Holzhackschnitzel-Heizwerk der Lebenshilfe-Gärtnerei in Solingen

Die Gärtnerei als Wärmelieferant

von:
Holz Nachhaltigkeit und Innovation
Das in der Bildmitte gelegene Holzhackschnitzel-Heizwerk der Lebenshilfe-Gärtnerei versorgt Gewächshäuser (4000 qm Fläche) und eigene Betriebsgebäude sowie die umgebenden Gebäudekomplexe mit einer Fläche von insgesamt 52.000 Quadratmetern (Klinik, Altenheim, Verwaltungsgebäude der Stadt Solingen und Schloss Hackhausen mit Sitz einer Werbeagentur) über ein sechs Kilometer langes Nahwärmenetz. Fotos, soweit nichts anderes angegeben, Thorsten Meis/Martin Schmidt, Stadtwerke Solingen

"The German Energiewende" gilt weltweit als das Leitbild, wenn es um den Ersatz von konventionellen Energieträgern (fossile und atomare) durch Energie aus Sonne, Wind, Wasser sowie Nachwachsenden Rohstoffen (Biomasse) geht. Viele "Kleine", ob Privathaushalte, mittelständische Unternehmen oder Gemeinden und Kommunen, gehen zurzeit in die Offensive. Sie werden zu autonomen Energieerzeugern, um sich von den "Großen", den Energieversorgungskonzernen, zu trennen. Auf kommunaler Ebene sprießen in Deutschland Energiegenossenschaften wie Pilze aus dem Boden. Waren es im Jahr 2003 bundesweit noch 70, so wurden im Jahr 2013 schon 888 Kommunen zu dezentralen Erzeugern von Wärme und Strom (Dannemann 2014). Das Beispiel der Lebenshilfe-Gärtnerei in Solingen (Nordrhein-Westfalen), auf deren Gelände ein Biomasse-Heizwerk betrieben wird, zeigt, wie eine dezentrale Wärmeversorgung seit sieben Jahren erfolgreich funktionieren kann. Der Brennkessel im Kraftwerksgebäude der Lebenshilfe-Gärtnerei gibt an diesem Morgen eine wohlige Wärme ab. Horst-Günter Kampf, Leiter der Lebenshilfe-Gärtnerei, erklärt, dass die alte Ölheizung Ende der 1990er Jahre ausgedient hatte und eine kostenintensive Neuanschaffung zu tätigen war.

Dezentrale Lösung gefragt

Mitten im Wald des 150 Hektar großen Naturschutzgebietes Ohligser Heide gelegen, lag eine nachhaltige Wärmeversorgung durch nachwachsende Rohstoffe nahe. Teils direkt im Naturschutzgebiet, teils angrenzend, befinden sich die Liegenschaften mehrerer kommunaler, sozialer und privater Einrichtungen.

Diese entschlossen sich zur Umstellung der Wärmeversorgung von fossilen Brennstoffen, in der Hauptsache Heizöl, auf Biomasse nach dem Prinzip des Energie-Contracting. Hierbei wird das Energiemanagement aus den mitwirkenden Gebäuden ausgelagert.

Nach eineinhalb Jahren Bauzeit ging 2006 das seinerzeit größte Holzhackschnitzel-Heizwerk Nordrhein-Westfalens ans Netz.

Betreiber ist die EDL GmbH, eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Solingen. Die EnergieAgentur NRW, eine im Auftrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen arbeitende Beratungseinrichtung, begleitet das Projekt. Mit insgesamt 1,1 Millionen Euro wurde eine Investition getätigt, bei der neben ökologischen und ökonomischen vor allem auch soziale Aspekte im Vordergrund standen. Die Lebenshilfe-Gärtnerei stellte die Grundstücksfläche für den Neubau des Holzhackschnitzel-Heizwerks zur Verfügung und liefert Teile der Biomasse. Dafür erhält die Lebenshilfe einen rabattierten Versorgungspreis vom Betreiber.

