Leserbrief zum Artikel

„Museumsinsel und Humboldt Forum Berlin“

Sehr geehrte Redaktion von "Stadt+Grün", liebe Frau Klett, ein Artikel im Heft 7/2023 mit dem Titel "Museumsinsel und Humboldt Forum Berlin" von Prof. Johannes Schwarzkopf veranlasst uns zu dieser Stellungnahme betreffs der Freiräume des Humboldt Forums.
Leserbriefe Parks und Gärten
Gegenüberstellung von Piazza Navona und historischem Schlossplatz von Franco Stella. Foto: Franco Stella

Wir als Lenné-Akademie hatten im Mai die Möglichkeit, mit einer sehr kompetenten Führung sowohl das Schloss als auch die Außenanlagen zu besichtigen. Dabei wurden durch unsere Mitglieder, darunter mehrere Landschaftsarchitekten, Meinungen geäußert, die im Gegensatz zu dem im Artikel stehen. Ohne detailliert auf die fünfhundertjährige Geschichte der Gärten am Berliner Schloss einzugehen, möchten wir daran erinnern, dass Peter Joseph Lenné vor fast 200 Jahren maßgeblich daran beteiligt war:

"Erst im Zusammenhang mit dem 1828 nach Plänen Schinkels erfolgten Bau des Alten Museums kam es unter Friedrich Wilhelm III. zu einer Neuanlage des Lustgartens, weitgehend nach den Entwürfen Karl Friedrich Schinkels, eine Anlage die dann später unter Peter Joseph Lenné vollendet wurde. Lenné war es dann auch, der, allerdings schon unter Friedrich Wilhelm IV., gemeinsam mit dem Architekten Heinrich Strack den Auftrag zur Anlage und Gestaltung der gärtnerisch gestalteten Schlossterrasse erhielt und diese Aufgabe gartenkünstlerisch glanzvoll löste. Erst der Untergang des Schlosses besiegelte das Ende dieser wundervoll gestalteten Königlichen Schlossterrasse." (Von Krosigk 2016)

Herr von Krosigk kommt in seinem sehr fundierten Vortrag zu folgendem abschließenden Urteil:

"Mein Fazit der Beschäftigung mit den Gartenanlagen am Berliner Schloss lautet ohne Zweifel: Erst wenn die Königliche Gartenterrasse mit ihrem reichen und glänzend überlieferten sowie original belegten Skulpturenschmuck wiederhergestellt ist und der Schlossplatz seinen ebenfalls erhaltenen Neptunbrunnen und die beiden diesen Brunnen einst rahmenden Schmuckanlagen zurückerhält, wird das in angemessener Weise vollendet sein, was man zur Zeit mit unglaublichem Aufwand so minutiös und vielbeachtet rekonstruiert." (Von Krosigk 2016)

Vier Jahre später, im Mai 2020 äußert sich Hans Stimmann, von 1991 bis 2006 Senatsbaudirektor beziehungsweise Staatssekretär für Stadtentwicklung in Berlin, in einem Artikel in der Welt ("Die Rache des Senats am Berliner Schloss") sehr kritisch über die Freiraumgestaltung im Umfeld des Humboldt Forums:

"Es kann niemanden verwundern, dass der Siegerentwurf im Wettbewerb für das Schlossumfeld auch in seiner aktuellen Fassung Ähnlichkeiten mit dem Großparkplatz eines Einkaufszentrums am Stadtrand hat. In Verbindung mit der geplanten Erhaltung der ökologisch korrekten Leere des historischen Berliner Zentrums mit dem Neptunbrunnen vor dem Berliner Rathaus und dem Marx-Engels-Denkmals auf der ausgelöschten Heiliggeiststraße ist es ein Dokument der bis heute andauernden Abwehr der rot-rot-grünen Stadtregierung im Umgang mit der Stadtgeschichte, in der das Schloss nie ein Solitär war, sondern immer Ausgangspunkt der Stadtentwicklung. Wenn sich daran nichts ändert, bleibt das neue Berliner Schloss von Franco Stella und das Marx-Engels-Forum Orte einer radikalen Trennung." (Stimmann 2020)

In Anbetracht der oben aufgeführten Meinungen ist es erstaunlich, dass die Außenanlagen um das Schloss (HUF) noch so geraten sind, dass ein so mildes Urteil wie im Artikel von Prof. Schwarzkopf im Heft 07/23 möglich ist.

Der Gewinnerentwurf von bbz Landschaftsarchitekten paraphrasiert zum Teil die historische Gestaltung in neuer "zeitgenössischer" Materialität. An der Spree wird eine neue Terrasse mit Mauer, Treppen und Rampen gebildet die durch ihre monolithische Gestaltung die Beziehung zwischen Schlossplatz, Lustgarten und Spree stört und die von Osten aus betrachtet, den Fußpunkt des Schlosses optisch abschneidet.

Bei der an sich hochwertigen Pflanzung ist eine kuriose Vertauschung der Wirkung erzeugt worden. Für den Baumhain, der den Lustgarten und die Achse Unter den Linden räumlich fassen soll, eine Reminiszenz an den historischen Apothekerflügel, wurden Gleditschien gewählt, die auch nach vielen Jahren nur eine geringe optische Wirkung entfalten. Auf den Schlossterrassen wurden Magnolia, Betula und Nothofagus gepflanzt. Die ersten beiden Arten können eine erhebliche Höhe und Dichte erreichen und damit den Blick auf die Fassade und aus dem Gebäude heraus empfindlich stören. Ein Schelm, der sich was dabei denkt. Die Bepflanzung der Schlossterrassen mit Staudenpflanzen, die Alexander von Humboldt von seinen Reisen mitgebracht und von ihm beschrieben wurden, steht in enger Beziehung zum Humboldt-Forum und verweist damit auf seine großen Verdienste um die Beschreibung der Pflanzenwelt. Die starke Untergliederung der Fläche durch Hecken erinnert allerdings mehr an Kleingärten.

