Inspiration Natur
Mentale Stärkung und Motivation durch Erleben von Grün im Jahreslauf
von: Prof. Dr. Andreas RoloffDiese behandeln passend zur jeweiligen Jahreszeit (und sogar zu jedem Monat und jeder Woche) Aktuelles, um es draußen in der Natur mit einzelnen Bäumen oder in Parks, Gärten und Wäldern bewusst(er) wahrzunehmen und zur Stärkung des Befindens zu verarbeiten und zu nutzen (Abb. 1).
Intention und Botschaft der neu entwickelten "INA-Methode" (Inspiration Natur) ist es, die Baumbiologie (meinem derzeitigen Arbeitsschwerpunkt seit über vier Jahrzehnten) und Naturerlebnis (meinem Hobby seit fünf Jahrzehnten) mit Psychologie (meiner ersten Berufsausbildung und -tätigkeit vor über vier Jahrzehnten), mentalem Befinden und Gesundheit zu verknüpfen.
Die Idee dazu entstand vor etwa fünf Jahren, zum nahenden Ende meiner regulären beruflichen Laufbahn (sollte eigentlich im März 2021 sein, kam aber erst September 2022) meine umfangreichen baumbiologischen Kenntnisse mit den ebenso umfangreichen Erkenntnissen zu mentalen und psychologischen Beziehungen zwischen Bäumen und Menschen zu verknüpfen. So reifte über die letzten Jahre, befördert durch die Corona-Restriktionen und die neu entstandene und weiter allgemein zunehmende Wertschätzung von Natur und Grün, die Idee, dies umzusetzen. Ungeplante Testläufe entstanden in Corona-Zeiten dadurch, dass ich die Studierenden während der Zeit der Online-Vorlesungen mit dieser Methode zum Lernen rausgeschickt habe und sie sehr begeistert waren.
Es soll damit bewusst versucht werden, auch Baumlaien an interessante Naturerscheinungen heranzuführen, die uns überall begegnen können.
Bäume können viel mehr als ihnen bisher zugetraut wird! Und sie haben für dieses Anliegen den Vorteil, dass sie für lange Zeit ortsfest sind - man kann sie daher jeden Tag aufsuchen, wenn und wo man möchte. Im Gegensatz zu Tieren draußen, mit denen man sich (meistens) nicht zu einem festen Zeitpunkt planbar "verabreden" kann. Dafür gibt es zwar Haustiere, da sind die Vorlieben allerdings sehr verschieden.
Anlass und Ziel: Mentale Erfahrungen und Stärkung durch mehr Draußensein
Entwicklungen der letzten Zeit haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen Sehnsucht nach Natur haben. Dies ist an sich eine schöne Entwicklung, denn unser Leben hat sich inzwischen sehr weit von der Natur entfernt, wozu auch die zunehmende Verstädterung beiträgt (Abb. 2). Dafür ist die Natur mit all ihrer laufenden Veränderung und Schönheit das Beste, was es zu jeder Zeit an fast jedem Ort gibt - dies bewusster zu machen und zu verstärken, dazu möchte die INA-Methode beitragen und helfen, gelassener, aufmerksamer und zuversichtlicher zu werden.
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Das Wort "mental" im Titel soll darauf hindeuten, dass es hier vorrangig um emotionale Wirkungen geht - für Körper, Geist und Seele. Stärkung deutet auf eine Verbesserung des Wohlbefindens, der Gesundheit, der Belastbarkeit und der Leistungsfähigkeit hin. Und wichtig ist auch, dass mit der Anwendung der gegebenen Vorschläge in der Regel keine eigenen Risiken oder Belästigungen anderer Personen verbunden sind oder sein sollen.
So möchte INA dazu beitragen, wieder mehr von der Natur wahrzunehmen und in ihr zu erleben, sich natürliche Zusammenhänge und Abläufe bewusster zu machen, sie besser zu verstehen und daraus mehr Respekt, Rücksicht und Einfühlungsvermögen zu entwickeln. Dann kann die Natur maßgeblich zu einem täglichen besseren gesundheitlichen, psychischen und mentalen Wohlbefinden beitragen, und ihr besseres Verständnis wird auch zu ihrem verstärkten Schutz führen. Dafür ist hilfreich, dass sich derzeit immer mehr Menschen Gedanken und Sorgen über unseren Umgang mit der Natur machen und dies auch stärker im eigenen Lebensstil berücksichtigen wollen.
