Gedanken zum Stand der Forschung
100 Jahre Bauhaus … und Gartenkunst?
von: Dr. Lars HopstockAus Sicht der Fachgeschichte Landschaftsarchitektur stimmt das Bauhaus-Jubiläum nachdenklich. Wie kann es sein, dass 100 Jahre nach Gründung der Schule in Weimar kaum Thesen zu Bezügen zwischen der Disziplin und dem Bauhaus zu finden sind?!
Ein Grund ist sicherlich das Fremdeln der Landschaftsarchitektur mit geisteswissenschaftlicher Methodik. Andererseits wurde auch eine Natur-kritische Haltung der Modernisten und eine dementsprechend geringe Beschäftigung der künstlerischen Avantgarden mit dem Thema des Gartens konstatiert - in anderen Worten: es gebe wenig zu erforschen.¹ Ein Stück weit mag es aber auch schlicht an der Art der Fragestellung liegen. Sucht man nicht nur konkret nach der Gartenkunst als Gegenstand der Bauhauslehre, sondern betrachtet allgemeiner die Bezüge zwischen der wichtigsten Design-Schule der Weimarer Republik, den damit verflochtenen Biografien und der zeitgenössischen Gartenarchitektur, tut sich ein weites Forschungsfeld auf, überschrieben mit der Frage nach den Ausdrucksformen der Moderne in der Gartenkunst an sich.²
Die "Bauhaus-Gärten"
Sicher, mit Blick auf die in der Literatur vorgestellten Pläne für das Haus Sommerfeld (1920) oder das Haus Kallenbach (1921) von Walter Gropius und Adolf Meyer, die zeitgenössischen Projekte Mies van der Rohes sowie im Seminar Gropius' entstandene Arbeiten lassen sich formale Charakteristika benennen, die eine Art Lieblingsgarten dieser Bauhaus-Vertreter umreißen: ein streng geometrisches Grundrissverständnis in größtenteils nicht-symmetrischer Gesamtkomposition und mit auch frei gesetzten Einzelbäumen, die Fokussierung auf bauliche Mittel der Raumbildung wie Laubengang und Mauern, eine Vorliebe für abgesenkte Gartenteile nicht zuletzt zur besseren Belichtung der Räume im Souterrain des Hauses, und eine Neigung zu wegbegleitenden Blumenrabatten mit flächig-geometrischer Wirkung.³ Bei den Beispielen handelt es sich hauptsächlich um schematische, repräsentativ-dekorativ wirkende Darstellungen, die mit den genannten baulichen Mitteln und harten, flächigen Farbkontrasten im nicht weiter definierten Bodenbelag Gebäude und Außenraum miteinander verschränken. Eines der bekanntesten Beispiele ist ein Entwurf von Farkas Molnár mit dem Titel "Roter Würfel" (Abb. 3). Gropius hatte ihn 1923 prominent veröffentlicht.
Dies alles mag sich mittlerweile als Typologie eines "Bauhaus-Gartens" herauskristallisiert haben - hier in Anführungsstrichen deshalb, weil eine solche Betitelung angesichts der heute weithin bekannten Vielfalt der künstlerischen Standpunkte an der Institution grundsätzlich angezweifelt werden darf. Wird zudem die rein visuelle Ästhetik abgekoppelt von performativen und sozialen Aspekten (Nutzungsaspekte, Repräsentationsfunktion etc.) betrachtet, gerät man schnell in eine Sackgasse. Die genannten Gärten zielen in Teilbereichen auf einen repräsentativen Schaueffekt und wecken Erinnerungen an einige der zeitgleich in Frankreich entstandenen Gärten, die mit dem Begriff "Art Déco" assoziiert werden.4 Die Frage kommt auf, ob sie nicht auch als Versuch eingeordnet werden könnten, tradierte Erwartungen an repräsentative Gartenkunst nur in eine zeitgenössische Stilistik zu übersetzen, ohne die Aufgabe des Gartens grundlegend neu zu denken und an veränderte gesellschaftliche Bedingungen anzupassen.5 Im Übrigen sind die Gartenvorstellungen des zweiten Bauhaus-Leiters, Hannes Meyer, in der Literatur nicht behandelt worden, obwohl dieser sich in Texten vergleichsweise viel auf verschiedene Aspekte von Landschaft bezieht, und zwar auch unter sozialen und ökologischen Vorzeichen.6
Über eine direkte Rezeption der am Bauhaus entstandenen Freiraumentwürfe unter Gartenarchitekten und -architektinnen ist nichts bekannt.
