Schadenersatzanspruch
Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf Dritten
Der Schadensersatzanspruch eines durch Astabbruch geschädigten Wohnungseigentümers gegen die WEG als Baumeigentümerin bei Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten steht im Mittelpunkt eines Urteils des BGH vom 13.12.2019 - V ZR 43/19 -.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Jahre 2014 schloss die Beklagte mit der Streithelferin einen Pflegevertrag über die Durchführung von "verkehrssicherheitsrelevanten baumpflegerischen Schnittmaßnahmen". Der zur Wohnanlage gehörende Baumbestand sollte hiernach einmal jährlich kontrolliert werden. Die letzte Kontrolle vor dem Schadeneintritt am 02.05.2016 fand ohne Befund am 07.01.2016 statt. Am 02.05.2016 wurde ein von der Klägerin auf dem Parkplatz der Wohnanlage abgestelltes Kraftfahrzeug durch einen abbrechenden großen Ast einer auf dem Grundstück der Anlage stehenden Platane beschädigt.
Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Der BGH konnte vorliegend zahlreiche höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht einer Wohnungseigentümergemeinschaft offen lassen, weil es hierauf entscheidungserheblich nicht ankam. Der BGH ist nicht von einer schadenursächlich gewordenen schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ausgegangen. Er legt dar, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH, Urteil vom 04.06.1996 - VI ZR 75/95 -) die Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten delegiert werden kann und Voraussetzung hierfür eine klare Absprache ist, die eine Ausschaltung von Gefahren sicherstellt. Dann aber verengt sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich allein Verantwortlichen auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht, die sich darauf erstreckt, ob der Dritte die übernommene Sicherungspflicht auch tatsächlich ausgeführt hat.
Eine solch klare Absprache zwischen den Beteiligten hat der BGH vorliegend in dem Auftrag mit der Durchführung von "verkehrssicherheitsrelevanten" Schnittmaßnahmen gesehen. Für eine unzureichende Kontrolle und Überwachung der Streithelferin sei nichts dargetan. Ob der Baumbestand einmal im Jahr oder der Ansicht der Klägerin folgend mindestens zweimal jährlich zu kontrollieren sei, sei nicht im Wege der Beweisaufnahme zu klären. Dies zu beurteilen sei vorrangig Sache der beauftragten Fachfirma, die für die notwendigen Sicherungsmaßnahmen verantwortlich geworden sei.
Eine Haftung der Beklagten käme daneben nur in Betracht, wenn sie hätte erkennen müssen, dass der von ihr erteilte Auftrag unzureichend war, wofür nichts ersichtlich sei. Ein deliktischer Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 831 BGB scheide bereits deshalb aus, weil es sich bei der Streithelferin um ein selbständiges Unternehmen handele und folglich nicht um einen Verrichtungsgehilfen (vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 06.11.2012 - VI ZR 174/11 -). Die Streithelferin sei auch keine Erfüllungsgehilfin der Beklagten im Sinne von § 278 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte durch den Abschluss des Vertrages mit der Streithelferin keine ihr im Innenverhältnis zu der Klägerin obliegende Pflicht erfülle. Ein Dritter, auf den Verkehrssicherungspflichten übertragen werden, sei generell im Innenverhältnis zu den einzelnen Wohnungseigentümern nicht Erfüllungsgehilfe der Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne von § 278 Abs. 1 BGB.
Die Entscheidung des BGH betrifft vordergründig nur das sehr spezielle Haftungsverhältnis zwischen einer Wohnungseigentümergemeinschaft und dem einzelnen Wohnungseigentümer bei Übertragung der Verkehrssicherungspflicht durch die WEG auf einen Dritten. Sie ist aber hinsichtlich der für das WEG-Recht nicht spezifischen Aspekte ohne Weiteres verallgemeinerungsfähig. Dies gilt insbesondere für die Grundsätze zur Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten. Diese sind beispielsweise bei der Vergabe von verkehrssicherheitsrelevanten Baumkontrollen und Maßnahmen wie etwa eingehenden Untersuchungen der öffentlichen Hand auf Fachfirmen anwendbar. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auf die Urteilsanmerkung des Verfassers zu einer Entscheidung des OLG Koblenz betreffend die Haftung der öffentlichen Hand bei Beauftragung eines Fachunternehmens, Stadt + Grün 02/2019, 60, hingewiesen. Von besonderem Interesse ist schließlich die Feststellung des BGH, dass es vorrangig nicht Aufgabe des Auftraggebers ist, sondern der beauftragten Fachfirma zu entscheiden, ob einmal jährlich durchgeführte Baumkontrollen ausreichend sind oder - wie von der Klägerin angenommen - halbjährliche Baumkontrollen notwendig sind.
Ass. jur. Armin Braun, GVV-Kommunalversicherung