Und eigentlich wissen wir auch (fast) alle schon lange: In der Natur gibt es kein unbegrenztes Wachstum, sondern es muss rechtzeitig ein Einschwenken auf Umbau und Anpassung erfolgen - dazu können wir, so überraschend das jetzt für manche auch klingen mag, von Bäumen unendlich viele lernen, vor allem von den letzten uralten Methusalems unseres Landes wie den Nationalerbe-Bäumen (www.nationalerbe-baeume.de). Diese alten Bäume bauen sich ständig um, ersetzen Teile und passen sie und sich an Veränderungen an: Sie optimieren ihre Strukturen immer wieder neu, anders wäre ein so langes Überleben auch gar nicht möglich.
Für die Umsetzung der Ziele der INA- Methode ist es hilfreich (aber nicht entscheidend), wenn man für einen eigenen Garten(-bereich) verantwortlich ist und ihn pflegt oder sogar nutzt, oder wenn man einen Kleingarten/Schrebergarten als Wochenendgrundstück/Datsche mit Hütte nutzen kann. Ansonsten kann man sich aber auch einfach nach mental besonders wirksamen Orten in Parks, Gärten und Wäldern umsehen - diese Suche alleine ist dabei schon ein Teil der Freude und des Erfolges: Lieblingsorte und Wohlfühlplätze finden, zu denen man immer wieder hingelangen kann, entweder gleich um die Ecke von der Wohnung oder im nächsten Park/Wald, oder am Zielort einer Wanderung/Radtour (Reise). Dort soll möglichst ein mental ansprechender Baum stehen oder zu sehen sein, vielleicht auch noch mit schöner Umgebung und einem schönen Ausblick … (Abb. 3) Wo man Ruhe und Ungestörtheit findet, ein Ort der Besinnung mit hoher Aufenthaltsqualität. Manche möchten sich dafür vielleicht auch lieber im Trubel aufhalten, beispielsweise auf einer Bank in einer Fußgängerzone (auch dort kann es natürlich zeitweise je nach Tageszeit sehr ruhig zugehen) oder an wechselnden Orten, um je nach Stimmung Inspiration durch die Umgebung zu erhalten: Kinderspielplätze, auf einer Wiese im Park, auf dem Balkon …
Diese Lieblingsorte können und sollen dabei durchaus über die Monate und Jahreszeiten wechseln, um sie bewusster zu erleben und nicht "abzustumpfen". Dabei können sehr gut veränderte Stimmungen aufgegriffen und sich ändernde Vorlieben und Abneigungen berücksichtigt werden, oder die Wirkung der Jahreszeiten wird verstärkt. Durch diese Methode wird sich die Wahrnehmung verändern (bei mir war und ist es jedenfalls so), und das wird sich auch in verändernden Vorlieben und verstärkten Wohlfühl-Empfindungen äußern.
Vorgehen und Anwendung
Um das genannte Ziel zu realisieren, eignen sich Bäume in besonderer Weise - das können Einzelbäume vor der Haustür oder im eigenen Garten sein, sie wachsen und stehen aber ja auch in Parkanlagen, Gärten und Wäldern und sind dort für Menschen gut erreichbar. Bäume haben auf viele von uns einen besonderen und meist positiven Einfluss, können emotional bewegen (je älter der Baum, desto intensiver), reagieren auffallend auf die Jahreszeiten, ja sie veranschaulichen sie sogar (Obstblüte im Frühjahr, Fruchtreife, Blattfärbung im Herbst) und eignen sich daher in besonderer Weise für eine Steigerung des Naturerlebens und Wohlbefindens. Meist haben sie eine stärkere Wirkung als Kräuter und den Vorteil, dass sie über so lange Zeit an einem Ort stehen (Abb. 4). Bäume werden daher neuerdings auch beispielsweise bei architektonischen Gestaltungsplanungen wieder von vornherein mit einbezogen - statt sie wie oft bisher als erstes abzusägen, um "Gestaltungs- und Baufreiheit" zu schaffen.
