Konflikte, Bürgermitwirkung, Mediation

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Die Zahl der Bürger, die das Recht auf politische Mitgestaltung und Mitsprache einfordern wird zunehmend größer. Dies betrifft alle Themen, die für die Bürger global und lokal wichtig sind. Aufgabenstellungen wie beispielsweise der demografische Wandel und Integration werden in der Zukunft viele Herausforderungen mit sich bringen, deren Lösungen eine breite Akzeptanz benötigen.
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Die Menschen möchten die Möglichkeit haben, ihre Themen, Anregungen, Vorbehalte und Lösungen in die sie betreffenden Prozesse einzubringen und später auch an der Umsetzung beteiligt zu werden. Foto und Abb.: Claudia Peschen

Die bestehenden demokratischen Gestaltungsspielräume erscheinen an vielen Stellen inzwischen zu klein und die gesetzlichen Möglichkeiten der Mitsprache werden als nicht ausreichend empfunden.

Die Menschen möchten die Möglichkeit haben, ihre Themen, Anregungen, Vorbehalte und Lösungen in die sie betreffenden Prozesse einzubringen und später auch an der Umsetzung beteiligt zu werden. Politik und Verwaltung sind zunehmend gefordert, sich für die Beteiligung der Bürger zu öffnen. Geschieht dies nicht oder in unzureichendem Maße entstehen häufig Proteste.

Planungs- und Bauvorhaben sind erfahrungsgemäß sehr konfliktanfällig. Die Projekte stehen unter hohem Kosten- und Einsparungsdruck, die Terminvorgaben sind eng und die Qualitätsansprüche hoch. Unterschiedlichste Interessen der am Bau beteiligten Parteien, der Nutzer und Anlieger treffen aufeinander, gestörter Informationsfluss und unzureichende Kommunikation behindern das Projekt.

Kommt es im Projektverlauf zu Konflikten, steht häufig der Wunsch nach einer schnellen und effizienten Entscheidung im Vordergrund. Nicht selten eskaliert dann der eigentliche Konflikt und entwickelt sich am Ende zu einem langwierigen und teuren Verfahren vor Gericht. Die Folge sind Baustopps, Kostensteigerungen, Schadensersatzansprüche, Kündigung von Geschäftsbeziehungen und Imageverluste.

Zunehmend entwickelt sich ein Bewusstsein dafür, dass auch im Bau- und Planungsbereich der Einsatz von Mediation ein Instrument zur Planungsbegleitung darstellt, um die Eskalation von unterschiedlichen Sichtweisen nicht in gerichtlichen Verfahren enden zu lassen. Auch in bereits strittigen Auseinandersetzungen wird Mediation als strukturiertes Verfahren zur Konfliktbeilegung außerhalb von Gerichtsverfahren anerkannt. Mediation ist daran interessiert, im Konflikt- und Streitfall eine von den Projektbeteiligten gemeinsam entwickelte und getragene Lösung zu erarbeiten.

Sanierungsgebiet "Die Soziale Stadt" Mühlburg - Konflikt Drais-Bolzplatz

Der Stadtteil Karlsruhe Mühlburg ist seit 2007 in das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" aufgenommen. Mit der Durchführung des Stadtteilmanagements für das Soziale Stadt Gebiet Mühlburg wurde das Büro GRiPS, Ute Kinn von Juni 2007 bis Dezember 2010 beauftragt.

Eine Aufgabe des Stadtteilmanagements war es, im eskalierenden Konflikt, der sich am Bolzplatz vor den Draisschulen zwischen Jugendlichen und Anwohnern entzündet hatte, zu vermitteln.

Im mehrstufigen Beteiligungsverfahren, unter anderem zwei Jugendkonferenzen und ein Streifzug mit Kindern, hatte sich bestätigt, dass Mühlburg ein Defizit an Bolzplätzen hatte. Da es beim Bolzplatz vor der Draisschule erhebliche Konflikte insbesondere zwischen einzelnen Anwohnern und den Nutzenden gab, wurde 2009 vom Büro GRiPS ein Workshopverfahren initiiert, bei dem die Jugendlichen und Kinder in die Lösungsfindung eingebunden waren.

