Bürgerschaftliches Engagement auf Berliner Stadtplätzen
Neue Aufmerksamkeit für vergessene Schätze
von: Eberhard BrockmannStauden und Gräser auf öffentlichen Plätzen - in Berlin ein Thema, bei dem privates Engagement eine besondere Rolle spielt. Die öffentlichen Plätze, die hier beschrieben werden, sind in erster Linie dort, wo die Menschen wohnen und an denen sie jeden Tag und zu jeder Jahreszeit vorbeikommen, Orte, an denen sie sich gerne mal auf einer Bank eine kleine Pause gönnen. Davon gibt es in Berlin eine große Zahl, besonders in den Quartieren, deren Struktur in der Gründerzeit bestimmt wurde, aber auch in Großsiedlungen der siebziger und achtziger Jahre, im Osten wie im Westen der Stadt.
Vorhandene Strukturen zeitgemäß wiederbeleben
Als diese Plätze entstanden, gab es ein anderes Verständnis davon was eine schöne Stadt ist. Da gibt es die formale Struktur der mit Gittern abgegrenzten Rabatten der Kaiserzeit, aber auch die großen bunten Beete mit Wechselfloor der Nachkriegsmoderne. Die meisten dieser Orte sind bis heute vorhanden, sie sind fester Bestandteil der Matrix dieser Stadt.
Die für die Pflege zuständigen bezirklichen Grünflächenämter haben häufig nur sehr begrenzte Möglichkeiten diese Flächen zu pflegen oder sie gar nach heutigen Vorstellungen neu zu gestalten. Es fehlen nicht nur Geld und Fachkräfte, die Anforderungen der Großstadtgesellschaft setzen auch andere Schwerpunkte. Im Mittelpunkt stehen heute die großen Grünanlagen, in denen die Menschen gern ihre Freizeit verbringen, hier ist in den vergangenen Jahren einiges Neues dazu gekommen. Auch in die vielen alten Parks hat Berlin nach Jahren der Vernachlässigung wieder investiert. Es ist jetzt an der Zeit sich der Schönheit der kleinen Form zu erinnern.
Stauden und Gräser - ganzjährig gepflegt, ganzjährig attraktiv
Die Gestaltung mit Stauden, ergänzt durch Gräser und kleine Gehölze ist eine schöne und ökologisch gute Möglichkeit den Stadtplätzen eine neue Bedeutung zu geben. Bei gekonnter Pflanzenauswahl bieten sie Besucher*innen und Passant*innen ein sich wechselndes Bild, auf dem sich Blattformen und Grüntöne ständig ändern und fast das ganze Jahr über etwas blüht.
Es gibt in Berlin inzwischen eine ganze Reihe von Initiativen, die sich dieser anspruchsvollen Aufgabe widmen. Pionierarbeit hat hier ohne Zweifel der Landschaftsarchitekt Christian Meyer geleistet. Seit mehr als 20 Jahren erhält er mit seinem Team eine ca. 250 Quadratmeter große Fläche am Olivaerplatz, direkt am Kürfürstendamm. Christian Meyer beschreibt seine Arbeit so: "Ursprünglich - Mitte der 90er-Jahre, als die Pflanzenverwendung noch kein solches Gewicht und Ansehen auch unter Kollegen hatte - war es das Anliegen und der Selbstversuch, den realen Pflegeaufwand von Staudenpflanzungen an einem zentralen, innerstädtischen Ort herauszubekommen. (Zumeist wurde solche Pflanzungen ja wegen des Aufwandes abgelehnt.) Das Objekt entwickelte sich dann zu einem Ort des Experimentierens, des Erfahrungsaustausches, des Kennenlernens von Gleichgesinnten und nicht zuletzt auch als Referenzfläche für mich als Initiator, aber auch für die diversen, aktiv Mitmachenden, von denen ja auch etliche als Pflegegärtner Ihr Geld verdienen."