Ein besonders guter Einstieg ist daher also, sich einen Lieblingsbaum in der Nähe zu suchen, den man täglich oder zumindest (mehrmals) wöchentlich aufsuchen kann, um Veränderungen an diesem Baum im Tages-, Wochen- und Jahreslauf zu erleben. Es können natürlich auch zwei oder mehrere Lieblingsbäume sein. Für mich führt beispielsweise schon die alljährliche Benennung und Ausrufung einer Baumart zum Baum des Jahres automatisch immer dazu, dass dieser Baum bei mir (auch beruflich bedingt) mehr in den Fokus rückt, und ich jedes Mal (also jedes Jahr) zu dieser Baumart eine intensivere Beziehung bekomme, als ich sie vorher hatte und enorm dazulerne, sie dadurch besser zu verstehen - ihren Charakter und "wie sie tickt". Und man lernt dabei immer noch viele Dinge über diese Baumart dazu, die auch Empfindungen betreffen - wenn man dies zulässt.
Die INA-Methode möchte und soll zu einem bewussteren Leben mit und Erleben der Natur führen. Warum das so gut funktioniert, hängt mit der Geschichte der Menschwerdung zusammen: Sie hat in 90 Prozent der Zeit (zehntausende von Jahren) in der freien, vorrangig auch wilden Natur stattgefunden (savannenähnliche Landschaft in Afrika, Bues 2023), und die dazu notwendigen und sinnvollen körperlichen und mentalen Voraussetzungen stecken alle (noch) in uns. Unser Körper und Geist fühlen sich daher besonders wohl, wenn diese Anlagen immer mal gefordert werden und nützlich sind - das merkt man beispielsweise intensiv bei einem Campingurlaub, am besten mit Kindern. Oder ganz einfach beim Draußensein und Laufen. Nach einigen Wochen Anwendung der gesammelten Vorschläge wird man die Tageszeiten, die Jahreszeiten und Ihre Lebensphasen intensiver und positiver erleben. Da gibt es beispielsweise "die goldene Stunde": Das weiche goldfarbene Licht der etwa 1,5 Stunden nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang, und "die blaue Stunde" der etwa 60 Minuten vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang (allerdings jeweils nur bei wolkenlosem Himmel oder mit zumindest mit größeren Wolkenlücken).
Es geht hierbei primär nicht nur um das eigene Wohlbefinden, sondern um ein optimiertes ggf. gemeinschaftliches Zusammen- und Er-Leben. Es entwickeln sich gerade so viele Initiativen, die mehr Rücksicht auf andere und die Natur nehmen, das macht zuversichtlich, viel Freude und Hoffnung. Natürlich gibt es dabei immer wieder auch Konflikte und Meinungsverschiedenheiten - aber die sind lösbar oder auszuhalten. Diese Welt und Erde gibt es nur einmal, und unsere Nachfahren werden sich bedanken, wenn wir ihnen ein intakteres Erbe hinterlassen als es derzeit in vielen Bereichen der Fall ist.
Bäume können viel mehr …
… als nur Holz und Weihnachtsbäume produzieren, Luft filtern und kühlen, beschatten, Wasser und CO2 speichern, Sicht-, Wind- und Blitzschutz bewirken. Sie tragen in Städten, auf dem Land und im Wald maßgeblich zum Wohlbefinden bei, indem sie mit ihrer Gestalt, Farbe und Verfärbung, Ästhetik, ihrem Laubrascheln, ihren Blüten und Früchten mentale Erfahrungen und emotionale Erlebnisse zustande bringen, die kein anderes Lebewesen in solcher Intensität, Vielfalt und Dauer ermöglichen kann (Abb. 5). Dann sind auch kleinere Unannehmlichkeiten durch natürliche Gegebenheiten viel leichter zu verstehen und zu akzeptieren, wie etwa Laubfall, Pollen, Insekten und dass mal ein Baum "im Weg steht".
Dabei sind solche Gedanken und Vorschläge als Anregung zu verstehen und sollen auch dafür genutzt werden, sich dazu bald einen eigenen Stil zu entwickeln, der den individuellen Bedürfnissen, Vorlieben und der persönlichen Lebenssituation am besten gerecht wird. Zudem kann es auch bei einer Person zu plötzlichen Umbrüchen kommen, durch äußere Ereignisse oder innere Veränderungen. Dann wird man denselben Baum oder Naturorte vielleicht plötzlich ganz anders erleben und wahrnehmen, manches intensiver und anderes unauffälliger.
