Wie Ressourcen für die Grünflächenpflege erschlossen werden können
Biomassestrategie im Emscher Landschaftspark
von: Bianca Porath, Hans-Peter RohlerDas Ruhrgebiet ist grün. Das ist schon lange keine Neuigkeit mehr. Mit der IBA Emscherpark sind seit den 1990er Jahren sogar noch etwa 3000 Hektar an neuen Parkflächen hinzugekommen, gleichzeitig stehen alle Akteure, die Grünflächenpflege betreiben, mit dem Rücken an der Wand. Die zu unterhaltenden Flächen nehmen weiter zu, wobei finanzielle und personelle Ressourcen in der Grünflächenpflege eher abnehmen.
Kann eine verstärkte energetische Nutzung der aufwachsenden Biomasse einen signifikanten Beitrag zu den Pflegekosten leisten und die Qualität der Grünflächenpflege verbessern, zumindest aber auf einem einfachen Niveau absichern? Dieser Frage geht die TU Darmstadt (TUD) in Kooperation mit der Hochschule Ostwestfalen-Lippe (HS OWL) im Rahmen eines Forschungsvorhabens nach.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte und breit angelegte Verbundforschungsprojekt "KuLa-Ruhr" hat zum Ziel, das Thema "Nachhaltigkeit" in den drei Schwerpunkten Fläche, Wasser und Energie zu untersuchen und beispielhaft umzusetzen. Insgesamt elf Teilprojekte befassen sich in zwei abgestimmten Betrachtungsräumen in der Gebietskulisse des Emscher Landschaftsparks mit ökologischen, technischen, juristischen, soziologischen und ökonomischen Fragestellungen und führen die Teilergebnisse in einem Zeitraum von insgesamt drei Jahren bis 2014 synergetisch zusammen.
Unter dem Teilprojekt "Weiterentwicklung der urbanen Kulturlandschaft der Metropole Ruhr durch nachhaltiges Landmanagement" (TUD/HS OWL) finden sich vier Einzelmaßnahmen. Neben der Entwicklung einer regionalen Biomassestrategie wird an der Einbindung der großen Infrastrukturen in die Stadtlandschaft, der Optimierung der Energieeffizienz von bestehenden Siedlungen und der nachhaltigen Entwicklung von Wohn- und Gewerbeflächen auf ehemaligen Industrie- und Bergbaustandorten gearbeitet.
Die Idee die Grünflächenpflege stärker mit einer Nutzung der aufwachsenden Biomasse zu verbinden, ist aus dem ebenfalls vom BMBF geförderten Refina-Projekt "Management, Entwicklung und Vegetation" hervorgegangen. Von 2006 bis 2009 ist an der Technischen Universität Darmstadt in einem Pilotprojekt ein Parkpflegewerk für den Emscher Landschaftspark entwickelt worden. Ziel war es, die hauptsächlich zu Zeiten der IBA Emscherpark in großem Umfang getätigten Investitionen mit dem Werkzeug einer nachhaltigen Qualitätssteuerung durch verbesserte Information, Organisation und Koordination der Akteure langfristig über eine regional abgestimmte Pflege abzusichern und gleichzeitig die großen privaten und institutionellen Flächeneigentümer stärker in den Emscher Landschaftspark einzubinden. Hier wurde der Grundstein für eine an Parkprodukten ausgerichtete Zielsetzung zur Qualitätsverbesserung - einhergehend mit einer Optimierung der Pflegekoordination - gelegt.¹) Heute finden diese Überlegungen unter der Überschrift "Der Produktive Park" Einzug in die Arbeit an einem neuen Managementkonzept für den Emscher Landschaftspark, an dem der Regionalverband Ruhr (RVR) ebenfalls im Rahmen von KuLaRuhr arbeitet.
SUG-Stellenmarkt
In dem inzwischen 475 Quadratkilometer großen und 70 Kilometer ausgedehnten Emscher Landschaftspark fallen mitten im Ballungsraum jährlich tausende Tonnen Grünschnitt an. Dabei konzentriert sich zurzeit die Region bei der Pflege auf vierzehn so genannte "exponierte Standorte" und den Emscher Park Radweg. Hier wird die Pflege durch das Land Nordrhein-Westfalen zu 50 Prozent mit jährlich 2,5 Millionen Euro unterstützt. Diese "Leuchtturmprojekte" wie das Welterbe Zeche Zollverein, der Landschaftspark Duisburg Nord - um nur zwei zu nennen - machen aber gerade mal vier Prozent der Fläche des Regionalparks aus. Es ist dringend zu klären, wie die restlichen 96 Prozent der Industriekulturlandschaft angemessen gepflegt und entwickelt werden können und wie die Mittel zukünftig aufgebracht werden, wenn die finanzielle Unterstützung der Region bei der Pflege 2016 wegfällt. Die Entwicklung einer regionalen Biomassestrategie soll hier einen entsprechenden Beitrag leisten. Um die Kernthese, dass mit energetischer Verwertung der anfallenden Biomasse Kosten der Grünflächenpflege langfristig reduziert werden können, zu überprüfen, wird innerhalb der Betrachtungsräume in zwei Modellkommunen eine Biomassepoten-zialstudie auf Basis vorhandener Grünflächeninformationssysteme durchgeführt.
Regional denken - lokal handeln
Erst ein Zusammenschluss der pflegenden Akteure machte eine Nutzung des Grüns, das bei der Pflege anfällt, sinnvoll. Die energetische Verwertung von Grünschnitt aus der Pflege birgt einerseits die Chance durch Koordination der zahlreichen pflegenden Akteure eine Qualitätsverbesserung zu erzielen. Zum anderen würden damit Stoffe, die bisher kostenpflichtig entsorgt werden müssen und unter das Abfallgesetz fallen, einer sinnvollen Nutzung zugeführt. Dieser Abfall, der eigentlich ein Rohstoff ist, steht in keiner Flächenkonkurrenz zu Nahrungs- oder Futtermittelanbau, da er als Koppelprodukt bei der Pflege anfällt und nicht gezielt angebaut wird.
Der Ballungsraum Ruhrgebiet könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz leisten und die Weichen für die Zukunft stellen. Bei künftig sehr wahrscheinlich steigenden Energiepreisen ist es ratsam, die Rahmenbedingungen zu kennen, unter denen sich eine Biomassenutzung von Grünflächenmaterial ökonomisch rechnet. Das jüngst in den Landtag erneut eingebrachte Klimaschutzgesetz formuliert zwar noch keine konkreten Maßnahmen, aber die Förderung der erneuerbaren Energien dürfte ein wichtiger Baustein zur Senkung der Treibhausgasemissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2020 sein.
Für die Städte und die regionalen Akteure ist auch der Imagegewinn, die Dezentralität der Energieversorgung und partielle Unabhängigkeit von großen Stromkonzernen als Vorteil nicht außer Acht zu lassen.
Trendwende in Sicht?
Der heutige Stand der Entwicklungen auf dem Biomassemarkt in der Rhein-Ruhr-Region ist zweigeteilt. Die holzige Biomassefraktion wird in den beiden Betrachtungsräumen zwar noch zurückhaltend, aber immerhin mit wachsender Tendenz genutzt; eher nachlässig behandelt wird dagegen die krautige Fraktion. Argumente, den mengenmäßig großen anfallenden Rasenschnitt nicht zu nutzen, sind die schlechte Lagerfähigkeit, die lokal gesehen relativ kleinen Mengen und die damit verbundene notwendige Transportlogistik.
Doch neue Ideen und die stetig fortschreitende technische Entwicklung machen eine nähere Betrachtung interessant. Die bisherige Praxis, das Schnittgut liegen zu lassen, wird zunehmend in Frage gestellt. So überlegen große Wohnungsbaugesellschaften, aber auch einzelne Kommunen, wegen der Beschwerden der Nutzer dazu überzugehen, eine Aufnahmemahd durchzuführen. Die Emschergenossenschaft sucht nach Wegen der energetischen Verwertung für Rasenschnitt, da nach dem Umbau des Gewässersystems vom Schmutzwasserlauf zum sauberen Gewässer das auf der Fläche verbleibende Schnittgut die Wasserqualität wegen erhöhter Nährstoffeinträge mindert (Eutrophierung).
Durch eine Aufnahmemahd steigen die Pflegekosten, so dass die Idee der energetischen Verwertung nahe liegt, um so einen Teil dieser Kosten wieder "einzuspielen". Bisher bleibt der Rasenschnitt in der Regel liegen, ansonsten wird er als Abfall behandelt, entsorgt oder zu Kompost weiterverwertet.
Häufig gemähter Zier- und Gebrauchsrasen hat einen hohen Energiegehalt, jedoch muss das Mähgut nach dem Schnitt direkt abgedeckt werden; sonst verliert das Substrat innerhalb einer Woche fast die Hälfte an Massenprozent, im geschlossenen System nur etwas über ein Prozent.²) Wegen des saisonalen Anfalls sind Lagermöglichkeiten von lagerfähigem, siliertem Mähgut bis zu einem Jahr nötig.
Mit Mischgrün, also beispielsweise Strauch- und Heckenschnitt, Pflegematerial aus Privatgärten und aus der Friedhofspflege, gibt es inzwischen neue technische Erfahrungen und viel versprechende Energieerträge.³)
Die Strategie
Um die Transportlogistik und die damit verbundenen Kosten gering zu halten, wäre es denkbar, dass alle großen pflegerisch tätigen Akteure den vor allem zwischen Mai und Oktober anfallenden Rasenschnitt zu zentralen städtischen Sammelstellen bringen, wo dieser einer Vergärung zugeführt wird. Durch dieses System werden insbesondere die Mengen der Akteure eingebunden, deren Liegenschaften im ganzen Emscher Landschaftspark verteilt sind. Durch kurze Transportwege und Addition der ansonsten kleinen Mengen, kann man ein attraktives und dezentrales Modell anbieten, das in der ganzen Gebietskulisse Anwendung finden kann. Das System der eingesetzten Substrate kann - je nach Standort - individuell angepasst werden. Im nordöstlichen Ruhrgebiet dominieren dann eher landwirtschaftliche Nebenprodukte wie Festmist und Stroh, in den urbanen Räumen eher kommunaler und privater Grünschnitt, sowie Bioabfall, denn für das Verfahren der Trockenvergärung werden neben Rasenschnitt auch noch andere Einsatzstoffe benötigt um einen optimalen Gärprozess zu gewährleisten.
Die holzige Biomassefraktion ist weitgehend im Markt verteilt. Im Ruhrgebiet gibt es in Oberhausen und Essen Biomassekraftwerke, die mit Holzhackschnitzeln, die bei der Grünflächen- und Straßenbegleitgrünpflege anfallen, beheizt werden. Darüber hinaus werden Kraftwerke mit Alt- oder Waldrestholz in Recklinghausen, Lünen, Bergkamen und Hagen betrieben.
Das Haus Vogelsang, inzwischen Teil des EVONIK-Konzerns, benutzt die gesamte holzige Biomasse, die bei der Pflege anfällt, zur Eigenversorgung und zum Verkauf im Ruhrgebiet über Wärme-Contracting. Zur Marktauslastung gibt es unterschiedliche Aussagen. Einerseits wird "sich schon um das letzte Stück Holz gestritten", andererseits gibt es noch ungenutzte Potenziale. Der überwiegende Teil der im Forschungsprojekt befragten Städte gab an, bisher keine Biomasse energetisch zu nutzen. Entweder wird das Material auf der Fläche belassen, kompostiert oder an große Entsorger gegen Gebühr abgegeben. An dieser Stelle sind wir mit unseren Untersuchungen noch nicht am Ende, doch auch hier könnte die Verbindung der strategischen Zusammenarbeit den gleichen Türöffner für die Biomassenutzung bieten wie der beschriebene Weg für den Rasenschnitt.
Im Unterschied zu anderen Biomassepotenzialstudien wird in Anlehnung an bestehende Grünflächeninformationssysteme der Akteure ein Codesystem entwickelt, dass Auskunft über Menge, Energiegehalt, Erntetechnik, Zeitpunkt und Ort der jeweils im Rahmen der Pflege anfallenden Biomasse gibt. Ziel ist es, nicht das theoretische Potenzial, sondern die tatsächlich geerntete Biomasse zu erfassen. Dieses System soll über den bereits im Rahmen des Vorgängerprojektes MEV erarbeiteten regionalen Objektartenkatalog an die bestehenden Systeme unterschiedlicher Akteure angedockt werden, so dass relativ schnell exakte Aussagen über das energetische Potenzial aus der Grünflächenpflege möglich werden - soweit zumindest die Theorie. Erprobt wird dieses System mit unterschiedlichen Modellkommunen, dem Regionalverband, der Emschergenossenschaft, dem Haus Vogelsang und anderen in der Grünflächenpflege aktiven Akteuren in den beiden Betrachtungsräumen.
Chancen für den Regionalpark
Ziel ist ein Werkzeug, dass es unterschiedlichsten Akteuren in der Grünflächenpflege erlaubt, kurzfristig ihre vorhandenen Biomassepotenziale zu ermitteln und sich aktiv um die energetische Verwertung ihrer Rohstoffe zu kümmern. Weitergehende Kooperationen sind in diesem Kontext gut vorstellbar - nicht nur zwischen den Kommunen und regionalen Institutionen und dem Garten- und Landschaftsbau, sondern auch mit der Landwirtschaft im Ruhrgebiet. Der Entwicklung eines neuen Managementmodells für den Emscher Landschaftspark kommt dabei eine besonders wichtige Rolle zu. Auch wenn die offenen Fragen und drängenden Probleme der Grünflächenpflege hier allein nicht gelöst werden können - die Region begibt sich gemeinsam auf die Suche nach Antworten. Will man das Potenzial des Emscher Landschaftsparks als Sinnbild des erfolgreichen Strukturwandels für den Imagegewinn der Region dauerhaft sichern und damit den Strukturwandel der Region dauerhaft gewährleisten, gibt es hierzu für alle Beteiligten keine Alternative.4)
Gelingt es hier, die entsprechenden Fortschritte zu erzielen, wird dies nicht nur einen sinnvollen Beitrag zur Grünflächenpflege und Kulturlandschaftsentwicklung im Ruhrgebiet leisten, sondern darüber hinaus diese auch nachhaltig mit regionalen Wirtschafts- und Stoffkreisläufen verzahnen.
Verfahren der Trockenfermentation: Bei der Biomassenutzung des kommunalen Rasenschnitts heißt das Mittel der Wahl bei den derzeitigen technischen Voraussetzungen Trockenfermentation. Bei diesem Verfahren wird stapelbares Material wie Bioabfall, Landschaftspflegematerial, Festmist, nachwachsende Rohstoff (NaWaRo) und Gartenabfall/Grünschnitt gemischt und in ein geschlossenes Containersystem mit dem Radlader eingebracht. Das Material wird mit dem Gärsaft von bereits fermentiertem Material besprüht (Perkolat). Das Perkolat sickert durch das eingebrachte Substrat und setzt die Fermentation in Gang. Das Gas wird während des Gärprozesses ständig abgesaugt; auch aus dem Perkolatbehälter wird Gas gewonnen. Nach einer Verweildauer von etwa 3 Wochen - in Abhängigkeit vom Substrat - im thermophilen Bereich, ist die Fermentation abgeschlossen und die Behälter können neu befüllt werden. Die Gärreste werden anschließend zu hochwertigem Kompost weiterverarbeitet. Dessen Ausbringung ist in der Landwirtschaft, im Gartenbau und im privaten Bereich möglich. Aus einer Tonne Gärrest gewinnt man etwas über eine halbe Tonne Kompost.
Störstoffe, vor allem von Siedlungsmüll, können durch ein Magnetverfahren, durch Sieben oder Zerkleinern entfernt werden. Auch dies kann vor oder nach der Fermentation erfolgen.
Für eine optimale Vergärung des Rasenschnitts wird Strukturmaterial benötigt, damit das Perkolat nicht an den Seiten herunterläuft. Hier sind Bioabfall, geringe Mengen an Strauchschnitt, Festmist, oder Landschaftspflegematerial geeignet. Eine Trockenfermentation von Rasenschnitt als Mono-Substrat ist nach derzeitigem Stand nicht möglich. Für die Beschickung kleinerer Anlagen, die dezentral betrieben werden, sind Jahresmengen von 3000 bis 8000 Tonnen notwendig. Durch die Fermentation können Strom, Wärme und Kälte produziert werden.
Anmerkungen
¹) Dabei befindet sich ein zusammenhängend wahrnehmbares Parkprodukt selten nur in der Hand eines Besitzers oder pflegenden Akteurs, so dass viel Koordinationsarbeit zu leisten ist, um ein qualitätvolles Gesamtbild entstehen zu lassen. In mehr als 90 Prozent aller untersuchten Parkprodukte sind die Eigentumsverhältnisse und damit auch die Verantwortlichkeit der Pflege zersplittert (Dettmar, Jörg & Rohler, Hans-Peter (2009): Emscher Landschaftspark - Pflege auf regionaler Ebene. Garten + Landschaft 1/2009).
²) Oldenburg, Saskia: "Die Verwertung von Gras- und Rasenschnitt von der Quelle bis zum Biogas- und Gärprodukt", TU Hamburg-Harburg. berbion.de/file.php/Block-2-1-S.-Oldenburg.pdf-2011-09-08.
³) ebd.: "Energetische Verwendung von Mischgrün", TU Hamburg-Harburg. www.dgaw.de/files/uploaded/oldenburg.pdf
4) (Dettmar, Rohler, Jörg & Hans-Peter (2009): Emscher Landschaftspark - Pflege auf regionaler Ebene. Garten + Landschaft 1/2009).