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Zum Stand der Forschung
Die vor rund drei Jahrzehnten durch die "Zweite Moderne" ausgelöste gartenhistorische Forschungswelle zum frühen 20. Jahrhundert täuscht darüber hinweg, dass (nicht nur) diese Zeit noch immer dramatisch untererforscht ist. Das betrifft zahlreiche Persönlichkeiten, in deren unterschiedlichen Gartenauffassungen die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse Ausdruck fanden (Abb. 4 und 5).7
Nur in zwei Fällen weiß man Konkretes u?ber biografische Beziehungen zwischen Gartenarchitektur und dem Bauhaus: über den kaum bekannten, wohl nicht als Gartenarchitekt ausgebildeten Heinz Wichmann ist dokumentiert, dass er am Bauhaus studiert hat, während Hermann Mattern durch persönliche Kontakte die Bauhaus-Idee näher kennen lernte. Leberecht Migges Berührungspunkte beschränken sich auf eine beratende Funktion im Rahmen des Siedlungsprojektes Dessau-Törten.
Der gartenhistorische Forschungsstand zum Bauhaus lässt sich mit nur fu?nf Quellen nahezu abdecken:8 Zum Einstieg findet man in Günter Maders "Gartenkunst des 20. Jahrhunderts" (1999) ein recht anschauliches Kapitel (S. 86-93); eine Monografie von Dorothea Fischer-Leonhardt (2005) unter dem vielversprechenden Titel "Die Gärten des Bauhauses - Gestaltungskonzepte der Moderne", das fast ohne Diskurs und Literaturangaben auskommt, stellt eine Zusammenfassung von Teilergebnissen eines BMBF-Forschungsprojektes an der Hochschule Anhalt über die Freiräume an den unmittelbar zum Bauhaus gehörenden Bauten dar (Schulgebäude, Meisterhäuser);9 die Berührungspunkte Matterns mit Bauhaus-Konzepten stellte der Autor 2013 zusammenfassend in dieser Zeitschrift dar;10 Ulrich Müller verfasste eine erkenntnisreiche Arbeit über von Mies und Gropius, teils mit Wichmann, geplante und zum Teil auch realisierte Einfamilienhäuser mit Gärten;¹¹ und schließlich muss als vergleichsweise umfangreicher Beitrag noch die wenig beachtete unveröffentlichte Dissertation von Joachim W. Jacobs von 1992 zum theoretischen wie praktischen Außenraumbezug am Bauhaus genannt werden, die neben den drei Leitern auch andere Bauhaus-Mitglieder berücksichtigt.¹² An all diese Beiträge wurde bisher kaum weiter angeknüpft.
Soweit zum Bauhaus, an dem letztendlich die Gartenarchitektur nie als eigenes Fach gelehrt wurde - trotz eines von Müller entdeckten, im Meister-Kollegium sehr wohlwollend diskutierten Vorschlags Wichmanns im Jahr 1924 für die Einrichtung eines entsprechenden Curriculums.¹³ Aber auch, wenn man sich von der Geschichte der Institution löst und allgemeiner nach dem Garten als Ausdruck der gesellschaftlichen (und technischen) Modernisierungsprozesse der ersten deutschen Demokratie fragt, fehlt eine anspruchsvolle aktuelle monografische Darstellung. Letztere müsste zahlreiche Veröffentlichungen beispielsweise zu avantgardistischen gartenkünstlerischen Experimenten, zu Expressionismus in der Gartenkunst oder zu zeitgenössischen Diskursen und Schlagworten wie "der kommende Garten" berücksichtigen.14
Die Rolle der Architekten
Was auffällt ist die prominente Rolle der Hochbau-Architekten, nicht nur im Hinblick auf Entwürfe: auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst (DGfG) 1927 war es ein Architekt, der eine entscheidende, Begeisterung hervorrufende Aufforderung zur Modernisierung des Gartens vortrug.15 Es ist nicht auszuschließen, dass die Profession Gartenarchitektur strukturell konservativer und weniger aufgeschlossen für Veränderungen war. Es wäre jedoch auch denkbar, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausbildungstraditionen grundsätzlich unterschiedliche Raumideen herrschten. Gleichzeitig kann man in Frage stellen, ob die Gärten der Bauhaus-Architekten eine dem Innovationsgrad ihrer Architektur ebenbürtige Erneuerung darstellten; In ihren Grundelementen unterschieden sie sich kaum von den zehn bis 15 Jahre zuvor realisierten Architekturgärten Peter Behrens', Leberecht Migges, Max Laeugers oder anderer (Abb. 6 und 7).