Die positiven Wirkungen und der Nutzen von Bäumen sowie die Bedeutung von Beziehungen zwischen Bäumen und Menschen sind gut bekannt (Roloff 2013) und in letzter Zeit viel(en) bewusster geworden. Dabei gibt es neben dem direkten Nutzen von Bäumen (Holz, Früchte etc.) emotionale, psychologische und mentale Wirkungsfaktoren für Lebensqualität und Wohlbefinden der städtischen Bevölkerung. Diese Aspekte erlangen wegen der zunehmenden Urbanisierung und Klimaveränderungen eine immer größere Bedeutung (Abb. 6).
Hinweise zur Entwicklung, Nutzung und Anwendung von "Wochenplänen"
- ein Intro sowie Anmerkungen und Ideen/Vorschläge zu jeder Woche,
- drei Bilder zur Veranschaulichung und
- ein interessantes, gut erfahrbares aktuelles "Thema der Woche" aus der Natur (mit Bild) sowie
- immer eine Seite zum Eintragen eigener Ideen/Gedanken und Platz zum Einfügen eigener Bilder und Skizzen.
Als zeitliche Einteilung im Jahreslauf wurden die Wochen gewählt, da sieben Tage ein idealer Zeitabschnitt zum Erleben sind, nicht zu kurz und nicht zu lang. Dafür werden also 52 bis 53 Jahreswochenvorschläge gemacht:
Bei zwei Probe-Jahresläufen für die Entwicklung der Methode gab es ausreichend Gelegenheit zu Tests, Überprüfungen und Anpassungen an die Variabilität der jährlichen Witterungsabläufe, mit denen man dabei leben muss: Der Frühling beginnt natürlich nicht jedes Jahr pünktlich meteorologisch am 1. März oder kalendarisch am 21. März - schon gar nicht in letzter Zeit, wo einiges wetter- und klimamäßig ins Wanken gerät (wie die Modewörter "Aprilsommer" bei früher Wärme, "Herbstwinter" bei frühem Schneefall deutlich machen). Da man die Witterung zukünftiger Jahre nicht wochenweise vorhersagen kann, ist es sinnvoll immer zu schauen, ob man einzelne Wochen vorzieht oder andere nachholt, wenn es beispielsweise im Winter gerade besonders warm oder im Frühjahr noch beziehungsweise im Herbst schon besonders kalt ist, evtl. mit Schnee. Es ist aber ohne Probleme möglich, diese Variabilität bestmöglich zu berücksichtigen.
Da Fotografieren maßgeblich zum besseren Erleben und Verarbeiten sowie Erinnern der Erlebnisse und Erfahrungen mit dieser Methode beziehungsweise ihrem Thema/Anliegen beitragen kann, wird ausdrücklich empfohlen, jede Woche eigene Fotos zu machen und beispielsweise immer das bestgeeignete Bild auszuwählen (das mit der größten Wirkung oder einer intensiven Botschaft). Als Kamera verwendet man heutzutage am besten ein Smartphone oder eine Kompaktkamera, die man immer bei sich hat. Das Fotografieren bewirkt eine deutliche Verstärkung von den Wirkungen der INA-Methode.
Mir ist sehr wohl bewusst, wie vielfältig die möglichen Nutzer:innen dieser Methode sein können und werden: Mütter/Väter mit kleinen/großen Kindern, Singles und Paare ohne Kinder; Rentner, Berufstätige, Arbeitslose; Fachleute, Baumlaien; Jugendliche, Erwachsene bis 30 Jahre, 31 bis 45, 46 bis 65, über 65 Jahre - alle diese Gruppen (und weitere) haben unterschiedliche Sichtweisen, Prioritäten, Vorlieben in der Natur und im Tagesablauf sowie verschiedene Herangehensweisen an ihre Freizeitgestaltung. Dies wird möglichst vielfältig und variabel berücksichtigt.
