sogar ein Stadtlandschaftskonzept war schon in der Nazi-Zeit entwickelt worden. In der Ausdifferenzierung des Kollektivplans löst Scharouns Konzept zwar die autoritäre Geste barocker und totalitärer Achsen auf, aber er selbst hielt es für verträglich mit einer Stadtkrone. Funcke fasste das Konzept treffend zusammen: Die Städte sind ins "Gesicht der Landschaft" einzuschreiben.12 Der Kollektivplan machte aus der Not der Zerstörung eine Tugend und gliederte die aufgelockerte Stadt durch grüne Bänder, aber auch Verkehrswege. Diese Stadtlandschaft wahrt unterschiedliche Vegetationsbilder in tiefen Räumen, die sich an der vorhandenen Topografie des Urstromtals orientieren, verstärkt durch begrünte Trümmerberge und Flussufer. Die Grünzüge bilden ohne feste Raumkanten den Übergang in die offene Landschaft. Dieser offene oder fließende Raum steht in der Tradition einer Moderne, die das Fließen architektonisch ins Werk gesetzt hat: Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe, Walter Gropius und Le Corbusier. Etwas von dieser grün gewordenen Moderne ist noch im Hansaviertel zu verspüren, der westlichen Antwort auf die Stalinallee. An der Freiraumplanung war auch eine Fraktion ehemaliger Bornimer beteiligt. Wer sich nach dem Krieg noch und wieder auf die Moderne berief, hielt an dem sozialreformerischen Anspruch fest, der über das "soziale Grün" und Volksparks bis zu den Gartenstädten zurückführt (und wie Lingner etwas pathetisch meint, bis zu Lenné). Da schließt sich der Kreis. Denn schon die Gartenstadtbewegung konnte - bei aller Modernität im fließenden Übergang von innen und außen - völkisches und sogar neobarockes Gedankengut resorbieren (Theodor Fritsch).
Alles war schon da, und alles fand sich in beiden Teilen Deutschlands wieder. Das kann ein Wohngarten-Stil sein, der - nicht nur im Westen, sondern zum Beispiel auch am Kollwitzplatz - auf öffentliche Plätze übertragen wurde, das können aber auch asymmetrische Anlagen und Zickzackwege sein, mit denen man sich in den 50er und 60er Jahren von starren Stilvorgaben und vom Repräsentationsdruck erholte. Die Zyklen der Landschaft sind länger als die der Politik. Deswegen hat es - bei aller Notwendigkeit, die in diesem Fach skandalös verschleppte Entnazifizierung nachzuholen - wenig Sinn, die Diskussion programmatisch zuzuspitzen und die Programmatiken politisch und ideologisch zu überformen. Die Sortierung nach links oder rechts bleibt äußerlich.13 Entwicklung, auch schädliche, kann so nicht analysiert werden, sondern nur in der Weise der Kulturtheorie Walter Benjamins: Das Neue bricht sich unter der Form des Alten Bahn. Die architektonisch-strenge Gliederung stimmt mit einer "freien" Pflanzenentwicklung zusammen, sofern der Gestalter eine individuelle Handschrift ausprägt. Für das Festliche steht die architektonische Form, für das Heitere steht die aufgelockerte Form, sagte Lingner, für den beides auf einem Tableau Platz hatte. Als Hochschullehrer empfahl er, die Geschichte seines Faches als Reservoir für aktuelle Gestaltungsaufgaben zu studieren. Historische Vorbilder sind "schöpferisch zu verarbeiten". Dieser Pragmatismus wurde während der deutschen Teilung nicht zugeschüttet. Wir wissen heute: Die Geschichte zweier Landschaftsarchitekturen in Deutschland war die einer "asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte".14
Anmerkungen
Wertvolle Hinweise verdanke ich einem ausführlichen Gespräch mit dem Gartenhistoriker Axel Zutz sowie Albrecht Ohl. Mögliche Fehler in der sachlichen Wiedergabe oder der Interpretation habe ich allein zu verantworten.
1) Siehe Susanne Karn: Freiflächen- und Landschaftsplanung in der DDR. Am Beispiel von Werken des Landschaftsarchitekten Walter Funcke (1907-87), Münster 2004; S. 40.
2) J. Albrecht Krummsdorf, zitiert nach Karn. a.a.O., S. 12.
3) Siehe Axel Zutz: Die Landschaftsdiagnose der DDR, in: Garten+Landschaft, 3/2003, S. 36.
4) Siehe Karn, a.a.O., S.11.
5) Vgl. Regina Krokowski: Nationalstaatliche Repräsentation in Freiräumen in Berlin, Hauptstadt der DDR, in: Gert Gröning/Uwe Schneider (Hg.): Gartenkultur und nationale Identität: Strategien nationaler und regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Gartenkultur, Worms 2001, S. 178.
6) Vgl. Klaus Lingenauber: Gartenhistorisches Erbe aus zwei politischen Systemen, in: Stadt+Grün, 3/2003, S. 43-49.
7) Diana Engel, Petra Kolbe, Monika Sachajska.
8) Vgl. Petra Kolbe: "Ein Denkmal des Sozialismus". Die FDJ-Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" am Bogensee, (Diplomarbeit) Berlin 2010, S. 9.
9) Gesamtplanung: ein Kollektiv unter dem Architekten Georg Eichler. Für die Grünplanung fand Monika Sachajska bisher nur die Namensangabe "Kurt".
10) Auch Wacholder, eine Symbolpflanze des Heimatschutzes, eignete sich zur Weiterverwendung in der DDR.
11) Pniower kritisierte scharf den "bodenständigen Garten" des führenden Landschaftsanwalts und Nazis, Alwin Seifert, aber dieser formulierte lapidar und unpolitisch: Bodenständig ist, was von alleine wächst. Das wäre Pniower recht.
12) Vgl. Karn, a.a.O., S. 266.
13) Natur- und Umweltschutz haben emanzipatorische Wurzeln und rassistische Verästelungen.
14) Siehe Christoph Kleßmann: Konturen einer integrierten Nachkriegsgeschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Hrsg. v. Bundeszentrale für Politische Bildung, Ausg.18-19/2005, aufgerufen am 14.1.2012 unter www.bpb.de/publikationen/MT5XWQ,7,0,Konturen_einer_integrierten_Nachkriegsgeschichte.html.