Anpflanzung von Flachwurzler
Haftet die Kommune, wenn eine Weide auf die Straße fällt?
Im rechtskräftigen Urteil des LG Arnsberg vom 18.03.2020 - I-2 O 473/19 - geht es um die Haftung der Kommune als Baumeigentümerin eines Straßenbaums für durch Baumumsturz von einer Weide verursachte Schäden an einem geparkten Fahrzeug. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 13.01.2019 stürzte ein Straßenbaum, eine etwa 16 Meter hohe Weide, auf das geparkte Fahrzeug der Klägerin und beschädigte dieses. Die beklagte Stadt hatte die Weide regelmäßigen Sichtkontrollen unterzogen, so zuletzt vor dem Schadeneintritt ohne Befund am 26.11.2018, also weniger als zwei Monate zuvor. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte hätte den umgestürzten Baum bereits an diesem Standort nicht anpflanzen dürfen, da der Erdboden dort locker sei und eine Weide als Flachwurzler dort nicht ausreichend Halt finde. Außerdem hätten der Beklagten im Rahmen der Sichtkontrolle äußerlich erkennbare Schäden an dem umgestürzten Baum auffallen müssen. Das LG Arnsberg hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen.
Das LG Arnsberg legt zunächst die Grundsätze zu Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar. Ihrer Baumkontrollpflicht ist die beklagte Stadt nach Auffassung des Gerichtes durch eine ordnungsgemäße Sichtkontrolle nur etwa sieben Wochen vor dem Schadeneintritt nachgekommen. Das Gericht hält dabei unreflektiert an dem starren Halbjahreskontrollintervall aus der älteren Rechtsprechung fest unter Berufung auf ein Urteil des OLG Hamm vom 24.09.2004 - 9 U 158/02 -, das teilweise aber auch in jüngerer Zeit noch vertreten wird (OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2013 - I 11 U 38/13; OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.03.2014 - 4 U 397/12 -; LG Siegen, Urteil vom 23.10.2014 - 8 O 57/14 -; LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 12.03.2015 - 15 S 79/14 -, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2019 - 2b O 45/17 -). Im zu entscheidenden Fall kommt es hierauf entscheidungserheblich aber überhaupt nicht an.
Allein in dem Anpflanzen des umgestürzten Baumes an dem gewählten Standort sieht das Gericht keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Selbst wenn aufgrund der besonderen Eigenschaften der Weide als Flachwurzler, abhängig von dem umgebenden Erdreich, ein erhöhtes Umsturzrisiko bestehen könnte, seien keine besonderen Schutzmaßnahmen erforderlich. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf das Pappel-Urteil des BGH vom 06.03.2014 - III ZR 352/13 -, VersR 2014, 722.
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Eine Beweisaufnahme durch Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen ist für das Gericht nicht angezeigt, weil es hierfür seitens der Klägerin bereits an einem hinreichend substantiierten Sachvortrag für die lediglich behauptete, aber nicht näher begründete, Erkennbarkeit von Schäden für die Beklagte im Rahmen der durchgeführten Sichtkontrolle fehlt. Insbesondere gebe es keinen dahingehenden Erfahrungssatz, dass ein teilweise entwurzelter Baum bei einer Sichtkontrolle erkennbare Krankheitssymptome aufweise. Allein solche könnten für den Pflichtigen aber weitergehende Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen. Auch die von der Klägerin eingereichten Fotos seien nicht geeignet, äußerlich erkennbare Krankheitsanzeichen des umgestürzten Baumes nachzuweisen.
Letztlich fehle es bereits am Vortrag geeigneter Anknüpfungstatsachen für eine sachverständige Feststellung, dass der umgestürzte Baum zum Zeitpunkt der letzten Sichtkontrolle vor dem Umsturz äußerlich erkennbare Krankheitsanzeichen aufwies. Die Entscheidung des LG Arnsberg hält bedauerlicherweise, ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, an dem in der älteren Rechtsprechung verbreiteten starren Halbjahreskontrollintervall fest.
Von besonderem Interesse ist die Feststellung des Gerichtes, dass allein die Anpflanzung einer bestimmten Baumart - wie hier eines Flachwurzlers - an einem suboptimalen Standort keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu begründen vermag. Schließlich stellt das Gericht zutreffend fest, dass es für die Einholung eines Sachverständigenbeweises eines hinreichend substantiierten Sachvortrages bedarf, der sich jedenfalls nicht in der bloßen Behauptung (ohne nähere Konkretisierung) erschöpft, ein Baum habe äußerlich erkennbare Krankheitsanzeichen aufgewiesen, die Anlass zu weitergehenden Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht gegeben hätten.
Ass. jur. Armin Braun, GVV-Kommunalversicherung
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