Nach Renaturierung des Kallang entsteht eine Fluss-Parklandschaft

Singapurs Bishan-Park

von: ,
Internationale Gärten Flutungsflächen
Stadtpark als Trinkwasserinfrastruktur: Der 2,7 Kilometer lange und völlig gradlinige Entwässerungskanal wurde durch einen mäandrierenden Fluss mit einer Länge von drei Kilometern ersetzt. Foto: PUB (Public Utilities Board)

Die Bedeutung des BishanParks ist vergleichbar mit jener des Central Parks in New York, denn im dichtbesiedelten Umfeld ist dieser Park eine überlebenswichtige Oase. Eine Sanierung des 1960 angelegten Parks war längst überfällig. Ein 2,7 Kilometer langer Betonkanal, der entlang des südwestlichen Ufers verläuft, bot zudem die Chance, ein völlig neues Konzept zu entwickeln und diesen zu integrieren. Entstanden ist ein natürlich mäandrierender Fluss, ein völlig neuer Lebensraum, worüber sich nicht nur Insekten jagende Kinder, seltene Vögel und tief rosa schimmernde Libellen freuen; der in den Stadtpark integrierte Fluss ist auch Teil eines inselweiten Regenwassermanagementprogramms zur Unterstützung der Trinkwasserversorgung. Gerade weil Singapur über kein eigenes permanentes Wasservorkommen verfügt, ist es sich spätestens seit der Bevölkerungszunahme in den 1960er Jahren der Notwendigkeit zur Entwicklung einer nachhaltigen Wasserbewirtschaftung sehr bewusst.

Der 2,7 Kilometer lange und völlig gradlinige Entwässerungskanal wurde durch einen mäandrierenden Fluss mit einer Länge von 3,2 Kilometern ersetzt. 62 Hektar Parklandschaft wurden sehr behutsam und stilsicher umgestaltet, um einerseits die Dynamik des Flusssystems mit seinen schwankenden Wasserständen und periodischen Überflutungen zu berücksichtigen, andererseits den größtmöglichen Gewinn für die Parkbesucher zu erzielen. Drei Abenteuerspielplätze, neue Restaurants, eine Aussichtsplattform, der sogenannte "Recycle Hill" - errichtet ausschließlich aus Abbruchmaterial des Kanals - sowie großzügige Grünflächen bereichern und ergänzen die ökologische Flusssanierung. Hier kann man die Schuhe ausziehen, nass werden oder mit den Eisvögeln tanzen - mitten in der Stadt!

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Sachbearbeiter*in Gewässerbau in der Abteilung..., Giessen  ansehen
Ingenieur (m/w/d) der Richtung Bauingenieurwesen..., Nordenham  ansehen
Landschaftsarchitekt/-in (w/m/d), Wiesbaden  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Internationale Gärten Flutungsflächen
Raum und Zeit für Menschen und Natur in der Stadt. Der neue Park bekämpft Bewegungsmangel bei Kindern und Erwachsenen. Foto: Atelier Dreiseitl
Internationale Gärten Flutungsflächen
Wasser erleben, Wasser schätzen. Der umgebaute Fluss ist multifunktional, zum einen als Trinkwasserinfrastruktur und Hochwasserschutz, zum anderen ist er Raum für Erholung und Biodiversität. Foto: Atelier Dreiseitl
Internationale Gärten Flutungsflächen
Masterplan zum zentralen Wassereinzugsgebiet mit 15 Pilotprojekten. Singapur verfügt über kein eigenes permanentes Wasservorkommen. Aber Dank von mehr als 2000 Millimetern Niederschlag im Jahr dient die Stadt als Einzugsgebiet für Trinkwasser. Foto: Atelier Dreiseitl

Aktuell leben 38 Prozent der Weltbevölkerung in Regionen, die von Wassermangel bedroht sind.¹) Die jüngsten UN-Statistiken belegen, dass im Jahr 2025 rund 60 Prozent der Städte mit Wassermangel werden kämpfen müssen; ironischerweise werden im selben Zeitraum weltweit viele Städte große Hochwasserschäden erfahren. Das Bishan-Park-Kallang-River-Renaturierungsprojekt zeigt jedoch eine Vision für eine integrierte (blau-grüne) Wasserinfrastruktur: während auf die Herausforderungen von Wassermangel und Hochwasser reagiert wird, werden gleichzeitig Erholungsräume und Naturraum Mitten in der Stadt geschaffen.

Wasser in Singapurs Vergangenheit

Singapur ist ein Inselstaat ohne natürliches Wasservorkommen. Aufgrund seiner Insellage ist die begrenzte Landfläche überaus wertvoll. Obwohl die tropischen Regenfälle mit etwa 2000 Millimeter Niederschlag pro Jahr für großen Wassersegen sorgen (London hat vergleichsweise 600 Millimeter pro Jahr), steht die seit den 1960er Jahren rasch wachsende Stadt vor Problemen wie periodischer Trockenheit, Hochwasser und Wasserverschmutzung. Markant für die 1970er Jahre war der großflächige Umbau der natürlichen Wassersysteme in unterirdische Wasserleitungen und betonierte Drainagekanäle. In dieser Zeit wurde auch der Kallang River im Bishan Park in sein Betonkorsett gezwungen.

Wie in vielen anderen Städten der Welt, galt dies zur damaligen Zeit als höchst moderne und zukunftsweisende technische Errungenschaft. Heute hat sich diese eindimensionale Sichtweise als unzureichend erwiesen, insbesondere hinsichtlich der Herausforderungen und Chancen im Umgang mit Wasser in der Stadtlandschaft.

Singapur hat seine offensichtliche Verwundbarkeit wegen der wenigen natürlichen Ressourcen in eine Stärke verwandelt. Aus der Notwendigkeit heraus die Trinkwasserversorgung zu sichern, hat sich Singapur zu einem Weltmarktführer im integrierten urbanen Wassermanagement entwickelt, indem es auf Diversifizierung in der Wasserversorgung setzt, die Bewohner zum Sparen animiert (auf der Wasserrechnung kann jeder einzelne sehen, wie viel Wasser er im Vergleich zu anderen verbraucht) und mittlerweile großflächig und höchst innovativ das Regenwassermanagementsystem umbaut.

Die Stadt hat im integrierten Wassermanagement auch die Chance erkannt, eine lebendige "City of Gardens and Water"³) zu schaffen. Dieser interdisziplinäre Ansatz bedeutet, dass die Verbesserung der Wasserinfrastruktur gleichzeitig genutzt werden soll, um den öffentlichen Raum aufzuwerten. Naherholung, Wassermanagement und die Entwicklung einer Stadtnatur sollen nebeneinander koexistieren können.

Das Atelier Dreiseitl, der weltweit anerkannte Spezialist für urbanes und nachhaltiges Wassermanagement, kooperierte mit dem Ingenieurbüro CH2M Hill für einen Masterplan zum zentralen Wassereinzugsgebiet (Central Watershed Masterplan, 140 km²). Die strategischen, hydraulischen und urbanen Analysen resultierten in der Identifikation von Schlüsselpilotprojekten und der Entwicklung der "ABC Urban Design Guidelines". Diese mittlerweile weltweit als Vorbild anerkannten Richtlinien sollen die Anwendung einer wassersensitiven Stadtgestaltung sichern. Das ABC Waters Programme, ein Akronym für "Active, Beautiful and Clean" wurde offiziell im Jahr 2006 mit 20 Projekten für die Jahre 2007 bis 2012 gestartet, insgesamt sollen 100 Projekte bis zum Jahr 2025 realisiert werden.

Der Bishan Park wurde in Folge als idealtypisches Pilotprojekt ausgewählt. Längst waren im Park umfangreiche Neuerungen notwendig und das Betonbett des Kallang River schnitt die angrenzenden Nachbarschaften Ang Mo Kio und Bishan von einander ab. Obwohl der Kanal die meiste Zeit leer war, konnte ein tropischer Regen binnen kürzester Zeit die Wassermenge auf eine Höhe von zwei Metern anschwellen lassen, wodurch ein gefährlicher reißender Strom entstand. Mit dem Ziel Wasserrückhalt und Abflussentschleunigung zu gewährleisten, wurde die Planung für den Kallang River gestartet.

Bereits vor Beendigung der Bauarbeiten zeigte die neue Flusslandschaft eine Biodiversitätssteigerung von 30 Prozent. Eine besondere Innovation sind die erstmals in einer tropischen Region angewandten ingenieurbiologischen Bauweisen, um die Ufer zu stabilisieren. Schließlich müssen die Ufer den plötzlich auftretenden Wassermassen eines Starkregens standhalten und dennoch Lebensraum für Flora und Fauna bieten. Im Fall des Starkregens fungiert ein definierter Bereich des Parks als Überflutungszone, der dem Wasser genügend Platz gibt, sich auszudehnen und Geschwindigkeit und hydraulische Kraft zu drosseln (hydraulic overload). Dadurch werden unterhalb des Flusses liegende Stadtteile vor den Fluten geschützt.

Internationale Gärten Flutungsflächen
Der Bishan Park Kallang River – das Renaturierungsprojekt zeigt eine Vision für eine integrierte (blau-grüne) Wasserinfrastruktur: während auf die Herausforderungen von Wassermangel und Hochwasser reagiert wird, werden gleichzeitig Erholungsräume und Naturraum mitten in der Stadt geschaffen. Foto: Atelier Dreiseitl
Internationale Gärten Flutungsflächen
62 Hektar Parklandschaft wurden sehr behutsam umgestaltet, um einerseits die Dynamik des Flusssystems mit seinen schwankenden Wasserständen und periodischen Überflutungen zu berücksichtigen und um andererseits den größtmöglichen Gewinn für die Parkbesucher zu erzielen. Foto: Atelier Dreiseitl

Die Ingenieurbiologie hat in Europa eine lange Tradition. Doch in den Tropen gibt es dazu kein Erfahrungswissen. Deshalb wurden in einer eigens angelegten Teststrecke, während eines Jahres, verschiedenste Techniken und Pflanzen erforscht.

Die Parklandschaft sieht heute jede Menge Spiel- und Bewegungsraum vor: Fußball spielen, einen Drachen steigen lassen oder Familien-Picknick auf einer der vielen Rasenflächen, alles ist möglich. Das Leben im Park, welcher 24 Stunden geöffnet ist, dehnt sich bis in die Nachtstunden aus und startet erneut bei Sonnenaufgang, wenn hunderte Menschen Tai Chi praktizieren, ihren Hund ausführen, joggen oder einfach die frische Morgenluft genießen. Eine einzigartige Besonderheit für Singapur ist, dass die Besucher jetzt bis zum Wasser gehen dürfen. Der ein oder andere hat jetzt vielleicht das erste Mal in seinem Leben die Möglichkeit, sich nasse Füße in einem Fluss zu holen.

Der Kallang River

Als zweitgrößter Fluss fließt der Kallang River in Singapur auf einer Strecke von 10 Kilometern durch das Zentrum der Insel - vom Lower Peirce Reservoir bis zur Küste nahe der Marina Barrage - und ist damit der längste Fluss Singapurs. In der Vergangenheit hatte der Fluss eine große Bedeutung für Handel und Industrie. Das heute eindrucksvolle Marina Basin - eines der Symbole von Singapurs neuer Wasserstrategie, da es in ein Regenwasserreservoir umgebaut wurde - war die Flussmündung. Aufgrund intensiver Bautätigkeit fließt der Kallang River heute jedoch durch den Marina-Kanal und mündet zwischen Marina-Zentrum und Marina-Ost ins Meer.

Die Bauarbeiten am Bishan Park starteten im Oktober 2009. Zweieinhalb Jahre später, am 17. März 2012, wurden die Bauzäune weggenommen. Seitdem rekelt sich der Kallang River wie eine glitzernde Schlange durch das frische tropische Grün. Der renaturierte Fluss erstreckt sich von der Upper Thomson Road bis zur Bishan Road - ohne Zaun weit und breit! Zum ersten Mal in Singapur können die Menschen ganz nahe ans Wasser gehen, ihre Angelrute auspacken, mit dem Wasser spielen oder die Wassertiere beobachten. All das tun, was für die meisten Europäer selbstverständlich ist. Diese Möglichkeiten mit dem Rhythmus des Wassers zu spielen und die Ästhetik der Landschaft zu genießen, verändert auch die Wahrnehmung und Achtsamkeit der Menschen und fördert ihr Verantwortungsgefühl.

Für den Durchschnittsbürger ist der Strahl aus dem Wasserhahn oft die einzige Wahrnehmung von Wasser im Alltag. Ohne Bewusstheit oder Verständnis für dieses wertvolle Medium, geht der achtsame Umgang damit verloren. Abfall, Fäkalien, Zigarettenkippen, Lacke und Farben. alles wird oft achtlos über das Wasser entsorgt.

Das Phänomen ist bekannt: Sobald ein Ort ungepflegt und unattraktiv ist, zieht er weiteren Abfall geradezu an. Aber wenn man die Schuhe an einem heißen Tag ausziehen kann - und heiß ist es immer in Singapur - und ins Wasser tritt, eine wunderschön glänzende Libelle auf seinem Shirt entdeckt, eine kühle Brise spürt oder einen Eisvogel im Augenwinkel erspäht, ist man Mitten im echten Leben.

Wie konnte diese Innovation gelingen?

Die Stadtverwaltung von Singapur machte einen mutigen Schritt, indem sie anstatt Ge- und Verbote auszusprechen den Menschen die Möglichkeit bot, Wasser zu erleben. Lasst Menschen das Wasser berühren, es sehen und wertschätzen! Die Verantwortlichen wussten, dass die Stadt davon unmittelbar profitiert, weil das Flusswasser - wie jedes drainierte Wasser - potenzielles Trinkwasser ist. Je weniger es verschmutzt ist, desto weniger muss es behandelt werden. Und gerade diese Tatsache ist für die gesamte Welt relevant. Sollte nicht in allen Flüssen und Bächen frisches sauberes Wasser fließen? Warum verwenden wir die Gewässer zum Transport von Schmutz und Abwasser, wenn wir dann erneut riesige Geldsummen einsetzen müssen, um sie zu säubern?

Die beiden Verwaltungsorganisationen Nparks and PUB haben für dieses Projekt erstmals eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit gestartet. Der Umbau des Flusses bedeutet, dass er sich heute auf einer Breite von 100 Metern ausdehnen kann, dort wo der Kanal früher nur eine maximale Überflutungsbreite von 24 Metern einnehmen konnte. Das Speichervolumen des Wassers im Park bei Starkregenereignissen wurde massiv vergrößert, und die Durchflussmenge um 40 Prozent gesteigert.

Internationale Gärten Flutungsflächen
Freigelegter Seitenstrang der Regenwasserzuläufe aus den angrenzenden Siedlungen. Foto: Atelier Dreiseitl
Internationale Gärten Flutungsflächen
Ökologische Infrastruktur vereint Funktion mit Lebensqualität. Foto: Atelier Dreiseitl
Internationale Gärten Flutungsflächen
Der Einsatz von ingenieurbiolo-gischen Techniken zur Stabilisierung der Ufer ist für Singapur und die Tropen einzigartig. Im Jahr 2009 wurde auf einer Länge von 70 Metern eine Teststrecke errichtet, um Konstruktionsmethoden und die Auswahl von Techniken und Pflanzen zu verfeinern. Foto: Atelier Dreiseitl

Mittels einer zweidimensionalen hydraulischen Modellierung konnte genau analysiert werden, wo welche Art von Uferbefestigung notwendig ist. Sehr oft konnte durch die flachen Ufer komplett auf eine Befestigung, außer Bewuchs, verzichtet werden. Damit konnten die Errichtungskosten reduziert werden und gleichzeitig ein viel kreativeres und vielfältigeres Design der Ufer geschaffen werden. Das vielgestaltige Uferprofil reagiert auf die verschiedenartigen Fließformen, die für ein natürliches Flusssystem typisch sind und ist bedeutsam als ökologische Nische für Flora und Fauna.

Aufgrund der heute höheren Rauhigkeit des Flussbettes, was durch Steine, kleine Becken und Kolke oder Pflanzen verursacht wird, reduziert sich die Fließgeschwindigkeit. Der Erfolg ist, dass weniger Sedimente zur Marina Bay transportiert werden, wo sie wieder herausgefiltert werden müssen. Die zunehmende Speicherungskapazität des Flusses und die verminderte Fließgeschwindigkeit bedeuten einerseits Hochwasserschutz für die unterhalb des Parks liegenden Stadtgebiete und außerdem eine generelle Erhöhung der Speicherkapazität von Regenwasser, das nach entsprechender Aufbereitung als Trinkwasser für die Haushalte zur Verfügung steht.

Hier stellt sich die Frage nach der eigentlichen Herkunft von Wasser. Flusswasser kommt aus seinem Einzugsgebiet, im Falle eines Stadtflusses aus seinem urbanen Umfeld. Das städtische, 565 Hektar große Einzugsgebiet des Kallang River, entwässert direkt in den Bishan Park. Und genau deshalb sind die "ABC Water Sensitive Urban Design Guidelines" so bedeutend. Während das Regenwasser von Dächern, Straßen und Gärten in den Fluss fließt, um dann schließlich als wohlschmeckendes Tafelwasser zum Dinner genossen zu werden, muss es so sauber wie möglich bleiben.

