Studierende relaxen im Freiraum
Bildungs-Landschaft - der neue Campus der Hochschule in Fulda
von: Dipl.-Ing. Univ. Matthias KimmelAuenland…? Das improvisierte, kleine Holzschild auf der frisch angelegten Rasenfläche überrascht den Besucher. Aber es führt nicht etwa zum arkadischen Reich der Hobbits, sondern findet sich am Eingang des neu gestalteten Campus der Hochschule in Fulda. Das von Studierenden als liebevoller und augenzwinkernder Kommentar zur Neugestaltung der Außenanlagen angebrachte Schild ist Ausdruck der gelungenen Konversion eines ehemaligen Militärstandortes zu einem modernen Hochschul-Campus.
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Von der Kaserne zum Hochschulstandort
Die 1974 gegründete Hochschule Fulda wurde zunächst auf dem Gelände der ehemaligen Hindenburg-Kaserne angesiedelt, einer in neo-gotischer Backsteinarchitektur errichteten Artilleriekaserne. Mit der Expansion der Hochschule kamen weitere angrenzende Liegenschaften hinzu, darunter auch die Gebäude der ehemaligen Bleidorn-Kaserne aus den 1930er-Jahren. Ergänzt durch Hochschulgebäude aus den 1980er- und 90er-Jahren und aktuellen Neubauten stellt sich der Campus heute als heterogenes Gefüge verschiedener Epochen und Baustile dar.
Mit der Auslobung eines Ideen- und Realisierungswettbewerbs im Jahr 2009 sollte neben dem Neubau zentraler publikumsnaher Einrichtungen auch eine städtebaulich-freiraumplanerische Perspektive für den Campus entwickelt werden. Das Team von A30-Architekten (Kassel) und Mann Landschaftsarchitektur (Fulda) wurde mit dem ersten Preis ausgezeichnet und mit der weiteren Planung beauftragt. Die Baumaßnahmen wurden bis zum Jahr 2014 fertig gestellt.
Durch die Aufteilung des Neubauvolumens in drei eigenständige Baukörper - Mensa, Hochschul- und Landesbibliothek, Student Service Center -, die sich um einen zentralen Platz gruppieren, wurde ein kraftvolles Zeichen für eine neue Mitte des Hochschullebens gesetzt. Die ruhige und klare Gliederung der Baukörper steht in wohltuendem Kontrast zur Umgebung. Muschelkalk als prägendes Material der Fassaden stellt einen eindeutigen Zusammenhang der zentralen Gebäude her.
Bei der Neugestaltung der Außenanlagen konnte die Vision eines zusammenhängenden Campus Wirklichkeit werden. Mit den Mitteln der Landschaftsarchitektur wurde die über Jahrzehnte gewachsene Struktur des Hochschulgeländes zu einem Ganzen zusammenfügt. Beläge, Bepflanzung, Ausstattungselemente verbinden sich zu einer eindeutig erkennbaren Gestaltsprache. Klare Definition der Freiräume und hohe Aufenthaltsqualität stehen im Vordergrund. Dies spiegelt sich in drei eigenständigen Teilbereichen wieder.
Ein urbaner Platz als Treffpunkt
Den neu entstandene Platzraum des Campus Mitte zeichnet eine besondere Urbanität aus, die aufgrund seiner Lage zwischen den Neubauten von Mensa, Bibliothek und Student Service entstanden ist. Er ist beliebter Treffpunkt der Studierenden. Der großzügige Außenbereich der Mensa mit Tischen und Bänken ist fast ganzjährig rege besucht. Sitzquader aus Muschelkalk ergänzen die Außenmöblierung und stellen in ihrer Materialität wieder einen Bezug zur Architektur her. In der Platzmitte erstreckt sich eine wassergebundene Decke, die von geschnittenen Platanen überstellt ist. Die Bäume werden an Bambusstäben schirmförmig gezogen, so dass sich im Laufe der kommenden Jahre ein Blätterdach entwickeln wird.
Spielfelder als flexible Möglichkeitsräume
Nördlich des zentralen Platzes ändert sich der Charakter der Außenanlagen. Wo einst der Antreteplatz der ehemaligen Kaserne war, steht heute niemand mehr still. Der Campus Nord wird vor allem durch Spiel und Sport bestimmt. Langgestreckte Baumkörper gliedern den Raum: An eine freie Rasenfläche schließt sich ein Allwettersportplatz an, darauf folgt die Außenfläche für die Krabbelgruppe. Allgemein hat der Campus Nord einen großen Aufforderungscharakter, vom Hochschulsport auf dem Sportplatz über Ballspiele auf der Rasenfläche, bis zum Boule-Spiel auf einer großen wassergebundenen Fläche ist hier vieles möglich. Die individuelle Aneignung des Geländes ist hier ausdrücklich erwünscht. Verbunden werden alle Bereiche durch die Esplanade, einem breiten Weg, der zum nördlichen Eingang des Campus führt, zugleich aber selbst zum Aufenthaltsort wird. Das liegt nicht zuletzt am Grillplatz, der auf Wunsch der Studierenden hier eingerichtet wurde und sich großer Beliebtheit erfreut. Multifunktionale Holzdecks in variierenden Höhen dienen als Liege- und Sitzfläche - oder auch mal als Tresen.
Ein lichter Hain als poetischer Ort
Zum regen Treiben im Norden findet sich am südlichen Ende des Campus ein Gegenpol. Die sanft modellierte Hügellandschaft des Campus Süd ist vor allem ein Ort der Ruhe. Verschiedenartige Obstbäume, säulenförmige Thujen und einzelne Hängematten wecken unterschiedliche Assoziationen, vom eingangs erwähnten "Auenland" bis zur "Toskana Osthessens", von der in Wiesbadener Ministerien die Rede sein soll. Der Perspektivwechsel, das Spiel mit Klischees ist hier durchaus gewollt, vor allem wenn man weiß, dass es sich bei der Hügellandschaft größtenteils um den Erdaushub der Neubauten handelt, der hier kostensparend "entsorgt" werden konnte. Die Topografie der Hügellandschaft wurde zunächst von den Landschaftsarchitekten an einem Ton-Modell entwickelt, dann vermessen und vor Ort umgesetzt und mit Rasen eingesät. Bereits kurz nach der Fertigstellung ist hier ein beliebter Rückzugsort entstanden.
Ein durchgängiger Belag
Verbindendes Element aller Bereiche ist ein durchgängiger Belag. Das vormalige Kasernengelände war mit Granit-Kleinpflaster gepflastert, so lag es nahe, dies als einheitlichen Belag für den gesamten Campus zu verwenden. Wo durch die Neubauten Pflaster abgebrochen werden musste, konnte es an anderer Stelle wieder eingebaut werden. Durch Wiederverwendung vorhandenen Pflasters konnte so ungefähr die Hälfte des Materialbedarfs gedeckt werden. Der Rest wurde durch gebrauchtes Granit-Kleinpflaster ergänzt. Um die Benutzbarkeit für mobilitätseingeschränkte Menschen zu verbessern, wurde für wichtige Wegeverbindungen Pflaster mit einer gesägt und gestockten Oberfläche verwendet.
Der Umgang mit der Topografie
Das Gelände weist erhebliche Höhenunterschiede auf. Allein innerhalb des Campus Mitte gibt es eine Höhendifferenz von rund sechs Metern. In intensiver Zusammenarbeit zwischen Architekten und Landschaftsarchitekten konnten Gebäude und Außenanlagen jedoch so konzipiert werden, dass zwar der Bau von Treppen erforderlich wurde, jedoch alle Gebäude auch alternativ auf einem Weg ohne Stufen zu erreichen sind. Alle Treppen wurden mit Granitmaterial ausgeführt, um eine größtmögliche Durchgängigkeit und Homogenität zu erzielen. So besteht die 50 Meter lange Treppenanlage südlich des zentralen Platzes aus Granitborden als Stellstufen mit ausgepflasterten Auftrittsflächen, die Treppe wird Teil des Platzes. Die große Freitreppe zwischen Mensa und Bibliothek wurde dagegen aus massiven Granit-Blockstufen gefertigt. Bei einer Breite von über zwölf Metern konnten sogar einige Kiefern im Treppenlauf gepflanzt werden. Damit ist die Treppe nicht nur Durchgangsraum, sondern - auch dank ihrer Ausrichtung nach Süden - beliebter Aufenthaltsort.
