Die Ausstellung Grabgestaltung und Denkmal der BUGA Heilbronn 2019

Biodiversität auf dem Friedhof

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Ausstellung Friedhöfe
Abb. 1: Die BUGA-Mustergrabausstellung fügte sich geschwungen und harmonisch unter vielen Bäumen in die Bestandssituation nahe des Neckar ein. Foto: Thomas Herrgen

Seit Jahren und Jahrzehnten schreitet das Artensterben dramatisch voran. Gründe sind, neben zu vielen Pestiziden in der Landwirtschaft und dramatisch zunehmender Flächenversiegelung - auch für Industrie und Wohnungsbau - die durch menschliches Tun reduzierten Strukturen in Natur und Landschaft. Monokulturen, Bäume auf falschen Standorten (etwa Fichte) und ausgeräumte Ackerflächen ohne Randstreifen oder Inseln mit Wiese und Bäumen sind nur ein Grund. Nicht nur die Anzahl der Arten ist rückläufig, auch die jeweiligen Populationen der noch erhaltenen Arten werden zahlenmäßig immer kleiner. Naturschützer, Teile aus Politik und Gesellschaft aber auch der Garten- und Landschaftsbau und Gärtner wollen nun helfen, dem entgegenzuwirken.

Das Thema hat seit ein paar Jahren so auch den Friedhof erreicht. Die strukturellen Veränderungen dort durch immer mehr Urnenbeisetzungen, Wiesengräber, anonyme Grabfelder und Überhangflächen führten dazu, dass es auf Friedhöfen wieder satte Wiesen gibt und zum Beispiel dort auch Imkerei betrieben werden kann. Und bei der Grabgestaltung gibt es neben den klassischen Formen nun auch "Öko-Gräber", die für mehr Naturnähe und Biodiversität sorgen sollen. Friedhöfe allein können die Artenvielfalt natürlich nicht sichern, aber einen nicht unbeträchtlichen Teil dazu beitragen. Manche Großfriedhöfe von Metropolen nehmen allein zwei bis drei Prozent der gesamten Stadtfläche ein. Die Summe aller Friedhöfe einer Stadt macht schon einmal zehn bis 15 Prozent aus. Zusammen mit Park- und Wallanlagen, Stadtwäldern, Kleingartenanlagen und Privatgärten kommt da ein beträchtliches Potenzial zusammen, das für die Vielfalt von Arten, Ökosystemen und die genetische Vielfalt sorgen kann - wenn alle es wollen und etwas dafür tun.

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Ausstellung Friedhöfe
Abb. 2: Auch klassisch bis modern bepflanzte Grabflächen sorgen durch Strukturvielfalt für verschiedenste Lebensräume. Gehölze, diverse Bodendecker und Blütenpflanzen in Kombination mit einem Grabzeichen aus Naturstein sorgen für Abwechslung. Foto: Thomas Herrgen

BUGA 2019, Grabgestaltung & Denkmal

Heilbronn mit etwa 125.000 Einwohnern gehört zu den kleineren BUGA-Ausrichtern. Die Stadt am Neckar war im Krieg stark zerstört worden und erlebte danach einen rasanten Aufschwung. Mit den Veränderungen in der Wirtschaft und beim Gütertransport fielen auch in Heilbronn Gewerbeflächen brach und der Hafen wurde teilweise zugeschüttet. Das Gelände nördlich des Hauptbahnhofs im Neckarbogen zwischen Hauptfluss und Altarm wartete schon länger auf eine Neugestaltung und bot sich als innenstadtnahes Areal für die BUGA an. 2004 fiel der Beschluss zur Bewerbung, 2007 wurde der Vertrag mit der Deutschen Bundesgartenschau Gesellschaft geschlossen und 2011 ein freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb durchgeführt, den das Berliner Büro sinai Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH gewann. Im November 2013 begannen die Landschaftsbauarbeiten. Nach gut fünf Jahren Kernbauzeit eröffnete Bundespräsident Steinmeier die BUGA im April. Mit 40 Hektar ist das Bundesgartenschau Gelände vergleichsweise klein, jedoch intensiv und hochwertig gestaltet. Dazu gehörte auch der Ausstellungsbereich Grabgestaltung & Denkmal.

