Blumenschotterrasen fördert Biodiversität auf befestigten Flächen
Der Wildblumenschotterrasen - eine naturnahe Sonderbauweise
von: Dipl.-Ing. Ulrike AufderheideWie ein Brennglas zeigt der (Wild-) Blumenschotterrasen die grundlegenden Eigenschaften biodiversitätsfördernder Gärten und Grünflächen: Hier werden echte einheimische Wildarten verwendet, Funktionsflächen werden so geplant und gebaut, dass auf ihnen die Biodiversität gefördert wird, außerdem hat die Pflege immer auch den ökologischen Wert der Flächen im Blick.
Dabei bleibt der Pflegeaufwand oft gering, denn sehr magere Standorte sind in besonderem Maße biodiversitätsfördernd und hier haben klassische "Unkräuter" keine Chance. Beim Blumenschotterrasen wird der Funktionswunsch "Weg oder Platz" zum Anlass genommen, einen attraktiven und pflegeleichten Magerrasen anzulegen.
Der Wildblumenschotterrasen ist kein Schotterrasen …
Dabei ähnelt der Blumenschotterrasen nur in den Funktionsansprüchen, die er abdecken kann, einem Schotterrasen, wie ihn die FLL-Richtlinie für Planung, Bau und Instandhaltung von begrünbaren Flächenbefestigungen beschreibt. Er wird also dort angelegt, wo untergeordnete Wege und Plätze befestigt werden sollen. Wenn die Tragfähigkeit und Einbauhöhen auf die Nutzung abgestimmt, also entsprechend der ZTV Wegebau dimensioniert sind, dann können Stellplätze, Zufahrten, aber auch fußläufige Wege und begrünte Plätze in dieser naturnahen Sonderbauweise angelegt werden.
Im Gegensatz zum Schotterrasen gemäß der FLL-Richtlinie besteht hier aber nicht das Ziel, Kulturgrassorten und einigen wenigen wüchsigen Sorten von Kräuterarten - zumeist produktiven Sorten aus der Landwirtschaft - ein möglichst gutes Wachstum zu ermöglichen. Im Gegensatz dazu wird im Naturgarten möglichst mager gebaut und es werden spezielle einheimische Wildkräuter- und Wildgrasarten ausgebracht, die an magere, strahlungsintensive Standorte angepasst sind.
Weil auf einem konventionellen Schotterrasen Kultursorten gut wachsen sollen, wird in die gesamte Deckschicht Oberboden oder Kompost eingemischt. Zu Beginn wird gedüngt, später bei Bedarf gestriegelt oder vertikutiert und nachgedüngt. Regelmäßig muss gemäht werden. Das Resultat ist ein Rasen, der von einem Gebrauchsrasen kaum zu unterscheiden ist.
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… sondern eine begrünte wassergebundene Wegedecke in Trag-Deckschichtbauweise
Ausgehend von der Erfahrung, dass sich wassergebundene Wege gerne selbst begrünen, erscheint in vielen Situationen ein gut befestigter Weg mit einer erwünschten und dezidiert in ihrer Artenzusammensetzung geplanten Begrünung die bessere Lösung. Beim Bau eines Wildblumenschotterrasens müssen wir nicht wie beim konventionellen Schotterrasen auf das Pflanzenwachstum Rücksicht zu nehmen. Ein Aufbau aus mineralischen korngestuften Gemischen mit einer Deckschicht ohne Bindemittel gemäß ZTV SoB - StB 04 fördert geradezu die Spezialisten der Magerrasen, auch dann, wenn das Substrat bis zur gewünschten Tragfähigkeit verdichtet ist. Wie bei allen wassergebundenen Wegen ist es natürlich auch hier wichtig, dass Wasser kapillar aufsteigen kann, das Material also einen Null-Anteil enthält. Frostschutz- und Tragschichten werden so dick eingebaut, wie es die Nutzung erfordert.
