Ökologische Insel im Häusermeer

Regenwasserpark Star City in Seoul

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Bewässerung Landschaftsarchitektur
Luftbild Star City Seoul, vier Wohnhaus-Türme mit zusammen 1310 Appartements. Fertigstellung April 2007 nach vier Jahren Bauzeit. Im Hintergrund Han River. Foto: Posco

Star City, im Jahr 2007 fertig gestellt, ist ein 6,25 Hektar großes Areal in der Innenstadt von Seoul, auf dem vier unterschiedlich hohe "Wolkenkratzer" stehen mit insgesamt 1310 Wohnungen. In Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, wohnen achtmal mehr Menschen als in Hamburg, obwohl die Flächen der Städte gleich groß sind. Ist die Dimension von Wohnquartieren bei solch extremer Verdichtung zwangsläufig unmenschlich und unökologisch, oder unbezahlbar? Das Wohnumfeld von Star City, ein halböffentlicher Park mit einem Hauch von Luxus, urbanem Design mit menschlichen Proportionen, Kunst-Landschaft mit ökologischem Anspruch ist, wenigstens was die Bewässerung angeht, extrem preiswert.

Downtown Seoul zu wohnen, heißt, rund um die Uhr einkaufen zu können, sieben Tage in der Woche. Aber auch mehrere Stunden fahren zu müssen, bis in die halbwegs unberührte Natur. Im Wohnquartier Star City im Zentrum von Seoul zu wohnen, heißt, privilegiert zu sein. Ein teurer Ort zum Wohnen auf jeden Fall, aber auch ein liebenswert geschützter Bereich für Bewegung, Entspannung oder Kinderspiel. Im unmittelbaren Wohn-Umfeld sind durch die Garten- bzw. Park-Anlage, kleinräumig solche Angebote im Grünen vorhanden. Obwohl auf der anderen Straßenseite der Eingang eines riesigen Kaufhauses liegt und Taxistand, U-Bahn-Station sowie Bushaltestellen nur wenige Meter entfernt sind, ist der Blick auf all das durch die Parkvegetation komplett verstellt. Verkehrsgünstiger kann man nicht wohnen, und noch mehr im Grünen bei der Einwohnerdichte Seouls auch nicht.

Dass inmitten der turbulenten asiatischen Megacity ein privater Park wie Star City, den die Appartement-Eigentümergemeinschaft finanziert hat, vor fremden Passanten durch einen niedrigen Zaun geschützt wird, ist verständlich. Die Vegetation verbindet und begrenzt das innere dieser Oase und gedeiht als intensive Dachbegrünung ebenerdig über den Parkgeschossen, die das gesamte Areal unterhöhlen. Die Bewässerung, ein ausgeklügeltes System aus Regenrückhaltung und Trinkwassereinsparung, trägt maßgeblich zum ökologischen Ausgleich und zur Finanzierbarkeit der Betriebskosten bei. Futuristisches Modell für die Mega-Citys dieser Welt oder koreanische Extravaganz?

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Bewässerung Landschaftsarchitektur
Erdgeschosszone mit Eingang zu einem der vier Wohntürme. Horizontale Gliederung der Erdgeschosse in Verbindung mit Baumkronen erzeugen für Passanten eine Pavillon-Architektur.
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Skulptur in geschütztem Hof, von rechteckig gepflanzten Hecken gesäumt.

Retortenlandschaft mit Urweltmammutbaum

Alles, was auf dem Gelände von Star City sichtbar ist, wurde in nur vier Jahren aus dem Boden gestampft, von Stockwerk -4 bis +57. Faszinierend und absurd zugleich erscheint die Tatsache, auf diesem zu 100 Prozent neu erstellten Terrain einen Hain aus Chinesischem Rotholz vorzufinden - nicht etwa jung gepflanzt, nein - stattliche 10 Meter hohe Exemplare, schon mehrere Jahrzehnte alt. Dieser Urweltmammutbaum (Metasequoia glyptostroboides), auch Chinesischer Mammutbaum oder Chinesisches Rotholz genannt, galt als ausgestorben. Im Jahr 1941, damals gerade anhand von Versteinerungen beschrieben, wurden erste lebende Exemplare in China gefunden - eine botanische Sensation. Die Aktion der Großbaumverpflanzung dürfte kostspielig gewesen sein. Für das Konzept der Gartengestaltung aber war sie unverzichtbar.