Es ist so eindrucksvoll für mich, wie mir selbst dieses Buch einfach beim wöchentlichen Schreiben und Bearbeiten geholfen hat, natürliche Dinge und Erscheinungen bewusster wahrzunehmen, zu erleben und zu beschreiben. Und ich bin sicher: Das wird auch bei anderen funktionieren, wenn man den Kopf dafür frei hat oder bekommt. Natürlich kann das nicht jede Woche gleichermaßen klappen, da es immer wieder persönliche Erfahrungen und Erlebnisse ganz anderer Art gibt, die größere Aufmerksamkeit erfordern oder ablenken wie etwa Stress oder plötzliche Änderungen der Lebensumstände.
Bewährt hat sich, immer wieder mal die Tageszeiten zu variieren: beispielsweise wechselnd zwischen frühem Morgen, vormittags, gegen Mittag, mittags, am frühen Nachmittag, nachmittags, am frühen Abend, abends oder spätabends (bei Vollmond auch mal nachts). Wetter, Temperatur, Wind, Licht etc. variieren von selbst und tragen so zur Abwechslung bei. Und interessant ist dabei auch die Variation der Sinne: Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen. . . So wird man mit Sicherheit bei Anwendung dieser Methode mehr über Natur und Bäume erfahren, sie besser verstehen, mehr von und an ihnen wahrnehmen und sich daher auch für ihren Erhalt interessieren und einsetzen.
Zum Ausprobieren, Testen und besseren Verständnis der Methode folgt nun eine Beispielswoche, die kurz nach Erscheinen dieses Artikels tatsächlich draußen erlebbar wird. Zur weiteren Unterstützung und Anwendung dieser INA-Methode ist das neue Buch "Inspiration Natur" hilfreich (Wochenbeispiel im Original aus Roloff 2023).
Beispielsanwendung: Woche 18 (Ende April/Anfang Mai)
(Vorschläge für sieben Tage der Woche, Reihenfolge natürlich frei nach Lust und Laune wählbar)
- Suchen Sie einen Lieblingsbaum in der Umgebung für Mai, den Sie häufiger aufsuchen und an dem Sie sich wiederholt aufhalten wollen und können (mit möglichst wenig Störungen).
- Das Blütenspektakel erreicht seinen vorläufigen Höhepunkt: unbedingt genießen, beachten und zelebrieren, beispielsweise mit einem Nachmittags-Picknick im Park auf einer Bank oder Decke an einem besonders schönen Ort. Duft und Farben, dazu die hochaktiven Vögel mit ihrem Gesang oder Gekrächze beachten.
- Es sind nun jederzeit Temperaturstürze und Hitzewellen möglich, mit Unterschieden um mehr als 20 Grad Celsius - dies kann zwar einerseits anstrengend sein, aber schafft auch Abwechslung und Abhärtung.
- Wenn jetzt ein Baum von weitem grün wird: Beim Spitz-Ahorn hatten wir schon vor drei Wochen festgestellt, dass dafür die Blüten vor dem Blattaustrieb verantwortlich waren, und bei einer anderen Baumgattung sind dafür jetzt die schon fast reifen(!) grünen Früchte die Ursache - Blüte im März, Windbestäubung und Zuckerproduktion für die Fruchtreife aus grünen Fruchtflügeln: das kann nur eine Ulme sein (Abb. 7).
- Und wie schon vor kurzem angekündigt, blüht nun die nächste und letzte große häufige Obstbaumart auf: der Apfelbaum (Abb. 8). Sicher gibt es schon einige unter Ihnen, deren Lieblingsbaum dies ist (vielleicht schon seit langem). Und das werden noch ein paar mehr, wenn ich Ihnen nun folgendes erzähle: gehen Sie mal ganz nah ran an einen aufblühenden Apfelbaum und schauen sich die vielen Blüten an. Dann fällt Ihnen auf (vielleicht zum ersten Mal in Ihrem Leben. . . ), dass die noch geschlossenen Blütenknospen rötlich oder (je nach Sorte) sogar feuerrot sind, beim Öffnen werden sie rosa und wenn sie schließlich ganz geöffnet sind, werden sie (fast) schneeweiß.