Differenzierte Pflanzenverwendung
Bei der Pflanzenauswahl wurde eine klare Zuordnung zu einzelnen Teilbereichen beziehungsweise Funktionen vorgenommen. Die Gleditschie (Gleditsia triacanthos 'Skyline') wird als Leitbaum das Erscheinungsbild des Campus prägen. Als Baumreihe wird sie in Straßenräumen verwendet. Ihre transparente Belaubung und lichte Krone ermöglicht auch eine Pflanzung entlang von Gebäuden. Das Platanendach (Platanus x acerifolia) des Campus Mitte markiert das Zentrum des Campus. Nördlich davon dominieren Kiefern (Pinus silvestris) und Baumkörper aus Weiden und Pappeln (Salix alba 'Liempde', .Populus tremula). Die Baumkörper wurden in einem engen Raster von 1 x 1 Meter mit kostengünstiger Pflanzware bepflanzt. Durch die schnellwüchsigen Gehölze wurde bereits im ersten Jahr nach der Pflanzung eine starke räumliche Wirkung erzielt. In den kommenden Jahren werden durch punktuelle Eingriffe - auch durch Entnahme einzelner Pflanzen - hainartige Gehölzstrukturen entstehen.
Der Campus Süd zeichnet sich durch eine Vielfalt von Obstgehölzen aus. Neben Zieräpfeln und Kirschen finden sich auch eher selten verwendete Arten, wie Mispel (Mespilus germanica) und Quitte (Cydonia oblonga 'Portugiesische Birnenquitte). Im Kontrast zu den malerischen Obstbäumen stehen die säulenförmigen Lebensbäume (Thuja occidentalis 'Smaragd').
Ausblick
Die Hochschule Fulda steht bundesweit im Wettbewerb mit anderen Ausbildungsstätten. Neben der Qualität der Lehre spielen auch weiche Standortfaktoren wie die räumliche Struktur einer Campus-Hochschule und attraktive Außenanlagen eine wichtige Rolle. Das Wachstum der Hochschule hält ungebrochen an. Waren im Jahr 2009 noch rund 5000 Studierende eingeschrieben, sind es mittlerweile mehr als 8000. In den nächsten zwei Jahren soll die Zahl nochmals auf rund 8500 steigen. Diese rasante Entwicklung muss einhergehen mit einer baulichen Weiterentwicklung. Neben dem Um- und Ausbau vorhandener Bausubstanz und dem Neubau eines Labor- und Verwaltungsgebäude an der Moltkestraße wird aktuell eine Erweiterung der Hochschule auf dem Gelände der ehemaligen Mühle Heyl vorangetrieben. Es bleibt zu wünschen, dass mit der hochbaulichen Entwicklung auch ein weiterer Ausbau der Außenanlagen einhergeht. Mit dem bereits fertig gestellten Campus ist ein entscheidender Schritt getan, dem hoffentlich weitere folgen werden.
Bauherr: Land HessenMinisterium für Wissenschaft und Kunst
Hochschule FuldaUniversity of Applied Sciences
Auftraggeber: Hessisches BaumanagementRegionalniederlassung Nord
Wettbewerb: Ideen- und RealisierungswettbewerbIm Rahmen des Heureka-Programms 2009, 1. Preis
Planung: Mann Landschaftsarchitektur, Fulda
Fläche: 28.000 m²
Planungszeitraum: 2010-2012
Realisierung: 2012-2014
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