Es gibt auch Aspekte, die bbz Landschaftsarchitekten nicht zum Vorwurf gemacht werden können. Der Schlossplatz wirkt sehr offen und unwirtlich und wird häufig als so genannte steinerne Wüste beschimpft. Es ein Platz, der nicht baulich gefasst und deshalb nicht räumlich definiert ist und dem es an Aufenthaltsqualität mangelt. Der Schlossplatz ist deshalb kein Platz, sondern nur eine Fläche in der Stadt. Wie die Wirkung war und wo sie hergeleitet wurde, kann man an der Gegenüberstellung von Franco Stella vom Piazza Navona und dem historischen Schlossplatz erkennen. An einem heißen sonnigen Tag wird deutlich, wo sich die Besucher gerne aufhalten – unter den Bäumen und am Wasserspiel im Lustgarten.

Aber es besteht vielleicht die Hoffnung, dass es unter dem neuen schwarz-roten Senat zu einem Umdenken kommt. Der Regierende Bürgermeister Wegner hat in einem Interview in der Morgenpost am 30.7.23 auf die Frage "Würden Sie die zugepflasterte Gegend um das Schloss noch mal aufreißen? geantwortet: "Ich bin mit dem Intendanten des Humboldt Forums im Gespräch, wie wir das Umfeld noch attraktiver gestalten können."

Hans-Jürgen Pluta und Dr. Cornelia Oschmann, Vorstand der Lenné-Akademie für Gartenbau und Gartenkultur

Zum Leserbrief des Vorstandes der Lenné-Akademie

Zur Betonung der Beteiligung Peter Joseph Lennés bei der Gestaltung der Freiräume am Berliner Schloss im vorliegenden Leserbrief ist anzumerken, dass mein Beitrag ausdrücklich nicht der detaillierten Nachzeichnung seiner Planungsgeschichte dienen sollte. Wie dort wird auch hier noch einmal darauf hingewiesen, dass Markus Jager sie in seiner 2005 unter dem Titel "Der Berliner Lustgarten. Gartenkunst und Stadtgestalt in Preußens Mitte" veröffentlichten Dissertation ausführlich dargestellt hat, auch was die Rolle Schinkels und Lennés in der fraglichen Phase ab 1828 betrifft. Dazu können natürlich auch die im Beitrag erwähnten, sicher weniger gut zugänglichen Gutachten herangezogen werden.

Einem 2016 gehaltenen Vortrag Klaus von Krosigks folgend, werden im Leserbrief historisch exakte Wiederherstellungen der Schlossterrasse und des Schlossplatzes als ideale Lösungen für das Umfeld des Humboldtforums genannt. Dazu wird erwidert, dass Rekonstruktionen in der Gartendenkmalpflege höchst umstritten sind, zumal wenn von der originalen Bausubstanz wie in diesen beiden Fällen so gut wie nichts mehr erhalten ist und dazugehörige Bildwerke mittlerweile überwiegend in andere räumliche Zusammenhänge eingebunden wurden. Dem trug 2012 auch die Auslobung des Wettbewerbs "Freiraumgestaltung Umfeld Humboldt-Forum" Rechnung, indem dort eine sichtbare Interpretation und Auseinandersetzung mit allen Denkmalaspekten erwartet wurde (vgl. dort S. 94) und eben keine Rekonstruktion. Im Übrigen würde die im Vortrag gewünschte Wiederherstellung des Schlossplatzes mit Neptunbrunnen und flankierenden Schmuckbeeten von 1901 nicht mit der heutigen, an Schinkel orientierten Gestaltung des Lustgartens harmonieren. Auch für die Schlossterrasse ergäben sich Konflikte hinsichtlich ihrer Bepflanzung, da sie nach ihrer Realisierung durch Lenné 1847 weitere Gestaltungsphasen durchlief.

Wenn im Leserbrief schließlich Berlins ehemaliger Senatsbaudirektor Hans Stimmann zitiert wird, der den Siegerentwurf von bbz Landschaftsarchitekten mit dem Großparkplatz eines Einkaufszentrums vergleicht, ist dem entgegenzuhalten, dass das Umfeld des Schlosses nach dem Einebnen des barocken Lustgartens (1713), dem Abriss der Dreifaltigkeitskirche auf dem Schlossplatz (1747) und der Niederlegung der Häuser an der Schlossfreiheit (1894) bereits einen offenen, platzartigen Charakter hatte, der mit dem heute wieder erlebbaren fast identisch war. Insofern ist aus meiner Sicht die Wieder-Gewinnung der Freiräume um das ehemalige Schloss unter stadtbau- und gartengeschichtlichen Aspekten durchaus gelungen, das Umfeld der Nationalgalerie und der übrigen Museen (teils noch perspektivisch) mit eingeschlossen. Dass die letztlich eben doch historische Orientierung der Planungsvorgaben eine Einbeziehung stadtklimatischer Gesichtspunkte weitgehend ausschloss, ist dabei sicherlich einzuräumen.

Prof. Dr.-Ing. Johannes Schwarzkopf, Gartenhistoriker und Landschaftsarchitekt

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