Beispiele aus Deutschland, Österreich und den USA

Dachgärten auf medizinischen Einrichtungen

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Dachgärten Bauwerksbegrünung
Dachgarten des Bürgerhospitals in Frankfurt. Copyright: DDV

Für den Gesundungsprozess von Patienten in Krankenhäusern und Pflegestationen spielt neben der rein medizinischen Versorgung auch ein heilungsförderndes Umfeld eine wichtige Rolle. Dass der Zugang und die Verbindung zur Natur hierzu einen Beitrag leisten können, ist seit vielen Jahren bekannt. Welches besondere Potential dabei der Dachflächennutzung zukommt, zeigen kreative Anwendungsbeispiele aus Deutschland, Österreich und Amerika.

Bereits Mitte der 80er Jahre untersuchte Robert Ulrich, welchen Einfluss die Natur auf den Genesungsprozess von Patienten einer chirurgischen Abteilung nehmen kann. Die Ergebnisse waren eindeutig. Patienten mit Blick aufs Grüne konnten schneller wieder entlassen werden und benötigten zudem weniger Medikamente. Obwohl diese Studie in den Folgejahren durch weitere Untersuchungen belegt wurde und in der Zwischenzeit sogar das Fachgebiet der "Gartentherapie" entstanden ist, sind anspruchsvolle Grünkonzepte in der Krankenhausarchitektur immer noch Mangelware. Häufig fehlt es den verantwortlichen Krankenhausplanern schlicht an Freiräumen, um der Natur inmitten der hochtechnisierten, medizinischen Zweckbauten einen umfangreichen Platz einzuräumen, der über die einfachen Kübelbepflanzungen hinausgeht. Wer den Blick nach oben richtet, erkennt allerdings schnell ein enormes Flächenpotential auf den Dächern der Krankenhausgebäude, das in den Planungen häufig unberücksichtigt bleibt. Dabei sind es nicht nur die reinen Quadratmeterzahlen, die für eine Nutzung dieser Flächen sprechen. Zu den besonderen Vorteilen gehört außerdem, dass die Patienten den geschützten Bereich des Krankenhauses nicht verlassen müssen, um die Natur auf dem Dach zu genießen. Nachfolgend werden einige Beispiele vorgestellt, die einen Eindruck von der Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten und den speziellen Gestaltungsvarianten vermitteln.

Bürgerhospital Frankfurt - Dachgarten der Wöchnerinnenstation

In der Reportage "Grüne Dächer in Mainhattan" berichtete das Deutschlandradio über den Dachgarten des Bürgerhospitals in Frankfurt. Aufgrund der fehlenden Parks und Grünanlagen im Umfeld des Hospitals bietet der 750 Quadratmeter große Dachgarten für die Patienten eine der wenigen Möglichkeiten, in einem natürlichen Umfeld etwas Abstand zur sterilen Krankenhausatmosphäre zu gewinnen. Gleichzeitig fungiert der Dachgarten mit seinen Bänken, Sandsteinmauern und Torbögen auch als Treffpunkt und Ort der Kommunikation. Insbesondere die Wöchnerinnen der direkt angrenzenden Geburtshilfe nutzten gerne die Gelegenheit, mit anderen Müttern ins Gespräch zu kommen und mit ihren Neugeborenen etwas Entspannung und Erholung zu finden. Um den Patienten Gelegenheit zu geben, die Pflanzen mit allen Sinnen wahrzunehmen, wurden eine artenreiche Kräutervegetation und Rosenstöcke in erhöhten Pflanzenbeeten angeordnet. Kleine Bäume und Sträucher ergänzen das abwechslungsreiche Vegetationsbild. Nachdem im Jahr 2008 eine Aufstockung des Gebäudes durchgeführt wurde, musste der Dachgarten weichen. Die Klinikbetreiber blieben aber ihrer Philosophie treu und installierten den Dachgarten nach Abschluss der Arbeiten einfach zwei Stockwerke höher. Dabei wurde auf das bewährte Design zurückgegriffen, so dass eine Vielzahl der eingelagerten Materialien und Pflanzen wieder verwendet werden konnte.

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Dachgärten Bauwerksbegrünung
Dachgarten der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart. Copyright: Peter Walser

Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart - Dachgarten für Strahlentherapie-Patienten

Der Dachgarten auf der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart ist ein Beispiel, für ein speziell auf das Krankheitsbild abgestimmtes Grünkonzept. Patienten, die sich dort einer Schilddrüsenbehandlung mit radioaktivem Jod (Radiojod-Therapie) unterziehen, müssen so lange isoliert bleiben, bis die Strahlung wieder auf natürlichem Weg durch den Organismus abgebaut wird. Die Behandlung stellt in gewisser Weise eine Geduldsprobe für die Patienten dar, da sie während ihres Aufenthaltes keinen Besuch von Verwandten und Freunden empfangen dürfen und sich auch innerhalb des Krankenhauses nicht frei bewegen können.