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Mitarbeiterin der Lebenshilfe-Gärtnerei. Bis zu 60 Menschen mit Handicap finden Arbeit und Bestätigung in der Gärtnerei. Fotos: text & pressebüro – Köln
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Feuchtemessung – eine gute Trocknung des Hackgutes ist entscheidend für die Qualität. Foto: GESA, Wuppertal

Soziale Wärme entscheidend

Die Lebenshilfe-Gärtnerei bietet Beschäftigung für bis zu 60 Menschen mit geistigen und körperlichen Handicaps. Die Lebenshilfe Solingen ist ein Sozialunternehmen unter freier Trägerschaft, das Menschen, die nicht in der Lage sind, eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen, beruflich qualifiziert oder weiterbildet. Die Beschäftigten im Bereich Gärtnerei pflegen und gestalten Industriegelände, Siedlungsanlagen und Privatgärten. Die Gärtnerei bietet daneben auch Beet-, Balkon- und Zimmerpflanzen in der Direktvermarktung an.

Das Heizwerk: Wärme nicht nur für Gewächshäuser

Das Heizwerk (Steckbrief, siehe Tab. S. 16) verfügt über einen Biomasse-Heizkessel mit 1,8 MW Leistung und versorgt 52.000 Quadratmeter Gebäudeflächen und 4000 Quadratmeter Gewächshäuser mit Wärme. Die Abbildung S.17, oben rechts gewährt einen seltenen Blick in das Innere des Heizkessels bei Wartungsarbeiten. An das sechs Kilometer lange Nahwärmenetz angeschlossen sind neben den Gewächshäusern und Betriebsgebäuden der Lebenshilfe-Gärtnerei auch eine Klinik, ein Altenheim, ein Verwaltungsgebäude der Stadt Solingen und eine Werbeagentur. Falls nötig können weitere Gaskessel zugeschaltet und bei Bedarf auch im "Inselbetrieb" gefahren werden. Bei einer Unterversorgung (Wärmeleistung im Nahwärmenetz unterhalb 70 Grad Celsius) oder im Winter bei Temperaturen unterhalb von minus zehn Grad werden die Redundanzkessel im Stadtverwaltungsgebäude mit einer Leistung von einmal 700 Kilowatt und einmal 1400 Kilowatt sowie in der Sankt Lukas Klinik mit einer Leistung von dreimal 1000 Kilowatt zugeschaltet.

Im Sommerbetrieb wird der Biomasse-Heizkessel mit 70 Prozent Grundlast gefahren und neben Warmwasser die Grundwärme für Klinik und Altenheim erzeugt. Zwei Pufferspeicher mit einem Fassungsvermögen von jeweils 14.000 Liter Warmwasser ermöglichen eine Zwischenspeicherung der erzeugten Wärme, wenn diese im Moment nicht genutzt wird. Die Wärmespeicherkapazität der Pufferspeicher würde einer Laufzeit von etwa vier bis sechs Stunden des Holzhackschnitzel-Heizwerks entsprechen.

Die Biomasse: Gut getrocknet ist halb verbrannt

Holzhackschnitzel sind zerkleinertes Holz (beziehungsweise Hackgut). Die Herkunft reicht generell vom Waldholz, naturbelassenen Altholz aus der Holzverarbeitung, über Energieholz aus schnell wachsenden Baumarten bis hin zu Landschaftspflegeholz und Grünschnitt. Neben dem Wassergehalt sind der Rindenanteil und die Schüttdichte, die das Gewicht je Schüttraummeter angibt, weitere wichtige Qualitätskriterien.

Der in der Lebenshilfe-Gärtnerei und bei externen Aufträgen anfallende Grünschnitt wird in Containern gesammelt und zur Aufbereitung von einem privaten Fuhrunternehmen zum 20 Kilometer entfernten Holzenergiehof der GESA gGmbH nach Wuppertal gefahren. Die GESA, eine beruflichen Qualifizierungseinrichtung, betreibt den Holzenergiehof seit 2006. Waldholz und kommunaler Grünschnitt aus Solingen, Remscheid und Wuppertal werden hier zu Hackschnitzeln verschiedenster Güteklassen aufbereitet. Der Biomasse-Heizkessel der Lebenshilfe-Gärtnerei wird mit Hackgut der Stückigkeit G 30 bis G 50 beschickt. Danach definiert die Stückigkeit die Korngröße des Hackgutes, deren Querschnitt 30 bis 50 Quadratmillimeter beträgt und mindestens 60 Prozent Hackgut mit einer Kantenlänge von etwa drei bis 32 Millimeter enthält.