Charakteristika und Modernisierungsaspekte dieser die eigentliche "Revolution der Gartenkunst" verkörpernden Werke hat Stefan Schweizer zuletzt zusammenfassend dargestellt, und er resümiert: "Der Beitrag des Bauhauses zur Gartenkunst - gleich ob Haus- oder Siedlungsgarten, Stadtpark oder Stadtplatz - nimmt sich im Übrigen vergleichsweise gering aus".16 Das wird offensichtlich, wenn wir bedenken, dass Mies von der Rohe - teils in Zusammenarbeit mit dem einflussreichen Staudenzüchter Karl Foerster - bereits vor dem ersten Weltkrieg Raumkonzepte für Gärten zeichnete und umsetzte, die in der von Mies rezipierten Gartenreform und in Arts-and-Crafts-Projekten bereits angelegt waren - ganz zu schweigen von Ähnlichkeiten mit ihm bekannten Entwürfen von Schinkel (Abb. 8 und 9).17 All diese Aspekte sind von Barry Bergdoll ausführlich behandelt worden.18
Spannt man diesen Bogen, nämlich von den Reformgärten des späten Kaiserreichs zum nachrevolutionären Bauhaus, können dann die formal so ähnlichen Projekte der Bauhausvertreter noch als eigenständig gelten? Offensichtlich waren Mittel und Ziel in den 1920ern nichts Neues. Eine mögliche Antwort: Die meisten diskutierten Beispiele stammen aus der Weimarer Zeit des Bauhauses, aus den frühen 1920er-Jahren, als der architektonische Reformgarten mit seinen klaren baulichen Mitteln der Raumbildung noch als unhinterfragtes Vorbild galt. Dies änderte sich aber ab Mitte des Jahrzehnts.
Und was anfangen mit Gropius' minimaler Gartengestaltung 1925/26 für die Dessauer Meisterhäuser? Gerade hier wäre ja eine exemplarische Umsetzung seiner Gartenvorstellung zu erwarten gewesen. Keine Gestaltung ist auch Gestaltung, könnte man meinen, und hinnehmen, dass ihm die puristische Ästhetik der vertikalen und horizontalen Linien von Kiefernstämmen und Gebäudefluchten und die formalistische Spiegelung der Grundrissrechtecke in den nicht durch Pflanzungen 'versehrten' Rasenrechtecken (Abb. 10) wichtiger waren als zur Nutzung einladende Gartenräume; die Inbesitznahme durch die Bewohnerinnen und Bewohner passierte dann übrigens ganz von selbst, wie historische Fotos beispielsweise mit Strauch- und Staudenpflanzungen am Haus der Kandinskys zeigen (Abb. 11).19
Entweder dachte Gropius den Garten vom Gebäude her, oder wir haben es hier mit einer Inszenierung von Wildnis zu tun, wie wir es von Le Corbusier kennen, und was wiederum an die allgemeine Entwicklung hin zu einem Naturalismus in der Gartenkunst um 1930 erinnert.20 Das bedeutet, dass Gropius' 'Nichtgestaltung' hier kein Anzeichen von Ignoranz, sondern die radikale Umsetzung einer im Zeitgeist liegenden Gartenvorstellung ist. Es wäre zu untersuchen, wie dies auch im internationalen Kontext konservativer und progressiver Positionen zu deuten ist; als neoromantische Haltung vielleicht, oder ob es nicht gar auf emblematische Weise den Garten der Neuen Sachlichkeit verkörpert.
Die Problematik des Organikbegriffs
Über Allem schwebt dann noch, wie ein goldenes Lamm, der Begriff der Moderne an sich - niemals hinterfragt und seltsamerweise auch so gut wie nie definiert. Konsens unter Historikern schien eine 'Naturfeindlichkeit' der sogenannten Modernisten zu sein, was es prinzipiell schwierig macht, einen modernen (naturfreien?) Garten zu definieren. Im Kontrast hierzu hat die Forschung in den letzten Jahren aber auch vermehrt auf die ebenso häufigen Natur-Huldigungen verwiesen.
