Zentralfriedhof Stralsund zwischen Interessen und Ansprüchen
Friedhof - Gartendenkmal - Park - Ökologische Landschaft
von: M. Sc. Martin JeschkeDie hoheitliche Aufgabe Friedhof unterliegt dem kontinuierlichen demographischen, demokratischen und gesellschaftlichen Wandel. Die Friedhofsnutzung wird durch Gesetze und Satzungen geregelt, die Umsetzung folgt den Ansprüchen der Nutzer, und dem letzten Willen der Verstorbenen. Auch wenn das subjektive Gefühl ein anderes ist, die aktuellen Veränderungen in der Friedhofskultur sind in vielerlei Hinsicht gravierend.
Als Jugendlicher, in den 1990er-Jahren, begleitete ich meine Oma noch regelmäßig zum Urnenreihengrab meines Opas auf dem Waldfriedhof in Schwerin. Sie begrüßte die Hinterbliebenen der benachbarten Verstorbenen, holte Vase und Harke hinter dem Grabstein aus Schwarz-Schwedischem hervor und schickte mich mit der Gießkanne zum Brunnen. Es schien, als wäre diese Art der Friedhofskultur in Stein gemeißelt. In Wahrheit bröckelte sie schon, meine Oma selbst sprach von der "grünen Wiese" für ihre Bestattung und davon, dass Sie uns nicht zur Last fallen wolle und auch meine Mutter wollte weder "ständig zum Friedhof rennen" noch mir das zumuten. Was ich persönlich für zumutbar halte wurde nie hinterfragt, auch spielte der persönliche Bezug zur Trauer für diese Absicht keine Rolle.
In diesem Zeitraum zeichneten sich, mit regionalen Unterschieden, die mit den gesellschaftlichen Veränderungen einhergehenden, bis heute beliebten Bestattungsangebote auf den Friedhöfen ab. Für den Zentralfriedhof Stralsund zeigen die Statistiken der Urnengemeinschaftsanlagen (umgangssprachlich "grüne Wiese", anonym oder mit namentlicher Kennzeichnung) diesen Wandel. Im Jahr 1983 waren es zehn anonyme Bestattungen, 269 im Jahr 2006 und 2019 wurden 230 Bestattungen auf Urnengemeinschaftsanlagen durchgeführt.
Die auch auf dem Zentralfriedhof Stralsund insgesamt rückläufigen Bestattungszahlen erklären sich im Besonderen durch die Konkurrenz mit Seebestattungen und anderen alternativen Bestattungsformen. Im Zusammenhang der in der ehemaligen DDR ideologisch und wirtschaftlich bevorzugten Feuerbestattung, ergibt sich der geringe Anteil von durchschnittlich zwölf Erdbestattungen im Jahr auf dem Zentralfriedhof. Dementsprechend entstanden in den letzten Jahrzehnten, nicht nur in Stralsund, für die gebührenfinanzierten Friedhöfe vielfach negative Veränderungen in der Einnahmenstruktur.
Durch die rückläufige Belegung entstehen große Überhangflächen die nicht mehr für Bestattungen genutzt werden, aber selbstverständlich grünpflegerisch bewirtschaftet werden müssen. Der Umgang mit diesen Flächen hat sowohl Potenziale für eine veränderte Planung des gesamten Geländes und Anpassungen an moderne Bestattungsformen, als auch für zukünftige Maßnahmen im Sinne eines sich ändernden Naturverständnisses.
Die Modernisierung der Friedhofsverwaltung und die mit ihr einhergehende Digitalisierung sind kontinuierlich Prozesse, die permanent Neuerungen erfahren. Der digitale Friedhofsplan, ein benutzerfreundlicher Internetauftritt und die Nutzung von Online-Dienstleistungen sind schon Standard. Die Schwierigkeiten entstehen mit den verschiedenen Geschwindigkeiten des menschlichen und technischen Fortschritts. Verständlicherweise ist ein Großteil der Friedhofsnutzer nicht online und dementsprechend werden die Angelegenheiten persönlich, per Post oder am Telefon geregelt. Wie und wann die Friedhofsverwaltung vollständig digitalisiert werden kann, bleibt dabei fraglich, denn der Tod wird wohl eine analoge und sehr persönliche Sache bleiben, die oft den Kontakt zu einer*m einfühlsamen Mitarbeiter*in braucht.