Über die Ergebnisse wurde auf einer Informationsveranstaltung im Februar 2010 informiert. Es wurden unterschiedliche Maßnahmen vereinbart, die im Laufe des Jahres 2010 umgesetzt werden sollten. Die ursprünglich geplanten Maßnahmen (Zaunerhöhung, sowie eine zweite Tischtennisplatte vor dem Bolzplatz) wurden zurückgestellt. Bereits bei der ersten Jugendkonferenz im Dezember 2007 hatten die Jugendlichen einen zusätzlichen Bolzplatz an der Alb beim KETV vorgeschlagen. Dieser wurde als Beitrag zur Konfliktlösung vom Gartenbauamt realisiert und sollte vor allem Jugendlichen über 14 Jahren dienen. Die Baumaßnahme wurde Ende Juni 2010 fertig gestellt.

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Immer mehr Kommunen binden Bürger aktiv ein und gehen neue Wege der Konfliktklärung. Foto und Abb.: Claudia Peschen

Folgende Vereinbarungen wurden getroffen:

  • Errichtung eines neuen Bolzplatzes an der Alb beim KETV bis Sommer 2010:
  • Wasseranschluss am neuen Bolzplatz
  • Fortsetzung des Schließdienstes am Drais-Bolzplatz bis zur Inbetriebnahme des neuen Bolzplatzes an der Alb
  • Kein Rückbau des Drais-Bolzplatzes vor Inbetriebnahme des neuen Bolzplatzes an der Alb
  • 19. Mai 2010 Infoveranstaltung zum Planungsstand des neuen Bolzplatzes
  • 10. Juli 2010 Einweihung des Bolzplatzes an der Alb beim KETV
  • 23. September 2011 öffentliche Infoveranstaltung zum weiteren Vorgehen
  • 29. September 2011 Beschluss des Planungsausschusses den Bolzplatz in der Größe zu belassen.

Seit Sommer 2010 wird auf dem neuen Platz an der Alb gebolzt. Die Probleme beim Bolzplatz vor der Draisschule blieben leider erhalten. Auch ein Jahr nach der Einweihung des neuen Bolzplatzes war eine Vertragsverlängerung des Schließdienstes für den Bolzplatz vor der Draisschule notwendig. Daraufhin wurde die nächste Stufe der Vereinbarung aus dem Workshop-Verfahren eingeleitet: die Verkleinerung des Drais-Bolzplatzes. Im September 2011 fand unter Moderation des Büros GRiPS eine öffentliche Infoveranstaltung statt, auf der die bisherigen Schritte und die Planung des verkleinerten Bolzplatzes vorgestellt wurden. Eine sehr große Gruppe an Befürwortern, darunter auch direkte Anwohner sowie viele anwesende Kinder und Jugendliche setzten sich vehement für den Erhalt des Bolzplatzes in seiner jetzigen Dimension ein. Die wenigen anwesenden Befürworter enthielten sich der Stimme. Als Fazit der Veranstaltung wurde unter anderem festgehalten:

Es sollten ordnungsrechtliche und pädagogische Maßnahmen eingeleitet werden, um Schließzeiten und Platzordnung einzuhalten. Die Kinder und Jugendlichen haben Verständnis dafür geäußert, dass die Anwohner ab 20 Uhr Ruhe möchten. Die Schließung am Sonntag wurde allerdings abgelehnt, da insbesondere Eltern dann Zeit fürs Spielen mit den Kindern haben und Kinder und Jugendliche sich dort treffen möchten.

Da wohl auch nach neuer Rechtsprechung Jugendliche über 14 Jahre als Nutzer des Platzes ausgeschlossen sind und höchstens vereinzelt als Begleiter ihrer jüngeren Geschwister dort spielen dürfen, wurde die Frage gestellt, ob Mühlburg nicht einen 3. Bolzplatz für die Altersgruppe 14 bis 18 Jahre benötigt. Auf dem Bolzplatz an der Alb spielten mittlerweile eher Jugendliche über 18 Jahre, die Gruppe der 14 bis 18/20-jährigen wurde im Stadtteil deutlich verdrängt.

