Nowa Amerika - ein neuer Staatenbund zwischen Deutschland und Polen

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Michael Kurzwelly ist Erfinder des neuen Staatenbundes im deutsch-polnischen Grenzgebiet, Nowa Amerika. Foto: Nowa Amerika

Es klingt utopisch und hört sich für Krisen geschüttelte Europäer geradezu unglaublich an, wenn Michael Kurzwelly, Erfinder und Mitbegründer von Nowa Amerika, über einen neuen Staatenbund spricht, der an der deutsch-polnischen Grenze entstehen soll: Vorbild für die Zukunftsregion an Oder und Neiße sind die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Unabhängigkeitserklärung, mit der sie sich 1776 von der britischen Kolonialmacht lossagten. Aber Kurzwelly ist auch Realist und Praktiker - er hat seit Jahren in der Grenzregion, die sich von der Ostsee und Stettin bis zur Doppelstadt Frankfurt/Oder - Slubice (genannt Slubfurt) zieht, unermüdlich Kontakte und Verbindungen zwischen Deutschen und Polen hergestellt und ermöglicht. Mittlerweile fanden zahlreiche Konferenzen, Meetings, Aktionen und Ausstellungen statt, die er und der von ihm gegründete Verein Slubfurt e. V. im Grenzland organisierten. Dies löste einen ziemlichen Pressewirbel aus.

Kurzwelly nimmt den wohl tönenden Begriff eines "Europa der Europäer" wörtlich. In der Föderation von vier neuen Kleinstaaten, die die Namen Szczettinstan, Terra Incognita, Lebuser Ziemia und Schlonsk tragen und gemeinsam den Staat Nowa Amerka bilden, sieht er eine immense Chance für Freiheitshungrige, demokratische Pioniere und überhaupt für alle Menschen, die an die Zukunft glauben. Dem Künstler deutsch-polnischer Herkunft geht es vor allem darum, dass sich die Menschen im Grenzland übernational und grenzübergreifend organisieren, gemeinsam leben und arbeiten können. Von daher erscheint Nowa Amerika heute keineswegs mehr als Spinnerei, sondern als konkrete Utopie über die ihr Erfinder sagt: "Nowa Amerikas Grenzen sind fließend. Mal dehnt sich unser Land in der Peripherie bis Posen und Berlin aus, mal zieht es sich wieder zusammen. Jedoch hat Nowa Amerika ein Rückgrat, das durch die ehemalige deutsch-polnische Grenze, also die beiden Flüsse Oder und Neiße gebildet wird. (...) Odra und Nyße sind unsere Leidenschaft. Außer Deutsch und Polnisch spielt Slubfurtisch im Alltag der Menschen eine große Rolle, Nowa Amerika ist jung und braucht Hilfe, um zu wachsen und zu gedeihen. Die Größe von Nowa Amerika hängt von der Vielzahl der Köpfe ab, die daran glauben."

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Nowa Amerika braucht eine aufmüpfige und selbstbewusste Bürgerschaft Foto: Nowa Amerika

Das Projekt Nowa Amerika wird für zwei Jahre von der "Kulturstiftung des Bundes" gefördert, weil mit ihm "eine Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements für die Kultur in den neuen Bundesländern" stattfindet. Ein vergleichbares Konzept visionärer Wirklichkeitskonstruktion haben der Verein Slubfurt e. V. und sein Spiritus Rector Kurzwelly bereits mit Erfolg und Überzeugungskraft bei dem Projekt "Slubfurt" angewandt - dieser lebendigen Idee von einer deutsch-polnischen Stadt im Grenzgebiet, das Frankfurt/Oder und Slubice supranational verbindet. Slubfurt verfügt mittlerweile über ein Grundgesetz, veranstaltet Wahlen zu einem eigenen Stadtparlament, unterstützt und initiiert kulturelle Projekte und gewinnt, wiewohl nur fiktiver Ort, immer mehr an Realität. Im Sommer 2011 wurde dem Verein für das Projekt "Parlament - Kommunalwahlen in Slubfurt" der erste Preis für politische Bildung des "Bundesausschusses politische Bildung" verliehen. -

Die Gründung "Nowa Amerika" realisiert Slubfurt e. V. gemeinsam mit einer beständig wachsenden Anzahl deutscher und polnischer Vereine und Initiativen vom Ostseeraum bis in die Grenzregion zu Tschechien. Kongresse und Arbeitstreffen wie im Februar in Görlitz oder die Beteiligung an der großen Veranstaltung "Polska Biennale" dienen dabei der Entwicklung konkreter Perspektiven und Projekte. Eine dreisprachige Website bündelt alle Aktivitäten der beteiligten Kultureinrichtungen. In der zweijährigen Anschubphase sollen bestehende Netzwerke enger geknüpft und öffentlich sichtbar gemacht werden.

Dass es Kurzwelly und seine Mitstreiter ernst meinen, kann man bereits an den zahlreichen Instituten, Ämtern und Ministerien ersehen, die die Politik von Nowa Amerika in Zukunft gestalten wollen. Geradezu realpolitisch kommt deren Auffächerung einher. So gibt es ein Presse- und Medienamt, denn eine zweisprachige Freie Presse ist für Nowa Amerika fundamental. Das Presse- und Medienamt unterstützt die Entwicklung von Zeitungen, Radio- und TV-Sendern in und für Nowa Amerika, sowohl regional, wie überregional. Eine besondere Herausforderung stellt in Nowa Amerika die Sprache dar. Die beiden Ur-Muttersprachen Deutsch und Polnisch führen - so hoffen die Initiatoren - spielerisch zur Synthese des "Slubfurtischen", einem Mix beider Sprachen sowie weiterer hinzukommender Sprachen. Diesem Thema nimmt sich das "Institut Lingua Nowa Amerikana" an.

Das Kultur- und Bildungsministerium soll in Nowa Amerika eine Bildung fördern, die den ganzen Menschen und seine Entwicklung in den Mittelpunkt stellt, denn - so schreibt man - "Nowa Amerika braucht eine aufmüpfige und selbstbewusste Bürgerschaft. Nur so ist man den globalen, regionalen und lokalen Herausforderungen gewachsen." Weiterhin gibt es ein Laborartorium, das zugleich Institut, Schule und Werkstatt sein soll. Es basiert auf der Erkenntnis, dass Kunst einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen kann, wenn sie aus ihren klassischen Schubladen - gemeint ist Malerei, Bildhauerei, Performance, Schauspiel, Musik und Literatur - befreit wird und auf die Gestaltung der ganzen Gesellschaft angewendet werden kann. Kunst soll zum wichtigsten Fach in allen Schulen werden, da sie den Grundstein legt für Denken und Handeln in Freiheit. Ebenfalls gibt es ein Institut für Minderheitenforschung: Nowa Amerika ist ein Land, sagt Kurzwelly, das die Unterscheidung in deutsch und polnisch mit seiner Gründung überwunden hat. Dennoch dürfen die historischen Auswirkungen der ehemaligen Trennung in Nationen nicht unterschätzt werden.

Ein Ministerium für Raumumordnung beschäftigt sich mit der Konstruktion "neuer Wirklichkeiten" in Nowa Amerika. Es handelt sich dabei um Strategien, die gesellschaftliche Probleme fokussiert und durch spielerische Umdeutungsprozesse umdeutet und in eine neue Realität führt. Obwohl dieser Vorgang lebenswichtige Krisen erzeugt, haben die meisten Menschen Angst vor der Krise. Deshalb werden diese Prozesse von Spezialisten in verschiedenen Instituten fachmännisch betreut. Um die Identifikation der Bürger mit Nowa Amerika zu erleichtern, entwickelt ein Institut für Geopolitische Namensänderungen neue Bezeichnungen für Orte, Städte und Straßen auf dem Gebiet von Nowa Amerika. Aus den Erfahrungen heraus, dass Deutschland und Polen manchmal unterschiedlich Geschichte interpretieren, bzw. zentristisch eine in vieler Hinsicht auf ihre Staaten fixierte Geschichte schreiben, bemüht sich das Institut für Geschichtsschreibung um eine neue Geschichtsschreibung, die natürlich Nowa Amerika in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt.

Das Rückgrat von Nowa Amerika bilden Oder und Neiße. Entlang dieser Achse sind die Verkehrswege bisher ungenügend ausgebaut, aber auch auf der Ost-West-Achse fehlt es an Verbindungen. Da Nowa Amerika als junger Staat bisher nur über geringe Mittel verfügt, hat sich das Institut für Infrastruktur als erste Aufgabe die Entwicklung eines beiderseits der Flüsse verlaufenden Radweges gestellt, sowie den Ausbau der Fährverbindungen. Last not least das Umwelt- und Energieministerium - es beschäftigt sich vorrangig mit Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien, die dem Energiehaushalt zur Verfügung stehen. Dazu gehören außer Wind-, Sonnen- und Wasserenergie auch die Geothermie und vor allem die kreative Energie aller BürgerInnen der Föderation.

Nowa Amerika ist ein Projekt der Aufklärung im 21. Jahrhundert, denn es will aus Menschen, die in Nationen leben, Weltbürger machen. Ein Anfang ist gemacht und wenn man Michael Kurzwelly Glauben schenkt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Region an Oder und Neiße zum Vorbild für ein tatsächlich geeintes Europa wird.

Kontakt:

Slubfurt e. V., Michael Kurzwelly,
Güldendorfer Straße 13, 15230 Frankfurt/Oder,

Tel.: +49 (0) 3 35 - 6 64 11 81

kurzwelly(at)arttrans.de
www.nowa-amerika.net

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Kunstjournalist, Kurator und author

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