Nun ist es von "Natur" nicht weit zu "Organik", einem Schlüsselbegriff der konservativen Revolution in der Weimarer Republik, wie Kurt Sontheimer 1962 betonte. Und ein organisches Leitbild in der Gartengestaltung stand nicht selten für Zusammenhänge mit faschistischem und rassistischem Gedankengut.²¹ Als progressive Gartenkunst identifizierte man eher kontrastreiche stereometrische Formen und 'kubistische' Gartenentwürfe, während beispielsweise die organischen Raumkompositionen der Arbeitsgemeinschaft von Karl Foerster, Herta Hammerbacher und Hermann Mattern von Mader (1999) im Kapitel "gemäßigte Moderne" abhandelt wurden - als Middle-of-the-road-Modernismus sozusagen.
In dieser Zeit hatten zudem die, für Instrumentalisierung durch völkische ,Theoretiker' anfälligen, durch Willy Lange popularisierten physiognomischen Pflanzenbilder und Foersters Neo-Romantik großen Einfluss, und fast ausschließlich anhand dieser Phänomene wurde moderne gartenkünstlerische Organik bisher beschrieben.²²
Sie wird also meist als rückwärtsgewandt gedeutet.
In den Kunstwissenschaften bietet sich ein ganz anderes Bild, wenn (stark verkürzt dargestellt) neben formalgestalterischen Aspekten wie Biomorphismus oder Kurvilinearität beispielsweise auch ein auf den Schaffensprozess bezogener Organik-Begriff mit der Vorstellung eines funktionalen Zusammenhangs der Einzelteile analog eines Organismus' beschrieben wird. Für das frühe 20. Jahrhundert bedeutsam ist auch der potentiell fortschrittliche Begriff der Evolution, die die Entwicklung zum "Neuen" hin als Gegenpol zu Tradition verehrt.²³ Während die Evolution in der Vorstellung des Vitalismus des 19. Jahrhunderts in Richtung einer Urform strebt, steht sie im Neo-Vitalismus eines Henri Bergson für ein freies schöpferisches Spiel, das dem Neuen Ausdruck gibt. Letztere Vorstellung war ein zentraler Antrieb für die Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts.
Organik ist also ein oszillierender Begriff, der sowohl mit Konservativismus - mit einer teleologischen Festlegung auf ein naturgegebenes, organisches Ideal - wie auch mit progressivem Denken verbunden sein kann, wie zahlreiche Künstler im Umfeld des Bauhauses zeigen; sie formulierten als Hauptantrieb ihres Schaffens, ihre Werke "als Frucht" aus ihrem Inneren heraus erschaffen zu wollen (Hans Arp), so, wie in der Natur die Dinge aus gegebenen Prinzipien heraus entstehen, um dann als unabhängiges, "geistig atmendes" Wesen ein Eigenleben zu entwickeln (Kandinsky).24
Aber auch bei den Architekten finden sich auf anderen Ebenen als den konkreten Gartenentwürfen Naturbezüge, die vielleicht ihre Gartenvorstellungen erhellen helfen. Jüngere Beiträge wie jene in dem an der ETH Zürich herausgegebenen Band "Nature Modern" (2017, Serie Landscript) zeigen auf, wie zentral nicht trotz sondern im Zuge der 'Versachlichung' des architektonischen Ausdrucks auch die Auseinandersetzung mit dem Garten und mit Naturbezug für die Avantgarde von Adolf Loos bis Richard Neutra war.
Moderne Ästhetik der Natur
Pflanzenästhetik und Naturbezug bringen ein zweites Problemfeld mit sich: Wegen des Einflusses der Natur durch die Pflanze galt, dass die künstlerischen Mittel nicht unter absoluter Kontrolle des Menschen stünden, weshalb die klassische akademische Ästhetik der Gartenarchitektur den Geltungsanspruch als der Architektur gleichrangige Kunst versagte.25 Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte man sich jedoch in der deutschen Ästhetik einer psychologisch-physiologischen Wahrnehmungstheorie zugewandt, in der Begriffe wie Einfühlung und Gestalt die Diskussion des Naturschönen und der pflanzlichen Mittel der Gartenkunst potentiell hätten wieder beleben können.
