Netzwerk Pflanzensammlungen als Zeugnis unseres pflanzenkulturellen Erbes
Eine Arche für besondere Gäste
von: Bettina de la Chevallerie"Pflegepaten für einzigartige Efeu-Sammlungen gesucht." Meldungen dieser Art gibt es immer öfter auf der Plattform des Netzwerkes Pflanzensammlungen, eines über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projektes der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V. (DGG). Gefährdete private Zierpflanzen-Sammlungen, die aus Alters- oder sonstigen Gründen nicht mehr gepflegt werden können, werden über das Netzwerk an einen neuen Besitzer vermittelt, der den Erhalt und die Pflege der Sammlung an einem anderen Standort garantiert. Oder es werden Pflegepaten gesucht, die sich vor Ort dem Erhalt der Sammlung annehmen. Ganz aktuell lädt das Netzwerk Pflanzensammlungen und die Deutsche Efeu-Gesellschaft e. V. zu einer schönen Frühlingspflegaktion am 22. und 23. März nach Heidelberg in die Abtei Neuburg ein, an der sich freiwillige Helfer beteiligen können.
SUG-Stellenmarkt
Die Efeu-Sammlung des verstorbenen Bruders Ingobert Heieck mit mehr als 500 Arten und Sorten und einem dazugehörigen Archiv mit Efeuliteratur ist weltweit einmalig. Aus wirtschaftlichen Gründen rüstete Ingobert die in den 70er-Jahren noch auf Gemüsegartenbau ausgerichtete Klostergärtnerei in einen Efeuspezialbetrieb um und begann, sich für die Gattung mit ihrer enormen Formen- und Sortenvielfalt zu interessieren.
Über die Kontakte zu anderen Sammlern wuchs die Sammlung ständig an und es entstanden einige der schönsten Efeuauslesen wie die Sorten 'Ritterkreuz', 'Stift Neuburg' und 'Perkeo'. Leider verfügen die Mönche nicht über die Kapazitäten, sich dieses Pflanzenschatzes anzunehmen. Die Pflanzen wachsen ineinander über, die Etiketten verschwinden nach und nach und die Gefahr von Mutationen ist groß. Um diesem Zustand Abhilfe zu verschaffen, wird das gemeinsame Gärtnerwochenende in der Abtei dazu genutzt, die Efeupflanzen, darunter auch eine seltene Bonsaisammlung, zurückzuschneiden, mit neuen Etiketten zu versehen und die alte Bestandsliste zu aktualisieren. Es haben sich schon 27 Freiwillige angemeldet, darunter viele aus Heidelberg, die sich dem Kloster sehr verbunden fühlen und auch planen, eine ständige Betreuungsgruppe einzurichten.
Wie funktioniert nun das Netzwerk Pflanzensammlungen?
Im Netzwerk Pflanzensammlungen registrieren sich viele Pflanzensammler (www.netzwerkpflanzensammlungen.de), tragen ihre Sammlung in einer öffentlich zugängigen Datenbank ein und tauschen sich fachlich aus. Die meisten Akteure sind Hobbysammler und keine ausgebildeten Gärtner, verfügen aber oft über ein ausgezeichnetes botanisches Fachwissen. In der Regel ist ihr Interesse nicht kommerziell. Es kommen aber auch immer mehr Raritätengärtnereien, Gartenbaubetriebe und auch öffentliche Gärten und Arboreten dazu, die über Spezialsammlungen verfügen und sich besser vernetzen wollen.
Eines vereint alle Sammlerinnen und Sammler, egal, ob es sich nun um Aurikeln, Süntelbuchen oder Fuchsien handelt: die Leidenschaft für die Pflanze und für das Sammeln von Raritäten. Über einen Kooperationsvertrag, den die DGG mit der BLE im November 2011 abgeschlossen hat, ist das Netzwerk Pflanzensammlungen auch Bestandteil der Deutschen Genbank Zierpflanzen mit dem Ziel, aus dem Pool der registrierten Sammler unterstützende Partner zu werben.
Diese leisten über die jährliche Bestandsaufnahme ihrer Pflanzensammlungen und die Bereitstellung ihres Expertenwissens beispielsweise über gartenrobuste Wildarten und Sorten einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Auch Pflanzen, die vom Aussterben bedroht sind, historische oder seltene Sorten, die kaum mehr in den Gärten wachsen oder im Handel vertrieben werden, spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Alte Sorten werden schnell von neuen Mode-Sorten verdrängt, wie das Beispiel des Schein-Sonnenhuts (Echinacea) zeigt, der seit dem Jahr 2005 intensiv gezüchtet wird. Jährlich kommen bis zu 20 neue Sorten oder 'Serien' auf den Pflanzenmarkt, die allerdings schon nach wenigen Jahren wieder verschwinden. Die 2009 gegründete Deutsche Genbank Zierpflanzen besteht aus insgesamt fünf Netzwerken.