Damit die Patienten die knapp einwöchige Isolationsdauer nicht auf dem Zimmer absitzen müssen, steht ihnen auf dem Dach der Abteilung ein großzügiger 1500 Quadratmeter großer Dachgarten zur Verfügung. Farbe und Struktur bestimmen das Pflanzendesign. Neben flächendeckenden Stauden kamen deshalb auch Gräser und kleinere Gehölze zum Einsatz. Des Weiteren wurde Wert darauf gelegt, dass die blühenden Pflanzen einen möglichst langen Zeitraum des Jahres abdecken. Die Nutzung der Dächer beschränkt sich beim Robert-Bosch-Krankenhaus aber nicht nur auf die Abteilung für Nuklearmedizin. Zwei weitere Dachgärten mit einer Gesamtfläche von mehr als 2500 Quadratmeter laden auch die anderen Patienten zu einem Ausflug ins Grüne ein.

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Ronald McDonald Hundertwasserhaus in Essen. Copyright: Grün+Dach

Ronald McDonald Haus Essen - Hundertwasserarchitektur gibt Familien Kraft

Im Essener Gruga-Park steht seit 2005 ein ganz besonderes Gebäude - Das Ronald McDonald Hundertwasser Haus. Für Familien, deren schwerkranke Kinder im benachbarten Universitätsklinikum Essen behandelt werden, bietet das Haus der McDonald´s Kinderhilfe eine Oase der Ruhe, um Kraft für den anstrengenden Klinikalltag zu sammeln. Gestalterisch stand bei dem letzten Entwurf des im Jahr 2000 verstorbenen österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser ein Vulkankrater und eine Schutz bietende Höhle Pate. Da Hundertwasser zu den wichtigen Fürsprechern und Pionieren einer natur- und menschengerechten Architektur zählt, nimmt es nicht Wunder, dass auch die Dachflächen des Ronald McDonald Hauses als nutzbarer Dachgarten ausgebildet wurden. Die Planung und Ausführung des knapp 1000 Quadratmeter großen Gartens stellte für den Dachgärtner-Betrieb Grün+Dach aus Heiligenhaus eine besondere Herausforderung dar. Immerhin handelt es sich hierbei nicht um eine klassische Flachdach-Krankenhausarchitektur. In einer Breite von acht bis neun Meter steigt der Dachgarten auf dem Rand des "Vulkankraters" vom Bodenniveau bis auf eine Höhe von 15 Metern an. Die Dachneigungen betrugen bis zu 35 Grad und lagen damit im oberen Grenzbereich für begrünte Dächer. Um die auftretenden Schubkräfte aufnehmen zu können, wurden deshalb spezielle Drainageelemente, Erosionsschutzgewebe und Schubschwellen eingesetzt. Durch die Bepflanzung mit Gräsern, Sträuchern und Bäumen (unter anderem Ahorn, Eberesche, Hainbuche, Linde und verschiedene Obstbäume) ist auf dem Dach in der Zwischenzeit ein bunter Mischwald entstanden, der den Gastfamilien nicht nur optisch ein unmittelbares Naturerlebnis bietet.

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Dachgarten des Schwab Rehabilitation Hospital in Chicago. Copyright: IGRA

Schwab Hospital Chicago - Gründach als therapeutische Einrichtung

Mit der Erweiterung und dem Umbau des Schwab Rehabilitation Hospitals in Chicago im Jahr 2001 sollte als neue Behandlungsmethode auch die so genannte Gartentherapie etabliert werden. Hierunter versteht man den gezielten Einsatz der Natur zur Steigerung des psychischen und physischen Wohlbefindens. Bei der Suche nach einem Ort für den Heilgarten, der den Schutz der Patienten und eine einfache Zugänglichkeit miteinander vereint, fiel die Wahl auf die bisher ungenutzte knapp 1000 Quadratmeter große Dachfläche. Zu den Besonderheiten des Projektes gehört es, dass die Krankenhausgesellschaft für die Umwandlung der Dachfläche in einen Dachgarten einen finanziellen Zuschuss vom Chicagoer Umweltamt erhielt, da der Kühleffekt der Dachvegetation auch einen Beitrag zur Reduzierung der städtischen Aufheizung im Sommer leistet. Für die Gestaltung des Dachgartens wählte der Landschaftsarchitekt eine abwechslungsreiche Prärievegetation, die im Jahresverlauf sehr unterschiedliche Farb- und Duftmuster zeigt. Während im Frühjahr Schwertlilie, Glockenblume und Lein bestimmend sind, nehmen im Sommer Taglilie und Sonnenhut ihren Platz ein. Zusätzlich zu den sich im Wind wiegenden Gräsern bringt ein Wasserlauf Leben und Bewegung in die Gestaltung. Die medizinischen Programme, die auf dem Dachgarten durchgeführt werden, reichen von Sprachtrainings über Entspannungsübungen bis hin zu Physio-, Psycho- und Ergotherapien. In der natürlichen Umgebung können Patienten und Therapeuten den Stress und die Anspannung der sterilen Krankenhausatmosphäre hinter sich lassen, so dass die Gartentherapie eine wichtige Ergänzung der traditionellen medizinischen Versorgung darstellt.