Ein weiteres Motiv für bürgerschaftliches Engagement besteht darin, der Dominanz des Autoverkehrs durch gut gestaltete Grünbereiche etwas entgegenzusetzen. Am Bundesplatz in Wilmersdorf zwischen einem mehrspurigen, untertunnelten Straßenverlauf wurde eine aus vielen Einzelbeeten bestehende Staudenanlage, zum Teil an schwierigen Standorten unter großen Bäumen, angelegt. Bei der Pflanzenauswahl und Pflege berät die Landschaftsarchitektin Mona Kerkow. Auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz, einem Verkehrsknotenpunkt in Schöneberg, kümmert sich eine Anwohnerinitiative um zwei selbst angelegte Rabatten mit Rosen und Lavendel.
Ein großes und vielfältiges Anwohnerprojekt befindet sich im Berliner Bezirk Steglitz. Auf dem Markusplatz wurde eine Anlage mit mehren Staudenbeeten und Rosenrabatten auf einer bereits existierenden Platzstruktur anlegt. Viele Ehrenamtliche kümmern sich um diesen stark genutzten Platz. Er ist der Treffpunkt und Ort verschiedenster Aktivitäten des ganzen Viertels.
Ein echtes Highlight und beliebtes Fotomotiv ist der Platz an der Zwölfapostelkirche in Schöneberg. Die sich im Jahreslauf immer wieder anders darstellende Buntheit der prächtig gedeihenden Stauden ursprünglich als Initiative der Kirchengemeinde gestartet, wurde von einem inspirierten Laien angelegt und ständig weiterentwickelt. Die ehrenamtlichen Helfer werden in der recht umfangreichen Pflegearbeit auf der Gesamtanlage von der Stiftung unterstützt.
Im dicht besiedelten Neukölln auf einem freigehaltenen Karree am Truseweg mit einem Spiel- und Bolzplatz wurden das vorhandene ehemalige Schmuckbeet und die Pergola völlig neu gestaltet. Gärtnermeisterin Kirsten Plathof, Mitarbeiterin von "Kleine Plätze", machte die Planung für die Neugestaltung mit kreisförmigen Pflanzflächen für Stauden und Frühblühern. Die Blütenpracht ist über das ganze Jahr hinweg ein attraktiver Anziehungspunkt für Bienen und Menschen. Von Anwohnern und Besuchern der Parkanlage wird die Neugestaltung sehr geschätzt. Gerne suchen sie zum Verweilen die Bänke unter der Pergola auf, die mit roten und weißen Kletterrosen berankt ist.
"Kleine Plätze" hat sich in den vergangenen Jahren eine in Fachkreisen geschätzte Rolle bei der Gestaltung und Pflege staudendominierter Rabatten auf Berliner Stadtplätzen erarbeitet. Als "Gemeinnützige Stiftung für Gartenkunst im öffentlichen Raum" setzt sie den Fokus ganz auf diesen Teil des urbanen Grüns. Begonnen im gutbürgerlichen Lichterfelde werden jetzt verstärkt Projekte in weniger privilegierten Stadteilen, wie Wedding, Moabit, Neukölln, Schöneberg oder Lichtenberg umgesetzt.
Private Initiative braucht professionelle Begleitung
Bei der Arbeit gibt es zwei Hauptbereiche. Zum einen verabredet man mit dem jeweils zuständigen Grünflächenamt die Neugestaltung einer Platzfläche, setzt diese selbständig um und gibt eine langfristige Erhaltungszusage ab. Die Planungen erfolgen durch Landschaftsarchitekt*innen und erfahrene Staudengärtner*innen. Die weiteren Arbeiten werden hauptsächlich von angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung "Kleine Plätze" und von beauftragten Gartenbaufirmen ausgeführt. In unterschiedlichem Umfang unterstützen Anwohner die Pflegearbeiten. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln der Stiftung und durch private Spenden. Der andere Teil der Arbeit von "Kleine Plätze" ist die Unterstützung selbstständiger Anwohnerinitiativen durch fachliche Beratung und bei der Sammlung von Spenden, teilweise auch durch finanzielle Zuwendungen.