Die Beherrschung der künstlerischen Mittel behaupteten die Gartenarchitekten und -architektinnen nun folgendermaßen: mit der dem Beruf eigenen Fähigkeit zur Einfühlung in pflanzliche Gestaltbildungsprozesse könne das Material ganz in Einklang mit der künstlerischen Intention eingesetzt werden. Otto Valentien forderte 1932 den Einsatz der "Vielgestaltigkeit und Fülle der zwanglosen, eigenwilligen Natur", mit der die Pflanze "den ganzen Reiz ihres natürlichen Aufbaues voll entfalten können [soll]".26 Dies, so würde man meinen, hat mit dem Bauhaus rein gar nichts zu tun.
Es gibt aber - wie mit Verweis auf den Organikbegriff bei Arp und Kandinsky bereits angedeutet - einen Bezugszusammenhang in dem gerade Naturalismus im Sinne beispielsweise der Willy Lange'schen Einfühlungsästhetik mit dem Bauhaus zusammen diskutiert werden kann: und zwar, beispielsweise, wenn man mit Oskar Schlemmer die zwei, durch Gropius und Hans Itten verkörperten Pole der Institution unterscheidet und "Amerikanismus", Fortschrittsglaube und Großstadt-Sehnsucht auf der einen Seite, einem "Indienkult", "Zurück zur Natur", "Vegetarismus" etc. auf er anderen Seite gegenüberstellt und Letzteres zudem noch mit Paul Klees Aussage abgleicht, dass " … Natur conditio sine qua non", also die unhintergehbare Begründung allen künstlerischen Schaffens sei.27 Dazu muss man sich vorstellen, dass im Juni 1929 Karl Blossfeldt am Bauhaus seine Pflanzenfotos ausstellte (Abb. 13), und Kandinsky Klee zum 50. Geburtstag ein Exemplar der "Urformen der Natur" schenkte; durch die Publikation waren Blossfeldts Arbeiten bekannt geworden und hatten große Wirkmacht entfaltet.28 Klees Sohn Felix bezeugt gar: "[…] bei vielen seiner Bilder mit Pflanzen- oder Wasserthemen können wir auf seine Wörlitzer Parkbesuche schließen."29
Der Landschaftsgarten als Katalysator der modernen künstlerischen Avantgarde?! Vielleicht gäbe ein Wenden des Blickes weg von den Meistern der Architekturklasse und hin zu den Gartenvorstellungen der Künstler am Bauhaus der Forschung neue Impulse. Jedenfalls wäre ein möglicher Ansatz - neben vielen denkbaren anderen - über eine Untersuchung allgemeinerer Naturbezüge am Bauhaus die im Kontext der Erneuerungsbewegungen und Abstraktionstendenzen ("Neues Bauen", "Neues Sehen" etc.) herrschenden Vorstellungen von modernen Natur-Mensch-Verhältnissen zu beleuchten und mit der Gartenkunst der Zeit in Bezug zu setzen. Sicherlich besteht auch in der gartenhistorischen Grundlagenforschung, beispielsweise was die Ausbildungsgeschichte angeht, noch Nachholbedarf. Gleichwohl sollte dieser Ausblick dazu ermutigen, den Blick aufzuweiten und sich dem Kontext des Bauhauses aus Sicht der Landschaftsarchitekturtheorie nicht nur im Abgleich mit der Schwesterdisziplin Architekturtheorie, sondern von eigenständiger Position aus zu nähern.
Anmerkungen
¹ Wolschke-Bulmahn, Joachim (2006), The Avantgarde and Garden Architecture in Germany. On a forgotten phenomenon of the Weimar period. In: Deutschland im frühen 20. Jahrhundert - Drei Beiträge. Hrsg. vom Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur der Universität Hannover (CGL) (Hannover: CGL - Universität Hannover), S. 9-26 (11-14); Poblotzki, Ursula (2003)' Die zaghafte Moderne/The faltering progress of modernism. In: Texte zur Landschaft: Essays über Entwurf, Stil, Zeit und Raum/About Landscape: Essays on design, style, time and space. Hrsg. von Topos European Landscape Magazine (Basel et. al: Birkhäuser), S. 17-29.
² Für kritische Hinweise zum Manuskript danke ich Sebastian Feldhusen und Christine Fuhrmann.Vielen Dank an Christine Fuhrmann zudem für die Zurverfügungstellung von Abb. 12!