Seit März dieses Jahres gehört die Friedhofskultur in Deutschland zum immateriellen Weltkulturerbe. Es gilt also einen Wert zu schützen und wirtschaftlich auskömmlich zu erhalten, der einer andauernden wenn auch vergleichsweise langsamen Veränderung unterworfen ist. Das gleichzeitige Bewahren, Gestalten und Planen der Friedhöfe erfordert somit den Kompromiss zwischen den bestehenden Bestattungstraditionen, dem Kulturerbe und den zukünftigen Bedürfnissen der Trauernden.¹ Diese Aufgabe kann nur gelingen, wenn Friedhöfe diesen Trauerbedürfnissen folgen, die eigene Bedeutung für die Trauerbewältigung behaupten und ihre Sinnhaftigkeit für die Gesellschaft nachvollziehbar darstellen.
Unter den folgenden Überschriften sollen die vordergründigen Ansprüche an den Zentralfriedhof in Stralsund kurz beschrieben werden, deren gesamte Bandbreite erfährt eine stetige Erweiterung und ist hier nur schwerlich darstellbar.
Der Stralsunder Zentralfriedhof wird seit 1944 als Friedhof genutzt. Die heute 28 Hektar großen Anlage wurde als Waldfriedhof im Sinne der Friedhofsreformbewegung geplant und in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts entsprechend der ursprünglichen Planung erweitert. Ein detaillierter Blick auf die Geschichte des Zentralfriedhofs erfolgt unter dem Punkt Gartendenkmal, hier sollen aktuelle Ansprüche und Maßnahmen beschrieben werden.
SUG-Stellenmarkt
Die Erweiterung und Ergänzung von Grabangeboten steht vielfach in Verbindung mit dem Wunsch der Angehörigen, von der Verpflichtung zur Pflege des Grabes entlastet zu werden aber auch individuelle Trauerrituale zu ermöglichen. Durch die persönliche Ausnahmesituation der Trauernden entstehen erklärbare Unterschiede zwischen der gewählten Beisetzungsart und dem nachfolgenden Trauerverhalten.² Der Zentralfriedhof Stralsund bietet Lösungen an, die von der traditionellen Grabpflege entpflichtet und gleichzeitig Trauerhandlungen am Grab, wie das Niederlegen von Blumen oder das Nutzen von Vasen oder bepflanzten Schalen zulassen. Absicht ist es, für die Angehörigen die größtmögliche Freiheit für ihre individuelle Trauer im Rahmen der bestehenden Satzung und Gesetze zu gewährleisten. In Stralsund wurden in diesem Verständnis unter anderem folgende Angebote etabliert:
Urnen-Baumwahlgrab
Ein Familiengrab für Urnenbeisetzungen am Baum, ohne eigene Grabpflege. Acht einheitlich mit Efeu bepflanzte Gräber um einen Baum bilden eine Gemeinschaft. Ein individuelles liegendes Grabmal ist zulässig. Die in Abb. 4 gezeigte Grabfeld besteht seit 2018. Die gepflanzten Sorbus intermedia gedeihen gut und das Angebot erfreut sich großer Beliebtheit bei Nutzern und Besuchern.
Urnen-Baumreihengrab im Stralsunder Parkfrieden
Der Parkfrieden steht für eine Form der Baumbestattung nach dem Friedwald/ Ruheforstprinzip. Orientierungspunkt für den Begräbnisplatz ist der Baum, die Beisetzung erfolgt kreisförmig um den Stamm. Die Einzelurnenlage ist nicht frei wählbar und unter der gepflegten Rasenfläche anonym.
Urnenwahlgrab mit Pflege und Bepflanzung in einer Gemeinschaftsgrabanlage
Das Urnenwahlgrab mit Pflege und Bepflanzung ist ein Grab für Urnenbeisetzungen, wenn keine eigene Grabpflege gewünscht oder selbstständig möglich ist. Einheitlich bepflanzte Gräber bilden eine Gemeinschaftsgrabanlage, die eine individuelle Gestaltung begrenzt zulässt. Die Gräber werden komplett mit Wechselbepflanzung, Grabpflege und einer schlichten Wintereindeckung angeboten.
Urnenwahlgrab in einer Themengrabanlage
Die Themengrabanlage ist eine Beisetzungsmöglichkeit für einzelne Urnen mit Verlängerungsoption oder Doppel- beziehungsweise Paarbestattungen in einer gepflegten Grabgemeinschaft mit namentlicher Kennzeichnung. Es handelt sich um eine Sonderform des Urnenwahlgrabs, dass vom Friedhofspersonal zu verschiedenen Themen komplett gestaltet und gepflegt wird.
Einige dieser Angebote konnten erst in Verbindung mit den entstandenen Überhangflächen (rechnerisch ca. 600,00 m²/Jahr) angelegt werden. Die planerische Absicht für den Zentralfriedhof beinhaltet Überhangflächen vollständig von Belegungen freizuhalten, um diese sowohl für friedhoftypische, gartendenkmalpflegerische oder ökologische Maßnahmen neu zu beplanen und dadurch auch die Belegung auf noch genutzten Flächen zu konzentrieren.
Ziel ist es, die Kosten für die Pflege der Gesamtanlage zu reduzieren und gleichzeitig den allgemeinen Wert für Trauer-, Erinnerungs- und Erholungsfunktionen zu steigern. Die Umwandlung von Grabflächen und intensiv gepflegten Rasenflächen in extensiv gepflegte Bereiche ist Bestandteil dieses Vorgehens zur Kostenreduzierung (s.: ökologische Maßnahmen). Grundsätzlich haben in Stralsund bei der Inwertsetzung von Überhangflächen alle Nutzungen, die ohne Bodenversiegelung auskommen, Vorrang. "Kleiner, vielfältiger, pflegeleichter"³ ist somit auch auf dem Zentralfriedhof das Ziel aller Um- und Neuplanungen.
Die Verkehrssicherung, die Pflege und die Erstellung eines digitalen Katasters für die Bäume fordern viel Zeit und Kraft von den Gärtnerinnen und Verwaltungsmitarbeiterinnen des Zentralfriedhofs Stralsund, da diese Ansprüche aber für alle öffentlichen Grünanlagen gelten wird das Thema unter der Überschrift Park beschrieben. Das Gleiche gilt für die Wege, deren guter Zustand ein verständlicher Anspruch aller Friedhofsnutzer ist.
Die Veränderungen der Friedhofskultur und die Sinnhaftigkeit der Friedhöfe müssen, wie schon erwähnt, für die Gesellschaft nachvollziehbar dargestellt werden. In Stralsund hat die Öffentlichkeitsarbeit für den Zentralfriedhof einen hohen Stellenwert, sie dient der Werbung, Aufklärung und Transparenz. Friedhofsbezogene, denkmalpflegerische oder naturkundliche Führungen finden bis zu zehnmal im Jahr statt. Pressemitteilungen informieren über Organisatorisches wie Einebnungen, größere Bauarbeiten und sonstige Veränderungen.
Im Besonderen die Ankündigung von notwendigen Baumfällungen werden mit Terminen für Führungen verbunden, um entsprechend der Sensibilität des Themas aufzuklären. Die Zeremonien zu Feiertagen wie dem Tag der Befreiung, dem Volkstrauertag und dem Totensonntag werden medial unterstützt. Die durch den Zentralfriedhof gemachten Angebote dienen den Lebenden beim Umgang mit dem Tod. In einer alternden Gesellschaft kann das Thema Tod nur schwerlich verdrängt werden. Die bewusste öffentliche Auseinandersetzung mit dem Lebensende ist eine entscheidende Aufgabe für die Friedhöfe und dient deren Erhalt.4
In der Denkmalliste der Hansestadt Stralsund wird der Zentralfriedhof seit 1999 geführt. Der auf dem Zentralfriedhof befindliche Ehrenhain hat seit 2002 einen eigenen Denkmalstatus. Ein grober Überblick der Geschichte des Stralsunder Zentralfriedhofs dient dem Verständnis der denkmalpflegerischen Zielstellungen:
1939 ? Plan für den neuen "Hauptfriedhof Stralsund" von Gartenbauinspektor Hans Winter, 02.02.1939. Der Plan wird durch den Regierungspräsidenten in Stettin sowie den Oberbürgermeister bestätigt und zur Ausführung beschlossen, erste Bauabschnitte werden realisiert.
1940 ? Es erfolgten umfangreiche Pflanzenlieferungen der Baum- und Rasenschule Neuhoff in Rellingen/Holstein. In einem Kostenvoranschlag werden 5000 Birken, 100 Eichen, 30.000 Wildrosen, 2000 Wacholder und 10.000 Forstpflanzen für die Bepflanzung des neuen Friedhofes erwähnt.
1941 ? Die ersten Bauabschnitte werden fertiggestellt und für Bestattungen freigegeben. Auf Veranlassung des Beauftragten für die Gestaltung von Heldenfriedhöfen wird in den Plan von Hans Winter ein Ehrenfeld für die gefallenen Soldaten der Wehrmacht eingefügt, durch den der 1939 geplante Hauptzugang zum Friedhof vom Heinrich-Heine-Ring an die Prohner Straße verändert wird.
1944 ? Mit dem Sterbedatum 19.01.1944 ist Karl-Heinz Unmack der erste Verstorbene, der auf dem Grab Nr. 1 des Ehrenfeldes, der heutigen Kriegsgräberstätte, seine letzte Ruhe findet.Am 6. Oktober 1944 werden die Opfer des Bombenangriffs auf Stralsund auf dem Ehrenfriedhof bestattet.
um 1950 ? Die heutige Hauptachse wird mit Linden bepflanzt, die westliche und südliche Friedhofsbegrenzung durch Einzäunung und Gehölzpflanzungen markiert.
ab 1955 ? Bau der Feierhalle auf dem Zentralfriedhof.
ab 1956 ? Unter der Leitung des Gartenarchitekten Hartmut Olejnik wird der Friedhof nördlich des Hauptzuganges schrittweise erweitert, der Hauptweg befestigt sowie Wasserleitungen gebaut.
1971 ? Auf dem Ehrenfeld wird eine Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkrieges angelegt.
1993 ? Zur Bewirtschaftung des Zentralfriedhofes wird ein kommunaler Eigenbetrieb gegründet.
1997 ? Mit dem Neubau der Gebäude am Heinrich-Heine-Ring 77 entsteht eine moderne Friedhofsverwaltung. Der ursprünglich im Plan von 1939 vorgesehene Friedhofseingang vom Heinrich-Heine-Ring wird zur Erschließung der Friedhofsverwaltung umgesetzt.
Die Vorbilder für den Stralsunder Zentralfriedhof sind die bedeutenden Beispiele der Friedhofskultur ab 1900: Der Parkfriedhof Hamburg-Ohlsdorf, der Waldfriedhof München und der Stettiner Hauptfriedhof. Der Zentralfriedhof gilt in diesem Zusammenhang als regional bedeutsames Beispiel für die Umsetzung von modellhaften Planungen und Reformkonzepten in der Friedhofskultur der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts.5
Dem Entwurf für den "Hauptfriedhof" von Hans Winter (s. Abb. 7) lag eine bis heute gut nachvollziehbare planerische Absicht zu Grunde. Drei bestimmende Sichtachsen und ein breiter Umgangsweg, der die Wege zu den einzelnen Grabfeldern führt, bilden ein Grundgerüst. Ein dichter Waldsaum mit einer standortgerechten Zusammensetzung des Bestandes umschloss die gesamte Friedhofsanlage und ermöglichte dort zahlreiche, zwanglos eingefügte Waldgrabstellen. Im Inneren Teil befanden sich streng gefasste Räume für rechteckige Begräbnisfelder mit lichtem, hainartigem Baumbestand.
Die hier genannten grundlegenden Merkmale der Anlage bestimmen die Ziele der denkmalpflegerischen Maßnahmen. Priorität haben: "Die Substanzerhaltung der landschaftsgärtnerischen und architektonischen Gestalt des Friedhofs gemäß seiner Grundideen einschließlich der historisch bedeutsamen Wege- und Blickführungen, der ursprünglichen Rahmen- und Quartiersumpflanzungen, kulturgeschichtlich oder gestalterisch bedeutender Grabdenkmale nebst qualitätsvolle Grabstättenbepflanzungen, des Ehrenhains sowie der Trauerhalle und der Brunnenanlagen."6 Entscheidende Veränderungen entgegen der Grundidee von Hans Winter bilden die 1956 an der Hauptachse zur Trauerhalle gepflanzte Lindenallee, deren Austausch wohl frühestens in 50 Jahren möglich sein wird, und das 1997 errichtete Verwaltungsgebäude im Bereich des ursprünglich geplanten Haupteingangs.
Über die müßige Suche nach rekonstruierbaren Leitzuständen, im Besonderen in Hinsicht auf die pflanzliche Ausstattung, hinaus, prägen in Stralsund die Leitidee und der Erhalt der Öffentlichkeit des Freiraums die denkmalpflegerischen Arbeiten. Die Vervollständigung des 1939 geplanten, den Friedhof umgebenden Waldsaums unterstützt die aktuelle Planung bei dem Ziel an den Rändern der Anlage befindliche Überhangflächen "aufzuforsten" und die Grabfelder im Zentrum des Friedhofs zu konzentrieren.
Der Ehrenhain (Ehrenfriedhof, bis 1945 Heldenfriedhof) ist Bestandteil des denkmalgeschützten Zentralfriedhof und Einzeldenkmal der Stralsunder Denkmalliste, als Kriegsgräberstätte unterliegt er dem ewigen Ruherecht. Die Geschlossenheit der ihn umgebenden Gehölze separiert die Anlage von angrenzenden Grabfeldern. Die Begräbnisfelder sind als schlichte Rasenflächen mit hainartig platzierten Baumgruppen gestaltet. In ihrer heutigen Form entstand die Anlage 1971 als Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs.
Im Jahr 2001 erfolgte die Aufstellung eines Hochkreuzes im Zentrum des Ehrenhains sowie das Setzen von Symbolkreuzen auf den Rasenflächen zur Kennzeichnung der Begräbnisfelder.7 Die denkmalpflegerischen Anforderungen unter Berücksichtigung des Originalentwurfs von Hans Winter, wie die Fassung des zweiten Eingangs mit einer Stützmauer und die Aufgabe einer in den 70er-Jahren gepflanzten Lindenallee, sind langfristig Aufgaben.
Schon 2019 hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge am Volkstrauertag das Gedenken auf dem Ehrenhain veranstaltet. Es ist die Absicht der Friedhofsleitung, auch in Zukunft, gesellschaftlicher Trauer auf dem Ehrenhain in Stralsund einen festen Platz einzuräumen und das gemeinschaftliche Gedenken fester zu etablieren.
Die Grabdenkmale des Zentralfriedhofs wurden 1999 erstmals erfasst und kategorisiert. Die entstandene Liste wird kontinuierlich ergänzt. Die 61 erfassten Grabsteine werden nach Abstimmung mit den Nutzern an der ursprünglichen Begräbnisstätte belassen oder im Rahmen der Einebnungen von den Mitarbeitern in der sogenannten Galerie wieder aufgestellt.