Die Behandlung des Regenwassers "on the spot", also dort, wo es auf die Erde fällt, braucht entsprechende Voraussetzungen wie Gründächer oder Straßen mit Versickerungsstreifen. Nur dann wird gewährleistet, dass Wasser von bester Qualität anstatt schmutziges Straßenabwasser den Fluss speist. Die "ABC Urban Design Guidelines" sollen einerseits inspirieren und andererseits praktische Hilfestellung für die Planung geben, so dass jede Fläche, wie klein oder groß sie auch sein mag und wo immer sie liegt, einen unmittelbaren Beitrag zum nachhaltigen Regenwasssermanagement in der gesamten Stadt leisten kann.

Normalerweise regnet es in Singapur viel - 190 Tage pro Jahr. Der statistische jährliche Durchschnitt beträgt 2343 Millimeter. Aber Starkregen wie im Jahr 2006 mit 350 Millimetern in 24 Stunden oder im Jahr 1978 mit 512 Millimetern4) wechseln mit Trockenperioden. Obwohl also Hochwasser die eigentliche Herausforderung darstellt, sind auch die Trockenzeiten zu beachten. Diese Situation hat die Aufmerksamkeit von Dr. Vivian Balakrishnan, Minister für Umwelt und Wasserressourcen, auf sich gezogen. Er betonte, dass Hochwasserinfrastruktur gleichzeitig als Wasserspeicher fungieren muss5). Die Klimaveränderung zeigt eine Tendenz zu häufigeren Starkregenfällen genauso wie zu längeren Dürrezeiten. "Aktuelle Klimaveränderungen zeigen eine größere Variabilität und Tage mit sehr intensiven Regenfällen werden wahrscheinlich zunehmen", meint Balakrishnan. Die Renaturierung des Flusses berücksichtigt diese Schwankungen und sieht entsprechend einem natürlichen Flusssystem vielfältige dynamische Situationen dafür vor.

Während wir hier über Klimawandel und Anpassung diskutieren, finden in vielen Städten bereits jetzt enorme Veränderungen statt. Die gute Nachricht ist allerdings: Klimawandelanpassung kann aussehen wie der neue Bishan Park. Die "blau-grüne" Infrastruktur sorgt für Erholung und Gesundheit der Bevölkerung, bietet Lebensraum für Flora und Fauna und ist Teil der städtischen Infrastruktur, die die Wasserressourcen pflegt und die Bewohner schützt. Klimawandelanpassung bedeutet umwelt- und wasserfreundliche Städte, die genau diese Leistungen für Menschen und Tiere vorsehen.

Biodiversität

Obwohl keine Tierarten künstlich in den Park eingebracht wurden, konnte eine Biodiversitätszunahme von 30 Prozent bereits vor Bauende festgestellt werden: 66 Wildblumenarten, 59 Vogelarten und 22 Arten von Libellen wurden im Bishan Park identifiziert - eine sehr gute Quote für eine Stadt. Da Singapur in der asiatisch-australischen Vogelzugstrecke liegt, werden bald besondere Zugvögel erwartet.

Einige Gäste haben bereits jetzt überrascht wie der Zanzibar Red Bishop, beheimatet in Afrika, der Spotted Wood Owl, der in den indonesischen Wäldern lebt, der Long Tailed Parakeet von den Andamanen und der Orange Cheeked Waxbills aus West- und Zentralafrika. Auch Vögel wie der Purple Herons, Munias und Water Hens, die normalerweise im dichten städtischen Raum sehr selten sind, wurden gesichtet. Man sah sogar schon brütende Paare in der sich noch entwickelnden Vegetation. Der malaysische Archipel ist eine der weltweit größten "Hot Spots" für Biodiversität (nach dem Amazonasgebiet).

Die Renaturierung des Flusses hat eine Unmenge an Kleinstlebensräumen geschaffen, welche nicht nur die Biodiversität erhöhen, sondern auch die langfristige Sicherung des (Über)Lebensraums für diese Arten ermöglicht.

Internationale Gärten Flutungsflächen
Der "Bubble Playground" ist für Kleinkinder gedacht. Insgesamt drei neue Spielplätze sind naturnah und abenteuerlich, was ganz Neues für Singapur. Foto: Atelier Dreiseitl
Internationale Gärten Flutungsflächen
Neue Brücken schaffen Verbindungen zwischen zuvor getrennten Nachbarschaften. Foto: Atelier Dreiseitl
Internationale Gärten Flutungsflächen
Der Einsatz von ingenieurbiolo-gischen Techniken zur Stabilisierung der Ufer ist für Singapur und die Tropen einzigartig. Es konnte eine Biodiversitätszunahme von 30 Prozent bereits vor Bauende festgestellt werden: 66 Wildblumenarten, 59 Vogelarten und 22 Arten von Libellen wurden bisher im Bishan Park identifiziert.

Ingenieurbiologie

Der Einsatz von ingenieurbiologischen Techniken zur Stabilisierung der Ufer ist für Singapur einzigartig. Diese Techniken zur Stabilisierung von tropischen Böden, ist unserem Wissen nach, noch nie anderswo im tropischen Umfeld verwendet oder dokumentiert worden.

Im Jahr 2009 wurde auf einer Länge von 70 Metern eine Teststrecke errichtet, um verschiedene ingenieurbiologische Techniken und eine breite Palette von Pflanzen zu testen. Weil es auf diesem Sektor kaum Erfahrung gab, wurde die Teststrecke genutzt, um Konstruktionsmethoden zu optimieren und die Auswahl von Techniken und Pflanzen zu verfeinern.

Schließlich wurden sieben Techniken für dieses Vorhaben ausgewählt wie Faschinen, Steinschüttung mit Stecklingen, Reet-Rollen, bepflanzte Gabionen und Geotextilien. Ungleich anderen Technologien, wo Pflanzen nur eine ästhetische Rolle spielen, ist ihr Einsatz in der Ingenieurbiologie als strukturgebende Komponente von Bedeutung. Diese Methode ist bereits in historischen Schriften aus Asien und Europa dokumentiert. Chinesische Historiker belegen den Einsatz der Ingenieurbiologie bereits für das Jahr 28 v. Chr.

Langfristig soll mit dem Einsatz von Ingenieurbiologie im Wasserbau erreicht werden, dass die Stabilisierung der Ufer ausschließlich durch Pflanzen erreicht wird. Da allerdings die Stabilisierungsfunktion der Pflanzen erst gewährleistet ist, wenn sie fest verwurzelt sind, müssen übergangsweise andere Materialien zu Beginn zusätzlich verwendet werden.

Ein interdisziplinärer Ansatz

Gerade für Entwicklungsländer sind "Hightech-Systeme" zu teuer; aber auch unsere europäischen Städte kämpfen mit den Kosten und dem notwendigen Platz für noch größere und technisch noch ausgefeiltere Systeme einer zentralistisch gedachten Infrastruktur. Die existierenden Systeme sind meist ausgelastet. Viele europäische Städte stehen sowohl vor Problemen, wenn sie Einwohner und damit Steuereinkommen zur Aufrechterhaltung ihrer bestehenden Infrastruktur verlieren, als auch, wenn die Bevölkerung wächst, da die Infrastruktur nicht so einfach vergrößert werden kann.

Wie können wir mit der Natur statt gegen sie arbeiten? Integriertes Wassermanagement in Städten bedeutet, dass bereits in der Planung alle beteiligten Akteure und Professionen beteiligt werden müssen. Das bedeutet aber nicht Chaos, sondern vielmehr Multifunktionalität, die viele positive Begleiterscheinungen im Sozialen, Kulturellen und bezogen auf die Umwelt mit sich bringt. Dieser holistische Zugang respektiert, dass alles miteinander verbunden wird, denn das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile - sowie im Bishan Park.

Die Grenzen der Verantwortlichkeit müssen daher neu definiert werden. Während es früher klar war, dass NParks, eine Abteilung der Verwaltung von Singapur, für den Park bis zum Zaun verantwortlich ist, und die Wasseragentur PUB für den Betonkanal, haben die beiden Agenturen jetzt ein Kooperationsabkommen getroffen, um die Aufgaben bestmöglich zu managen. Außerdem gibt es keinen Zaun mehr.

Die Kooperation zwischen PUB und NParks ist ein hervorragendes Beispiel wie abteilungsübergreifende Zusammenarbeit vielfältige Vorteile für die lokalen Bewohner bringen und eine Inspiration für Städte rund um den Globus sein kann.

