PRIVATPERSON GEGEN KOMMUNE

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Sturmschaden durch abbrechende Äste?

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Dem Urteil des OLG Hamm vom 21.06.2023 – 11 U 118/22 – , juris lag folgender Sachverhalt zugrunde: Vor dem Grundstück des Klägers steht auf dem Bürgersteig eine etwa 24 Meter hohe Platane der beklagten Kommune, etwa 2 Meter von der Grundstücksgrenze und etwa 6 Meter vom Haus des Klägers entfernt.
Sturmschäden Recht und Normen
Im vorliegenden Fall verursachte ein Ast Schäden am Hausdach des Klägers. Dieser forderte rund 2650 Euro Schadenersatz für Reparaturkosten. (Symbolbild) Foto: Mario Ohibsky, Pixabay

Die Platane ragt mit ihren Ästen und der Krone mehrere Meter über das Haus des Klägers hinweg und in das Grundstück hinein. Am 31.08.2019 brachen aufgrund eines heftigen Gewitters mit Sturm auf einer Länge von rund 200 Metern zahlreiche, zum Teil 20 Zentimeter dicke Äste der dortigen Platanen ab. Ein Ast fiel auf das Haus des Klägers und verursachte Schäden am Hausdach. Die letzte Baumkontrolle vor dem Schadenereignis erfolgte am 12.08.2019. Mit der Klage begehrt der Kläger Schadenersatz für Reparaturkosten in Höhe von etwa 2650 Euro.

Das LG Bochum hat die Klage durch Urteil vom 15.07.2022 – 5 O 366/20 –, juris abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG Hamm durch Urteil vom 21.06.2023 – 11 U 118/22 – , juris als unbegründet zurückgewiesen.

Das OLG Hamm verneint zunächst alternativ einen Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 BGB und einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Dabei lässt das Gericht offen, ob das Rechtsverhältnis einer Kommune für einen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche stehenden Straßenbaum, dessen Sicherheit zu gewährleisten ist, gegenüber einem Grundstücksnachbarn dem öffentlichen Recht unterfällt oder privatrechtlich zu beurteilen ist.

Beide Anspruchsgrundlagen setzen eine schadenursächlich gewordene schuldhafte Pflichtverletzung voraus, an der es nach Auffassung des Gerichts vorliegend fehlt. Auch nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Rahmen der letzten Baumkontrolle vor dem Schadeneintritt äußerlich erkennbare Krankheitsanzeichen des Baumes übersehen hat, die Anlass zu weitergehenden Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht gegeben hätten. Insbesondere war kein Rückschnitt geboten.

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Sturmschäden Recht und Normen
Aufgrund eines heftigen Gewitters mit Sturm waren zum Teil 20 Zentimeter dicke Äste von Platanen abgebrochen, die zum öffentlichen Straßenraum gehören. (Symbolbild) Foto: Charles Risen, Pixabay

Sodann prüft das OLG Hamm einen verschuldensunabhängigen

nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und

verneint einen solchen Anspruch ebenfalls. Das Gericht weist in diesem

Zusammenhang darauf hin, dass die sich aus § 32 StrWG NW ergebende

Duldungspflicht des Anliegers für Einwirkungen von Pflanzungen im

Bereich des Straßenkörpers erst endet, wenn die Bepflanzung im Laufe der

Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der

entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an

privaten Nachbargrundstücken führt, solche Schäden hinreichend konkret

befürchten lässt oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter

keinem vernünftigen Gesichtspunkt zumutbaren Maße beeinträchtigt. Denn

das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG verbietet auch im nachbarlichen

Verhältnis von öffentlicher Straße und Anliegergrundstück übermäßige

Einwirkungen und gebietet eine angemessene Rücksichtnahme des

Eigentümers der Straße auf schutzwürdige Anliegerinteressen.

Von derartigen Beeinträchtigungen im Hinblick auf den

schadenursächlich gewordenen Baum geht das OLG Hamm aber nicht aus.

Seiner Einschätzung nach war die Schädigung des Hauses durch den

sturmbedingten Astabbruch nicht vorhersehbar, sondern ein für den Kläger

unglücklicher Zufall, der einen vorbeugenden Rückschnitt des Baumes

nicht gebot. Die Beklagte ist nicht allein aufgrund des Anpflanzens und

Aufziehens von Straßenbäumen vor einem privaten Grundstück als Störerin

anzusehen, wenn ein Schaden durch von den Bäumen abbrechende Äste

infolge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses eintritt.

Eine Störereigenschaft setzt in solchen Fällen vielmehr Handlungen oder

pflichtwidrige Unterlassungen voraus, die eine konkrete Gefahrenquelle

für das Nachbargrundstück bilden.

Eine Verantwortlichkeit des Baumeigentümers besteht nur dann, wenn

die von ihm unterhaltenen Bäume infolge Krankheit oder Überalterung ihre

natürliche Widerstandskraft gegen Stürme eingebüßt haben. Das OLG Hamm

verweist hierzu auf die Urteile des BGH vom 23.04.1993 – V ZR 250/92 –

sowie des OLG Brandenburg vom 22.10.2015 – 5 U 104/13 –, juris.

Schließlich sieht das Gericht auch keine Unzumutbarkeit der

entschädigungslosen Hinnahme des durch die Naturgewalt eingetretenen

Schadens für den Kläger, da der geltend gemachte Schadenbetrag seine

wirtschaftliche Existenz nicht gefährdet und er zudem gegen derartige

Schäden im Rahmen einer Gebäudeversicherung, die er nicht in Anspruch

genommen hat, versichert ist.

Die Entscheidung des OLG Hamm überzeugt uneingeschränkt. Zutreffend

bestätigt das Gericht die gesicherte Rechtsprechung, dass von gesunden

Bäumen aufgrund Sturmeinwirkung verursachte Schäden auch im

Nachbarrechtsverhältnis entschädigungslos hinzunehmen sind und dem

allgemeinen Lebensrisiko unterfallen.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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