- Ich bin selbst immer wieder so begeistert über diese Farbenorgie der Apfelblüten (Abb. 8 und 9). Die noch geschlossenen Blüten nennt man Ballonstadium - Sie sehen in Abb. 8 sofort weshalb: Eine tolle Bezeichnung. Falls Sie Freude dran haben, schauen Sie sich diesen Apfelbaum mal jeden Abend an, Sie werden staunen - wie er sich täglich verändert. Nach fünf bis sieben Tagen ist das Spektakel vorüber (Dauer von der Temperatur abhängig). Und riechen Sie mal an einer gerade geöffneten Blüte - ein ganz dezenter einmalig schöner Duft.
- Außerdem interessant und vielleicht neu für Sie: an jedem älteren Kultur-Apfelbaum erkennen Sie eine Veredlungsstelle in 1-2 Meter Stammhöhe, wo sich plötzlich die Rindenstruktur oder sogar (auch) der Stammdurchmesser ändert (Abb. 9). Das ist bei Kirschen, Birnen und vielen anderen Obstbaumarten auch so, weil man bestimmte, ganz genaue Fruchteigenschaften der Sorten erhalten will.
Baumthema der Woche 18: Rosskastanie - ein besonders schöner Fall der Blütenbiologie
Das eindrucksvollste ist derzeit wohl die Rosskastanienblüte: Mit ihren großen creme-weißen Blütenständen, welche fast die ganze Krone bedecken. Ich habe mal die Blütenstände eines älteren Baumes gezählt (war eine sehr lange Rotphase an einer Ampel …) und daraus die Blütenzahl hochgerechnet: Es waren mehrere Zehntausend! Und wenn Sie da nah herangehen und hinschauen, fällt Ihnen auf, dass es Blüten mit gelben und Blüten mit roten Farbflecken gibt (Abb. 10). Vormittags bei Sonne (am besten zwischen 10 und 12 Uhr) kommen Hummeln als Bestäuber geflogen und fliegen nur die gelben Blüten an - das ist schon aufregend und hat einen handfesten Grund, der Ampelfunktion genannt wird.
Das größte Naturschauspiel an einer Rosskastanie ist nämlich ihre Blütenbiologie, eine der sehr speziellen Anpassungen zwischen Bäumen und Insekten in Mitteleuropa: Die "Ampelanlage" der Rosskastanienblüten. Die beiden oberen Kronblätter weisen wie schon beschrieben einen Farbfleck auf, ein sog. Saftmal, das beim Aufblühen zunächst gelb gefärbt ist. Nur von den gelben Blüten wird Nektar produziert, d. h. der Besuch lohnt sich für Bienen und Hummeln, und sie sorgen für die Bestäubung beziehungsweise nehmen den Pollen mit. Bereits ein bis zwei Tage später erlischt die Nektarproduktion, und das Saftmal verfärbt sich rot - der Besuch lohnt sich dann für Insekten nicht mehr. Wenn man in eine blühende Kastanienkrone schaut, kann man tatsächlich beobachten, dass nur die gelben Blüten angeflogen werden (Bienen und Hummeln sind rotblind). So stellt die Rosskastanie den Blütenbesuch der bestäubungsbereiten beziehungsweise pollenspendenden Blüten sicher und lenkt die Insekten nur dorthin, indem sie Bienen und Hummeln den Nektar als "Flugbenzin" spendiert.
Es ist so schade, dass ausgerechnet diese so schöne und beliebte Baumart derzeit mit mehreren Krankheiten und Schädlingen (Miniermotte und Bakterien) solche Probleme hat. Hoffentlich wird sie nicht deshalb bald ganz aus den Pflanz- und Planungsprogrammen genommen, denn die Krisenzeit wird auch mal vorübergehen.
Im Buch folgt hier dann immer noch eine Leerseite zu jeder Woche für eigene Erfahrungen, Erlebnisse und Bilder.
Literatur
- Bues, C.T., 2023: Stadtbäume und urbane Forstwirtschaft. In A. Roloff (Hrsg.): Baumpflege - Baumbiologische Grundlagen und Anwendung. 4. Aufl. Ulmer Verlag, Stuttgart. 280 S.: 10-17.
- Roloff, A., 2017: Der Charakter unserer Bäume - Ihre Eigenschaften und Besonderheiten. Ulmer Verlag, Stuttgart. 252 S.
- Roloff, A., 2023: Inspiration Natur im Jahreslauf - Mentale Stärkung und Motivation durch bewusstes Erleben. Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim. 264 S.