„Schönheit ist hier für den Wissenden wie die Heiterkeit des Wohltäters“
Von der stillen Schönheit unserer Ziergräser
von: Dipl.- Ing. Christof D. SandtOb nun das Rispengras in den Pflasterfugen vor der Wohnung, der Glatthafer entlang unserer Straßen oder Weizen und Mais auf den Feldern unserer Landwirte: wo Menschen sind, da sind auch Gräser.
Obwohl sich vermutlich schon immer einzelne Naturbegeisterte an ihrer Erscheinung erfreut haben, dauerte es erstaunlich lange, bis die Gräser auch als attraktive Schauobjekte breiter Bevölkerungsschichten entdeckt und in den Kanon des Schönen aufgenommen wurden.
Die frühesten Gräser in der westlichen Gartenkunst sind - sieht man einmal von Rasengräsern ab - neben Pfahlrohr (Arundo donax), der im Jahr 1496 durch Christoph Kolumbus eingeführte Mais.
Seitdem wurden, zunächst vereinzelt, ab dem 19. Jahrhundert vermehrt und mit dem 20. Jahrhundert gänzlich entfesselt aus allen Teilen der Welt Ziergräser nach Europa und Deutschland eingeführt und "hier und da" in Gärten und Schauanlagen kultiviert.¹
Der Erste jedoch, der die publizistische Kraft besaß seine Begeisterung und den Wert von Ziergräsern in breite Teile der gärtnerisch interessierten Öffentlichkeit zu tragen, war der bekannte Potsdamer Staudenzüchter und Gartenphilosoph Karl Foerster.
In einem seiner richtungweisenden Bücher Einzug der Gräser und Farne in die Gärten aus dem Jahr 1956 stellt er ihre Schönheit und Anmut in der für ihn typischen poetischen Ausdrucksweise heraus:
"Und neben dem Riesenwerk, das sie überall [...] für Tier und Mensch leisten, sind sie uns noch auf alle Weise durch ihre Schönheit verbunden, die mit Wetter und Beleuchtung, Blüte und Tropfenbehang, Jahreszeit und Wachstum überraschend wechselt. Die Schönheit ist hier für den Wissenden wie die Heiterkeit des Wohltäters, welche gerade die tiefste Dankbarkeit des Empfängers auslöst."
Inspiriert durch solchermaßen vorgetragenes Entzücken über die Verwendung zierender Gräser, waren wichtige Wegbereiter der jüngeren Neuzeit vor allem die US-amerikanischen Landschaftsarchitekten Wolfgang Oehme und James van Sweden, in deren Arbeiten seit den 1970er Jahren die Verwendung von Ornamental Grasses häufig eine zentrale Rolle spielt.²
Von hier schwappte die Bewegung auch in den westeuropäischen Raum und wurde nicht zuletzt von einer "Oehme-Schülerin", der Landschaftsarchitektin Petra Pelz, als Teil eines neuen, staudengeprägten Bepflanzungsstils in eine deutsche Bepflanzungsplanung eingeführt.
Aktuell erleben Gräser im Gewand von sogenannten Präriepflanzungen eine, wenigstens in der Fachpresse, neue Aufmerksamkeit. Und doch ist nicht zu befürchten, dass die Gruppe der Gräser hierbei als Zutat zu einer Modeerscheinung "verbrannt" wird, zu zeitlos und vielseitig einsetzbar erscheinen diese grünen Alleskönner.
Auch zeichnen sie sich infolge ihrer farblich meist reduzierten Erscheinung nicht nur durch Zeitlosigkeit aus, sondern auch durch solchermaßen immanenten Purismus, was sie in hohem Maß modern und interessant gerade für zeitgenössische Freiraumgestaltungen macht.
Vom Wesen der Ziergräser
Viele gartenwürdige Grasarten und -sorten besitzen eine für den Betrachter erlebbare Spannung aus zurückhaltender Expressivität und unaufgeregter, natürlicher Eleganz.
So bleibt die Farbe von Laub und Blüte der Gräser - meist Grüntöne - in der Regel dezent und unaufdringlich und lässt damit anderen Objekten Raum für deren Erscheinung, vielleicht ja sogar für deren Pracht.
Damit sind Gräser auf der einen Seite prädestiniert als Rahmen für hervorragende Schauobjekte hohen ästhetischen Wertes, die sie dann zurückhaltend unterstreichen. Hierzu trägt nicht zuletzt auch deren Habitus bei, der mitunter an die fließend-harmonischen Linien des Jugendstils oder an die zeitlos-eleganten Plastiken Auguste Rodins zu erinnern vermag.
Auf der anderen Seite sind einige Grasarten und Grassorten aufgrund ihrer Erscheinung durchaus in der Lage, die erste Geige im Pflanzenkonzert zu spielen und mit ihrer Markanz die Vorstellung zu tragen.
Auch innerhalb der Pflanzung - vorausgesetzt sie wachsen an einem ihnen zusagenden Standort - fügen sich Gräser ästhetisch meist überall willig ein und bringen mehr als alle anderen Pflanzenarten Natürlichkeit, Leichtigkeit und Eleganz in die Komposition. Und wer schon einmal im Wind wogende Getreidefelder, vielleicht noch bereichert mit roten und blauen Tupfen, gesehen hat, der weiß um den Reiz eines bewegten Meeres dieser Lichtgestalten.
Außer alten Bäumen und manchen Immergrünen erscheint mir keine andere Pflanzengruppe derart geeignet, gerade im Winter, also zu einer Zeit in der viele Menschen eher melancholisch-dunkel gestimmt sind, dem Betrachter im Freiland solcherlei ästhetische Genusserlebnisse und damit schlicht Freude zu verschaffen. Ganz besonders gilt dies bei Raureif und Schnee, bei dem viele Gräser dem grünen Freiraum einen späten, erstaunlichen Höhepunkt zu verschaffen in der Lage sind.
Mit ihren meist schmalen Blättern und ihrem Blütenbau signalisieren Gräser ihre Vorliebe für Sonne, Wind, für offenes Land. Nicht zufällig sind Gräser in Wäldern eher ausnahmsweise anzutreffen. So kommt es, dass sich manch einer durch von Gräsern bestimmte Situationen gar an Weite, Offenheit und Helligkeit erinnert fühlt, was durchaus Heiterkeit zum Schwingen bringen kann.
Im Ergebnis können Gräser aufgrund ihres Wesens und gerade als Kontrast zu urbanen, "toten", weil steingeprägten Kontexten erfreuliche, positiv-beschwingte Gefühlsregungen fördern. Ist dies in unseren Siedlungen und Städten nicht wertvoll und wichtig?
Erscheinung und Wuchsorte
Neben den skizzierten Qualitäten zeichnen sich viele Ziergräser im Vergleich zu anderen Pflanzengruppen noch durch eine weitere Eigenschaft aus: Sie besitzen im Jahreslauf eine bemerkenswert lang anhaltende Attraktivität, die bei manchen Arten gar in ein strahlendes Herbstgewand mündet, bei anderen immergrünen Arten sogar ganzjährig vorliegt. Von besonderer Bedeutung ist diese Stärke im öffentlichen Raum, wo häufig eine möglichst immerwährende Attraktivität gewünscht ist.
Hinsichtlich Ihrer Erscheinung handelt es sich bei den Gräsern um eine ausgesprochen vielgestaltige Gruppe, die vom fußhohen, immergrünen Bodendecker bis zum übermannshohen, sommergrünen Solitär reicht. Auch findet sich eine große Vielzahl von Wuchsformen wie beispielsweise niedrig-kissenartiger, elegant-bogenförmiger oder straff-aufrechter Wuchs. Nicht zuletzt umfasst das Sortiment der schmückenden Gräser eine ganze Reihe von einjährigen Arten, womit dem Pflanzenverwender in der Summe eine bemerkenswerte Fülle an Ausdrucksformen und Naturzitaten zur Verfügung steht.
Allerdings, und dies soll nicht verschwiegen werden, durchläuft die Gruppe der Gräser hinsichtlich Blühpartnerschaft eine gewisse Schwäche in den frühen Monaten des Jahres, da dann nur wenige Arten ihren anthesischen Höhepunkt, die Blüte, besitzen. Zudem stößt die Gruppe der Gräser, wie bereits angeklungen, in waldartigen Situationen tiefen Schattens an ihre Grenze; entsprechend wird hier das Sortiment ausgesprochen überschaubar.
Im Gegensatz dazu steht dem Planer in sonnigen Bereichen eine sehr breite Auswahl von Arten und Sorten als Gestaltungsmittel zur Verfügung. So weist die "Stauden-CD" des Bundes deutscher Staudengärtner mehr als 150 verschiedene Grasarten beziehungsweise -sorten aus, die abseits schattiger Lebensbereiche gedeihen - genug Zutat für immer wieder neue und überraschende Pflanzenkompositionen.
Verwendung
Auch wenn der Autor bei dem Gedanken an Ziergräser eher zur Formulierung der grünen Metapher "wichtigste Nebenrolle im Pflanzenkonzert" neigt, erscheinen von Gräsern dominierte Pflanzenkompositionen ganz ohne Beteiligung anderer Pflanzengruppen durchaus möglich und können im Kontext mit progressiver, puristischer Architektur uneingeschränkt stimmig sein beziehungsweise das Gestaltungsmittel der Wahl darstellen. Allerdings erlangen von Gräsern bestimmte Situationen ihre volle Schönheit häufig erst durch die Kombination mit anderen Pflanzen, wie Gehölzen, Stauden und Zwiebeln.
Im Folgenden habe ich zur Veranschaulichung einige Pflanzenkompositionen zusammengestellt, die sich in ihren gestalterischen Mitteln und ihrem Ausdruck zu Einfachheit und Zeitlosigkeit bekennen. In dem dadurch regelmäßig erzeugten betont grafischen Ausdruck stellen sie einen Kontrast zu solchen Pflanzenzusammenstellungen dar, die eine größere Zahl von Arten und Sorten auf kleinem Raum verbinden und so vielgestaltige, naturhaft-bunte Pflanzenbilder schaffen.
Weiterhin handelt es sich bei einem Teil der Entwürfe um solche Kompositionen, die für einen beschränkten Zeitraum einen besonders ausdrucksstarken Aspekt bilden und insofern nicht dem Anspruch genügen wollen "immer" durch Blühendes attraktiv zu sein, wie dies bei arten- und sortenreichen Staudenpflanzungen gewollt ist. Insofern wird hier bewusst die lang im Jahreslauf währende Abfolge einzelner Blühaspekte des klassischen "bunten" Staudenbeetes, gegen eine kürzere, aber stärkere Expressivität eingetauscht. Dies setzt ein gewisses Maß an Mut, Gestaltungswillen und Kompromisslosigkeit voraus, führt aber zu einprägsameren Situationen, die sich durch hohe Eigenart erfrischend von konventionellen Bepflanzungen absetzen.
Dazu kommt, dass es eine Reihe von Gräsern gibt, die Ihren Blütenhöhepunkt verhältnismäßig spät im Jahr durchlaufen, was dazu führt, dass sie auch sehr lange im Jahr ansehnlich sind. Die dargestellten Pflanzenkombinationen sind sowohl für die Verwendung auf kleiner Fläche, als auch zur großflächigen Verwendung geeignet. Hierbei gilt: Ein großes Bild erzeugt in der Regel eine kraftvollere Wirkung als ein kleines Bild, insofern wirkt auch eine Pflanzenkombination, je großflächiger sie umgesetzt wird, desto ausdrucksstärker. Neben kühlem Sachverstand ist hier vom Planer also mitunter auch Kühnheit gefordert.
Darüber hinaus bedürfen die hier dargestellten Gehölz- und Staudenkombinationen im Vergleich zu den zuvor genannten vielgestaltigen Bildern geringere Pflanzen- und Pflegekenntnisse, was die Unterhaltung erheblich zu vereinfachen vermag. Um dem Pflanzenverwender Probleme mit der Beschaffung zu ersparen, beschränken sich die hier dargestellten Kompositionen ausschließlich auf weit verbreitete, gängige Arten und Sorten.
Pflege
Auch in der Pflege sind die allermeisten Gräser ausgesprochen extensiv zu handhaben, was dem Bedürfnis vieler Gartenämter wohl sehr entgegenkommt: Mit Ausnahme der immergrünen Arten, bei denen auf eine Pflege praktisch ganz verzichtet werden kann, fallen bei der überwiegenden Zahl der sommergrünen, ausdauernden Ziergräser außer dem (früh-)jährlichen Rückschnitt, keine Pflegearbeiten an.
Da die in der Freiraumplanung verwendeten Ziergräser bei Ihrer züchterischen Bearbeitung nicht primär hinsichtlich Blütengröße selektiert wurden, ist insbesondere ein Stützen der Pflanzen nicht erforderlich, was im Übrigen ihrem naturhaften Wesen auch nicht entsprechen würde.
Letztlich erweisen sich viele zierende Grasarten und -sorten als langlebig, weshalb sie auch schon mal über Jahrzehnte am selben Standort verbleiben können und so zusammen mit Planern, Pflegekräften und nicht zuletzt Ihrem Publikum alt werden können.