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Dachgarten für Demenzkranke in Wien. Copyright: Caritas Socialis

Pflege- und Sozialzentrum Wien - Garten für Demenzkranke

Ein ähnliches Konzept wie in Chicago wird auch bei den Dachgärten und Dachterrassen des Pflege- und Sozialzentrums der Caritas Socialis in Wien verfolgt, wobei hier ein besonderer Schwerpunkt auf die Bedürfnisse von älteren Menschen mit Bewegungseinschränkungen und Alzheimer-/Demenzerkrankungen gelegt wurde.

So ermöglichen Pflanzenbeete auf unterschiedlichen Höhen sowohl Fußgängern als auch Rollstuhlnutzern den direkten Kontakt mit der Natur. Die von der Universität für Bodenkultur Wien speziell zusammengestellten Blumen- und Kräuterarrangements laden zum Anfassen, Riechen und Beobachten ein und stimulieren gleichzeitig das Erinnerungsvermögen. Auch die übers Jahr verteilten regelmäßigen Pflege- und Pflanzarbeiten, in die Patienten entsprechend ihrer Möglichkeiten eingebunden werden, sind Teil eines umfangreichen Aktivierungs- und Therapieprogramms. Gerade ältere Menschen, die sich mit dem Umzug in eine Betreuungseinrichtung auch von ihrem lieb gewonnenen eigenen Garten trennen mussten, finden hier vertraute Betätigungen. Da Personen mit Alzheimererkrankungen häufig über einen besonders starken Bewegungsdrang verfügen, wurde auf einem der Dachgärten ein gesicherter Endlosweg in Form einer "Acht" eingerichtet. Der Aufenthalt an der frischen Luft ist eine wichtige Maßnahme, um die innere Unruhe der Patienten abzubauen und dadurch den Medikamenteneinsatz zu reduzieren. Natürlich stehen die Dachgärten neben den betreuten Personen auch den Besuchern der Einrichtung offen. Die Möglichkeit, sich mit seinen Angehörigen und Freunden außerhalb des Krankenzimmers in einem natürlichen Umfeld zu treffen, wirkt sich positiv auf die Besuchsdauer und die Besuchsfrequenz aus. Wenn es das Wetter zulässt, werden die Dachflächen deshalb auch regelmäßig für Geburtstags-, Grill- und Sommerfeste genutzt.

Planungskriterien für Dachgärten auf medizinischen Einrichtungen

Mit der modernen Gründach-Technik lassen sich heutzutage nahezu alle Gebäude zuverlässig und sicher begrünen. Die Palette reicht von pflegeleichten Extensivbegrünungen, die als ökologische Ausgleichsflächen für Pflanzen und Tiere dienen, bis hin zu Intensivbegrünungen, in die Wege, Sitzplätze, Spielbereiche und Teiche integriert werden können. Insofern kann bei der Installation von Dachgärten auf medizinischen Einrichtungen auf die bewährten technischen Standards zurückgegriffen werden. Aufgrund der speziellen Nutzungsaspekte und Patientenbedürfnisse ergeben sich für die Planung allerdings einige Punkte, die besonders zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören neben barrierefreien Zugangsmöglichkeiten und einer einfachen Wegeführung innerhalb der Gartenanlagen auch die passende Mischung von Rückzugsbereichen und Plätzen für gemeinschaftliche Aktivitäten. Die Pflanzenauswahl sollte einen abwechslungsreichen Mix aus Farben, Formen und Düften liefern, der alle Sinne anregt. Ziel der Gestaltungsplanung muss es sein, ein motivierendes Umfeld zu schaffen, das die Selbstheilungskräfte des Patienten anregt und es ihm außerdem ermöglicht, sich von seiner gedanklichen Fokussierung auf die Krankheit zu lösen.

Wenn durch den direkten Kontakt mit der Natur die medizinischen Behandlungskosten für die Patienten sinken, macht sich die zusätzliche Investition für die Installation und Pflege der Dachgärten auch für die Krankenhausbetreiber in Zeiten der Fallpauschalen schnell wieder bezahlt. Weitere Vorteile betreffen die reduzierten Gebäude-Betriebskosten durch die wärmedämmenden und hitzeabschirmenden Effekte und den Schutz der Dachabdichtung durch die Vegetationsschicht. Und natürlich profitiert auch die Umwelt durch den neuen Lebensraum für Pflanzen und Tiere und die positiven Auswirkungen von Grünflächen auf das Stadtklima. Eine klassische win-win-Situation für alle Beteiligten.

Literatur

Fachbericht "Garten und Therapie" der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), 2011, Weitere Informationen finden Sie unter www.fll.de.

Dipl.-Wirt. Biol. Wolfgang Ansel
Autor

Deutscher Dachgärtnerverband

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