Statt der Verkleinerung empfahlen die Befürworter, eine vollständige, ausreichend hohe Umzäunung des Platzes, damit die Schließzeiten eingehalten werden können. Unter den Anwesenden erklärten sich zwei Herren bereit, am Abend den Bolzplatz abzuschließen.

Es wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Verkleinerung des Bolzplatzes auch als gesellschaftspolitisches Signal abgelehnt wird. Stattdessen sollten die Mittel eher für ordnungsrechtliche Maßnahmen und für die sozialpädagogische Begleitung eingesetzt werden. Es wurde von einer Stadträtin um den Vermerk gebeten, bei der Abstimmung des Gemeinderates auch die entsprechenden sozialpädagogischen Begleitprogramme zu beschließen.

Am 29. September 2011 stand die Verkleinerung des Bolzplatzes auf der Tagesordnung des Planungsausschusses. Obwohl der Bolzplatz baurechtlich nicht genehmigt ist, ist er aufgrund des Bestandschutzes zulässig, aber immissionsschutzrechtlich angreifbar. Die Neuregelung des Bundesimmissionsschutzgesetzes bietet für Bolzplätze keine Lösung.

Der Planungsausschuss der Stadt Karlsruhe stimmte gegen eine Verkleinerung des Bolzplatzes. Die Reaktion der betroffenen Anwohner, die die Verkleinerung wünschen, steht noch aus.

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Bolzplatz Mühlburg. Foto und Abb.: Claudia Peschen
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Wege im Sanierungsgebiet. Foto und Abb.: Claudia Peschen

Sanierungsgebiet "Die Soziale Stadt" Neugereut, Masterplan Grün- und Freiflächenkonzept

Die Landeshauptstadt Stuttgart beteiligt im Rahmen des Bund-Länder-Förderprogramms "Die Soziale Stadt" in Stuttgart-Neugereut die Bürgerschaft an der Vorbereitung, Planung und Umsetzung aller Sanierungsmaßnahmen. Mit dem Stadteilmanagement wurden die Büros GRIPS, Ute Kinn und Claudia Peschen beauftragt.

Schon in den Veranstaltungen zur Bürgeraktivierung wie dem Stadtteilspaziergang, den Zukunftskonferenzen, dem Kinderforum und der Jugendkonferenz kristallisierte sich heraus, dass im gesamten öffentlichen Raum des Gebietes Handlungsbedarf besteht. Um die aus Sicht der Bürgerschaft notwendigen Sanierungsmaßnahmen in ein inhaltliches und gestalterisches Gesamtkonzept einzubinden, beauftragte man ein Landschaftsplanungsbüro mit der Erstelllung eines Masterplans. Die Autorin führte für das Stadtteilmanagement das Bürgermitwirkungsverfahren durch.

Im September 2010 fand der erste Workshop statt, bei dem die Stärken- und Schwächen-Analyse des Stadtteils vorgestellt wurde und die Teilnehmer an Arbeitsstationen die bereits gesammelten Ziele und Ideen für den öffentlichen Raum, Freiraum und Verkehr diskutierten und ergänzten. Die Ergebnisse flossen in den Entwurf zum Masterplan ein. Bis Juli 2011 fanden zusätzlich zahlreiche Abstimmungen mit Fachverwaltungen, Wohnungsbauunternehmen und der Bürgerschaft statt. In einer zweiten Veranstaltung im Juli 2011 wurde der Masterplan einschließlich der in der Zukunft zu realisierenden Maßnahmen vorgestellt und diskutiert. Die Teilnehmer bewerteten die Bedeutung der einzelnen Maßnahmen und setzten Prioritäten. Das Ergebnis wurde anschließend in den Fachämtern abgestimmt und durch die zuständigen politischen Gremien legitimiert. Der Masterplan zeigt die gewünschten Entwicklungen und die dazu notwendigen Maßnahmen zur Aufwertung des öffentlichen Raums auf. Da nicht alle Projekte im Förderzeitraum der sozialen Stadt realisiert werden können, werden die betroffenen Fachämter den Masterplan bei zukünftig anstehenden Haushaltsanmeldungen berücksichtigen.

