Kommunen stellen sich der Biologischen Vielfalt
Kölner GroßstadtGrün - naturnah
von: Dr. Joachim BauerVielzählige Studien und Untersuchungen belegen, dass die Artenvielfalt in unseren Städten wesentlich höher ist als in der freien Landschaft, die in weiten Teilen durch die industrielle Landwirtschaft geprägt ist. Spätestens seit den Untersuchungen des Entomologischen Vereins Krefeld wissen wir aber auch von dem dramatischen Rückgang unserer heimischen Insekten. Diese Tatsachen haben eine allgemeine gesellschaftliche Diskussion entfacht, mit dem Ziel, das Artensterben aufzuhalten und neue Lebensräume zu schaffen. Auch in den Großstädten mehren sich die Forderungen, die Voraussetzungen für den Erhalt und die Förderung der biologischen Vielfalt nachhaltig zu verbessern. Den kommunalen Grünflächenämtern, die als grundstücksverwaltende Dienststelle über ein großes Flächenpotenzial verfügen, kommt hier eine besondere Bedeutung zu.
Vor diesem Hintergrund hat der Verein "Kommunen für biologische Vielfalt e. V." das Label "StadtGrün naturnah" entwickelt und im Frühjahr 2018 ein Bewerbungsverfahren für Kommunen ausgeschrieben.¹ Die Stadt Köln hat schon im Mai 2010 die Deklaration "Biologische Vielfalt in Kommunen" unterzeichnet und ist im Mai 2017 dem Bündnis "Kommunen für biologische Vielfalt e. V." beigetreten. Auf dieser Grundlage hat sich das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen für das Labelverfahren beworben und den Zuschlag bekommen. Das Label "StadtGrün naturnah" unterstützt die Kommunen dabei die Bewirtschaftung öffentlicher Grünflächen naturnäher auszugestalten und somit die biologische Vielfalt in den Siedlungsbereichen zu erhöhen. Das Verfahren ist als mehrstufiger Prozess (Bestandserfassung, Maßnahmen- und Strategieentwicklung) aufgebaut, an dem neben der Kommunalverwaltung auch weitere Akteure, wie lokale Naturschutzverbände oder Initiativen, beteiligt werden.
SUG-Stellenmarkt
Die Bewerbung für das Verfahren "StadtGrün naturnah" erfolgte auf der Grundlage der strategischen Ziele des Amtes und des neu eingeführten Modellprojektes "Nachhaltigkeitshaushalt", an dem die Stadt Köln als eine von zwei Städten in NRW teilnimmt.² Ziel der Bewerbung war es, die vielfältigen Ansprüche der Stadtgesellschaft in Hinblick auf eine naturnähere Grünflächenpflege zu bündeln, offen zu diskutieren und konzeptionell aufzugreifen und zusammenzufassen.
Das Grünflächenmanagement der Stadt Köln umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Grünflächenkategorien, mit zum Teil sehr großen Flächenanteilen. So ist die Stadt Köln mit insgesamt 4000 Hektar Waldfläche die waldreichste Großstadt in Nordrhein-Westfalen. Die Bewirtschaftung des Erholungswaldes erfolgt auf der Grundlage einer langjährigen FSC-Zertifizierung. Insgesamt 500 Hektar des städtischen Waldes sind mittlerweile als Naturwaldflächen ausgewiesen. Die öffentlichen Grünflächen umfassen insgesamt 2800 Hektar.³ Das bestehende Grünflächenmanagement orientiert sich an den spezifischen Funktionen und der Lage der jeweiligen Grünflächen. So erfolgt zum Beispiel die Pflege der Rasen- und Wiesenflächen differenziert. Rasen- und Wiesenflächen in innerstädtischen Grünanlagen werden häufiger, solche im Äußeren Grüngürtel weniger häufig gemäht. Auf allen Flächen wird das Mahdgut jedoch gemulcht und verbleibt auf der Fläche. Die Wiesenflächen in den stadtauswärts gerichteten Grünzügen werden grundsätzlich an Schäfer zur Beweidung verpachtet, sodass auch hier nur eine sehr extensive Heumahd beziehungsweise Nutzung erfolgt. Die Gesamtfläche der Beweidung beträgt 357 Hektar. Charakteristisch für das Kölner Grün ist die Vernetzung der unterschiedlichen Freiflächenkategorien zu einem gesamtstädtischen Grünsystem.
Dieses Grünsystem mit seinem hohen Potenzial für den Biotopverbund, bildet im Prozess des Label-Verfahrens zunächst die Grundlage für eine großräumige Darstellung von Potenzialräumen, die zur Schaffung von naturnahen Grünflächen und Naturerlebnisräumen geeignet sind. So werden den stadtauswärts gerichteten Grünzügen und dem Äußeren Grüngürtel das höchste Potenzial an ökologischer Aufwertung zugeordnet. Aber auch die verbindenden Grünzüge und selbst der an die Innenstadt angrenzende Innere Grüngürtel, bieten aufgrund ihrer zum Teil großflächigen Ausdehnung ein Potenzial zur Schaffung von naturnahen Grünflächen. Hier ist jedoch aufgrund des hohen Nutzungsdruckes eine sorgfältige Abwägung zwischen den sehr unterschiedlichen Nutzungsansprüchen erforderlich.