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Das Gebäude des Holzhack-schnitzel-Heizwerks auf dem Gelände der Lebenshilfe-Gärtnerei in Solingen.

Die Holzfeuchte, die nicht mit dem Wassergehalt zu verwechseln oder gleichzusetzen ist (Schardt 2006), kann 60 bis 75 Prozent betragen. Das entspricht einem Wassergehalt von 40 bis 45 Prozent. Im Mittel aber liegt die Holzfeuchte bei 30 bis 40 Prozent, dass heißt bei einem Wassergehalt von rund 25 Prozent. Der Wassergehalt ist für den Heizwert maßgeblich entscheidend. Bei Hackgut wird der Feuchtegehalt in zwei Schritten reduziert. Zunächst wird den Holzstücken während der Lagerung ein Teil der Feuchte entzogen. Bei Energieholz aus dem Forst kommt vorausgehend auch die sogenannte Sauerfällung zum Einsatz. Hierbei bleibt das frisch gefällte Holz samt Blättern und Nadeln im Wald liegen. Nach sechs bis acht Wochen beträgt der Wassergehalt des Holzes nur noch 35 bis 40 Prozent und es kann die Zerkleinerung und Einlagerung erfolgen. Durch die Lagerung in einem gut durchlüfteten Silo oder einer Halle kann die Restfeuchte weiter reduziert werden. Die Vorteile von Hackgut im Vergleich zu Stückholz liegen vor allem in seiner Schüttfähigkeit, was die energetische Nutzung in vollautomatisierten Heizungsanlagen erst ermöglicht.

Welche Menge Grünschnitt aus der Lebenshilfe-Gärtnerei letztendlich wieder in Solingen im Brennkessel zur Wärmeerzeugung verheizt wird, kann weder die Lebenshilfe-Gärtnerei noch die GESA genau beziffern. Der Anteil wird aber über ein ganzes Betriebsjahr gesehen eher gering ausfallen. Der Holzhackschnitzelbunker fasst 460 Schüttraummeter Hackschnitzel. Diese Menge reicht aus, um die Anlage acht Tage lang unter Volllast zu betreiben.

Was nach der Verbrennung übrig bleibt, ist Asche. Die Anlage der Lebenshilfe-Gärtnerei verfügt über eine vollautomatisierte Entaschung. Die in einem Container gesammelte Asche wird als Sondermüll entsorgt.

Förderung von Biomasseanlagen

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fördert Anlagen zur Verfeuerung fester Biomasse in Bestandsgebäuden. Privatpersonen, Kommunen, kommunale Gebietskörperschaften, kommunale Zweckverbände und gemeinnützige Organisationen (Vereine), kleine und mittlere Unternehmen, Contractoren und weitere Interessenten finden die entsprechenden Grundinformationen und Antragsformulare auf der Webseite der BAFA.

Das KfW-Programm Erneuerbare Energien unterstützt besonders förderungswürdige größere Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt mit zinsgünstigen Darlehen der KfW und mit Tilgungszuschüssen, die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit finanziert werden.

Kritik und Aussichten

In der öffentlichen Kritik ist der Betrieb von Heizanlagen für Hackschnitzel, weil befürchtet wird, dass die Umwelt durch Feinstaub belastet wird. Durch mehrstufige Systeme zur Rauchgasreinigung für Feinstaub und Stickoxide, die den strengen Abgasbestimmungen der TA Luft unterliegen, können Emissionen weiter reduziert werden: Seit dem 1. Januar 2014 müssen förderfähige Biomasseanlagen schärfere Grenzwerte für gasförmige und staubförmige Emission einhalten. Der nachwachsende Rohstoff Holz, der kostengünstiger ist als Öl und Gas, gewinnt als Heizmaterial zunehmend an Bedeutung.

