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Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Sturmschaden durch abbrechende Äste?
von: Ass. jur. Armin Braun
Die Platane ragt mit ihren Ästen und der Krone mehrere Meter über das Haus des Klägers hinweg und in das Grundstück hinein. Am 31.08.2019 brachen aufgrund eines heftigen Gewitters mit Sturm auf einer Länge von rund 200 Metern zahlreiche, zum Teil 20 Zentimeter dicke Äste der dortigen Platanen ab. Ein Ast fiel auf das Haus des Klägers und verursachte Schäden am Hausdach. Die letzte Baumkontrolle vor dem Schadenereignis erfolgte am 12.08.2019. Mit der Klage begehrt der Kläger Schadenersatz für Reparaturkosten in Höhe von etwa 2650 Euro.
Das LG Bochum hat die Klage durch Urteil vom 15.07.2022 – 5 O 366/20 –, juris abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG Hamm durch Urteil vom 21.06.2023 – 11 U 118/22 – , juris als unbegründet zurückgewiesen.
Das OLG Hamm verneint zunächst alternativ einen Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 BGB und einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Dabei lässt das Gericht offen, ob das Rechtsverhältnis einer Kommune für einen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche stehenden Straßenbaum, dessen Sicherheit zu gewährleisten ist, gegenüber einem Grundstücksnachbarn dem öffentlichen Recht unterfällt oder privatrechtlich zu beurteilen ist.
Beide Anspruchsgrundlagen setzen eine schadenursächlich gewordene schuldhafte Pflichtverletzung voraus, an der es nach Auffassung des Gerichts vorliegend fehlt. Auch nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Rahmen der letzten Baumkontrolle vor dem Schadeneintritt äußerlich erkennbare Krankheitsanzeichen des Baumes übersehen hat, die Anlass zu weitergehenden Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht gegeben hätten. Insbesondere war kein Rückschnitt geboten.
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Sodann prüft das OLG Hamm einen verschuldensunabhängigen
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und
verneint einen solchen Anspruch ebenfalls. Das Gericht weist in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass die sich aus § 32 StrWG NW ergebende
Duldungspflicht des Anliegers für Einwirkungen von Pflanzungen im
Bereich des Straßenkörpers erst endet, wenn die Bepflanzung im Laufe der
Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der
entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an
privaten Nachbargrundstücken führt, solche Schäden hinreichend konkret
befürchten lässt oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter
keinem vernünftigen Gesichtspunkt zumutbaren Maße beeinträchtigt. Denn
das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG verbietet auch im nachbarlichen
Verhältnis von öffentlicher Straße und Anliegergrundstück übermäßige
Einwirkungen und gebietet eine angemessene Rücksichtnahme des
Eigentümers der Straße auf schutzwürdige Anliegerinteressen.
Von derartigen Beeinträchtigungen im Hinblick auf den
schadenursächlich gewordenen Baum geht das OLG Hamm aber nicht aus.
Seiner Einschätzung nach war die Schädigung des Hauses durch den
sturmbedingten Astabbruch nicht vorhersehbar, sondern ein für den Kläger
unglücklicher Zufall, der einen vorbeugenden Rückschnitt des Baumes
nicht gebot. Die Beklagte ist nicht allein aufgrund des Anpflanzens und
Aufziehens von Straßenbäumen vor einem privaten Grundstück als Störerin
anzusehen, wenn ein Schaden durch von den Bäumen abbrechende Äste
infolge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses eintritt.
Eine Störereigenschaft setzt in solchen Fällen vielmehr Handlungen oder
pflichtwidrige Unterlassungen voraus, die eine konkrete Gefahrenquelle
für das Nachbargrundstück bilden.
Eine Verantwortlichkeit des Baumeigentümers besteht nur dann, wenn
die von ihm unterhaltenen Bäume infolge Krankheit oder Überalterung ihre
natürliche Widerstandskraft gegen Stürme eingebüßt haben. Das OLG Hamm
verweist hierzu auf die Urteile des BGH vom 23.04.1993 – V ZR 250/92 –
sowie des OLG Brandenburg vom 22.10.2015 – 5 U 104/13 –, juris.
Schließlich sieht das Gericht auch keine Unzumutbarkeit der
entschädigungslosen Hinnahme des durch die Naturgewalt eingetretenen
Schadens für den Kläger, da der geltend gemachte Schadenbetrag seine
wirtschaftliche Existenz nicht gefährdet und er zudem gegen derartige
Schäden im Rahmen einer Gebäudeversicherung, die er nicht in Anspruch
genommen hat, versichert ist.
Die Entscheidung des OLG Hamm überzeugt uneingeschränkt. Zutreffend
bestätigt das Gericht die gesicherte Rechtsprechung, dass von gesunden
Bäumen aufgrund Sturmeinwirkung verursachte Schäden auch im
Nachbarrechtsverhältnis entschädigungslos hinzunehmen sind und dem
allgemeinen Lebensrisiko unterfallen.
Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung