Vegetationskonzept Helbersdorfer Hang

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Urbanes Grün Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Rasendominierende Strukturen von Festuca arundinacea, Chemnitz 2007. Abb. und Fotos: Alexander von Birgelen

Am Untersuchungsgebiet des Helbersdorfer Hangs soll exemplarisch die Bandbreite an verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten in Verbindung ästhetischer, ökologischer und ökonomischer Belange aufgezeigt werden.

Die Pflanzenauswahl beschränkt sich auf die wichtigsten Leit- und Begleitarten zur Unterstützung und Verdeutlichung der Idee. Diese werden durch notwendige Maßnahmen zur Herstellung und Erhaltung der Zielvegetationen ergänzt (siehe Tabelle, Seite 53). Die Erarbeitung einer detaillierten Pflanzplanung mit genauen Mengenangaben ist in dieser Planungsebene nicht berücksichtigt. Ziel des Konzepts ist es, die kartierten Rasenflächen aufzuwerten und damit an die neuen Ansprüche des Wohnumfeldes anzupassen.

Es wird auch bewusst auf die gesamte gestalterische Vegetations-Bandbreite zurückgegriffen, die sowohl heimische als auch neophytische Arten bei der Begrünung des städtischen Wohngebietes berücksichtigt. Die Verwendung nicht heimischer Arten konzentriert sich dabei bewusst auf das unmittelbare Wohnumfeld, hingegen der Einsatz heimischer Arten auf den des Wohngebietsrandes. Die Verwendung heimischer und nicht heimischer Arten in diesem Gebiet baut auf die geführte Diskussion des Artikels von Kühn und Birgelen¹) auf.

Gebrauchsrasen

Freiflächen werden von den Anwohnern nach wie vor für hauswirtschaftliche und freizeitliche Aktivitäten genutzt.

Diese betreffen im Planungsgebiet das unmittelbar angrenzende Wohnumfeld. Auf diesen intensiver genutzten Flächen werden die hierfür geeigneten Rasenflächen erhalten. Zur Vereinfachung des Pflegeablaufes sollten diese entsprechend einer Gebrauchtrasenpflege nach DIN 18917 einheitlich durchgeführt werden. Dies beinhaltet eine 6 bis15-fache Mahd und eine dem Bedarf angepasste Düngung.²)

Urbane Wiesenterrassen

Gegenüber den landwirtschaftlich geprägten Futterwiesen steht bei diesen Wiesenterrassen nicht der Futterwert, sondern die gestalterische Aufwertung des Wohnquartiers im Vordergrund. Für ein allgemein optisch ansprechendes Bild sind nach Brackel³) neben dem Blütenreichtum auch ein ausgewogenes Verhältnis von Wuchshöhe und Deckungsgrad der Gräser, Kräuter und Leguminosen wichtig.

Bunte Blumenwiese

Unter dem Begriff "Blumenwiese" werden im Handel häufig Saatgutmischungen mit einem hohen Anteil an allgemein beliebten, auffällig blühenden jedoch nur kurzlebigen Kultur- und Wildarten angeboten. Dadurch ist bereits im zweiten Jahr nur noch wenig von der versprochenen Blütenpracht in der Aussaat zu finden. Dies bestätigen auch die Einsaatversuche von Brackel4) mit handelsüblichen "Blumenmischungen", bei denen ein Drittel der Arten keimen und davon nur ein Siebtel der Arten sich überhaupt etablieren konnten. Die meisten Arten wurden überwiegend durch Gräser verdrängt.

Für eine sich über viele Jahre hinweg erstreckende Wirkung werden zu den beliebten kurzlebigen Arten zusätzlich langlebige attraktive Kultur- und Wildarten in die Rasenfläche eingebracht. Die Auswahl setzt sich aus standortangepassten heimischen Frühsommerblühern und spätblühenden Präriearten zusammen.

Grundlage der Artenauswahl bildet die heimische Blumenwiesenmischung von Rieger-Hofmann5) ergänzt durch bewährte spätblühende Präriearten aus Mai6) und Cascorbi.7) Auf Arten mit bereits bekanntem invasiven Potenzial beispielsweise der Gattung Solidago wurde bei der Auswahl bewusst verzichtet. Im Bodenspeicher befinden sich ebenfalls gestalterisch geeignete Arten in ausreichend hoher Anzahl, so auch Tripleurospermum maritimum und Matricaria discoidea, die bei der Verletzung der Narbe aktiviert werden können. In die Saatgutmischungen werden ebenfalls gestalterisch wertvolle aber seltene Bodenarten wie Leontodon autumnalis zusätzlich aufgenommen. Offen bleibt, ob und wie sich die heimischen Wiesenarten bei einer einmaligen Mahd im Spätherbst gegen die Präriearten durchsetzen können.

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Urbanes Grün Gartengestaltung und Grünflächengestaltung
Vegetationskonzept zur Weiterentwicklung der Rasenflächen am Helbersdorfer Hang des Fritz Heckert Wohngebietes in Chemnitz. Abb. und Fotos: Alexander von Birgelen

"Harfe und Pauke"

In Anlehnung an das von Fritz Förster publizierte Gestaltungsprinzip geben in der Fläche die Texturen und Strukturen den Ton an. Ausgangspunkt der Gestaltungsidee sind die stellenweise flächendeckenden Gräserbestände von Festuca arundinacea und die imposanten Einzelexemplare von Datura stramonium.

Dieses horstbildende Gras soll zusammen mit dem Ausläufer bildenden Untergras Agrostis stolonifera eine flächendeckende Gräsermatrix ausbilden. Im Kontrast zu diesem feingliedrigen und ruhigen Gräsermeer stehen die groben Texturen von Datura stramonium. Diese kurzlebige Blattschmuckstaude soll besonders in den ersten Entwicklungsjahren das Bild prägen. Durch die rhythmisch wiederkehrenden Strukturen des straff aufrecht wachsenden Tanacetum vulgare wird das Bild vervollständigt. Mit allmählichem Flächenschluss und gleichzeitiger Verdrängung der kurzlebigen Arten sollen diese Blühstaude zusammen mit den langlebigen Gräserarten mittelfristig den Eindruck dominieren. Eine regelmäßige Düngung dient neben einer einmaligen Mahd im Spätherbst der Förderung der konkurrenzstarken Arten und unterdrückt die Ansiedlung neuer Arten.8) Die langfristige Ansiedlung neuer wuchsstarker Arten ist willkommen, so lange diese das Gesamtbild nicht unerwünscht beeinflussen.

Anwohnerwiese

Damit die verbliebenen Anwohner ihre Bindung zum neuen Wohnumfeld und ihrer Nachbarschaft intensivieren, wird die "Anwohnerwiese" zum gemeinsamen Herzstück des Wohnquartiers. Höhepunkt bildet das alljährlich im Herbst stattfindende Anwohnerfest, bei welchem selbst mitgebrachte oder vor Ort erworbene Stauden, Gräser und Blumenzwiebeln gemeinsam in die Wiese gepflanzt, gesät oder gesteckt werden könnten. Alle Pflanzen, angefangen von den robusten Stauden aus dem eigenen Garten bis hin zu buntblühenden kurzlebigen Ackerwildkräutern, sind willkommen. Im folgenden Jahr würden die Anwohner die gemeinsamen Erfolge beobachten, diese untereinander austauschen und gleichzeitig Ideen für neue Wiesenarten sammeln.

Zur Vorbereitung der Rasenumwandlung erfolgt vor Beginn des ersten Anwohnerfestes eine Pflegereduzierung auf einen Schnitt im Herbst. An den späten Schnitt passen sich die Lolium-perenne-Bestände der jungen Rasenansaaten schlecht an, so dass erste Bestandslücken entstehen, die für eine Artenansiedlung genutzt werden können. Diese Pflegeumstellung wird im Laufe der Jahre eine allmähliche Verdrängung des Deutschen Weidelgrases aus der Fläche fördern. Die artenreicheren Bestände am Flächenrand bieten mit Festuca rubra, Poa pratensis, Agrostis capillaris sowie vereinzelten Wiesenarten bereits ein dauerhafteres Grundgerüst für die zukünftige Anwohnerwiese. Die durch die Extensivierung und das Anwohnerfest zeitweise entstehenden offenen Stellen, schaffen geeignete Bedingungen für die Etablierung neuer spontan von außen eingetragener Arten und aktivieren parallel den Bodendiasporenspeicher. Da keine entsprechenden Wiesengesellschaften in der unmittelbaren Umgebung liegen ist mit dem Eintrag planungsrelevanter Wiesenarten kaum zu rechnen.9)

Lawn-Art

Bei der Lawn-Art wird das Mähwerkzeug zum Pinsel, mit dem ein dreidimensionales Bild geschaffen wird. Mittels Variation in Anzahl (1-3/Jahr) und Zeitpunkt der Mahd entstehen ab dem ersten Jahr an voneinander in Höhe, Struktur und Farbnuancen unterscheidbare Rasenbereiche, die zusammengesetzt einen entsprechenden Anblick ergeben. Gerahmt werden diese Flächen von dem begehbaren regelmäßig geschnittenen Bestandsrasen. Dieses von den oberen Terrassen bzw. Wohnungen sichtbare Bild ist an den Jahresrhythmus und den Verlauf der Jahre geknüpft und unterliegt daher der damit einhergehenden Vegetationsdynamik.

Die Umwandlung der von den Lolium perenne dominierten Rasenterrasse in einen artenreichen Wiesenbestand wird sich ohne zusätzliche Einbringung von Arten hier nur sehr langsam vollziehen.¹0) Neben dem spontanen Sameneintrag aus der Umgebung spielen der Bodenspeicher und das Mahdintervall eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Rasenflächen. Mit der Einwanderung von Pflanzen, die der jeweiligen Pflege angepasst sind, werden immer neue Kontraste in Farben und Formen entstehen und die in den ersten Jahren gräserdominierenden Bestände allmählich auflockern. Gleichzeitig bietet dieses Nebeneinander unterschiedlich gepflegter Bereiche optimale Voraussetzungen für eine hohe faunistische Artenvielfalt. Einzig gestalterisch beeinflussbarer Faktor ist hierbei die Mahd.

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Blick auf die gebietsprägenden Rasenböschungen des Helbersdorfer Hanges im Winter 2006. Abb. und Fotos: Alexander von Birgelen

Sonniger Blütensaum

Bei einer Betrachtung des Untersuchungsgebietes von Südosten her, fallen als erstes die etwa sechs bis acht Meter breiten und rund 45 Grad steilen Rasenböschungen mit ihrem lichten Gehölzbestand auf.

Diese bieten daher hervorragende Voraussetzungen zur Etablierung einer artenreichen Saumgesellschaft. Vorbild sind die natürlichen Trockensäume mit ihrem hohen Anteil auffällig blühender Arten. In den sogenannten Ökotonen befinden sich natürlicherweise Arten der angrenzenden Gehölze und Freiflächen sowie ganz eigene Saumarten.

In gestalterischer Anlehnung daran sollen die bestehenden Rasenböschungen mit den jeweiligen Leitarten der beiden angrenzenden Wiesenplateaus angereichert werden. Gleichzeitig werden attraktiv blühende Saumarten in alle Böschungen eingebracht. Diese Verbinden zum einen diese flächenübergreifend miteinander und trennen gleichzeitig die benachbarten Wiesenflächen zueinander ab. Der jährliche Pflegeschnitt im Spätherbst dient der Etablierung spätblühender Arten und Pflanzen der ruderalen Hochstaudenflor.¹¹)

Auf die im Projektgebiet verzeichneten schattigen Gehölzsäume wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen. Hier treten in der Regel die Blüten in den Hintergrund und texturbetonte Artenzusammensetzungen überwiegen den visuellen Eindruck. Zur Anreicherung schattiger, nährstoffreicher Waldsäume liegen Erfahrungsberichte vor.¹²)

Naturnahe Stadtwiesen

Gegenüber den Wiesenterrassen steht im naturbelasseneren südöstlichen Wohnquartierbereich eine naturschutzfachliche Weiterentwicklung der Rasenflächen im Vordergrund des Konzepts. Aufbauend auf vorausgegangene Untersuchungen zur naturnahen Weiterentwicklung von Rasenflächen¹³) orientiert sich die Pflanzenauswahl an den Kennarten naturnaher Wiesengesellschaften vergleichbarer Standorte und dem im Chemnitzer Raum nachgewiesenen Artenspektrum.¹4) Für eine naturschutzfachliche Bestandsentwicklung stehen dem Planer neben naturnahen Begrünungsmethoden (Mähgutübertragung, Heudruschverfahren etc.) das so genannte Regiosaatgut zur Verfügung. Dieses im Handel erhältliche Saatgut wurde im jeweiligen Herkunftsgebiet gewonnen und ohne züchterische Veränderung angebaut und schließlich zum Verkauf angeboten. Dieser Umstand macht es möglich, die Rasenbestände mit dem gebietseigenen Pflanzenmaterial gezielt zu gestalten. Bei der Auswahl wurde zusätzlich auf die Verfügbarkeit der Arten im Planungsgebiet geachtet.¹5)

Ziel ist nicht die exakte Nachbildung naturnaher Wiesen, sondern die Entwicklung eigener, dem neuen urbanen Umfeld entsprechender Wiesengesellschaften. Zum Erhalt möglichst vielfältiger artenreicher Wiesen, wurde bei der Zusammenstellung der Zielarten bewusst auf Verwendung konkurrenzstarker Gräser und Leguminosen verzichtet.

Naturnahe Feuchtwiesen

Die zum Untersuchungszeitpunkt nur extensiv gemähten Rasenbestände zeichnen sich bereits durch eine hohe Artenvielfalt und einen überdurchschnittlich hohen Kräuteranteil aus. Die zum Kartierungszeitpunkt stellenweise hohe Trifolium-repens-Ausbreitung gilt als ein Zeichen mangelnder Rasenpflege.¹6)

Dieser Bestand soll entsprechend seiner Standortvoraussetzungen mit attraktiven Kennarten der Feucht- bis Frischwiesen ergänzt werden. Den Auftakt in der markanten Blühabfolge bilden ab April zukünftig die zarten Blüten des Wiesenschaumkrauts (Cardamine pratensis), gefolgt von den rötlich und weißen Blüten des Wiesenknöterichs (Bistorta officinalis) und der Kuckuckslichtnelke (Silene flos-cuculi). Anschließend wechseln sich von Sommer bis Herbst die weißen Blühaspekte der Fettwiesen-Margerite (Leucanthemum ircutianum) mit dem Echten Mädesüß (Filipendula ulmaria) und der Sumpf-Schafgarbe (Achillea ptarmica) ab. Diese werden begleitet von einer Vielfalt an Kräutern und Gräsern. Wiesen mit auffälligen Wiesenknöterich und Margeritenaspekten befinden sich bereits im nahegelegenen Stadtpark.¹7)

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Abb. und Fotos: Alexander von Birgelen

Waldlichtung

Die halb verborgene, vor Blicken geschützte Lage sowie das Wechselspiel von Licht und Schatten geben dieser Fläche ihren ganz besonderen Reiz. Der inmitten des Wohngebietswäldchens gelegene Rasenbestand wurde zum Aufnahmezeitpunkt maßgeblich von Gräsern bestimmt. Besonders am Flächenrand, im Übergang zum dichten Baumbestand, befand sich zusätzlich eine Vielzahl weiterer Arten. Darunter wuchsen auch schattenverträgliche Arten wie Geum urbanum, Luzula pilosa und Veronica chamaedrys.

Ziel des Konzeptes ist es, die Besonderheiten einer Lichtung gestalterisch aufzugreifen und mit einer geeigneten Pflanzenauswahl zu unterstreichen. Ab Ende April soll der Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) mit seinen weißen Dolden, für die ersten Lichtblicke des Jahres sorgen. Die leuchtenden weißen Blüten der Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), des Wiesen-Bärenklaus (Heracleum sphondylium) und des Wald-Engelwurzes (Angelica sylvestris) erhellen anschließend im Sommer den Wiesenbestand und bereichern zusätzlich das Bild mit ihrer Nachblüte bis in den Herbst hinein.

Städtisch Wild

Gerahmt von hohen Gehölzschutzpflanzungen liegen am Wohnquartiersrand entlang der dicht befahrenen Scheffelstraße diese extensiv gepflegten Rasenflächen. Das kleinteilige Mosaik edaphischer Standortgegebenheiten sowie der Wechsel von Licht und Schatten spiegeln sich in der bunten Artenvielfalt auffällig blühender Ruderal- und Wiesenarten wider.

Das besondere Zusammenspiel von Gehölzen und Stauden soll auf diesen Flächen erhalten und gestalterisch verstärkt werden. Hierfür sollen die Freiflächen mit attraktiven Blüh- und Blattschmuckgehölzen bereichert werden, die alle drei bis fünf Jahre, ähnlich einer Niederwaldnutzung "auf Stock gesetzt" werden. So entstehen regelmäßig Standortveränderungen, welche auf diesen Flächen zusätzlich eine dauerhafte Etablierung zahlreicher Saumarten ermöglicht. Die Stauden- und Gräserflor soll zur Unterdrückung zusätzlichen Gehölzaufwuchses und zur Förderung eines attraktiven ruderalen Hochstaudenflors pro Winter einmal jährlich gemäht werden. Neben langlebigen Gehölzen und Stauden werden zusätzlich attraktive, kurzlebige Arten eingebracht. Diese können zusammen mit im Boden ruhenden Arten die durch hohe Bestandsdynamik immer wieder entstehenden Lücken nutzen und zugleich die Akzeptanz bei den Anwohnern erhöhen.

Laut Kühn¹8) schaffen diese in England unter dem Namen "Coppicing" erprobten pflegeextensiven Stauden-Gehölzkombinationen eine spannende Alternative zu herkömmlichen Pflanzungen und Ansaaten, deren Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft sind. Auch in Deutschland wird seit 2012 bereits dieses Prinzip des "Coppicing" in einem Dresdner Stadtpark durch die TU-Dresden untersucht.¹9)

Zusammenfassung

Rasen ist und bleibt in den Großwohnsiedlungen ein fester und nicht zu vernachlässigender Bestandteil in der Ausstattung des unmittelbaren aktiven Wohnumfeldes. Dieser muss aber in seiner Lage und Dimensionierung den tatsächlichen Nutzungsbedürfnissen angepasst sein. Jedoch stoßen in vielen Teilen der GWS die klassisch intensiv gestalteten und gepflegten Grünflächentypen schnell an die Grenzen ihrer Finanzierbarkeit. Für die im Schrumpfungsprozess entstandene neue Quantität der Freiflächen muss zwangsläufig eine neue Qualität an Vegetationsbildern gefunden und definiert werden. Bei dieser Planung sind gestalterische, soziale, ökologische und ökonomische Zielsetzungen neu abzuwägen.

Die bereits darlegten Vegetationskonzepte für die vorhandenen Rasen des Helbersdorfer Hanges zeigen beispielhaft eine Bandbreite an daraus entwickelbaren Vegetationsformen, die mit geringem finanziellen Aufwand, einer fachgerechten Planung und angemessenen Standortanalyse umgesetzt werden können. Ergänzend zu den intensiv gepflegten Grünflächen im näheren Wohnumfeld würden so naturnahe Grünflächentypen mit veränderten gestalterischen und naturschutzfachlichen Werten und Bildern entstehen, welche die Grenzen der Urbanität weiter aufweichen.

Bei der Umgestaltung der Wohngebiete können "natürliche" Wiesengesellschaften wie auch andere naturnahe Vegetationsbilder der freien Landschaft nur als Anhaltspunkte dienen. Eine aus künstlich angelegten Rasenbeständen angestrebte naturgetreue Nachbildung dieser Gesellschaften ist nicht möglich und auch im städtisch geprägten Umfeld nur bedingt wünschenswert. Vielmehr bedarf es der Erarbeitung individueller dem Projektgebiet angepasster Vegetationstypen. Generalisierende Begrünungsverfahren stellen daher im Umgang mit den Freiflächen der GWS keine nachhaltige Alternative dar.

Für Planer, Grundstücksverwalter als auch Pflegepersonal kommen neue Aufgaben hinzu, welche über das alltägliche Aufgabenfeld hinausreichen. Insgesamt bedarf es fachlich geschulten Pflegepersonals, welches mit den Zielvorgaben des Vegetations- und Pflegekonzepts vertraut ist und die wenigen notwendigen Pflegemaßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gezielt einsetzen kann. Nicht nur beim Konzept der Bürgerwiese müssen Planer und Grundstückseigner in den direkten Dialog mit den Anwohnern treten. Für eine stärkere Bindung der Anwohner an ihr neues Wohnumfeld und einer tiefgreifendere Integration dieser in den Gestaltungsprozess müssen die Planer zukünftig verstärkt auch als Moderatoren und Ideengeneratoren fungieren.

Urbanes Grün Gartengestaltung und Grünflächengestaltung

Literatur

Anmerkungen und Literatur

¹) Kühn, Norbert & Birgelen, Alexander von (2009): Naturschutz in Wohnfolgelandschaften - Möglichkeiten des Einsatzes von gebietseigenen Pflanzenherkünften. In: ANL Laufener Spezialbeiträge 2/09, S. 157-166.

²) Rieper, Ute & Birgelen, Alexander von (2009): Bauelemente und Bauweisen: Rasen- und Saatarbeiten. In: Landschaft konstruieren - Materialien, Techniken, Bauelemente. Zimmermann, Astrid (Hrsg.). Basel: Birkenhäuser Verlag, S. 389-396.

³) vgl. Brackel (1997).

4) vgl. ebd.

5) Rieger-Hofmann (2012): Samen und Pflanzen gebietseigener Wildblumen und Wildgräser aus gesicherten Herkünften. Katalog/Preisliste 2012/13, Blaufelden-Raboldshausen.

6) Mai-German, Anke (2009): Extensiv gepflegte Prärieansaaten - Auswertung eines Feldversuchs der TU-Berlin im Hinblick auf die Anwendungsmöglichkeiten im öffentlichen Grün. Diplomarbeit am Fachgebiet Pflanzenverwendung TU-Berlin, unveröffentlicht.

7) Cascorbi, Uta (2006): Prärie in der Wiese? - Neue Pflanzenkombinationen in ökologisch ausgerichteten Pflanzungen. In: Stadt und Grün 3/06, S. 32-37.

8) vgl. Arens (1983), Skirde (1984), Müller (1989b).

9) vgl. Arens (1983).

¹0) vgl. Müller (1989b).

¹¹) vgl. Kunick (1992), Schmidt (1994).

¹²) zum Beispiel Kunick, Wolfram (1985): Artenanreicherung von Gehölzsäumen. In: Garten und Landschaft 5/85, S. 41-44.

¹³) vgl. Kunick (1983, 1986), Müller (1988), Wolf 1982 in Müller (1989c), Wolf, G. & Bartels, H. (1987): Zur Entwicklung der Scheerrasen und Stadtwiesen im Rheinauenpark Bonn. In: Rasen - Turf - Gazon 3/1987, S.65-71.

¹4) Grundmann, Horst (1992): Die wildwachsenden und verwilderten Gefäßpflanzen der Stadt Chemnitz und ihrer unmittelbaren Umgebung. In: Schriftenreihe des Museum für Naturkunde Chemnitz, Heft 15. Grundmann & Tippmann (2010): 2. Nachtrag zur Flora von Chemnitz. In: Sächsische floristische Mitteilungen, 13/2010, S. 32-40.

¹5) vgl. Rieger & Hofmann (2012), Saaten-Zeller (2011): Standardkatalog. Online verfügbar unter www.saaten-zeller.de/rel/images/Saaten-Zeller_Standardkatalog.pdf, zuletzt geprüft am 11.03.2013.

¹6) vgl. Kunick (1994).

¹7) vgl. Tippmann (2001).

¹8) vgl. Kühn (2011).

¹9) Reif, Jonas; Birgelen, Alexander von & Edelmann, Theresa (2013): Die Rabatte ist tot, es lebe ... In: Stadt und Grün 1/13, S. 59-61.

Prof. Dr. Alexander von Birgelen
Autor

Hochschule Geisenheim, Institut für urbanen Gartenbau und Pflanzenverwendung

Hochschule Geisenheim

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