Aufbauend auf dieser Einschätzung wurde im Labelverfahren ein differenziertes und vielfältiges Maßnahmenpacket erarbeitet, dass in seiner Gesamtheit geeignet ist, der oben genannten Zielsetzung zu entsprechen. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht von heute auf morgen umzusetzen, sodass zunächst leistbare und vor allem umsetzbare Schritte formuliert werden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Maßnahmenpaket sowohl konkrete Projekte formuliert, vorrangig jedoch darauf zielt, das bisher praktizierte Grünflächenmanagement langfristig so umzugestalten, dass die ökologisch ausgerichtete Unterhaltung integraler Bestandteil des Regiebetriebes des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen wird. Das bedeutet, dass vor allem auch die Mitarbeiter*innen sukzessive mitgenommen und geschult werden müssen.
Artenreiche Wiesen
Der Schwerpunkt zur Umstellung des Grünflächenmanagements wird zunächst auf zwei Kernbereiche, der Anlage und Pflege artenreicher Wiesen und der naturnahen Entwicklung und Pflege von Gehölz- und Strauchbeständen gelegt. Das umfasst sowohl die Flächen der öffentlichen Grünflächen, der Friedhöfe und des Straßenbegleitgrüns.
Die Anlage von artenreichen Wiesen ist in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung. Zum einen ist die bisherige Rasen- und Wiesenpflege auf häufige Schnittintervalle und das Mulchen des Mahdgutes ausgerichtet. Der gesamte Maschinenpark ist auf diese Pflege ausgerichtet. Zum anderen ist der Nutzungsdruck auf die vorhandenen Rasen- und Wiesenflächen zum Teil so groß, dass vorab ein Abwägungsprozess unter Einbeziehung der jeweils zuständigen politischen Gremien erforderlich ist.
In enger Zusammenarbeit mit der NABU-Naturschutzstation Leverkusen/Köln werden die geeigneten Wiesenflächen bewertet, die jeweilige Saatgutmischung aus gebietsheimischen Pflanzen zusammengestellt, die Umsetzung begleitet und vor allem das daran anschließende Monitoring betrieben. In Bezug auf die Art und Weise in der die vorhandenen Wiesenflächen mit Saatgut aufgewertet werden, werden noch unterschiedliche Methoden, wie großflächiger Umbruch, Initialeinsaat oder Mahdgutübertragung, getestet. Mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Kölner Grün Stiftung konnten in einem ersten Schritt knapp 10 Hektar artenreiche und zusammenhängende Wiesenflächen angelegt werden. Die Ansaat und die Pflege durch eine Fremdfirma für die nächsten 10 Jahre übernimmt die Stiftung. Ziel ist es in den nächsten zwei Jahren insgesamt 10 Prozent der Gesamtwiesenflächen im Bereich der öffentlichen Grünflächen, der Friedhöfe und des Straßenbegleitgrüns aufzuwerten. Gleichzeitig soll eine Umstellung des Maschinenparks angegangen und die Frage nach dem Verbleib des aufzunehmenden Mahdgutes geklärt werden.
StadtNaturpark
Neben der Anlage von artenreichen Wiesenflächen konnten im Rahmen der Potenzialabschätzungen Grünflächen identifiziert werden, die insgesamt ökologisch stärker aufgewertet werden können. Diese Grünflächen liegen zum größten Teil in den verbindenden Grünzügen, sie sind in ihrer Ausdehnung großflächig, es handelt sich nicht um ausgewiesene Gartendenkmale und sie werden nur extensiv zur Erholung genutzt. Für diese Grünanlagen wurde die Zielsetzung - Entwicklung zu einem StadtNaturpark - formuliert. Der Begriff StadtNaturpark steht hier für die Kombination zweier unterschiedlicher Nutzungsformen.
Ein Stadtpark wird tendenziell intensiv gepflegt. Er dient vorrangig der Erholung, ermöglicht sportliche und soziale Aktivitäten und steigert so die Lebensqualität der umliegenden Stadtquartiere. Eine naturnahe Pflege ist in der Regel nur begrenzt möglich. Ein Naturpark hingegen wird extensiv und unter ökologischen Gesichtspunkten gepflegt. Er erbringt vielfältige Ökosystemleistungen und bietet dabei vielen Pflanzen und Tieren in der Stadt einen qualitativ hochwertigen Lebensraum, fördert somit die Artenvielfalt und die biologische Komplexität. Die Erholungsnutzung ist hier jedoch sehr eingeschränkt.
Das Konzept des StadtNaturparks verbindet diese beiden Nutzungsansprüche und stellt damit eine Art duales Nutzungskonzept dar. Durch die Kombination der unterschiedlichen Funktionen und Bedürfnisse kann ein StadtNaturpark damit zu einer optimierten Ausnutzung städtischer Flächen führen. Liest man den Namen zudem ein wenig anders: als Stadtnatur-Park, verweist er darüber hinaus auf die Eigenständigkeit und Einzigartigkeit urbaner Ökosysteme, die sich als Stadtnatur von den historisch gewachsenen Kulturlandschaften und der Natur im ländlichen Raum deutlich abheben.