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Arbeitsstation erster Workshop. Foto und Abb.: Claudia Peschen
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Eine der Maßnahmen: Spielplatzsanierung. Foto und Abb.: Claudia Peschen

Erfolgskriterien für eine gelungene frühzeitige Bürgermitwirkung

Das Verfahren zum Masterplan zeigt Erfolgskriterien für eine gelungene frühzeitige Bürgermitwirkung auf:

  • Es gab einen klaren Auftrag, einen definierten Zeitraum und definierte Spielregeln.
  • Die Anregungen und Bedenken der Bürgerschaft hatten direkten Einfluss auf die Planungen. Es gab keine politischen Festlegungen im Vorfeld. Der Prozess war ergebnisoffen.
  • In einem stetigen Abstimmungsprozess zwischen Bürgerschaft, Verwaltung, Politik und Experten wurde die Planung so vorbereitet, dass sie vom Gemeinderat beschlossen werden konnte.
  • Die Bürgermitwirkung wurde von neutralen Mediatoren durchgeführt.
  • Die Beteiligungsformate waren angemessen, kreativ und konsensual ausgerichtet.
  • Die Bürger wurden als Partner behandelt und fachlich ernst genommen. Alle Beteiligten waren bereit, miteinander und voneinander zu lernen.
  • Alle Planungs- und Entscheidungsprozesse waren transparent und nachvollziehbar.
  • Der Prozess wurde von einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit begleitet.

Dieser konsequente und klar strukturierte Beteiligungsprozess gewährleistet, dass die Umsetzungen der beschlossenen Einzelmaßnahmen in der Zukunft voraussichtlich ohne nachhaltige Störung verlaufen werden.

Immer mehr Kommunen binden Bürger aktiv ein und gehen neue Wege der Konfliktklärung. Spezielle Stellen für Mediation und Bürgermitwirkung werden eingerichtet, Mitarbeiter in Moderation und Mediation ausgebildet. Verantwortliche schaffen neue Gestaltungsräume im Zusammenspiel zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft. Notwendige Schritte in Richtung einer Konflikt- und Mitwirkungskultur, die dem veränderten Demokratieverständnis Rechnung trägt.

Für kommunale Mitarbeiter ist es in Konflikten und Bürgermitwirkungsverfahren vorteilhaft, Mediation zu kennen, mediative Elemente einsetzen zu können oder als Mediator ausgebildet zu sein.

Ein Ansprechpartner für Fragen zur Mediation ist der Bundesverband Mediation (http://www.bmev.de), der größte bundesweit tätige interdisziplinäre Fachverband für Mediation. Innerhalb dieser Organisation setzt sich die Fachgruppe Planen und Bauen aus Städteplanern, Ingenieuren, Architekten, Landschaftsarchitekten, Kommunalpolitikern und Juristen zusammen. Alle Mitglieder haben eine nach den Standards des Bundesverbandes Mediation mindestens 200-stündige Ausbildung durchlaufen. Sie wurden nach der Bewährung in der Praxis als Mediatoren zertifiziert (http://www.mediation-planen-bauen.de).

Bei der Architektenkammer Niedersachsen wurde von Mitgliedern der Fachgruppe Planen und Bauen mit großem Erfolg eine Vollausbildung nach den Standards des Bundesverbandes Mediation für Architekten, Ingenieure, Handwerker, Sachverständige und Rechtsanwälte durchgeführt. Eine solche Ausbildung wird ab Frühjahr 2012 auch in Baden-Württemberg angeboten werden. Interessierte können sich an Claudia Peschen wenden:

Dipl.-Ing. Claudia Peschen, Adolf-Schlitter Straße 15/1, 71638 Ludwigsburg, Tel. 0714/6484858, info@claudia-peschen.de.

Lic.rer.reg. Ute Kinn, Friedrichstraße 4, 76275 Ettlingen, Tel. 07243/719455,

ute.kinn@grips-ettlingen.de.

Autorin

Garten- und Landschaftsarchitektin

Autorin

Diplom Biologin, Regionalplanerin, Wirtschaftsmediatorin

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