Es handelt sich um Grabsteine mit besonderem künstlerischem oder handwerklichem Wert, um Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder steinerne Zeugen eines abgeschlossenen Zeitabschnitts. Die Galerie ist auch im Rahmen der Grabsteinauswahl bei Nutzern und Steinmetzen beliebt.
Park - öffentliche Grünfläche
Die Friedhöfe sind in den meisten Fällen die größten öffentlichen Freiräume der Städte. Über die Aufgabe der Beisetzung hinaus ist der Friedhof auch ein Ort der lokalen Identität und der Gemeinschaft, ein Kommunikations- und Alltagsort. Diese Bedeutung der Friedhöfe als städtische Grün- und Erholungsflächen ist als grünpolitischer Wert berechenbar. Er dient der Übernahme von grünpflegerischen Kosten der Friedhöfe durch die kommunalen Gartenämter. In Stralsund ist der grünpolitische Anteil an den Gesamtkosten wichtig für die Unterhaltung des Friedhofs. Im Verständnis des zukünftig steigenden Werts von städtischen Grünanlagen und den weiterhin entstehenden Überhangflächen wird er höher zu bewerten sein.
Der Zentralfriedhof Stralsund ist zuerst Friedhof und dann Park. Dementsprechend ist der Friedhof kein Sport, Spiel- oder Hundeplatz. Ein entscheidender Punkt für die Wahrnehmung durch die Nutzer. Spaziergänge, angemessene Erholung (ohne Bier, Grill und Musik) oder Naturbeobachtungen in Anerkennung des Ortes und der "üblichen" Nutzer sind erwünscht und schaffen eine Verbindung zum Zentralfriedhof über die Bestattungen hinaus.
Eindeutig scheint, dass Friedhöfe mit guter pflanzlicher Ausstattung, brauchbarer Infrastruktur und einem ansprechendem Pflegzustand länger ihre gesamtgesellschaftliche Daseinsberechtigung erhalten werden.
Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht und der hohen Sicherheitserwartung durch die Nutzer ist vor allem die Pflege der 3500 Bäume eine Mammutaufgabe. Dem größten Teil der seit 1939 gepflanzten Bäume fehlt die Entwicklungspflege und dadurch ein durchgehender Leittrieb und ein in der Alterungsphase gut pflegbarer Kronenaufbau. Das gilt für die Baumpflanzungen bis in die 1990er-Jahre. Daraus resultiert der immense Pflege- und Kontrollaufwand, der nur durch die Erfahrung und die Kenntnis, des seit 20 Jahren auf dem Friedhof angestellten ehemaligen Försters bewältigt werden kann. Er koordiniert die Maßnahmen für "seine" Bäume im Rahmen der finanziellen Mittel baumgenau. Der große Wert von langjähriger Erfahrung und Kenntnis für den geordneten und würdevollen Betrieb des Zentralfriedhofs gilt selbstverständlich für alle Mitarbeiter.
Baumkletterer sind sechs Wochen im Jahr auf dem Zentralfriedhof beschäftigt.
Die Verwendung von schwerem Gerät ist durch die gestörten Bodenverhältnisse der Grabfelder nur selten möglich und die direkt unter den Bäumen befindlichen Gräber erschweren den Einsatz zusätzlich. Pflegeeinsätze mit Hubbühnen und zumutbare Fällungen werden durch das Friedhofspersonal selbst durchgeführt. In dem im Jahr 2017 erstellten digitalen Baumkatasters müssen derzeit noch ca. 20 Prozent der Bäume erfasst werden. Die Baumkontrolle wird aufgrund des Pflegezustands und der sich permanent ändernden Bodenverhältnisse bei über 90 Prozent der Bäume einmal jährlich durchgeführt.