Den Anfang machten die Genbank Rose und Rhododendron, daraus bildete sich übergeordnet eine Genbank für samenvermehrte und eine Genbank für vegetativ vermehrte Zierpflanzen. 2011 kam das Netzwerk Pflanzensammlungen dazu, mit der Aufgabe, vorrangig private Pflanzensammlungen ausfindig zu machen und zu dokumentieren. Mittlerweile vereint das Netzwerk mehr als 200 Pflanzensammler.
Anfang des Jahres hat sich die Freundschaftsinsel Potsdam mit dem Nachlass von Karl Foerster im Netzwerk angemeldet. Und nicht nur das, auch die Dendranthema-Sorten (ehemals Chrysanthemum) des Foersterianers und Staudenzüchters Dr. Konrad Näser wurden aktuell auf die Freundschaftsinsel gebracht und werden ebenso im Netzwerk Pflanzensammlungen dokumentiert und registriert.
Damit kommen wir zu dem zentralen Anliegen des Netzwerkes Pflanzensammlungen, unser gartenkulturelles züchterisches Erbe für nachfolgende Generationen zu sichern und auf die Gesamtleistungen großer und anerkannter Züchter, wie Karl Foerster, Georg Arends oder zeitgenössischer Züchter wie Dr. Konrad Näser, Peter zu Linden, oder Dr. Tomas Tamberg aufmerksam zu machen.
Die Freundschaftsinsel Potsdam versteht sich mit dem züchterischen Nachlass Karl Foersters (K.F.) als lebendiges Museum. Alle Sorten haben ihren Platz und werden auf den Schaubeeten gezeigt, gleichgültig, ob es sich um eine gartenrobuste attraktive Staude handelt oder eben nicht. Der Landschaftsarchitekt Thoralf Götsch, der nun die Nachfolge von Jörg Näthe angetreten hat, ist Gründungsmitglied des Netzwerkes Pflanzensammlungen und möchte das Foerstersche Pflanzenerbe durch eine wissenschaftliche Dokumentation begleitet wissen.
Aktive Unterstützung bei der Dokumentation hat auch Manfred Bielert zugesagt, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Insel, dessen Hilfe sich auch auf die Aufzucht und Vermehrung des Sortiments auf einer Fläche des Grünflächenamtes innerhalb der Kolonie Alexandrowka ausweitet (wo Sorten zudem auf ihre Echtheit überprüft werden).
Ohne Experten wie Manfred Bielert, er hat noch bei Foerster gelernt, würde wichtiges Wissen über die einzelne Sorten verloren gehen, beispielsweise, welche Sorten von Foerster gute Vererber sind, wie etwa Delphinium 'Finsterahorn'. Oder es kommt gar zu Verwechslungen zwischen den Sorten einer Gattung. Dies passierte vor einiger Zeit mit Dendranthema 'Schneesturm', einer Züchtung von Dr. Näser, die irrtümlich für Dendranthema 'Schneewolke' von Foerster gehalten wurde und auch in den Pflanzkatalogen falsch aufgeführt wurde. Deshalb ist es wichtig, die Pflanzensorten so detailliert wie möglich zu beschreiben und am besten noch mit einem Foto zu versehen, das der Verifizierung dient.
Insgesamt hat Foerster zwischen 1910 und 1968 mehr als 370 verschiedene Sorten gezüchtet und neben Phlox paniculata-Sorten kamen neue Sorten von Rittersporn, Astern und anderen winterharten Blütenstauden und Gräsern ab 1932 in den Handel. Davon sind heute noch an die 200 verifizierte Foerster-Sorten in geometrisch angelegten Beeten auf der südlichen Seite der Freundschaftsinsel aufgepflanzt.
Die Abgrenzung der Züchtungen aus der Zeit von Dr. Näser (1971 bis 1989) zum Nachlass von K.F. ist schwierig, da dieser früher aus politischen Gründen durch den volkseigenen Betrieb mit dem vorgesetzten Signum "BS" - Bornimer Staudenkulturen - in den Handel eingeführt hat. Da der Name des Züchters, der die Sorte einst selektiert hatte, nicht erwähnt werden durfte, fand eine Vermischung des Nachlasse K.F mit den später folgenden Züchtungen nach seinem Tod statt. Dank der Hilfe von Näser und Bielert, kann nun eine deutlich vom Nachlass K.F. abgegrenzte Sammlung unter dem Namen "Bornimer Staudenkulturen" in die Datenbank aufgenommen werden.
Noch sind innerhalb des Sortiments der K.F. Winterastern einige Sorten verschollen, wie C. 'Königssohn' oder C. 'Corinna' von 1957. Hier und dort gelangen über passionierte Pflanzensammler im Netzwerk Pflanzensammlungen verloren geglaubte Sorten aus den eigenen Privatsammlungen zurück an die Öffentlichkeit. Die Spur führt manchmal bis nach Russland. Nach 1945 gelangten dort Original-Foersterstauden über die Botanischen Gärten, darunter auch viele Phloxsorten, in die ehemalige Sowjetunion. Es wäre schön, wenn eine offizielle Rücküberführung weiterer Sorten möglich wäre. Die Russen sind leidenschaftliche Phloxsammler, der Gartenphlox hat dort den gleichen Stellenwert wie bei uns die Rose. Sehr begehrt, auch in Deutschland, sind die Phloxzüchtungen des Züchters P. G. Gaganow, wie zum Beispiel die Sorte Phlox paniculata 'Uspech'.
