Naturnahe Prozesse ermöglichen energiesparende Kühlung am Bau

Verdunstungskühlung durch Pflanzen

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Bauwerksbegrünung
EWHA Frauenuniversität Seoul/Korea, siebengeschossige Gebäude im Untergrund mit Dachbegrünung zu ebener Erde. Foto: Klaus W. König
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Prinzip der adiabaten Abluftkühlung mit Regenwasser. Grafik: Schmidt
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Star City, Seoul: Am Fuß der Wohntürme, Kühlung durch Bewässerung aus der Zisterne. Der Landschaftspark zu ebener Erde ist eine intensive Dachbegrünung über den Parkgeschossen. Foto: Klaus W. König

Undurchlässige Flächen, wie Dächer und Straßen, verändern das Mikroklima durch die Änderung der Strahlungs- und Energiebilanz. Eine Folge ist die Erhöhung der Temperaturen im engeren Gebäudeumfeld und ein unbehagliches Raumklima sowie die Erhöhung des Energiebedarfs bei der Gebäudeklimatisierung. Eine Lösung besteht in der Gebäudebegrünung durch die Erzeugung von Verdunstungskälte. Wird diese Begrünung bewässert durch gesammelte Niederschläge, ergeben sich Synergieeffekte bei Energieeinsparung, Verbesserung des Mikroklimas und beim Schutz der Wasserressourcen.

Die Verdunstung, ein faszinierendes global wirksames Phänomen, hält unser Wettergeschehen in Bewegung. Ihr Wärmebedarf wird weltweit durch die Sonneneinstrahlung gespeist und führt zu Luftfeuchtigkeit. Wo diese entsteht, kühlt die Umgebung ab. Umgekehrt, wenn die feuchte Luft auf kühlere Schichten in der Atmosphäre trifft, entstehen Wolken als feines Kondensat und schließlich, wenn sich dieser Prozess fortsetzt, werden Wolken zu Regenwasser und geben die gebundene Wärme wieder frei. So wird ständig weltweit Wasser und Wärme von einem Ort zum anderen transportiert. Wir erleben die Veränderung des Aggregat-Zustandes vom Flüssigen zum Gasförmigen auch am eigenen Körper - etwa beim Schwitzen. Die zur Verdunstung nötige Wärme liefert in diesem Fall die Umgebung, aber auch unser Körper. Er erfährt dadurch die notwendige Kühlung.

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Star City, Seoul: Gebäude in Städten sind vom Effekt der urbanen Hitzeinsel betroffen. Foto: Posco
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Befeuchtung der Raumluft im Glashaus des Geschäftshauses "Prisma" in Nürnberg-Gostenhof durch eine Naturklimaanlage mit Regenwasser und Pflanzen. Grafik: Atelier Dreiseitl
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EWHA Frauenuniversität Seoul/Korea, siebengeschossige Gebäude im Untergrund mit Dachbegrünung zu ebener Erde. Foto: Klaus W. König

Jede Pflanze, jeder Baum transpiriert und stellt eine natürliche Klimaanlage dar. Aloys Bernatzky, Altmeister der deutschen Baumkunde, hat 1978 in seinem Buch "Baumchirurgie und Baumpflege" den Funktionswert einer 100-jährigen freistehenden Buche bei besten ökologischen Voraussetzungen beschrieben. Dieser 25 Meter hohe Baum mit einer Kronenbreite von 14 Metern, einem Kronenvolumen von 2700 Kubikmetern und einer innerzellularen Blattfläche von 160.000 Quadratmetern nimmt stündlich 2352 Gramm CO62 und 960 Gramm Wasser auf. Seine Gesamtverdunstung im Jahr beträgt zehn Kubikmeter Wasser bei einem Wärmeverzehr von insgesamt 8 x 10 Kilokalorien. Das entspricht bei einem Kubikmeter also 8 x 105 oder 800.000 Kilokalorien pro Jahr.