Und das bringt auch die lokale Bevölkerung ins Spiel, weil sie jetzt verantwortlich für den guten Zustand des Flusses ist - es geht schließlich um ihr eigenes Trinkwasser. Das ist kein Ort, wo man Abfall wegwirft. Sogar bevor der Park fertig war, konnte das Phänomen der sozialen Kontrolle beobachtet werden. Ein Park kann keine soziale Veränderung über Nacht erreichen, aber sie unterstützen allemal.

Gesundheit und Sicherheit

In der UN-Kinderrechtsdeklaration kommt deutlich zum Ausdruck, dass Kinder das Recht auf kulturelles, künstlerisches und erholsames Spiel haben. In vielen Städten erleben Kinder viel zu wenig körperliche Bewegung. Bekannt ist, dass die gebaute Umwelt einer der Schlüsselfaktoren ist, die Gelegenheiten für aktives Spiel vorsehen6), (siehe auch Stadt+Grün 05-2012).

Sicherheit innerhalb des Parks ist von höchster Relevanz, aber es braucht die richtige Balance, damit Kinder Neugierde entwickeln und aktiv lernen können. Ironischerweise besteht beim Sitzen auf der heimischen Couch mehr Gefahr sich zu verletzen als beim Spiel draußen.7) Die Natur hat einen ausgleichenden Effekt auf die mentale Gesundheit, was bereits seit der Antike bekannt ist. Die psychologisch positiven Wirkungen der Natur wurden kürzlich in kognitiven Verhaltensstudien dokumentiert.8) Also sind Parks nicht nur wegen ihres Grüns und ihrer Schönheit wichtig, sondern auch, weil sie essentiell für die Gesundheit der Menschen sind.

Moderne Parkanlagen müssen aber mindestens genauso spannend sein, wie das abendliche Fernsehprogramm. Sie müssen Erwachsenen und Kindern die Möglichkeit bieten, sich spielerisch und spontan der Umwelt zu nähern, vielleicht sogar nass zu werden, zu schwitzen, immer weitere Details zu entdecken, zu relaxen, zu lernen; und all das in einer dynamischen, nicht vorprogrammierten Umwelt. Das persönliche Erlebnis ist die beste Art, Risiken und Gefahren einschätzen zu lernen. Unserer Meinung nach ist es für Kinder sogar gefährlich, sie von diesen Erfahrungen fern zu halten. Zusätzlich zu Schildern und Rettungsringen, wurde der Park mit einem computerunterstützten Monitoringsystem ausgestattet. Über Wasserstandssensoren werden Warnlichter, Sirenen und mehrsprachige Audiohinweise gesteuert. Sogar bei heftigen Überschwemmungen füllt sich der Fluss nur langsam. Es bleibt genug Zeit, um am Ufer in höhere Zonen zu gelangen. Der Bishan Park ist ein Vorbild für eine wirkliche Transformation von betonierter Infrastruktur in intelligente, zukunftsfähige und lebenswerte Städte.

Anmerkungen

1) Fraunhofer Institut, Stuttgart.

2) FAO, www.fao.org/nr/water/topics_scarcity.html

3) PUB, Water Story February 2012.

4) Statistical longterm rain data.

5) Strait Times 16th of January, 2012, and www.todayonline.com/Singapore/EDC120116-0000025/Managing-floods-and-droughts

6) The Get Active Toronto Report 2011, www.tcf.ca

7) It is common medical knowledge that 30 mins of moderate actively reduces the risk of heart disease and stroke, the two most frequent causes of death world wide (http://men.webmd.com/features/6-top-health-threats-men)

8) The Cognitive Bene?ts of Interacting With Nature, University of Michigan, Psychological Science, Volume 19-Number 12, 2008.

Atelier Dreiseitl

JV Projektkonzeption und Design: Atelier Dreiseitl (www.dreiseitl.com)
JV Projektingenieure: CH2MHILL (www.ch2m.com )
Auftraggeber: PUB, Singapore's national water agency (www.pub.gov.sg) und National Parks Board (www.nparks.gov.sg)
Ingenieurbiologie: Peter Geitz (www.geitz-partner.de)

Dipl.-Ing. Gerhard Hauber
Autor

Ramboll Studio Dreiseitl GmbH
Autorin

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen