Trockenstress-Anpassung bei Bäumen: Einflussfaktoren, Kriterien, Mechanismen, Bewertung
von: Prof. Dr. Andreas RoloffTrockenstress ist DAS Thema unserer Zeit (Abb. 1). Durch die Klimawandel-Diskussion, spätestens aber infolge der Sommer 2018 und 2019 möchten viele Städte und Gemeinden, Wald- und Parkverantwortliche sowie Stadtgrün-Planer wissen, welches die geeignet(st)en "Zukunfts-Baumarten" sind, die mit den erwarteten Klimaveränderungen am besten zurechtkommen und auch in 50 bis 100 Jahren noch ihre Funktionen erfüllen können. So erreichen unser Institut viele Anfragen dazu, da wir uns mit dem Thema seit über 25 Jahren befassen, dazu forschen und publiziert haben (z. B. Roloff 1992, 2016, Knopf et al. 2016). Es ist an der Zeit, hier einmal den Zwischenstand aus der Sicht unserer Untersuchungen am Lehrstuhl für Forstbotanik darzustellen, und dabei auch auf offene Fragen einzugehen.
Wenn man über die Reaktionen von Bäumen auf Trockenstress nachdenkt, spricht oder schreibt, ist zunächst wichtig, einige Begriffe zu klären, da sie in der Literatur durchaus unterschiedlich verwendet werden und nicht jeder dasselbe meint. Die für das Thema dieser Abhandlung wichtigsten Begriffe sind folgende (vgl. Roloff et al. 2018, Dressler 2019):
Begriffsklärung und Zielstellung
- Umgang mit Stress:
Entscheidend ist die genetische Grundausstattung mit erfolgter Modifikation durch die Umwelt. Die Anpassung kann erfolgreich und erfolglos sein - erfolgreiche Anpassung kommt beispielsweise durch Änderung von Eigenschaften zustande (Plastizität). - Trockenstress:
Er bezeichnet einen Belastungszustand durch Wassermangel - dieser zwingt Bäume zu Reaktionen der Trockenstress-Anpassung, die kurzfristig oder langfristig erfolgen und sichtbar oder unsichtbar sein können. - Trockenstress-Anpassung:
Der Begriff beschreibt Reaktionen auf Trockenstress, also den Prozess/die Strategie, mit Wassermangel umzugehen. Dies kann erfolgreich sein, dann weist die Baumart Trockenstress-Toleranz auf. Die Reaktionen können auch erfolglos sein - mit der Folge von Schäden bis hin zum Absterben von Organen, Kronenteilen oder des ganzen Baumes. - Trockenstress-Toleranz:
Die beschreibt die erfolgreiche Anpassung an Trockenstress, dann ist die Baumart an Trockenstress angepasst. Dies ist auf zwei möglichen Wegen realisierbar, das lässt sich allerdings längst nicht immer deutlich klar unterscheiden und zuordnen:
Ertragen von Trockenstress: beispielsweise durch Erreichen von weiteren Wasservorräten im Boden infolge Absenken des Wasserpotenzials (aber: höheres Risiko der Embolie-Anfälligkeit) oder mittels tiefer Wurzeln, wodurch eine längere Transpirationskühlung und Photosynthese ermöglicht wird.
Trockenstress-Vermeidung (oder -verzögerung): durch morphologische Anpassungen (Blattbehaarung, Kurztriebe, Wasserspeicher im Stamm und dergleichen), sodass das Wasserpotenzial +- stabil gehalten werden kann.
Beim Thema Trockenstress und Baumarten-Verwendung ist vorweg darauf hinzuweisen: Es muss in erster Linie darum gehen, dass die Bäume möglichst viele Blätter (viel Blattfläche) und diese auch so lange wie möglich tragen, wenn sie ihre Funktionen optimal erfüllen sollen, etwa in der Stadt Beschattung, Kühlung, Transpiration und Luftfilterung, im Wald Photosynthese zur Biomasseproduktion und CO2-Bindung. Ein Baum, der bereits im Juli seine Blätter abwirft, um sich vor Wasserverlusten zu schützen oder wegen Schädlingsbefalls, kann für den oft besonders warmen Rest der Vegetationszeit dann diese Funktionen nicht oder nur noch (sehr) eingeschränkt erfüllen (Abb. 2), selbst wenn viele sonstige Funktionen des Baumes wie Lebensraum und Biodiversität erhalten bleiben und weiterhin positiv bewertet werden können.
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Was am Trockenstress ist für seine Auswirkungen und Bewertung wichtig?
Für die Beurteilung von Anpassungsreaktionen an Trockenstress sind folgende Faktoren besonders entscheidend (Nennung von zehn Faktoren, ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Zeitraum des Auftretens
Dabei sind Herbst und Winteranfang relativ unproblematisch, Sommer und insbesondere Frühjahr kritischer zu sehen. - Dauer
Bis zu vier Wochen sind meist unproblematisch, zwei bis drei Monate hingegen kritisch, insbesondere bei Wiederholung innerhalb einer Vegetationsperiode. - Vorerfahrung/-schädigung
Hat bereits nicht allzu lange zuvor eine kritische Trockenphase stattgefunden, sind die Auswirkungen in der Regel viel bedeutsamer als beim ersten Mal. War der erste Trockenstress jedoch moderat, kann er auch zu besserer Anpassung der Bäume bei nachfolgenden Trockenstressperioden führen. - Kombination mit anderen Stressfaktoren
Hier sind beispielsweise Hitze, Wind, intensive Strahlung, Frost, Ozon, Pathogene zu nennen, die sich verstärkend auf die Stress-Intensität auswirken. - Wassermangel im Boden oben/unten, (Mikro-)Standort
Ist der Boden nur oberflächlich ausgetrocknet, verursacht dies deutlich weniger Stress als wenn er bereits tiefgründig Wassermangel aufweist. Je nach Bodenart kann dabei die nutzbare Wassermenge sehr unterschiedlich sein. Ebenso ist der Mikrostandort mit seinem Wasserspeichervermögen gerade in der Stadt oft entscheidend: Wasserreservoire können über Verdichtungshorizonten oder Betonflächen, an Wasseradern und Zusammenflüssen von Niederschlägen entstehen. - Lufttrockenheit
Die kann durch Nachschub von Wasser aus dem Boden eine Zeit lang kompensiert werden, solange für die Transpiration der Blätter von dort noch Reserven verfügbar sind. Wenn dieser Nachschub fehlt, wirkt Lufttrockenheit (insbesondere in Verbindung mit Wind) besonders stressverschärfend. - Blätter, Zweige, Stamm, Wurzeln
Die Organe eines Baumes reagieren sehr unterschiedlich sichtbar auf Trockenstress: die Blätter relativ frühzeitig und gut sichtbar, Zweige und Knospen deutlich schwächer und verzögert sowie schwieriger sichtbar wie auch die Wurzeln, am wenigsten der Stamm. Der Baum kann auch nach längerer Trockenheit bei Eintreten von Niederschlagsperioden noch Monate später wieder neu austreiben, anfangs aus regulären Knospen an den Zweigen, im fortgeschrittenen Stadium aus schlafenden Knospen (bis hin zum Neuaufbau einer "Sekundärkrone"). - Baumalter
Jungbäume sind unmittelbar nach der Pflanzung am stärksten gefährdet (Abb. 3), können allerdings meist auch am einfachsten bewässert werden. Mittelalte Bäume haben oft bereits hilfreiche Mikro-Wasserreservoire im Boden erschlossen und ihre Wurzeln ins Umfeld entwickelt. Altbäume sind meist am wenigsten anfällig, aber gerade auch bei diesen kann es kritisch werden, wenn sie neue oder extreme Wassermangel-Situationen erfahren, denn sie müssen eine große Krone versorgen. - Zeitraum seit Pflanzung und ihre Art/Qualität
Die ersten fünf Jahre nach einer Pflanzung sind besonders kritisch, dies vor allem im ersten Jahr und ganz besonders bei Frühjahrspflanzung. So gab es 2018 in gepflanzten Forstkulturen Sachsens nach Frühjahrpflanzung bis zu 90 Prozent Ausfälle. Am besten entwickeln sich Bäume aus Saat und Naturverjüngung: ihre Wurzeln finden viel schneller Anschluss an die Bodenverhältnisse und erreichen schneller größere Wurzeltiefen und -breiten. Naturverjüngung oder Saat sind aber in der Stadt nur in Parkanlagen möglich. Ballenpflanzung kann wegen der Wasserspeicherung im Ballen von Vorteil sein, jedoch für das Auswurzeln aus dem Ballen bei zu ungünstigen Bodenverhältnissen im Umfeld ein Problem für die Wurzelausbreitung bedeuten. Auch die Qualität der Pflanzung hat erhebliche Auswirkungen auf die Stresstoleranz in den Folgejahren. - Baumart, Herkunft, Ökotyp, Sorte, ggf. Veredlung
Diese sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Bei häufigeren Baumarten ist das Trockenstress-Anpassungspotenzial in der Regel bekannt, bei Herkunft aus trockenen Regionen oder Ökotypen von Trockenstandorten kann man dies voraussetzen, bei Sorten ist es meist besonders schwierig zu beurteilen. Veredlungsstellen können ein zusätzliches Problem darstellen durch die Behinderung des Wassertransportes im Veredlungsbereich - diese Bäume sterben daher nach extremen Trockenperioden oft als erste ab (so geschehen in den Sommern 2003, 2013, 2018, 2019).
Dies sind nur zehn Beispiele für wichtige Einflussfaktoren auf erfolgreiche Anpassungsreaktionen, es lassen sich noch etliche weitere herausarbeiten. Wenn man nur einmal drei verschiedene Ausprägungsstufen für jeden der zehn Faktoren ansetzt, ergeben sich schon hunderte möglicher Varianten von Trockenstress, was Intensität, Folgen und Reaktionen betrifft! Daran sieht man bereits, wie komplex die Fragestellung der Interpretation und Bewertung von Trockenstress ist, dass es DEN Trockenstress nicht gibt. Das bedeutet: weitreichende Verallgemeinerungen und voreilige Schlussfolgerungen sind demzufolge nicht zulässig oder können sogar unverantwortlich und irreführend sein.
Ein sehr wichtiger Weiser für die Beurteilung des zu erwartenden Triebwachstums im Folgejahr bei Trockenstress mit Blattschäden und Blattfall, wie 2018 und 2019 weit verbreitet aufgetreten, sind die Knospen (Abb. 4): Sie sind ab Juni sichtbar weitgehend fertig entwickelt und können daher für die Einschätzung eine entscheidende Hilfe sein, ob vorzeitiger Blattfall als Schutzreaktion positiv oder als Absterbesymptom negativ zu interpretieren ist. Dabei ist nur zu beachten, dass bei einigen Baumarten die Knospen unter dem Blattstiel verborgen sind (etwa bei der Platane) oder sogar unter der Blattnarbe (wie bei der Robinie) und somit im Sommer nicht frei sichtbar erscheinen. Außerdem ist die Knospengröße stark art- oder lichtabhängig, beispielsweise beim Feld-Ahorn gegenüber Spitz-/Berg-Ahorn oder bei der Rot-Buche an unterschiedlichen Zweigpositionen und in verschiedenen Kronenbereichen (Roloff 1986).
Weiterhin ist ein entscheidender Unterschied zu sehen zwischen Baumarten mit gebundenem Wachstum (gesamte Knospenanlage im Vorjahr, beispielsweise Rot-Buche und die meisten Übergangs- und Klimaxbaumarten) und freiem Wachstum (auch Neuanlage und sofortiger Austrieb im laufenden Sommer, beispielsweise Pappeln und die meisten Pionierbaumarten, Roloff 2018): erstere sind besonders früh fertig mit den Anlagen für das kommende Frühjahr und dann unempfindlicher gegenüber negativen Einflüssen (Abb. 4), letztere können flexibler auf mehrfach wechselnde und vor allem positive Bedingungen während der zweiten Hälfte der Vegetationsperiode reagieren.
Trockenstress-Reaktionen und -Anpassungen: Wie ist Trockenstress-Anpassung sicht-/messbar?
Im Folgenden werden mit dem Versuch annähernder Vollständigkeit mögliche Parameter zum Erkennen, Beschreiben, Beurteilen von Reaktionen und Anpassungen an Trockenstress bei Bäumen genannt und kurz erläutert (nach Roloff et al. 2010). Dafür wurden umfangreich Lehrbücher und sonstige Publikationen ausgewertet.
Unmittelbare/kurzfristige Reaktionen und Anpassungen
- Schließen der Spaltöffnungen der Blätter (was unmittelbar die Transpiration vermindert);
- Absenkung des Wasserpotenzials oder des osmotischen Potenzials (um weitere Bodenwasservorräte verfügbar zu machen);
- Anstieg der Hormonkonzentrationen der Abscisinsäure (ABA) und der Aminosäure Prolin für verschiedene physiologische Anpassungen;
- Blatthängen, -einrollen oder -einfalten (bspw. Blatthängen bei Vogel-Kirsche, Einrollen/"Schiffchenbildung" bei Rot-Buche und Baum-Hasel, Zusammenfalten bei Robinie (Abb. 5), zur Verminderung der direkten Einstrahlung und damit Senkung der Blatttemperatur und Verdunstung);
- Ausrichten der Blätter parallel zur Sonnenstrahlung bei einzelnen Arten (Heliotropismus, in der Oberkrone mittags bspw. bei Kübler-Weide und Robinie);
- Blattwedeln oder -zittern (bspw. Spitz-Ahorn und Zitter-Pappel, zur Senkung der Blatttemperatur);
- direkte Blatt-Wasseraufnahme (insbesondere Nadelbaumarten, etwa von Tau bei Trockenstress);
- sofortige Erholung bei Wiederbewässerung nach Trockenstress;
- teilweiser Blattabwurf (um die Transpirationsfläche zu vermindern);
- Zweigabsprünge (Abwurf von Zweigen bei Eichen, Pappeln und Weiden);
- messbare Stammumfangabnahme (vor allem bei zerstreutporigen Laubbäumen und bei Nadelbäumen durch Nutzung des Stammwasservorrates);
- Embolien (Lufteintritt und dadurch Blockade eines Teils der Wasserleitbahnen im Holz).
Mittelfristige Reaktionen und Anpassungen
- Entwicklung von Kurztrieben (in der Krone der meisten Laubbaumarten; im Folgejahr nach einem Trockenstressjahr, um bei minimiertem Aufwand weiterhin möglichst viel Photosynthese zu ermöglichen);
- Absterben von Zweigen und Kronenteilen sowie von Fein- und Schwachwurzeln ("Eidechsen-Prinzip": irreversibles Aufgeben eines Teiles der Verzweigung, um den verbleibenden Rest besser zu schützen und zu versorgen);
- höhere Stomatadichte (als Anpassung an häufige/wiederkehrende Trockenheit, verbunden mit kleinerer Größe der Spaltöffnungen);
Langfristige (genetisch fixierte) Anpassungen
- gefiederte oder stark gelappte Blätter (bspw. Esche und Sumpf-Eiche, dadurch bei starker Einstrahlung eine geringere Blatttemperatur und damit Transpiration als bei einfachen Blättern);
- oberseits glänzende Blätter (Cuticula mit dickerer Wachsschicht und/oder dickere Epidermis, bspw. Ungarische Eiche);
- ledrige/dickere Blätter ("Hartlaubgehölze", bspw. Buchsbaum);
- blattunterseitige Behaarung (mit hellen, da toten Haaren, insbesondere Stern- und Büschelhaaren oder dichtem Haarfilz, beispielsweise Mehlbeere, viele Linden- und Eichenarten);
- weißlich-silbrige Blattschuppen (bspw. Ölbaum und Ölweide);
- kleine Blätter mit dichter Blattnervatur oder nadelartige Blätter (beispielsweise Ginster, Stechginster) und Rollblätter (Lavendel);
- in die Epidermis eingesenkte Stomata (regelmäßig bei Nadelgehölzen);
- stärkere Ausbildung von Festigungs- und Leitelementen in Blatt und Spross, dadurch beispielsweise im Blatt deutlich sicht-, fühlbare Hauptnerven;
- verdickte Epidermis und Rinde/Borke am Spross und Stamm (Kork-Eiche, Korkbaum und Baum-Hasel), gelegentlich mit Korkleisten (beispielsweise Feld-Ahorn und Feld-Ulme);
- Umbildung von Sprossenden oder Nebenblättern zu Dornen (bspw. Wild-Birne, Wild-Apfel und Robinie);
- Triebe grün und damit zur Photosynthese in der Lage (bspw. Ginster), oder blattartig verbreitert (sogenannte Flachsprosse bei Mäusedorn).
- Stammspeicher bei älteren Nadelbäumen und zerstreutporigen Laubbäumen;
- tiefreichende Pfahlwurzel (Eiche) oder sogenanntes Zweischichtwurzelsystem (mit einerseits einer Pfahlwurzel für die Tiefenwasservorräte, andererseits weit streichenden Flachwurzeln, die Kurzzeitniederschläge ausnutzen, beispielsweise Kiefer);
- geringes Spross-/Wurzelverhältnis (mehr Wurzelmasse im Verhältnis zur Sprossmasse);
- klonales Wachstum durch Ausläufer (Bambus) oder Wurzelbrut (bspw. Grau-Erle und Zitter-Pappel);
- hohe Holzdichte (schweres Holz);
- artbedingt lichte Krone;
- hohe Reiterationsfreudigkeit;
- Pionierbaumarten mit relativ geringen Ansprüchen an Bodenfaktoren aber hohem Lichtbedarf, mit in der Jugend freiem Wachstum;
- natürliches Vorkommen auf zeitweilig oder dauerhaft trockenen Standorten;
- sehr hohe Frosthärte.
Schlussfolgerungen
Bei der Diskussion über Trockenstress-Reaktionen und -Anpassungen von Baumarten ist zu beachten, dass insbesondere Stadtbäume ihre Funktionen nicht mehr (vollständig) erfüllen können, wenn die Blätter
- ihre Spaltöffnungen geschlossen haben und demzufolge auch keine Verdunstung (Kühlung) mehr stattfindet, weil beispielsweise kein Wasser aus dem Boden mehr verfügbar ist;
- Schäden aufweisen oder nur kleine Blätter und kurze Triebe entwickelt werden;
- abgeworfen werden (keine Beschattung mehr erfolgen kann).
Wir müssen damit umgehen, dass es DEN Trockenstress nicht gibt und demzufolge auch nicht DIE an Trockenstress angepasste(n) Baumart(en) geben kann. Dies ist auch die Erklärung dafür, dass bei jedem neu auftretenden Trockenstress in Zukunft immer wieder neue Überraschungen in der Baumartenreaktion eintreten können und werden. Man kann nur versuchen, sich auf die am jeweiligen Pflanzort entscheidenden, zuvor genannten Auswahlkriterien zu begrenzen, sonst bleibt am Ende irgendwann womöglich gar keine Baumart mehr übrig. So erklären sich auch die interessanten, aber teilweise nicht übereinstimmenden Ergebnisse/Erfahrungen beispielsweise aus GALK-Liste und Stadtgrün 2021 (Böll 2017, GALK 2020), wie auch im Vergleich von diesen zu KLAM (Roloff et al. 2008, 2013) und Citree (2020). Je häufiger sich bestimmte Baumarten in vielen verschiedenen Untersuchungen, Erhebungen und Experimenten positiv bewähren, desto mehr erhält man eine zunehmende Absicherung, wie es etwa beim Schnurbaum der Fall ist.
Eine (nicht neue) Grundkonsequenz aus all dem Behandelten ist, möglichst viele verschiedene solcher bestgeeigneten Baumarten zu pflanzen - dann werden sich davon immer etliche vor Ort bewähren (Krabel 2017, 2018). Dies spricht auch deutlich für zukünftige Mehrarten-Alleen mit vier bis fünf Baumarten (Abb. 6) - ein spannendes Thema, das am Lehrstuhl gerade bearbeitet wird. Dafür wird man die Sicht auf Alleen modifizieren müssen: nicht mehr einheitliches Aussehen "aus einem Guss" hat höchste Priorität, sondern ein möglichst gut harmonierendes Wachstum der beteiligten Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen und Wirkungen. Es kann, unvoreingenommen betrachtet, durchaus spannend werden, wenn Alleen vielfältiger aussehen: mit in mehreren Zeitabschnitten verschieden blühenden Baumarten, oder unterschiedlichen Herbstfarben und Verfärbungsperioden. Dann sehen Alleen in 50 Jahren vielleicht ganz anders aus als heute. Es wird interessant, wie Denkmal- und Naturschutz damit umgehen werden, wenn sie oft vor allem frühere oder heutige Zustände festschreiben möchten.
Literatur
Böll, S., 2017: Das Forschungsprojekt "Stadtgrün 2021" - ein Überblick. Jahrbuch f. Baumpflege 2017: 23-28
Citree 2020: Planungsdatenbank für urbane Gehölze. Professur für Forstbotanik, TU Dresden. www.citree.de [Zugriff 1.5.2020].
Dressler, A., 2019: Anpassung an Trockenheit - Einfluss unterschiedlicher Bewässerungsstrategien auf die Trockenheitstoleranz junger Gehölze. Dissertation Fak. Umweltwissenschaften TU Dresden, 167 S.
GALK, 2020: Straßenbaumliste. www.galk.de [Zugriff 10.5.2020]
Knopf, D.; Roloff, A.; Boock, U.; Bachmann, J., 2016: Bäume in Jena - Stadt- und Straßenbäume im Klimawandel, Stadtbaumkonzept. Schriften zur Stadtentwicklung Jena 7: 1-160.
Krabel, D., 2017: Bedeutung genetischer Variabilität für den Erhalt von Baumpopulationen in unseren Städten. ProBaum 1/2017: 8-11.
Krabel, D., 2018: Genetische Variabilität als "Strategie" für ein nachhaltiges Grünflächenmanagement. In: Dujesiefken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2018: 237-241. Haymarket Media, Braunschweig.
Roloff, A., 1986: Morphologische Untersuchungen zum Wachstum und Verzweigungssystem der Rotbuche (Fagus sylvatica L.). Mitt. Dt. Dendrol. Ges. 76: 5-47.
Roloff, A., 1992: Mögliche Auswirkungen des Treibhauseffektes auf die Konkurrenzsituation in Waldökosystemen. Forstarchiv 63: 4-10.
Roloff, A., 2016: Verwendung nichtheimischer Baumarten in der Stadt und als Straßenbäume in Jena. In: Stadt Jena (Hrsg.): Bäume in Jena - Stadt- und Straßenbäume im Klimawandel/Stadtbaumkonzept. Schriften zur Stadtentwicklung 7: 36-45.
Roloff, A., 2018: Vitalitätsbeurteilung von Bäumen - Aktueller Stand und Weiterentwicklung. Haymarket Media, Braunschweig.
Roloff, A., Bonn, S., Gillner, S. (2008): Konsequenzen des Klimawandels - Vorstellung der Klima-Arten-Matrix (KLAM) zur Auswahl geeigneter Baumarten. Stadt + Grün 57 (5): 53-61.
Roloff, A.; Gillner, S., 2013: Klimawandel und Stadtbaumarten. In: A. Roloff: Bäume in der Stadt. Verlag E. Ulmer, Stuttgart, 168-186.
Roloff, A.; Grundmann, B.; Korn, S., 2010: Trockenstress bei Stadtbäumen - Mechanismen und Reaktionen der Anpassung, Nutzen für die Artenwahl. Stadt + Grün 59: 54-60.
Roloff, A.; Kniesel, B.; Korn, S., 2018: Trockenstress bei Stadtbäumen - Ursachen, Reaktionen, Anpassungen. In: Roloff, A.: Vitalitätsbeurteilung von Bäumen - Aktueller Stand und Weiterentwicklung. Haymarket Media, Braunschweig: 171-182.