In der Physik wird die zur Verdunstung eines Kubikmeters Wasser erforderliche Energie mit 680 Kilowattstunde pro Kubikmeter angegeben. Dieser Wert bezieht sich auf die Verdunstung bei 30 Grad Celsius. Bei 100 Grad Celsius sind es noch 630 Kilowattstunde pro Kubikmeter. In Stadtzentren wird die Solarstrahlung statt in Verdunstung von Wasser in fühlbare Wärme und langwellige Strahlung umgesetzt. "Gebäude in Städten sind von diesem urbanen Hitzeinseleffekt betroffen; innere Wärmelasten werden in den Sommermonaten nicht ausreichend abgeführt", beklagt Marco Schmidt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physik der Technischen Universität Berlin und stellt weiter fest: "Die Lösung ist in der Regel eine Klimaanlage, bei der die Kälte meist technisch über Strom erzeugt wird. In der Gesamtbilanz entsteht hierbei allerdings nicht Kälte im eigentlichen Sinne, sondern es findet eine Verschiebung von Energie statt. Wärme wird über eine Wärmepumpe einer Seite entzogen und auf ein anderes Medium übertragen. Da hierbei Strom verbraucht wird, wird bei Einbeziehen der gesamten Energieumwandlung mehr Wärme erzeugt als Kälte. Gebäude über Strom zu kühlen verschärft also das Problem der urbanen Hitzeinsel." Was sind die Alternativen?

Naturklimaanlagen in Großstädten

Zwischen 1990 und 1992 entstand in Frankfurt am Main am Westbahnhof der Ökokulturelle Gewerbehof, ein Gebäude mit mehr als 7000 Quadratmeter Nutzfläche, geplant vom Architekten Joachim Eble. Ein Großteil des Hauses ist vermietet, unter anderem an eine Arztpraxis, ein Frauenzentrum, den Verlag der Zeitschrift Ökotest. Dem Kemgebäude, einem sechsgeschossigen Langhaus, ist südwestlich eine große Glashalle mit Haupteingang und Erschließungstreppen auf vier Stockwerken vorgelagert. Nach Nordosten hin stellt ein kleineres Glashaus Zugang und Verbindung zum zweigeschossigen Nebengebäude her. In diesem befinden sich Teile der Verwaltung, die Geschäftsstelle des Wohnbundes und eine Kindertagesstätte.

Die Glashäuser dienen der Gebäudeerschließung und haben günstige Auswirkungen auf die Klimatisierung der Arbeitsbereiche. Den Glashallen vorgelagerte Teiche, eine äußere Begrünung zur Verschattung, eine innere Bepflanzung und Wasserkaskaden in den Glashäusern erhöhen die Luftfeuchtigkeit und tragen zur Dämpfung der Temperaturspitzen in den Arbeitsräumen bei. Durch die Gründächer und Teiche wird Regenwasser zurückgehalten und anschließend in Zisternen gesammelt. Etwa 50 Prozent der Dach- und Terrassenflächen sind dicht mit Gräsern, Büschen und Bäumen bepflanzt.

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Physik-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin am Standort Adlershof. Fünf Zisternen á elf Kubikmeter und ein Großfilterschacht FS, eingebaut im Jahr 2003. Foto: Mall GmbH
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Physik-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin am Standort Adlershof. Innenhof mit unterirdischer Regenzisterne, Verdunstungsteich und Fassadenbegrünung. Ziel war und ist das wasserautarke Grundstück. Foto: Klaus W. König
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Quelle: Water for the Recovery of the Climate (Literatur 4.)

Im nördlichen Glashaus wird zur Luftbefeuchtung Wasser aus der Zisterne über Kaskadenbecken geleitet, die an einer so genannten "Wasserwand" hängen. Hier besteht der Fußboden aus Holzrosten über Hohlräumen, die mit Wasser gefüllt sind. Ein solches "Unterflurbecken" mit Pumpensumpf und Umwälzpumpe versorgt die Wandkaskaden. Bei Bedarf infolge Verdunstung wird automatisch Wasser aus der zentralen Zisterne nachgespeist. So funktioniert auch die gelegentliche Bewässerung der Gründächer. Durch die Eingangspassage im südlichen Glashaus wird ein Bach mit eigener Umwälzanlage geführt. Wasser, Luftzirkulation und Bepflanzung bilden zusammen die Naturklimaanlage.

Wie beim Ökokulturellen Gewerbehof in Frankfurt-West wird der Luftaustausch mit natürlicher Thermik auch beim Wohn- und Gewerbehof "Prisma" im Nürnberger Stadtteil Gostenhof erbracht. Befeuchtung und Kühlung erfolgt durch die außen stehende Wasserfläche sowie Wasserfall und fließendes Wasser innen, gespeist aus der 240 Kubikmeter fassenden Zisterne. Atelier Dreiseitl (siehe auch S. 9 ff.) hat während der Bauzeit 1993 bis 1997 interessant und üppig Grünzonen mit Wasserläufen gestaltet und so die ökologische Architektur von Joachim Eble ergänzt.