Ehrenamtliches Engagement, wie bereits ausführlich am Beispiel Efeu und der Freundschaftsinsel Potsdam beschrieben, wird im Netzwerk Pflanzensammlungen großgeschrieben, denn leider haben Pflanzensammlungen in Deutschland noch längst nicht die Wertschätzung und die Reputation, wie in England, Frankreich, USA oder Holland. Dort werden Pflanzensammlungen viel stärker als wichtige Orte der Bewahrung von Pflanzenvielfalt wahrgenommen und teils über das Qualitätslabel "Nationale Pflanzensammlung" als herausragende Sammlungen geschätzt.
Diesen internationalen Impulsen möchte die DGG mit ausgewählten Qualitäts-Sammlungen folgen und setzt in Zusammenarbeit mit der Firma Helix Pflanzen mit dem Aufbau einer Lavendula angustifolia-Sammlung ein erstes deutliches Signal für das Sichtbarmachen von Pflanzensammlungen. Schon über einen längeren Zeitraum arbeitet Helix Pflanzen mit dem englischen Lavendelzüchter Dr. Simon Charlesworth zusammen, dessen umfangreiche Lavendel-Sammlung 1996 den Status der eben schon erwähnten "National Plant Collection" erhielt. Mit dieser Auszeichnung werden nicht nur Verdienste und Erfolge des Besitzers der bekannten Lavendelgärtnerei Downderry Nursery gewürdigt, sondern es beinhaltet zugleich die Verpflichtung, Pflanzen zu konservieren, ihren Bestand zu sichern und somit zur Bewahrung von Biodiversität beizutragen.
Diesem Beispiel folgte nun Hans Müller von Helix Pflanzen, den das Netzwerk Pflanzensammlungen dazu inspirierte, seine Lavendelkollektion zu vergrößern und das Versprechen abzugeben, diese im Sommer auf dem Gelände des Gartenbaubetriebs Dehner im süddeutschen Raum als öffentlich zugängige Sammlung aufzupflanzen. Damit wäre die erste öffentliche Lavendelsammlung von nationaler Bedeutung in Deutschland geboren. Auf der ipm Essen überreichten BLE und DGG Herrn Müller im Rahmen einer öffentlichen Presseveranstaltung die offizielle Urkunde zur unterstützenden Partnerschaft in der Deutschen Genbank Zierpflanzen.
Es wäre zu wünschen, dass noch viele Gartenbaubetriebe, Baumschulen und Gärtnereien diesem Beispiel folgen, gattungsspezifische Pflanzensammlungen aufzubauen, über das Netzwerk Pflanzensammlungen anzumelden und öffentlich zugängig zu machen.
In Planung ist der Aufbau eines Qualitätslabels auf Basis der unterstützenden Partnerschaft. Das Label soll an potenzielle Bewerber und Sammlungshalter vergeben werden, wenn diese bestimmte Kriterien erfüllen und Pflege und Erhalt der Sammlung garantiert werden kann. Wie das Kind dann genau heißen soll, muss noch mit allen Beteiligten abgesprochen werden. Hier bietet die 2010 gegründete BundesArbeitgemeinschaft PflanzenSammlungen (DGG), ein Zusammenschluss von Pflanzenliebhaber-Gesellschaften, Botanischen Gärten und Pflanzensammlern, sowie die projektbegleitende Arbeitsgruppe der BLE, fachlich kompetente Unterstützung an.
Es ist höchste Zeit, dass die Inwertsetzung von Biodiversität und insbesondere von Pflanzensammlungen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wird. Das, was Sachverständige schon lange tun, nämlich den Wert von Gärten, Grünanlagen und Gehölzen zu ermitteln, meist im Rahmen von Eingriffs- und Ausgleichsgutachten oder im Auftrag von Denkmalpflegern oder Naturschützern, sollte auch auf bedeutende Pflanzensammlungen übertragen werden.
Die gartenkulturellen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Werte und Ressourcen von Pflanzensammlungen verdienen eine besondere Würdigung. Der Erhalt von Biodiversität wird nur dann gelingen, wenn man nicht nur ihren Nutzen (Ausnutzung), sondern gleichzeitig ihren Erhalt im Sinn hat, mit ihr sinnlich kommuniziert.
Dazu gehört auch der Umgang mit Pflanzen, ihre Kultur, ihr Schutz, auch die Pflanzenanzucht, die Anlage von Pflanzensammlungen, sei es in Gärten und Parks, über die Aktivitäten in der Kulturlandschaft, in botanischen Gärten oder in den Genbanken. Letztere dienen der Zukunftsvorsorge, um gegebenenfalls auf solche spezifischen Sammlungen zurückgreifen zu können, die etwa der Wiederherstellung historischer Gärten dienen oder aufgrund des Klimawandels bei der Veränderung der Stadtvegetation helfen können.
Anmerkungen
Kontakt: Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V., Netzwerk Pflanzensammlungen,
Projektleiterin: Bettina de la Chevallerie, www.netzwerkpflanzensammlungen.de