38. Osnabrücker Baumpflegetage

Forschung widerlegt erhöhte Bruchgefahr durch V-Zwiesel

Zwiesel Baumforschung
Eine neue Studie aus Göttingen zur Verkehrssicherheit von Zwieseln sorgt für Sprengstoff unter den Baumpflegern und könnte die Fachwelt revolutionieren. Foto: Danilo Ballhorn

Bei den 38. Osnabrücker Baumpflegetagen debattierten Experten der Baumpflege und Grünplanung über die Potenziale klimaresilienter Bäume. Rund 300 Teilnehmer besuchten die Messe und Fachtagungen am Campus Haste der Hochschule Osnabrück. Besonders die neuesten Forschungsergebnisse über die Verkehrssicherheit von Zwieseln entfachten eine hitzige Diskussion im Publikum.

Experimente zu Zwieseln verunsichern die Fachleute

"V-förmige Zwiesel seien weniger stabil als U-förmige Zwiesel - das ist schlichtweg falsch", leitete der Experte für Arboristik und Baumpflege, Prof. Dr. Steffen Rust, sein Referat ein. In der Praxis gelten die Querschnittsveränderungen am Achselholz der Stämmlinge von V-Zwieseln als akute Bruchstellen. "Die Forschungsergebnisse widerlegen, dass von V-Zwieseln eine erhöhte Bruchgefahr ausgeht", erklärte Rust. Die sogenannten Zwieselohren, die am Achselholz von V-Zwieseln typischerweise entstehen, würden sich ebenso wenig auf die Verkehrssicherheit der Bäume auswirken. Mit den Erkenntnissen würden sich viele Baumfällungen vermeiden lassen, so Rust weiter.

"Die Leitkultur der Praxis schürt unnötige Angst vor Zwieseln", mahnte Rust. Einschätzungen zur Verkehrssicherheit von Zwieseln würden in der Fachliteratur und Rechtsprechung ausschließlich auf theoretische Hypothesen gestützt werden. "Zur Versagensrate unterschiedlich ausgeformter Zwiesel gibt es keine belastbaren Zahlen", so Rust weiter.

Einzig Risse und Fäulen in den Vergabelungen von Zwieseln würden eine erhöhte Bruchgefahr anzeigen, erklärte Rust. Eindringende oder eingewachsene Rinde am Achselholz würde den Baum nachweislich nicht in seiner Stabilität beeinträchtigen. Bäume anhand der Zwieselohren in "gefährlich" und "potenziell gefährlich" einzustufen, sei im Experiment an über 1000 Zwieseln ebenfalls widerlegt worden, so Rust weiter.

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Zwiesel Baumforschung
"Wir als Fachleute müssen die Nachfrage schaffen, dass die Baumschulen zukunftsträchtige Gehölze produzieren", rief Prof. Dr. Jürgen Bouillon auf. Foto: Danilo Ballhorn

Hitzige Diskussionen im Veranstaltungssaal

Stimmen aus dem Publikum kritisierten, dass man nicht auf der Grundlage dieser einen Studie die jahrzehntelangen Praktiken der Baumpflege über den Haufen werfen könnte. Experten wie Peter Wohlleben hätten in der Fachliteratur beschrieben, welche Gefahren von V-Zwieseln ausgehen und dass diese sofort zu fällen seien, um Schäden zu vermeiden.

Andere sahen die Forschungsergebnisse als Ansatz, die Baumpflege in Bezug auf den Umgang mit Zwieseln zu reformieren. Einige im Publikum zeigten sich verunsichert, wie die Erkenntnisse in der Praxis künftig anzuwenden seien, wenn die Regelwerke, Rechtsprechung und Praktiken der Baumpflege angepasst werden müssten.

"Wir Planer brauchen keine Angst vor Klimabäumen haben", erklärte Hochschulprofessor für Vegetationstechnik und Gehölzverwendung der Hochschule Osnabrück, Prof. Dr. Jürgen Bouillon. Es gäbe sehr gute Entscheidungshilfen, denen Planer und Stadtverwaltungen vertrauen könnten. "Es gibt keinen Designerbaum, der die Allzwecklösung sein wird", betonte Bouillon. Man müsse Kompromisse eingehen, aber es gebe geeignete Bäume für jeden urbanen Standort. "Wir als Fachleute müssen die Nachfrage schaffen, dass die Baumschulen zukunftsträchtige Gehölze produzieren", appellierte Bouillon.

Ausblick für die Verwendung zukunftsträchtiger Gehölze

Auwaldarten wie der Götterbaum hätten das größte Potenzial für die Extremstandorte der Innenstadt, so Bouillon weiter. "Wieso wollen wir einen Baum aus der Stadt beseitigen, der auf den widrigsten Standorten wachsen kann?", fragte Bouillon rhetorisch. Wichtig sei bei Arten mit einem hohen Ausbreitungspotenzial, dass ihre Vermehrung kontrolliert wird. In Veitshöchheim hätte man herausgefunden, dass die Ungarische Eiche die besten Eigenschaften für die unterschiedlichsten Standorte in der Stadt hätte, so Bouillon. Künftig könnten auch trockenheitsverträgliche Nadelgehölze wie die Flusszeder im urbanen Raum häufiger verwendet werden, so Bouillon.

"Der Schutz der Altbäume ist wichtiger als die Pflanzung von Jungbäumen", erklärte Gründer des Instituts für Baumpflege, Prof. Dr. Dirk Dujesiefken die Veranstaltung. Altbäume würden für die effektivste Abkühlung sorgen und seien daher wertvoller für die Innenstädte als Neupflanzungen. Für neue Projekte bräuchte es Bäume mit Zukunftspotenzial. "Wir benötigen Konzepte, Neupflanzungen zu erziehen", so Dujesiefken weiter. Junge Bäume müssten von oben betrachtet werden. Die Kronenentwicklung sei entscheidend für die Zukunft des Baumes. Bei fachgerechter Pflege würden sich Jungbäume auch effektiv in den urbanen Raum einbinden lassen, erklärte Dujesiefken.

Danilo Ballhorn

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