Kommunaler Finanzreport 2019 der Bundesregierung
Schere zwischen armen und reichen Kommunen geht weiter auseinander
Nach dem Bericht über die großen Unterschiede zwischen reichen und armen Kommunen hat die Bundesregierung beschlossen, überschuldete Städte und Gemeinden finanziell zu entlasten und ein milliardenschweres Investitionsprogramm auf den Weg zu bringen, um bis 2030 tatsächlich gleiche Lebensverhältnisse in den Kommunen zu schaffen.
Denn die armen Städte sind doppelt bestraft: Einerseits verfügen sie nicht über hohe Gewerbeeinnahmen - wie etwa wirtschaftsstarke Standorte in Baden-Württemberg - und aus diesem Grund müssen sie auch viel mehr für Sozialausgaben wie Hartz IV ausgeben als die reichen. Trotz guter Konjunktur mussten die armen Städte in Summe der Jahre 2010 bis 2017 sogar ein Minus verzeichnen. Die reichen Städte konnten hingegen einen hohen Überschuss verzeichnen, und insgesamt drei Mal höhere Einnahmen als die armen. Diese Differenz ist in den letzten Jahren weiter angewachsen, da die Konjunktur sich primär in den starken Städten auswirkte. Trotz des kommunalen Finanzausgleichs und höherer Schlüsselzuweisungen bleibt die Finanzkraft der schwachen Städte in Summe deutlich niedriger.
Während die reichen Städte über sechs Mal höhere Rücklagen verfügen und einen starken Puffer gegen etwaige Einnahmeschwankungen bilden, reißen Schwankungen in den Einnahmen der armen Städte sofort neue Defizite ins Budget. Da die Investitionen die Standortqualität prägen, siedeln sich dort, wo die Wirtschaft prosperiert weitere Firmen an. Der Nachteil dort: Häufig sind in diesen Städten die Mieten sehr hoch und der Wohnraum knapp, während in den armen Städten die Infrastruktur bröckelt, da nur das nötigste finanziert werden kann.
Als Konsequenz langjähriger Defizite sind die schwachen Städte in hohem Maße mit Kassenkrediten verschuldet. Im Jahr 2017 betrug das pro-Kopf-Niveau rund 3000 Euro. In den starken Städten lagen hingegen dauerhaft keine Kassenkredite vor. Reiche und arme Städte, also solche mit hoher und niedriger SGB-II-Quote, unterscheiden sich in allen relevanten Haushaltskennzahlen fundamental. Arme Städte haben laufende Defizite, niedrigere Steuern, geringere Rücklagen und Investitionen, dafür höhere Sozialausgaben und Kassenkredite. Diese negativen Effekte verstärken sich gegenseitig.
Von den 40 steuerstärksten Kommunen liegen 39 in Westdeutschland; von den 40 schwächsten Kommunen 35 in Ostdeutschland. Die kommunalen Kassenkredite sind von 50 auf aktuell 36 Milliarden Euro gesunken. Aber: Die Kassenkredite konzentrieren sich in wenigen Regionen, vor allem im Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. 2017 befanden sich von den 20 Kommunen mit den höchsten Kassenkrediten 19 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
"Wir erwarten, dass aus der Regierungskommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" klare Konzepte kommen", so Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Allein der kommunale Investitionsrückstand liege bei 138 Milliarden Euro. "Diese Disparitäten sind nicht hinnehmbar", so Landsberg. "Wir brauchen eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verwaltungsverfahren, mehr Personalkapazitäten in den Kommunalverwaltungen und auch in den Unternehmen. Gerade in finanziell besseren Zeiten können und müssen wir in die Zukunft investieren!"
"Das Konzept der Bundesregierung für gleichwertige Lebensverhältnisse wird sicher keine Wunder bewirken. Was jetzt auf dem Tisch liegt, kann aber strukturschwachen Kommunen helfen", heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Städtetages. Dass ein gesamtdeutsches Fördersystem für Ost und West, Nord und Süd, für Städte und ländliche Regionen kommen soll, sei richtig. Das habe der Städtetag lange gefordert. Hierfür werden Bundesprogramme zusammengefasst und die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur weiterentwickelt. "Allerdings wird bisher keinerlei Aussage getroffen, was der Bund hier finanziell zusätzlich leisten will. Das Fördersystem wird nur dann neue Wirkung entfalten, wenn die Gelder dafür deutlich aufgestockt werden. Nötig ist das besonders für die wirtschaftsnahe kommunale Infrastruktur", kritisierte der Deutsche Städtetag.
Unzufrieden ist der Deutsche Städtetag auch mit dem Verfahren zu dem Finanzreport. Ursprünglich sollte es einen gemeinsamen Bericht der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse geben. Der Bund hat diesen Plan eigenmächtig geändert und Länder und kommunale Spitzenverbände damit vor vollendete Tatsachen gestellt. Nachdem der Bund jetzt Position bezogen hat, erwarten wir, dass er die Kommunen jetzt wieder angemessen einbezieht und hoffen sehr, dass die offenen Fragen bald geklärt werden können."