Im Buch Wasserlandschaften (Literatur 5.) heißt es dazu: "Die zumindest im Sommer hohen Temperaturen gaben den Anlass für einen zweiten Wasserkreislauf. Hier schickt die Pumpe Wasser zu sechs Wasserwänden. Deren Wirkung gleicht der von Wasserfällen, weil sich auch die hydrophysikalischen Abläufe ähneln: Das Wasser reißt Luft mit nach unten, was dort in Gestalt eines Windzuges wahrgenommen wird. In Nürnberg fällt zwischen zwei fünf Meter hohen Scheiben Wasser herab, was wiederum Luft verdrängt und diese unten ausbläst. Durch einen Schlitz in der Wand zieht dieser Wasserstrom Außenluft an, reinigt und kühlt sie - zumindest im Sommer. Im Winter erwärmt das minimal 18 Grad warme Wasser die kühle Außenluft."

Verschattung durch Dach- und Fassadenbegrünung

Wenig kühlen muss, wer in die Erde baut. So geschehen in den Jahren 2004 bis 2008 beim Neubau der Frauenuniversität Ewha. Dieser so genannte Campus Complex, ein multifunktionales Gebilde unter dem Boden von Seoul, hat 66.000 Quadratmeter Nutzfläche, geplant von Dominique Perrault Architecture aus Paris. In der englischsprachigen Broschüre der Frauenuniversität wird das neue Bauwerk als U-Campus, wohl in Anlehnung sowohl an unterirdisch als auch an Utopie, präsentiert. Im koreanischen Sommer mit 40 Grad Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit ist es für die Studentinnen durchaus wünschenswert, über Mittag in einem Gebäude wie dem ECC bleiben zu können. Die unterirdische Bauweise ermöglichte es, hier eine neue, umweltschonende und zugleich Kosten sparende Haustechnik zu verwirklichen. Auch beim Wasser wird zuerst aus natürlichen Quellen geschöpft. Regenwasser von den Dach- und Belagsflächen wird in drei unterirdischen Tanks gesammelt und für die Toilettenspülung, die Gebäudereinigung und die Bewässerung der Außenanlagen genutzt. Die begrünte Dachlandschaft zu ebener Erde, wie die unmittelbar anschließenden konventionellen Außenanlagen auch, braucht in den trockenen Monaten außerhalb der Monsunzeit einiges an Wasser, das sonst aus dem Grundwasser unter dem Campus gehoben werden müsste.

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Physik-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin am Standort Adlershof. Innenhof mit Fassadenbegrünung, Dachfläche mit Messstationen zur wissenschaftlichen Begleitforschung der passiven Gebäudekühlung, Berlin-Adlershof. Foto: Klaus W. König
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Physik-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin am Standort Adlershof. Messstation auf dem Dach. Bestimmende Faktoren für die Fassadenbegrünung sind Luftbewegung, Temperatur, Feuchte der Luft und Einstrahlung. Foto: Klaus W. König

Die Bewirtschaftung des Regenwassers zur Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf ist von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz. Nur der Anteil des Regenwassers, der wieder der Verdunstung zugeführt wird, erzeugt Niederschläge. Dieser sogenannte kleine Wasserkreislauf an Landoberflächen stellt den größeren Anteil der lokalen Niederschläge dar. Der aus den Weltmeeren im Durchschnitt verdunstende und an Land transportierte Niederschlag beträgt nur einen kleineren Anteil der lokalen Niederschläge. Der größere Anteil ergibt sich aus der zuvor verdunsteten Menge an Land. So jedenfalls argumentieren die Autoren der Broschüre "Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung, Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung" veröffentlicht 2010 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (Literatur 3.). Das Regenwasser muss also so direkt und natürlich wie möglich verdunstet werden. Dafür bietet sich Dach- und Fassadenbegrünung geradezu an, zumal von ihr auch Temperaturausgleich durch Verschattung und Kühlung im Sommer erwartet werden darf.

Unbegrünte Dächer wandeln etwa 95 Prozent der Strahlungsbilanz in Wärme um. Zudem ist der Anteil der langwelligen thermischen Ausstrahlung durch die höheren Oberflächentemperaturen unbegrünter Flächen deutlich größer. Extensiv begrünte Dächer wandeln dagegen in den Sommermonaten 58 Prozent der Strahlungsbilanz in die Verdunstung von Wasser um. Dies bestätigen laut Berliner Broschüre Messungen an zwei benachbarten Dächern in Berlin, ergänzt durch Monitoring an Fassadenbegrünungen des Instituts für Physik.