Als Deckschicht ohne Bindemittel hat sich Kalkschotter bewährt, zum Beispiel in der Körnung 0/32, gegebenenfalls auch 0/22 (mit einer Mindestdicke von 12 cm für 0/32, und 7 cm für 0/22 cm). Kalkschotter hat den Vorteil, dass er latent hydraulisch ist und etwas abbindet. Alle Schichten, auch das Planum des Untergrundes, werden im geplanten Gefälle (mindestens 1 %, besser 2,5 %) bis zur geforderten Tragfähigkeit verdichtet. Nach dem Verdichten der Deckschicht wird diese oberflächlich wieder aufgeraut, bei kleinen Flächen geschieht das meistens händisch mit Spitzhacke, ansonsten bieten sich Wegefräsen oder Federzinkenegalisierer an, die sonst bei der Pflege von Wassergebundenen Wegedecken eingesetzt werden. Danach wird gütegesicherter Grünkompost (5-30 l/m²) aufgebracht und eingeharkt. Der Kompost soll die Vegetationstragschicht nicht dauerhaft verbessern, er dient nur als Saatbett, um am Anfang die Feuchtigkeit besser zu halten und etwas Nährstoffe bereit zu stellen.
Dann wird gesät, und zwar spezielles Wildpflanzensaatgut. Die Aussaatmenge ist gering, je nach Mischung 1-6 Gramm pro Quadratmeter, denn die Samen der meisten Wildpflanzen sind sehr fein. Zum Aussäen wird das Saatgut deshalb mit einem Saathelfer gestreckt, zum Beispiel mit Vermiculit. Bei der Aussaat von Hand hat sich leicht feuchter Sand bewährt. An den Sandkörnern bleiben die leichten Wildstaudensamen kleben und können so nicht vom Wind verweht werden. Dadurch wachsen dann später die Rundblättrigen Glockenblumen (Campanula rotundifolia) auch wirklich auf der Fläche und nicht daneben. Das Tausendkorngewicht der Glockenblumen beträgt 0,02 Gramm, das heißt 50.000 Samen wiegen nur 1 Gramm! Bei der Aussaat von Hand wird die Fläche zweimal mit je einer Hälfte der Mischung kreuzweise eingesät. So hat man beim zweiten Gang noch die Möglichkeit, Unregelmäßigkeiten zu korrigieren. Auf dem dunklen Kompost ist der helle Sand gut zu sehen, dadurch können Lücken gut geschlossen werden.
Erst nach der Aussaat wird die Fläche dann noch einmal gründlich verdichtet, am besten mit einer Walze. Wer das zum ersten Mal macht, kann sich nicht vorstellen, dass die Samen das unbeschädigt überstehen, aber gerade weil sie so klein sind, keimen sie unbeeindruckt nach einiger Zeit.
Funktion als Kalkschotterbankette
Da Kalkschotter leicht abbindet, können Blumenschotterrasenflächen auch als Kalkschotterbankette direkt an Pflaster- oder Plattenflächen grenzen. Sie dienen dann als seitliche Einfassung der Pflasterfläche, eine in Beton gesetzte Randzeile/Einfassung ist nicht mehr notwendig. Im Naturgarten werden ja gerne die Fugen im Belag begrünt, aus gestalterischen Gründen bietet es sich an, die Kalkschotterbankette dann nicht mit einer artenreichen Mischung zu begrünen, sondern genau mit den wenigen Arten, mit denen auch die Fugen eingesät wurden. Besonders bewährt haben sich hier Früher Thymian (Thymus praecox), der schön flach wächst, die zarte Rundblättrige Glockenblume oder das ebenfalls zarte, aber sehr zähe Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris).
Pflege
In der Regel werden Blumenschotterrasen durch Benutzung gepflegt, sie bleiben kurz, weil sie regelmäßig betreten oder befahren werden. Nur an den Rändern wachsen die Pflanzen höher. Nutzung und Pflege bestimmen, in welche Richtung sich die Flächen entwickeln.
Wenn es sich eher um "Reserveflächen" handelt, die wenig genutzt und nicht gemäht werden, dann kommen auch auf der Fläche höhere Arten zur Blüte, wie Schafgarbe (Achillea millefolium), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum) oder Echtes Labkraut (Galium verum). Die meisten Pflanzen bleiben aber von sich aus niedriger: Thymian-Arten, Frühlings-Fingerkraut (Potentilla verna), Steinbrech - Felsennelke (Petrorhagia saxifraga), Hasenklee (Trifolium arvense), Feldklee (Trifolium campestre), Hopfenklee (Medicago lupulina), Hornklee (Lotus corniculatus) oder Rundblättrige Glockenblume. Ohne Nutzung oder wenn die Fläche nicht gemäht wird, entwickelt sich eine Beetfläche mit Wildstauden und Wildgräsern, die kaum gepflegt werden muss, sogar Gehölzsämlinge kommen hier nur selten auf. Wenn die Fläche dann doch einmal, zum Beispiel als Erweiterungsfläche einer Terrasse gebraucht wird, wird sie gemäht.