Die für wohnnahes Grün zuständigen Grünflächenämter der Bezirke agieren in diesem Bereich sehr autonom und haben eher wenig Austausch untereinander. Wie gut sich die Zusammenarbeit mit privaten Akteuren gestaltet, hängt stark von den jeweiligen Entscheidern ab. Häufig gibt es eine wohlwollende praktische Zusammenarbeit zum Beispiel beim Pflanzen und Wässern oder der Beschaffung guter Rahmenbedingungen. In Ausnahmefällen kommt es aber auch zu einer mehr oder weniger deutlichen Ablehnung privater Initiative.
Anspruchsvolle Gestaltungen als Baustein einer umweltfreundlicheren Stadt
Gestaltungen und Pflanzenauswahl der Anlagen orientieren sich an dem, was auch bei anspruchsvollen Staudenpflanzungen im privaten Bereich gute Praxis ist. Die besondere Lage des Ortes und die Bedingungen von Licht und Schatten zu berücksichtigen ist ebenso wichtig wie aktuelle ökologische Anforderungen. Die Mehrzahl der Pflanzen muss Bienen und anderen Insekten Nahrung bieten. Bei Trockenheit wird einmal in der Woche gründlich gewässert, dass reicht in der Regel bei eingewachsenen Pflanzen aus. Die ganzjährige Attraktivität ist ein ganz entscheidendes Kriterium für die Pflanzenkomposition. Hier spielen auch ausdauernde Gräser und immergrüne Gehölze, die im Winter blühen eine Rolle. Von Februar bis Mai unterstützen viele Zwiebelgewächse die Blütezeiten der Stauden, deren farblich und zeitlich abgestimmtes Blühen von den Menschen besonders geschätzt wird.
Entlang der Gehwege sind die Rabatten nur wenig abgegrenzt, zum Beispiel durch Tiergartengitter. Diebstahl kommt schon mal vor, Vandalismus eher selten. Plätze, die zum Durchqueren verleiten oder die ohne Zaun an Spiel- oder Sportflächen grenzen, sind für Staudenrabatten nicht geeignet.
Nicht jede Grünfläche, die als Schmuckplatz konzipiert wurde, kann heute als solche erhalten werden. Jede einzelne aber, die von Grünflächenämtern oder privaten Initiativen neugestaltet und gepflegt wird, ist ein Gewinn für die Schönheit in der Stadt und für das soziale Zusammenleben der Menschen.
Die Stiftung „Kleine Plätze“ wurde als gemeinnützige Stiftung für Gartenkunst im öffentlichen Raum vom Autor des nebenstehenden Artikels 2016 gegründet. Die Projekte werden vorwiegend aus eigenen Mitteln, aber auch aus privaten Spenden finanziert. Dadurch wurden in Berlin bisher zwölf Stadtplätze neu gestaltet, teilweise als Unterstützung von eigenständigen Anwohnerinitiativen. Durch verbindliche Erhaltungszusagen wird die hochwertige Pflege über lange Zeit garantiert. Eigenständige Anwohnerinitiativen werden durch fachliche und organisatorische Beratung bei Gestaltung, Pflanzung und Pflege unterstützt, ebenso bei den Kontakten zu Ämtern und dem Sammeln von Spenden.
Hauptziel der Stiftung ist es, durch gut gestaltetes Grün die Aufenthaltsqualität in Wohnquartieren und damit das Zusammenleben der Menschen zu verbessern. Die Anlagen werden von Fachleute geplant, sie benötigen eine kontinuierliche Pflege. Ziel ist es auch mehr Laien zu gewinnen, die Freude an guter Gartengestaltung haben und dies mit einer Verschönerung des öffentlichen Raums verbinden wollen.
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