Fassadenbegrünung kombiniert mit Adiabater Abluftkühlung

Der Neubau des Institutes für Physik ist ein Teil der Humboldt-Universität zu Berlin auf dem Campusgelände Adlershof. Hier wird Regenwasser sowohl zur Bewässerung der Fassadenbepflanzung als auch zur Verdunstungskühlung im Wärmetauscher von Zu- und Abluft eingesetzt. Dass dabei bis zu einer Außentemperatur von 30 Grad auf konventionell erzeugte Kälte verzichtet werden kann, ist ein wertvoller, weil auf alle Neubauten übertragbarer Beitrag zum Klimaschutz. Die Gebäudebegrünung schützt grundsätzlich vor hohen Temperaturen und ist die passive Ergänzung dazu. Mit wissenschaftlicher Untersuchung begleiten die Hochschule Neubrandenburg und die Technische Universität Berlin dieses stadtökologische Modellvorhaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin seit einigen Jahren. Die Ergebnisse wurden in der Berliner Broschüre veröffentlicht.

Neun Fassaden des Gebäudes sind begrünt. Das Regenwasser von 4700 Quadratmetern Dachfläche wird in unterirdischen Betonzisternen gesammelt und für die Bewässerung der Fassadenbegrünung genutzt. Die automatische Bewässerung mit Zisternenwasser versorgt Kübelpflanzen in 29 verschiedenen Ebenen. Im Minutentakt öffnet die Tropfbewässerung. Nach fünf Minuten ist ein Intervall abgeschlossen. Die Anstaupegel in den Wannen werden durch eine elektronische SPS-Steuerung kontrolliert. Der jährliche Bedarf zur Bewässerung der Fassadenpflanzen beträgt 250 Kubikmeter nach Auswertung der Daten. Kontinuierlich festgestellt wird auch die Wirkung der Fassadenbegrünung mit sieben Strahlungssensoren. Zusätzlich dokumentieren Ultraschallmessungen die Windgeschwindigkeit an der Fassade, dreidimensional. Im strengen Winter 2009/2010 sind viele Fassadenpflanzen eingegangen. Als Ursache konnte Marco Schmidt, er ist für die Technische Universität an der Berlin-Broschüre beteiligt, mehrere Einflüsse ausmachen. Ein Problem ist die Auslösung von Pestiziden aus der Dachabdichtung. Aber auch mangelnde Pflege und tiefer Frost im Winter waren ausschlaggebend für den Ausfall.

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Prioritätenliste für dezentrale Regenwasserbewirtschaftung unter Berücksichtung des natürlichen Wasserkreislaufs aus Niederschlag, Verdunstung und Grundwasserneubildung.
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Prinzip der adiabaten Abluftkühlung mit Regenwasser. Grafik: Schmidt

Bei der Regenwassernutzung als Ressource für die adiabate Abluftkühlung sind weitere Synergien zu erzielen, da Regenwasser einen geringen Salz-/Kalkgehalt aufweist. Bei der Verwendung von Regenwasser anstelle von Trinkwasser in den Klimaanlagen wird zugleich Wasser und Abwasser gespart. Zudem wird Regenwasser wieder in den natürlichen Wasserkreislauf Niederschlag-/Verdunstung zurückgeführt. Dies hat erhebliche positive Auswirkungen auf das lokale Mikroklima und reduziert durch die Initiierung von Verdunstungs- und Kondensationsprozessen das Phänomen der globalen Erwärmung.

Während konventionell Kälte durch die Nutzung von Strom mit einem schlechten Wirkungsgrad erzeugt wird und das Problem der urbanen Hitzeinsel hierbei verschärft, verbessert die adiabate Abluftkühlung das Mikroklima im Gebäudeumfeld. In der konventionellen Kältebereitstellung treten zudem erhebliche Zirkulationsverluste auf, die laut Schmidt in bislang untersuchten Systemen mehr als 50 Prozent der bereitgestellten Kälte betragen. Diese entfallen bei der adiabaten Abluftkühlung, da die Kälte direkt in der Lüftungsanlage erzeugt wird. Eine besonders hohe Effizienz kann durch die so genannte Wiederbefeuchtung der Abluft innerhalb des Wärmetauschers erzielt werden. Hierbei wird der Verdunstungsprozess kontinuierlich in der Abluft durchgeführt. ImIdealfall verlässt die Abluft den Wärmetauscher im Temperaturniveau der Außenluft bei einer Luftfeuchte von 100 Prozent.

