Notwendigkeit eingehender Untersuchung bei signifikantem Totholzanteil in der Krone

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Dem Urteil des LG Saarbrücken vom 30.01.2024 – 4 O 424/21 – lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Straßenbäume
Im vorliegenden Fall ging es um einen städtischen Kastanienbaum, der nach Auffassung des LG Saarbrücken nicht hinreichend kontrolliert worden war. (Symbolbild) Foto: Peggychoucair, Pixabay

Am 30.05.2021 stürzte ein Straßenbaum, eine städtische Rosskastanie, um und beschädigte das auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkte Fahrzeug des Klägers, eines Anliegers der Straße. Die letzte von der Beklagten durchgeführte Baumkontrolle vor dem Unfall fand am 21.10.2019 ohne Befund statt. Mit der Klage begehrt der Kläger Schadenersatz i.H.v. insgesamt etwa 5850 Euro (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert des Fahrzeuges wegen eines wirtschaftlichen Totalschadens, Nutzungsausfall, An- und Abmeldekosten, Gutachterkosten und Unkostenpauschale).

Das LG Saarbrücken hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Sachverständigengutachten durch Urteil vom 30.01.2024 – 4 O 424/21 – in Höhe von etwa 4870 Euro weit überwiegend stattgegeben.

Das Gericht legt zunächst Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar. Sodann weist das LG Saarbrücken darauf hin, dass die Straßenverkehrssicherungspflicht nicht nur gegenüber den Nutzern der Straße besteht, sondern auch gegenüber den Anliegern. Auch die Anlieger sind vor Gefahren, die von umstürzenden Straßenbäumen ausgehen, zu schützen. Auf Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass aufgrund der signifikanten Totholzanteile in der Krone des Baumes nach der Sichtkontrolle zwingend eine eingehende Untersuchung der Wurzeln hätte erfolgen müssen. Durch Abgrabungen im Bereich der Wurzelanläufe oder durch Bohrwiderstandsmessungen der Wurzelanläufe hätten sich schnell und eindeutig Morschungen im Wurzelbereich feststellen lassen. Aufgrund der bereits massiv in den Stamm vorgedrungenen Morschungen müssen bereits seit mehreren Jahren Morschungen im Wurzelwerk vorhanden sein. Die streitgegenständliche Rosskastanie hätte sodann umgehend gefällt werden müssen. Eine eingehende Untersuchung ist seitens der Beklagten aber nicht durchgeführt worden. Wäre eine solche erfolgt, wäre der Baum rechtzeitig gefällt worden und hätte das klägerische Fahrzeug nicht beschädigt.

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Straßenbäume
Eine Straßenverkehrssicherungspflicht besteht nicht nur gegenüber den Nutzern einer Straße, sondern auch gegenüber den Anliegern. Foto: Frederik Greve, Pixabay

Hinsichtlich der geltend gemachten Schadenspositionen hat das Gericht dem Kläger den eingeklagten Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges abzüglich des Restwertes (wirtschaftlicher Totalschaden) zugesprochen, ferner die Kosten für das Kfz-Sachverständigengutachten und die Unkostenpauschale. Nicht erstattungsfähig sind nach Auffassung des Gerichtes hingegen der geltend gemachte fiktive Nutzungsausfall sowie die An- und Abmeldekosten für das Fahrzeug.

Einen Anspruch auf Nutzungsausfall hat das Gericht deswegen abgelehnt, weil der Kläger während des Zeitraums, für den er Nutzungsausfall beansprucht, tatsächlich nicht an der Nutzung seines Fahrzeuges gehindert war. Bereits aufgrund des Kilometerstandes ließ sich feststellen, dass er auch ohne Durchführung einer Reparatur das noch verkehrssichere Fahrzeug in nicht unerheblichem Umfang gefahren sein muss. Dies steht einer Hinderung an der Nutzung des Fahrzeuges (als Voraussetzung für Nutzungsausfall) entgegen.

Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf fiktive Kosten einer An- und Abmeldung des Fahrzeuges. Eine Abmeldung ist nämlich tatsächlich nicht erfolgt und aufgrund der Nutzung von zwei Fahrzeugen nicht ersichtlich, dass die Neuanschaffung eines weiteren Fahrzeuges tatsächlich und konkret auf der Beschädigung des ersten Fahrzeuges beruht.

Die Entscheidung des LG Saarbrücken überzeugt uneingeschränkt. Sie bereichert die einschlägige Rechtsprechung zur Notwendigkeit eingehender Untersuchungen um eine weitere Variante. Zur Thematik der Notwendigkeit eingehender Untersuchungen sei ergänzend aus den letzten Jahren noch auf folgende Entscheidungen hingewiesen:

  • Druckzwiesel – Baumkontrollen bei an Parkplatz angrenzendem Waldrandbaum, LG Aachen, Urteil vom 03.11.2022 – 12 O 466/21 –, SuG 02/2023, 61;
  • Zeitrahmen für Fällung – Wann sollte ein Sondierstab bei der Baumkontrolle eingesetzt werden?, OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2020 – 11 U 34/20 –, SuG 04/2021, 59;
  • Zusatzkontrollen – Notwendigkeit eingehender Untersuchungen nach Sturm, ArbG Aachen, Urteil vom 26.05.2020 – 4 Ca 681/19 –, SuG 11/2020, 59;
  • Muss eine Linde bei auffälliger Belaubung untersucht werden?, OLG Brandenburg, Urteil vom 15.01.2019 – 2 U 49 / 17 –, juris, SuG 05/2019, 60;
  • OLG Köln, Urteil vom 02.03.2017 – 7 U 134/16 – , VersR 2017, 771 (eingehende Untersuchung bei Baumschrägstand?);
  • AG Aachen, Urteil vom 05.01.2017 – 117 C 65/16 – (eingehende Untersuchung bei Efeubewuchs?);
  • LG Koblenz, Urteil vom 24.11.2016 – 1 O 123/16 – (eingehende Untersuchung bei Baumschrägstand, Rindenschäden und Bodenverdichtung?).

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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