Eine Wege- oder Platzfläche mit Blumenschotterrasen geht unmerklich in die angrenzenden Flächen über. Wenn der Weg auch das Auge durch den Garten führen soll, kann diese gestalterische Funktion von Intarsien oder seitlichen Begrenzungen der Wegefläche übernommen werden zum Beispiel einer Pflasterzeile oder von Baumstämmen, die Wege und Pflanzflächen voneinander abgrenzen. Bei starker Nutzung entstehen dort, wo viel gelaufen, gefahren oder geparkt wird, Trampelpfade oder Fahrspuren. Das muss gestalterisch gewollt oder zumindest tolerabel sein. Man kann die Wegelinien, auf denen sich Trampelpfade entwickeln können, aber auch mit Belägen befestigen, das gilt auch für Fahrspuren oder die häufig genutzten Flächen direkt an den Eingängen ins Haus. Oft werden Terrassen sehr groß gebaut, weil es ja hin und wieder ein großes Fest gibt. Die Familie braucht normalerweise aber eine viel kleinere Fläche. Da bietet es sich an, diese kleinere Fläche dann mit einem Belag zu befestigen und die Erweiterungsfläche als Schotterrasen anzulegen.
Eine wichtige "Naturbasierte Lösung" im Klimawandel
Der Blumenschotterrasen ist damit eine besonders einfach anzulegende "Naturbasierte Lösung" in Zeiten des Klimawandels. Regenwasser kann versickern und die Pflanzen verdunsten auch an heißen Tagen Wasser, was die Umgebungstemperatur merkbar senkt, zumal auf Blumenschotterrasenflächen auch die Rückstrahlung geringer ist als auf versiegelten Flächen. Im Vergleich zu Rasenflächen sind sie aber belastbar und auch bei nassem Wetter trockenen Fußes begehbar.
Damit eignet sich der Blumenschotterrasen nicht nur für untergeordnete Wege, sondern auch für NaturErlebnisSchulhöfe und andere Naturspielräume. Hier gibt es ja oft das Problem, dass Rasenflächen auf Grund der starken Nutzung, insbesondere, wenn sie ein Gefälle aufweisen, verkahlen. Bei Regenwetter sind Rasenflächen kaum nutzbar. Blumenschotterrasen bleibt auch bei Regenwetter belastbar und "trocken", in Hitzeperioden heizt er längst nicht so stark auf, wie gepflasterte oder asphaltierte Flächen. Gleichzeitig können Kinder und Lehrende auf den Flächen zahlreiche Naturbeobachtungen machen. Da auf Kinderspielflächen keine scharfkantigen, harten Materialien erlaubt sind, muss mit den zuständigen Sicherheitsfachleuten geklärt werden, ob die Fläche als glatte Wegebefestigung, Rasenfläche oder Schotterfläche (die dann nicht erlaubt wäre eingestuft wird). Gegebenenfalls können Sicherheitsbedenken dadurch gelöst werden, dass eine kleinere Körnung gewählt wird.
Die letzten beiden Jahre haben auch die Resilienz von einheimischen Wildpflanzen gegenüber Trocken- und Hitzestress gezeigt. So liefen Aussaaten im späten Frühjahr des Trockensommers 2018 zwar nicht befriedigend auf, im nachfolgenden Sommer 2019 zeigten sich die Flächen aber dicht bewachsen und blütenreich. Dies liegt an der Keimhemmung, die dazu führt, dass nur ein Teil der Samen sofort keimt, und immer noch ein Anteil Saatgut übrigbleibt, der nach einigen Wochen, Monaten und manchmal sogar Jahren aufgeht.
Die Kräuter bestehender Blumenschotterrasen blieben auch in 2018 und 2019 in langen heißen und trockenen Zeiten grün und blühten unbeirrt, auch noch spät im Jahr. Nur die Gräser vertrockneten oberirdisch, genauso wie das auch auf Rasen und Wiesen der Fall war. Trockenstress sorgt also dafür, dass die blühenden Kräuter einen Vorteil bekommen und der Gräseranteil nicht überwiegt.