³ Vgl.: Müller, Ulrich (1999), Der Garten des Hauses Auerbach in Jena. Die Gartenkunst, 11/01, S. 95-111.
4 Imbert, Dorothee (1993), The Modernist Garden in France (New Haven: Yale University Press).
5 Marc Treib hat hierfür den Begriff "modernistic" vorgeschlagen. Treib, Marc (2013): Landscapes transitional, modern, modernistic, modernist. Journal of Landscape Architecture, 8:1, S. 6-15, DOI: 10.1080/18626033.2013.798917.
6 Eine Ausnahme ist: Jacobs, Joachim W. (1992): Die Relation von Innen- und Außenraum in Theorie und Praxis des Bauhauses. Ein Beitrag zur Analyse des architektonischen Raumbegriffs und theoretischen Fundierung gartendenkmalpflegerischer Erfassung, Inventarisierung und Unterschutzstellung von Außenräumen des Bauhauses. Diss. Technische Universität Berlin, S. 209-244.
7 Bspw. in Mader, Günter (1999), Gartenkunst des 20. Jahrhunderts: Garten- und Landschaftsarchitektur in Deutschland (Suttgart: DVA, 1999), S. 88-89. Über Otto Valentien ist selbst am Lehrstuhl seines Neffen Christoph Valentien, der 1980 bis 2002 eine der wenigen deutschen Landschaftsarchitektur-Professuren inne hatte, lediglich eine nicht-publizierte Diplomarbeit von Irmgard Kaup entstanden. 2017 wurde dem Münchner Architekturmuseum ein umfangreiches am Lehrstuhl von Regine Keller konservatorisch aufbereitetes Konvolut des überraschend aufgefundenen Nachlasses übergeben, der bis dato als verschollen galt.
8 Über Gropius' Beschäftigung mit Fragen der Landschaft, so ist zu erwarten, wird Christine Fuhrmanns bereits im März 2019 vorliegende Dissertation Studie neue Erkenntnisse bringen. Sie erscheint unter dem Titel: Eine Stadtkrone für Halle a. d. Saale von Walter Gropius.
9 Fischer-Leonhardt, Dorothea (2005), Die Gärten des Bauhauses. Gestaltungskonzepte der Moderne (1. Aufl.) (Berlin: Jovis).
10 Hopstock, Lars (2013). Zwischen Bauhaus und Studium generale. Der Landschaftsarchitekt Hermann Mattern (1902-1971) als Lehrer. Stadt+Grün, 61/07, S. 22-27. Eine Monografie des Autors über Mattern in englischer Sprache, die sich auch den Bauhaus-Bezügen widmet, ist in Vorbereitung.
11 Wie Anm. 3.
12 Wie Anm. 6.
13 Müller, U. (1999), S. 95-111 (109-110). (wie Anm. 3). S. a.: Müller, Ulrich (2006): Gartenkunst am Bauhaus. In: Deutschland im frühen 20. Jahrhundert - Drei Beiträge. Hrsg. vom Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur der Universität Hannover (CGL) (Hannover: CGL - Universität Hannover), S. 29-45.
14 Von zentraler Bedeutung sind beispielsweise: Gröning, Gert (1995), Der kommende Garten. Anmerkungen zu einer europäischen Diskussion um Gartenkultur im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, Die Gartenkunst, 07/02, S. 268-281; sowie die Beiträge von Joachim Wolschke-Bulman und Peter Fibich in: Deutschland im frühen 20. Jahrhundert - Drei Beiträge. Hrsg. vom CGL (Hannover: CGL - Universität Hannover) (vgl. Anm. 1). Gröning und Wolschke-Bulmahn hatten das Thema bereits 1987 behandelt: Gröning, Gert und Joachim Wolschke-Bulman (1987), 1887-1987. DGGL - Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftspflege e. V.. Ein Rückblick auf 100 Jahre DGGL (Berlin: Boskett), S. 36-44 (Kapitel "Der 'kommende' Garten").
15 Der österreichische Architekt Franz Schuster sorgte mit seinem Vortrag auch unter den DGfG-Mitgliedern für Begeisterung, s.: Gröning, G. und J. Wolschke-Bulman (1987), S. 40f. (wie Anm. 14). Der Vortrag wurde abgedruckt in der Gartenkunst, Heft 09/1927, S. 142-145.