Bäume als Maßstab

Besonders an den Eingängen der vier Wohntürme erzeugt die horizontale Gliederung der Erdgeschosse in Verbindung mit Baumkronen für Passanten die Illusion einer eingeschossigen Pavillon-Architektur. Im Übrigen schützen verschiedene Gehölze fast die Hälfte der Freiflächen vor Sommersonne und schaffen ganzjährig, vor allem über den Wegen, ein angenehm Licht durchflutetes "grünes Dach". So verschwinden die bedrohlich wirkenden Wolkenkratzer (nach internationaler Definition darf nur der höchste der vier Türme so genannt werden, weil er mehr als 150 Meter in die Höhe ragt) aus dem Blick der Passanten. Einen Beitrag in dieser Richtung leistet auch die Kunst.

Kunst im Garten

Skulpturen, Plastiken und mit Wasserspiel kombinierte Objekte liegen geschickt platziert in horizontalen Sichtachsen, wobei die Wegführung, wie in der Natur, nicht geradlinig darauf zu hält. Wenige flache Stufen oder niedere Hecken und Beete sind - ohne zu stören - im wahrsten Sinne des Wortes "im Weg". Rechteckige Höfe, zu den Gebäuden nach außen hin gerichtet, stehen im Kontrast zur großen Lichtung im Zentrum des Parks mit ihrer geschwungenen Kontur. Eingefriedet durch Gehölze und mittelhohe Hecken stehen in diesen Höfen kleinere Kunstobjekte auf Sockeln. Beete mit strenger Kontur mit Bodendeckern stellen den richtigen Abstand zu den Exponaten her. Andere Objekte, wie die auf der Kante stehenden Ringe aus Cortenstahl, sind begehbar.

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Sichtachse mit Kunstobjekt aus stehenden Cortenstahl-Ringen. Sanfter Wechsel von Niveau, Belag und Richtung der Wege. Rechts Urweltmammutbäume (Metasequoia glyptostroboides)

Wasserspiele, aus Regen gespeist

Zwischen den Gestaltungselementen Pflanze und Kunst vermittelt, wie könnte es anders sein, das Wasser. Umwälzkreisläufe versorgen mit Hilfe von elektrischen Pumpen sowohl streng geformte Wasserbecken, wie auch einen naturnah angelegten Bachlauf. Dabei zirkuliert das im Gelände aufgefangene Regenwasser zwischen unterirdischer Zisterne und oberirdischer Parklandschaft.

Subvention ohne Kosten

Zwischen 4000 und 5000 Bewohner fassen die vier Wohn-Türme. Der kleinste hat 35, der größte 57 Stockwerke. Um die weitere Versiegelung und den damit einhergehenden steigenden Oberflächenabfluss im Zentrum Seouls auszugleichen, sollten nach Vorstellung der Baubehörde auf diesem Grundstück Regenwassernutzung und Regenwasserrückhaltung die Abflussspitzen extremer Niederschlagsereignisse brechen. Gegen eine solche Idee, die öffentliche Entwässerungssicherheit durch private Maßnahmen zu verbessern, setzte der Investor sich zur Wehr. Die Bauverwaltung des Bezirkes erklärte sich daraufhin bereit, das Baufenster um drei Prozent zu vergrößern; das entspricht 38 zusätzlichen Wohnungen und ist bares Geld wert. Sie leistete mit diesem Zugeständnis eine Subvention ohne Geld auszugeben - in Zeiten leerer öffentlicher Kassen auch für unsere Regional- und Baupolitik eine Überlegung wert.

Bewässerung Landschaftsarchitektur
Am Rand der großen Lichtung, Cortenstahlbänke und -leuchten, Granitkugeln.
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Am Rand der großen Lichtung, Cortenstahlbänke und -leuchten, Granitkugeln.

Meteorologisch gesteuert

Im Gegenzug dafür hat die Bauherrschaft zwischen den drei unterirdischen Parkebenen und dem Erdgeschoss des niedrigsten Wohnturmes eine weitere Etage für die Retention des Regenwassers eingezogen. Darin stehen nun drei Betonbehälter mit maximal zwei Meter Wasserhöhe, sie fassen jeweils 1000 Kubikmeter. Der erste Speicher ist ein Puffer zur verzögerten Ableitung bei Starkniederschlägen. Die automatische Steuerung soll bei entsprechender Wettervorhersage das Volumen über den gedrosselten Ablauf in den Regenkanal entleeren. Dies könnte später, wenn in Seoul flächendeckend solche Pufferspeicher vorhanden sind, durch eine kommunale Leitzentrale erfolgen, die die Wasserstände der einzelnen Behälter nach einem optimierten Programm für das Kanalsystem abwirtschaftet. Bislang macht der Hausmeister von Star City dies noch nach eigenem Ermessen.

