Roberto Burle Marx

Radikal formalistische Naturabstraktion - und dennoch spiegelt Burle-Marx' Werk die lebensfrohe Seite sowohl der Moderne als auch der Tropen wieder. Diese Kunst trotzte der Härte der sozialen und politischen Realitäten und entfaltete ganz eigenständige Qualitäten.

Zugleich Naturschützer und Künstler, Musiker und Lehrer war Roberto Burle-Marx ein Tausendsassa. Seine Berühmtheit in der Landschaftsarchitektur täuscht jedoch; außerhalb der Fachkreise erfuhr sein Werk relativ wenig Anerkennung. Eine vom Jewish Museum New York organisierte und auch in der Deutsche Bank KunstHalle in Berlin im vergangenen Sommer gezeigte Ausstellung wollte das ändern. Vor allem demonstrierte sie, wie vielseitig produktiv Burle-Marx war - und das in den unterschiedlichsten Medien. Neben Privatgärten, Promenaden (in Copacabana!) und Parkanlagen schuf er auch Gemälde, Grafiken, allerlei skulpturale Objekte, Teppiche oder Fliesen-Bilder. Eine blau-weiße Azulejo-Arbeit beispielsweise ergänzt das bekannte rein abstrakte Werk der Pflastermuster und Pflanz-Kompositionen auf lyrische Weise mit figurativ durchsetzten Wandbild-Flächen. Skulpturen und Glas- oder Holzobjekte - Vasen, Leuchten, Schmuck - scheinen zugleich von den Naturformen seiner Heimat und der künstlerischen Avantgarde inspiriert. In einem 1928 veröffentlichten Manifest hatte der Dichter Oswald de Andrade eine brasilianische Moderne definiert, die sich "kannibalistisch" einzelner Aspekte europäischer Vorbilder bedient, um dabei etwas ganz Eigenes zu erschaffen. Diese Motivation mag auch den jüngeren Gartenkünstler bewegt haben, der Brasiliens Landschaftsarchitektur von der Orientierung an Europäischen Vorbildern befreite.

Auf Burle-Marx' Deutschland-Bezug wurde oft hingewiesen. Als 19-Jähriger 1928/29 mit seinen Eltern in Berlin lebend, habe er beispielsweise im Kronprinzenpalais die moderne Kunst entdeckt, und im Dahlemer Botanischen Garten seine Liebe zu der von den Gartengestaltern seiner Heimat ignorierten brasilianischen Pflanzenwelt. Ein interessantes neues Detail ist der Hinweis auf ein Abonnement der von Karl Foerster und Camillo Schneider herausgegebenen Zeitschrift Gartenschönheit, das ihm sein deutscher Vater in den 1920ern geschenkt hatte und das als eine mögliche Einflussquelle untersucht werden könnte. Wer mehr über den Menschen hinter dem Werk und seine künstlerischen Inspirationen lernen möchte, kann auf den Katalog "Roberto Burle Marx: Brazilian Modernist" zurückgreifen. Vor allem mit zwei aufschlussreichen Texten ergänzt dieser die vorhandene Literatur: einer über Burle-Marx' Verhältnis zu Spiritualität und Judentum und einer zu seinem Einfluss auf die zeitgenössische Kunst. Die Ausstellung verzichtete weitgehend auf biografische Dokumente. Dafür zeigte sie die auch im Katalog dokumentierten Arbeiten jüngerer Künstler, die vom Werk des Brasilianers inspiriert sind.

Die Besprechungen verweisen in Nebensätzen oft auf ökologische und soziale Dimensionen von Burle Marx' Schaffen - zwei Aspekte die noch kritisch zu untersuchen wären. Dessen ungeachtet wird in der neuen Publikation jedoch sehr deutlich, welche Strahlkraft eine als Kunst gedachte, Grenzen überschreitende Landschaftsarchitektur entwickeln kann, denn ihre Spuren hinterlässt diese tropische Moderne bis heute. Und dies vielleicht deutlicher denn je; denn mit der - auch ästhetischen - Globalisierung auf der einen, und der Auseinandersetzung mit einem neuen Naturverhältnis im Anthropozän auf der anderen Seite bietet Burle-Marx' Werk gerade heute ein besonderes Integrationspotential.

Lars Hopstock