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Ein Blick ins Innere des Biomasse-Heizkessels. Im Sommer 2013 wurden die Reinigung des Kessels und notwendige Revisionsarbeiten von Fachkräften durchgeführt.
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Preisentwicklung bei Holzhackschnitzeln (WG 35 = Wassergehalt 35 Prozent), Holzpellets, Heizöl und Erdgas 2005 bis Anfang 2014. Quelle bearbeitet nach C.A.R.M.E.N. e. V., Straubing 2014

Er trägt zum Klimaschutz bei, da nur so viel CO2 frei gesetzt wird, wie für das Wachstum des Baumes benötigt wurde, so lautet eine sehr häufig vertretene Auffassung. Einige Forstexperten, wie der Förster und Umweltjournalist Peter Wohlleben aus Hümmel in der Eifel, sehen die Zunahme an der Nutzung von Waldhackgut als Energieholz eher als einen kontraproduktiven Beitrag zum Klimaschutz: Das unbewirtschaftete Ökosystem Wald könne beim Verrottungsprozess abgestorbener Bäume geringe Teile des CO2 dauerhaft einlagern, so Wohlleben. Er hält Holz als Energieträger deshalb nicht für CO2-neutral. Außerdem werden dem Wald wichtige Nährstoffe entzogen (Wohlleben 2008). Darüber hinaus sollte bei dem kommunalen Einsatz von Grünschnitt keine Konkurrenz zu bestehenden Nutzungen wie Kompostierung oder Herstellung von Mulchmaterial bestehen und keinesfalls der überregionale Hackschnitzeltourismus gefördert werden.

Die Bundesregierung strebt mit der geplanten Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) den jährlichen Zubau aller Nutzungsformen der Bioenergie auf 100 Megawatt an (Matthes 2014). Der derzeitige Referentenentwurf zum EEG 2014 (Stand 04.03.2014) sieht die Streichung der Einsatzstoffvergütungsklassen, dass heißt der gezielten Förderung erwünschter Biomassesubstrate, vor (DBFZ 2014). Im Bereich der energetischen Holznutzung bedeutet die Streichung der Einsatzstoffklassen, dass ein Zubau von Neuanlagen unwahrscheinlich ist.

Fazit

Ob sich die Umstellung von konventionellen Energieträgern auf Biomasse wie Grünschnitt und Waldhackschnitzel zur Energieerzeugung für private oder kommunale Gärtnereien, andere Unternehmen oder ganze Gemeinden rentiert, kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Antworten liegen in den Regionen selbst und müssen in jedem Einzelfall lokal beraten und von allen Beteiligten abgewogen und entschieden werden. Neben der Erhöhung der regionalen Wertschöpfung sind der Beitrag zu den Klimaschutzzielen der Länder, eine autonome Versorgungssicherheit und die Bürger-partizipation an Energiegenossenschaften sicherlich als Vorteile für Städte, Kommunen und Gemeinden zu nennen.

Am Beispiel des Holzhackschnitzel-Heizwerk der Lebenshilfe-Gärtnerei in Solingen war es ohne Zweifel für alle Beteiligten die aus ökologischen und sozialen Gesichtspunkten richtige Entscheidung.

Literatur

Literatur

Dannemann, B. (2014): Wachstumstrend der Energiegenossenschaften ungebrochen. Agentur für Erneuerbare Energien, Pressemitteilung vom 6. Februar 2014. Berlin.

DBFZ - Deutsches Biomasseforschungszentrum (2014): Stellungnahme: Geplante Neuregelungen im EEG lassen nahezu keinen wirtschaftlichen Betrieb von neuen Bioenergieanlagen zu. Pressemitteilung vom 17. März 2014. Leipzig.

EnergieAgentur NRW (2006): Ökologische Nahwärmeversorgung Ohligser Heide. Datenblatt. Düsseldorf.

Matthes, F. C. (2014): Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz - Version 2.0 oder 1.27? In: VDI nachrichten vom 7. Februar 2014. Düsseldorf: 2.

Schardt, M. (2006): Das Problem mit der Holzfeuchte und dem Wassergehalt - Genaue Definitionen bringen Licht ins Dunkel der babylonischen Sprachverwirrung. In: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (Hrsg.): LWF aktuell 54/2006. München: 50-51.

Wohlleben, P. (2008): Holzrausch - Der Bioenergieboom und seine Folgen. adatia Verlag. Sankt Augustin. 159 S.

Dr. Thomas Wardenbach
Autor

Freier Fachjournalist und Pressereferent, text & pressebüro - Köln

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