Veränderte Prioritäten, Verdunstung vor Versickerung

Bislang lag in Deutschland der Schwerpunkt der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung auf Versickerung. Trotz der erheblichen Vorzüge der dezentralen Versickerung gegenüber der konventionellen Ableitung berücksichtigt dieser Ansatz den natürlichen Wasserkreislauf nur ungenügend. So sehen es Schmidt und seine Kollegen vom Autorenteam der Berlin-Broschüre.

Das Problem urbaner Gebiete liegt demnach nicht in verminderten Versickerungsraten, sondern in der fehlenden Verdunstung. Als Beleg wird der digitale Umweltatlas Berlin (Karte 02.13, UIS Berlin, 2007) genannt und weiter ausgeführt: "Ursache ist die Verdrängung der Vegetation und der Mangel an offenem bewachsenem Boden. Im Sinne eines Ausgleichs oder Ersatzes der Flächenversiegelung muss umweltpolitisch die Priorität bei den verschiedenen Maßnahmen liegen, die den natürlichen Wasserhaushalt aus Niederschlag, Verdunstung und Kondensation unterstützen. Dies sind die Entwicklung von Vegetationsstrukturen, die Gebäudebegrünung, offene Wasserflächen sowie auch die Regenwassernutzung zur Gebäudekühlung über Verdunstungskälte."

Wie die Tabelle oben zeigt, hat hierbei die höchste Priorität die Flächenentsiegelung und Vegetationsentwicklung. Die niedrigste Priorität liegt bei Versickerungsmaßnahmen direkt in den Untergrund über Schächte und Rigolen. Das jährliche Verdunstungspotential in Brandenburg, dem Standort des Institutes für Physik, beträgt übrigens 700 Millimeter bei einem Niederschlag von 600 Millimeter pro Jahr. Vom Klima her könnte also das gesamte Regenwasser verdunstet werden.

Abschließend soll die meteorologische und physikalische Diskussion um Energie, Wasser, Verschattung, Kühlung und Befeuchtung noch um einen Hinweis ergänzt werden: Wenn wir Pflanzen auf Dächern und an Fassaden einsetzen, leisten sie ja weit mehr als Kosten sparen zu helfen und klimatische Parameter zu korrigieren. Sie verbessern auch unser unmittelbares Umfeld und die Lebensbedingungen, von denen unsere Gesundheit abhängt - vor allem in Städten - durch Staubbindung, Lärmdämpfung, Lichtbrechung, Sauerstoffanreicherung, CO2-Verzehr und vieles andere mehr. Sie ermöglichen Lebewesen das Dasein und tragen so zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Mehr noch, Pflanzen sind grüne Emotion, können durch Sinneseindruck zu psychischer Ausgeglichenheit beitragen. Generell ist der ästhetische Wert begrünter Gebäudeflächen ein Aspekt, um den in der Architekturdiskussion noch deutlicher gerungen werden muss.

Literatur

Bernatzky, Aloys: Baumchirurgie und Baumpflege. Verlag Bernhard Thalacker, Braunschweig. 1978. (1)

Kaiser, M. und Schmidt, M.: Einsatz von Regenwasser zur Kühlung von Gebäuden und Prozessen, in: Ratgeber Regenwasser. Für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen und Versickern von Regenwasser im Siedlungsgebiet. (Hrsg.:) Mall GmbH, Donaueschingen, 4. Auflage, 2012.

Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. (Hrsg.:) Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Broschüre, 1. Auflage, Berlin, 2010. (3)

Krav?cík, M.; J. Pokorn´y, J. Kohutiar, M. Ková?c, E. Tóth: Water for the Recovery of the Climate - A New Water Paradigm. Municipalia, Bratislava, 2007. (4)

Dreiseitl, H.; Grau, D.: Wasserlandschaften - Planung, Bauen und Gestalten mit Wasser. Birkhäuser, Verlag für Architektur, Basel. 2006. (5)

www.waterparadigm.org

Quelle: Water for the Recovery of the Climate (Literatur 4.

Dipl.-Ing. Klaus W. König
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