Trinkwasser gespart

Während in diesen ersten Speicher auch das Oberflächenwasser von Wegen und Grünanlagen eingeleitet wird, sind an den zweiten nur die Zuläufe der Dachflächen angeschlossen. Der Regenertrag von dort ist relativ sauber. Er wird für das Spülen der öffentlichen Toiletten im Erdgeschoss der vier Gebäude und für die Bewässerung der Außenanlagen genutzt. Der kalkulierte Bedarf für die Regenwassernutzung beträgt bis zu 200 Kubikmeter täglich. Die Stadtverwaltung hat großes Interesse, die Erfahrungen dieses Projektes beim Einsparen von Trinkwasser kennen zu lernen. Schließlich beanspruchen Koreaner bisher pro Person und Tag im Privathaushalt 250 Liter, das Doppelte des deutschen Verbrauchs!

Für Katastrophen gerüstet

Der dritte Speicher mit 1000 Kubikmeter Volumen dient der "Vorsorge". Darunter verstehen die Koreaner einen Wasservorrat für Notfälle wie Feuer, Erdbeben oder Dürre. Im Katastrophenfall ist gedacht, Regenwasser aus der Zisterne als Trinkwasser freizugeben, bis die reguläre Wasserversorgung wieder sichergestellt ist. In Deutschland hergestellte, sich selbst reinigende Filter im Zulauf zu den unterirdischen Speichern stellen sicher, dass die Qualität des Wassers ohne Probleme ist. Als zusätzliche Reinigungsstufe sind Schwellen am Boden der Zisternen eingebaut. Davor lagern sich feine Schwebstoffe im ruhenden Wasser als Sediment ab.

Bewässerung Landschaftsarchitektur
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Betriebskosten gesenkt

In der ersten 12-Monats-Periode wurden 40.000 Kubikmeter Regenwasser genutzt und bewirtschaftet, die Regenrückhaltung lag bei 67 Prozent des insgesamt anfallenden Niederschlages auf dem gesamten Grundstück. Nach Angabe von Prof. Moo-Young Han, der die Stadtregierung bei diesem Projekt Star City beraten hat und der auch selbst in einem der vier Türme wohnt, benötigt ein Kubikmeter aufbereitetes Trinkwasser in Seoul 0,2405 Kilowattstunde Energie, ein Kubikmeter vor Ort aufbereitetes Grauwasser 1,1177 Kilowattstunde, ein Kubikmeter Regenwasser aber nur 0,0012 Kilowattstunde. Dadurch sinken laut Han die Betriebskosten für Bewässerung und Umwälzung in Star City von 20 Euro auf 20 Cent pro Haushalt und Monat. Schon aufgrund dieser Kostenersparnis interessieren sich jetzt weitere koreanische Großstädte wie Daejon und Busan für das Star City Regenwasserkonzept.

Modell für andere Mega-Citys

Star City hat durch ein meteorologisch orientiertes Regenwassermanagement und durch eine außergewöhnliche Form der Subvention Pilotcharakter für andere Großstädte Südkoreas und kann Beispiel sein für Metropolen weltweit. Auch die Gestaltung der Außenanlage ist einzigartig und übertragbar, wenn ausreichend Mittel für die Investition vorhanden sind. Im Zentrum der hektischen asiatischen Metropolen, die öffentliche Plätze kaum haben, sind Vegetationsflächen mit derartiger Intimität nur als Teil von Tempelanlagen bekannt.

Projektdaten

  • Gesamtfläche Star City Areal: 6,25 ha
  • Bewohneranzahl der vier Wohntürme: 4000 bis 5000
  • Fertigstellung 2007
  • Landschaftsgestaltung: Myungsun Engineering
  • Generalunternehmer Wohntürme: Posco
  • Jahresniederschlagsmenge in Seoul
  • (jahreszeitliche Verteilung und Niederschlagsintensität extrem schwankend) 1200 mm
  • Täglicher maximaler Regenwasser-bedarf zur Bewässerung mit Umwälzung Wasserspiele/Bachlauf und einigen
  • öffentlichen WC in den Erdgeschoss-Etagen 200 m³
  • Regenrückhaltung durch verzögerte Ableitung, Nutzung und Verdunstung (Versickerung wegen Tiefgaragen nicht möglich) 67 Prozent
Dipl.-Ing. Klaus W. König
Autor

Sachverständiger und Fachjournalist

Sachverständigen- und Fachpressebüro Dipl. Ing. Klaus W. König

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