Tiere pflanzen
Gleichzeitig fördern diese Flächen die Biodiversität, denn die Pflanzen, die wir hier ansiedeln, gehören eigentlich zu den mittelhäufigen Arten. Genau bei diesen Arten gibt es aber zurzeit besonders dramatische Bestandseinbrüche. Gerade außerhalb der Schutzgebiete wird die Landnutzung weltweit intensiviert und verdrängt die Arten der Grenzstandorte (Jansen et. al., 2019). Mit dem Blumenschotterrasen bringen wir daher die Arten in den besiedelten Raum, die aktuell besonders unter Druck stehen. Um der genetischen Egalisierung entgegenzuwirken, ist deshalb standortheimisches Saatgut auch im besiedelten Raum anzuraten.
Wo die Pflanzen höher wachsen dürfen, können attraktive Blühaspekte entstehen. Wer mag, kann diese mit kreativer Pflege sogar fördern. So blühen violetter Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), gelber Feld-Klee (Trifolium campestre) und weißes Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris) im Frühsommer, etwas später folgen rosa Felsennelke (Petrorhagia saxifraga), blaue Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia) und rote Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum). Aber auch noch im Spätsommer und Frühherbst blühen Felsennelke und Taubenkropfleimkraut zusammen mit dem gelb blühenden Echten Labkraut (Galium verum).
Salbei ist eine typische Hummelblume, hier können nicht nur Kinder beobachten, wie sich die Staubblätter auf den Hinterleib des Tieres absenken, wenn es Nektar saugt. Man kann den Mechanismus mit einem kleinen Stöckchen auch selber auslösen. Die gelben Kleearten sind bevorzugtes Raupenfutter für den Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus). Die Karthäuser-Nelke ist wiederum eine typische Falterblume, nur die lange Zunge der Schmetterlinge kann den tief unten im Kelch verborgenen Nektar erreichen. Besonders Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) scheinen Karthäusernelken zu lieben. Hoffentlich finden sie dann auch in der Nähe einen Faulbaum (Rhamnus frangula) für ihre Raupen!
Auch das Taubenkropf-Leimkraut ist eine Falterblume, hier tummeln sich allerdings besonders die Nachtfalter, aber nicht nur die Falter von 21 Arten, sondern auch die Raupen von 19 Arten fressen an Taubenkropfleimkraut. Das Labkraut ist eine wichtige Raupenfutterpflanze des Taubenschwänzchens (Macroglossum stellatarum) und von 15 weiteren Schmetterlingsarten. Die Rundblättrige Glockenblume ist für Wildbienen der Hit. Westrich (2018) führt 24 Arten auf, die hier Pollen sammeln, davon sind zehn Arten oligolektisch, sammeln also nur an Glockenblumen. Besonders stark von Insekten besucht werden Thymianarten. Sie sorgen aber auch dafür, dass das Laufen über einen Blumenschotterrasen zu einem Dufterlebnis wird. So schrieb mir einmal eine Kundin, deren Ehemann sich zunächst nicht mit ihrem Wunsch nach einem Blumenschotterrasen anfreunden konnte: "Wir haben uns den Blumenschotterrasen angesehen, mein Mann hat keine Einwände mehr; er roch nach wenigen Minuten wie ein provencalisches Hühnchen und war ganz begeistert".
Literatur
Ulrike Aufderheide (2015): Schöne Wege im Naturgarten, pala-Verlag.
Ulrike Aufderheide (2019): Tiere pflanzen, pala-Verlag.
Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (2007): Fachbericht zu Planung, Bau und Instandhaltung von Wassergebundenen Wegen.
Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (2013): ZTV Wegebau- Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für den Bau von Wegen und Plätzen außerhalb von Flächen des Straßenverkehrs.
Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (2018): Richtlinien für Planung, Bau und Instandhaltung von begrünbaren Flächenbefestigungen.
FGSV-Verlag GmbH (2007): ZTV Sob-StB 04 - Zusätzliche Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau.
Florian Jansen, Aletta Bonn, Diana E. Bowler, Hege Bruelheide und David Eichenberg (2019): Moderately common plants show hightest relative losses. Conservation Letters. 2019;e12674. doi.org/10.1111/conl.12674
Paul Westrich (2018): Die Wildbienen Deutschlands, 1 Auflage, Ulmer Verlag.
Daten zur Schmetterlingsfutterpflanzen bei www.floraweb.de
Weitere Informationen und Bezugsnachweise für Saatgut bei www.naturgarten.org
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