Die 34.000 Quadratmeter Wege des Zentralfriedhofs werden als wichtige Strukturgeber nach Nutzungspriorität, in wassergebundener Form und mit dreischichtigem Aufbau seit 2017 erneuert. Der über Jahrzehnte oftmals fußläufig verdichtete Wald- und Ackerboden der ursprünglichen Wege wurde der Aufgabe schon lange nicht mehr gerecht. Beim Befahren mit Arbeitsgeräten oder zur Müllentsorgung entstanden vielfach Schäden an den Wegen die sowohl für die Nutzer des Friedhofs unzumutbar als auch für die alltäglichen Arbeiten erschwerend waren. Der Ausbau geschieht in Eigenregie und mit den örtlichen Möglichkeiten von Mensch und Maschine. Es entstehen gute Wege aus 0/32 Mineralgemisch und Brechsand, die aber, wie alle wassergebundenen Wegedecken, einer kontinuierlichen Pflege bedürfen.
Ökologische Landschaft
Das Allgemeingut Öffentlichkeit und die großen ökologischen Reserven der Friedhöfe bilden, in Anbetracht der sich ändernden Friedhofskultur, den gesellschaftlichen Wert der ihre Zukunft über die Bestattungen hinaus sichern wird. Die auch in Deutschland veränderte Naturwahrnehmung bietet für Friedhöfe Möglichkeiten zur Mitgestaltung bei der ökologischen Ertüchtigung der Städte und für neue naturnahe Bestattungsangebote. Hier sei kurz erwähnt, dass aus nachhaltig ökologischer Sicht eine Erdbestattung einer Feuerbestattung vorzuziehen ist.
In Stralsund werden die ökologischen Maßnahmen noch zum größten Teil auf die Überhangflächen beschränkt, die Anlage von naturnahen Grabangeboten (z. B. Streuobstwiesen) ist aber absehbar und entspricht aktuellen Ideen. Zurzeit haben viele Nutzer noch sehr klassische Vorstellungen zum Pflegezustand der Friedhöfe. Im Besonderen gehören intensiv gemähte Rasenflächen zu diesem gewünschten Bild. Die im Folgenden beschriebenen ökologischen Maßnahmen haben aber im Jahr 2020 vorerst zu keinen Beschwerden bezüglich des Pflegezustands geführt.
Ein erster größerer Versuch zur Umsetzung mehrere Maßnahmen zur Weiterentwicklung der ökologischen und damit auch ökonomischen Nachhaltigkeit wird seit dem Frühjahr 2020 durchgeführt.
Auf ersten Probefeldern wird versucht, einen Teil der intensiv gepflegten Rasenflächen durch Sukzession in standortgerechte Wiesen umzuwandeln. Wie erwähnt, betrifft das vorrangig die entstandenen Überhangflächen, die bis dahin in derselben Regelmäßigkeit wie die Rasenflächen auf Grabfeldern gemäht wurden. Dadurch wurden Mitarbeiter und Geräte an Arbeiten gebunden, deren Einsatz für andere Aufgaben sinnvoller wäre. Die ökologischen Vorteile von Wiesen gegenüber Intensivrasen sind eindeutig: Bienenweide, Vergrößerung der Artenvielfalt bei einheimischer Flora und Fauna, biotopverbessernde Faktoren und eine verringerte Störung der Arten und Flächen durch häufige Mäharbeiten. Die positive ästhetische Wirkung von blühenden Wiesen, ist ein weiterer nicht zu vernachlässigender Grund für deren Anlage.
Bei der Herstellung der Wiesenflächen wurde darauf geachtet, an ihren Rändern gerade Kanten zu mähen um einen gewollten beziehungsweise geordneten Eindruck zu vermitteln. Die ca. 5000 Quadratmeter Wiesen wurden von April bis August nicht gemäht. Die Mahd im August, eines Großteils der Flächen stand im Zusammenhang mit dem sehr guten Wachstum und dem dadurch erhöhten Aufwand für die Mäharbeiten. Die verbliebenen Wiesen (ca. 1000 m²) werden zur Prüfung der Artenzusammensetzung bis zum Ende der Vegetationsperiode erhalten. Es sind, mit diesem ersten Versuch, keine üppigen bunten und besonders artenreichen Wiesen entstanden.