16 Schweizer, Stefan (2017): Die zweite Gartenrevolution. Die Reform der Gartenkunst um 1900. In: Neue Gärten! Gartenkunst zwischen Jugendstil & Moderne. Hrsg. Christoph Bayer & Stefan Schweizer (Köln: Wienand), S. 13-37 (33).
17 Insbes. das Gärtnerhaus in Schloss Charlottenhof und das Casino am Schloss Glienicke, siehe: Bergdoll, Barry (2001): Das Wesen des Raums bei Mies van der Rohe. In: Mies in Berlin. Ludwig Mies van der Rohe. Die Berliner Jahre 1907-1938. Hrsg. Terence Riley & Barry Bergdoll (München/London/New York: Prestel), S. 67-105 (72-73, 76).
18 Wie Anm. 17.
19 vgl. Fischer-Leonhardt (2005), S. 96-99 (wie Anm. 9).
20 Vgl.: Valentin, Otto (1929), Der Garten und der neue Wohnungsbau, Der Deutsche Gartenarchitekt, Nr. 6, S. 67-68. Zu Le Corbusier, der die geometrische Reinheit seiner Gebäude gerne durch ein "arkadisches" Grün kontrastiert sehen wollte, vgl.: Woudstra, Jan (2000), The Corbusian Landscape: Arcadia or No Man's Land?, Garden History, 28/01, S. 135-151
21 Dies wurde allem in den Arbeiten Gert Grönings und Joachim Wolschke-Bulmahns aufgezeigt. Vgl. als ein besonders frühes und repräsentatives Beispiel: Gröning, Gert, und Joachim Wolschke-Bulmahn (1989), Changes in the philosophy of garden architecture in the 20th century and their impact upon the social and spatial environment. Journal of Garden History, 09/02, S. 53-70.
22 Zum Thema der physiognomischen Pflanzenbilder, vgl.: Gröning, Gert und Joachim Wolschke-Bulmahn (1989), S. 54-57 (wie Anm. 21); Woudstra, Jan (2004): The changing nature of ecology: a history of ecological planting (1800-1980). In: Dynamic Landscape: naturalistic planting in an urban context. Hrsg. Nigel Dunnett & James Hitchmough (London und New York), S. 23-57 (30-32). Als kompakte Einführungen zu Karl Foerster s.: Sonja Dümpelmann, Karl Foerster: Vom großen Welt- und Gartenspiel (Berlin: Staatsbibliothek zu Berlin, 2001); Hopstock, Lars (2017), "Beauty is more than beauty": examining Karl Foerster's position in German garden culture. Journal of Landscape Architecture, 12/2, S. 34-45.
23 Waenerberg, Annika (2011), Das Organische in Kunst und Gestaltung - Eine kurze Geschichte des Begriffs. In: Spielarten des Organischen. Hrsg. Annette Geiger et al. (Berlin: Reimer), S. 21-35 (23, 28-3).
24 Dieses und weitere Beispiele finden sich bei Wünsche: Wünsche, Isabel (2012): Life into Art. Nature Philosophy, the Life Sciences and Abstract Art. In: Meanings of Abstract Art. Between Nature and Theory. Hrsg. Paul Cowther und I. Wünsche (New York & London), S. 9-29 (12).
25 Schweizer, Stefan (2013): Die Erfindung der Gartenkunst. Gattungsautonomie - Diskursgeschichte - Kunstwerkanspruch (Schriftenreihe Kunstwissenschaftliche Studie, Bd. 172) (München: Deutscher Kunstverlag), S. 11-85 (Kapitel "Problemstellung", insb. S. 35).
26 Valentien, Otto (1932), Zeitgemäße Wohngärten. Eine Sammlung alter und neuer Hausgärten (München: Bruckmann), S. 7.
27 Andreas Hünecke (Hrsg.) (1990): Oskar Schlemmer, Idealist der Form: Briefe, Tagebücher, Schriften 1912-1943 (Leipzig: Reclam), S. 82.; Paul Klee (1923), Wege des Naturstudiums, publiziert im Katalog der Bauhaus-Woche 1923.
28 Osamu Okuda (2008): Paul Klee und die Pflanzenwelt: Botanik, Garten, Landschaft. Eine Chronologie, in: In Paul Klees Zaubergarten. Hrsg. vom Zentrum Paul Klee Bern (Ostfildern: Hatje-Cantz), S. 10-20 (17).
29 Osamu Okuda (2008), S. 16 (wie Anm. 28).
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