Voraussetzung für die Ausweisung solcher ökologisch aufzuwertenden Grünflächen ist die Erstellung eines Nutzungs- und Pflegekonzeptes, in dem die für die Erholungsnutzung bedeutenden Bereiche definiert werden. Diese werden auch weiterhin intensiv gepflegt und unterhalten. Darüber hinaus werden die Bereiche ausgewiesen, die künftig extensiver gepflegt oder der freien Sukzession überlassen werden. Diese können sowohl die Wiesen- als auch die Gehölzflächen umfassen.
Für zwei Grünanlagen im Stadtbezirk Ehrenfeld wurde jeweils ein solches Konzept erstellt und der zuständigen Bezirksvertretung zum Beschluss vorgelegt. Die weiterhin intensiv gepflegte Kernzone umfasst sowohl die Kinderspielplätze, die Spiel und Liegeweisen als auch die ausgewiesenen Hundefreilaufflächen. In den Randzonen dagegen wurden die Scherrasenflächen in artenreiche Wiesenflächen umgewandelt und Teilflächen mit alten Obstsorten bepflanzt. Andere Teilflächen wurden als Sukzessionsflächen ausgewiesen und in den vorhandenen Gehölzflächen wird die Pflege auf die Verkehrssicherung an den Rändern reduziert. In den nächsten zwei Jahren soll für jeden der neun Stadtbezirke jeweils ein StadtNaturpark ausgewiesen werden. Entsprechende Beschlüsse sind in der Vorbereitung.
Botanische Vielfalt
Das gesamte Labelverfahren wurde durch eine Arbeitsgruppe mit Vertretern unterschiedlicher Naturschutzverbänden und Initiativen begleitet. Hieraus entwickelte sich eine konstruktive Zusammenarbeit, die auch in den nächsten Jahren auf unterschiedlichen Ebenen fortgeführt wird. Die Arbeitsgruppe wird auch zukünftig zusammenkommen, um die Maßnahmen und Projekte weiterzuentwickeln.
Die NABU Naturschutzstation Köln/Leverkusen wurde darüber hinaus mit dem Monitoring der neu angelegten artenreichen Wiesen und der StadtNaturparks beauftragt. In enger Zusammenarbeit mit dem BUND Köln wird ein ganz besonderes Artenschutzprojekt umgesetzt. In den Jahren 2013-2015 hatte der Naturschutzverband eine umfassende Kartierung der Flora im Kölner Stadtgebiet durchgeführt.4 Die umfangreichen Ergebnisse haben gezeigt, dass einige Pflanzenarten, die zum Teil auf den roten Listen zu finden sind, auch im öffentlichen Grün nachgewiesen werden konnten. So konnte zum Beispiel der Wendich (Calepina irregularis) in mehreren Baumscheiben entlang einer innerstädtischen Straße kartiert werden. Mit diesem Wissen wird nun, in Abstimmung mit dem BUND, die Pflege dieser Baumscheiben an die Ansprüche dieser Pflanzenart angepasst.
Öffentlichkeitsarbeit
Das aus dem Labelverfahren erarbeitete Maßnahmenkonzept umfasst noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die hier im Einzelnen nicht weiter ausgeführt werden können. Die Umsetzung all dieser Maßnahmen wird einige Zeit in Anspruch nehmen und bedarf einer intensiven Vermittlung, sowohl im eigenen Regiebetrieb des Fachamtes, als auch in der Öffentlichkeit. Auch wenn viele Bürger*innen z. B. die Anlage artenreicher Wiesen befürworten, so können andere Gruppen dies vielleicht eher als ungepflegt empfinden. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass die Maßnahmen vor Ort auf Akzeptanz treffen. So wird jede der Maßnahmen vor der Umsetzung zunächst durch die Beteiligung der jeweiligen Bezirkspolitik beschlossen und durch Hinweisschilder vor Ort vorbereitet.
Um den Bürger*innen die Vielfalt der unterschiedlichen Maßnahmen zu verdeutlichen, wurde ein Signet entwickelt, dass bei allen ökologisch bedeutenden und aufgewerteten Flächen aufgestellt wird. Das Signet kennzeichnet sowohl die Naturwaldflächen, die artenreichen Wiesen, die StadtNaturparks als auch die einzelne Baumscheibe mit dem Wendichvorkommen. Mit einer stadtweiten City-Poster Kampagne wurde das Signet bekannt gemacht. Auf der Internetseite der Stadt Köln sind weitergehende Informationen zu finden.5
Anmerkungen
1 www.stadtgruen-naturnah.de, Das Projekt wird gefördert im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.
2 www.lag21.de/files/default/pdf/Themen/NN/NHaushalt/Projektbericht%20NHaushalt.pdf
3 www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/freizeit-natur-sport/parks/.
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