Durch Sukzession sollte sich zeigen, "Was da so kommt" und dementsprechend waren es viele kleine Bäume und Gräser und wenige Kräuter und Sommerblumen. "Jeder Garten ist Experiment" sagte schon Fürst Pückler-Muskau und in diesem Sinne werden die Wiesen in den nächsten Jahren ihren Standorten entsprechend mit Nachsaaten, unterschiedlichen Mahdzeitpunkten und Anpassung an die Gegebenheiten unterstützt. Wichtigstes Ergebnis des Versuchs war der Zuspruch durch die Nutzer, die entgegen der Erwartungen die Wiesen grundsätzlich positiv bewerteten. Das schafft eine Motivation für die kommenden Jahre, den größten Teil der Überhangflächen in Wiesen umzuwandeln.
In Verbindung mit den Wiesen und dem schon vorhandenen Blütenreichtum auf dem Zentralfriedhof hat ein Imker mehrere Bienenkästen in geeigneten Bereichen aufgestellt. Es gibt deutschlandweit gute Beispiele für die Imkerei auf Friedhöfen, die auch für den Stralsunder Zentralfriedhof als Vorbilder dienen. Trotz eines erschreckend dummen aber zum Glück einmaligen Vorfalls von Vandalismus an den Bienenkästen (Beuten) hatten Imker und Bienen ein gutes Jahr.
In einigen Gehölzsäumen und waldartigen Randbereichen des Zentralfriedhofs werden vereinzelt Haufen aus Totholz angelegt. Die Entwicklung von Totholz oder das natürliche Absterben der Bäume auf dem Friedhofsgelände ist im Rahmen der Verkehrssicherheit nahezu unmöglich. Totholz bietet, je nach Baumart, Standort und Grad der Zersetzung verschiedene ökologische Nischen für im oder vom Holz lebende Arten. Aufgrund der nicht vollständig geklärten Verhaltensweisen von baumzersetzenden Pilzen erfolgt die Zusammenstellung der Totholzhaufen in Abhängigkeit der sie umgebenden Bäume. Es liegt also kein Totholz von Buchen in einem von Buchen bestandenem Bereich.
Die Vermittlung zwischen den berechtigten Ansprüchen der Nutzer an den (geordneten) Kulturort Friedhof und der Umgang mit seiner (wilden) pflanzlichen Ausstattung ist eine langfristige Aufgabe. Ökologische Maßnahmen und ein naturnaher Umgang mit Friedhöfen sind in diesem Sinne keine Respektlosigkeit gegenüber den Verstorbenen.
ANMERKUNGEN
¹ Friedhofskultur. (5/2020): Aufnahme in immaterielle Kulturerbliste, Bewahren, gestalten und entwickeln, S. 26-27.
² Czasny, G. (2009): Probleme von Angehörigen im Umgang mit Grab und Friedhof - ein zentrales Problem für Friedhofsträger. In: Deutscher Naturwerkstein Verband e. V. (Hrsg.), Orte, die "gut tun", "Zukunft unserer Friedhöfe". S. 13.
³ Morgenroth A. (2009): Inwertsetzung von Friedhofsüberhangflächen. Aeternitas e. V. (Hrsg). S. 5.
4 Friedhofskultur. (6/2020): Alternde Gesellschaft, Studie untersucht, wie wir Menschen sterben wollen. S. 12.
5 Stolzenburg K. (2002): Der neue Friedhof von Stralsund als regional bedeutsames Beispiel für die Umsetzung von modellhaften Planungen und Reformkonzepten in der Friedhofskultur der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Magisterarbeit. Greifswald. S. 8-12.
6 Pfennig, A. (1999): Gartendenkmalpflegerische Zielstellung für die Erhaltung und gestalterische Weiterentwicklung des Zentralfriedhofes in Stralsund. Hansestadt Stralsund (Hrsg.)
7 Pfennig, A. (2002): 1. Fassung denkmalpflegerische Zielstellung, Zentralfriedhof-Ehrenhain. Hansestadt Stralsund (Hrsg.)