Idyllisch unter Bäumen

Das Motto der Bundesgartenschau 2019 konnte auch für ihre Mustergrabausstellung nicht treffender sein: Das "Blühende Leben". Sie war in einem bestehenden Park mit altem Baumbestand zu finden, unter dem die Mustergräber geradezu idyllisch angelegt waren. Als BUGA-Punkt 93 innerhalb der Gartenbauausstellung lag der Bereich "Grabgestaltung & Denkmal" sehr intim, eingebettet im Campus Park auf der so genannten "Forscherinsel", die im engeren Sinne aber keine Insel ist. Der Neckar liegt nur wenige Meter entfernt und das Technische Hilfswerk (THW) als direkter Nachbar am Fluss sowie die Feuerwehr der Stadt Heilbronn unterstützten die Ausstellung. Sie war gerahmt von "Mauern" aus weißen Sandsäcken des THW und als Erkennungszeichen am Eingang stand eine nicht begehbare weiße Kapelle nach der Idee des Münchner Bildhauers Daniel Bräg. Der Künstler ließ das hell leuchtende "Bauwerk" ebenfalls aus Sandsäcken aufschichten, auch als Symbol für den Friedhof der Zukunft. Die "Capella" hatte über Treppenstufen und einen Sitzplatz an der Uferpromenade die gestalterische Verbindung zum Neckar und zur Stadtausstellung gegenüber.

Das Gesamtkonzept der Mustergrabausstellung rund um einen schönen alten Walnussbaum (Juglans regia) hatte die ARGE Siegmund, Ausstellung & Kunst: Daniel Bräg gemeinsam geplant. Ausführende des Rahmens waren die Firmen Garten- und Landschaftsbau Bietigheimer Gartengestaltung GmbH und Baukunst Heyd GmbH, Zimmerei-Holzbau, die den Info-Pavillon und Unterstand für die Mitwirkenden errichtet hat. Ausstellungspartner war der Bund deutscher Friedhofsgärtner (BdF) als Dachverband, während viele seiner Mitglieder quer durch die gesamte Bundesrepublik die 67 einzelnen Mustergräber gestaltet haben. Auch die Steinmetze und Künstler der Grabzeichen verteilen sich auf alle Postleitzahlengebiete von eins bis neun und bilden damit einen repräsentativen Querschnitt ihres Handwerks ab.

Jeweils für zehn Tage pflegten junge Friedhofsgärtner*innen und Auszubildende die Ausstellungsbeiträge. Sie erweiterten dabei ihr Wissen und profitierten von dieser besonderen Erinnerung auf der BUGA für ihre eigene Zukunft. Die Betreuenden vor Ort gaben auch gerne Auskunft zu Pflanzen und Materialien, Gestaltung, Vielfalt und Nachhaltigkeit der Mustergräber. Nicht zuletzt gehörte die Ausstellung als Bildungspartner zur Initiative "Buntes Klassenzimmer", das viele Stationen innerhalb der BUGA zur Wissensvermittlung an Schüler*innen nutzte.

Ausstellung Friedhöfe
Abb. 3: Bei der noch recht neuen Gestaltungs- und Bepflanzungsidee "Fließende Form" greifen mehrere Grabstätten-Gestaltungen ineinander. Bodendecker, Wechselflor und Ausstattungen verteilen sich über die Flächen hinweg, ohne scharfe Abgrenzung. Die Struktur- und Formvielfalt sorgt auch hier für unterschiedliche Lebensräume von Insekten und Kleintieren. Foto: Thomas Herrgen
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Abb. 4: Die Gemeinschaftsgrabanlage "NaturRuh - Natürlich erinnern" im Zentrum der Mustergrabausstellung zeigte beispielhaft, wie naturnah es auch auf Friedhöfen zugehen kann. Standortgerechte Pflanzen, Wildstauden und Kleingehölze werden mit Strukturen aus Holz, Stein und Unterschlupfmöglichkeiten für Kleintiere sowie Vogelhäuschen und Nistkästen kombiniert. Foto: Thomas Herrgen

Grabformen für die biologische Vielfalt

Die noch relativ neue Bestattungsform "NaturRuh - Natürlich Erinnern" lag mit einem Beispiel im Zentrum der Heilbronner Grabmalausstellung. Üppige Staudenbepflanzungen, natürliche Materialien wie Holz und Stein, die vielfältige Strukturen schaffen sollen, sowie das Einbeziehen von Tieren, etwa mit Vogelhäuschen und Unterschlupfmöglichkeiten etwa aus Flechtkörben für Kleintiere wie Igel kennzeichnen die Idee. Das vom Bund deutscher Friedhofsgärtner entwickelte und propagierte Grabgestaltungskonzept "NaturRuh" ermöglicht nach dessen Überzeugung "würdevolle Bestattungen und fördert zugleich die biologische Vielfalt auf Friedhöfen". Schon bei der IGA 2017 und bei der Grünen Woche 2019 in Berlin war das Projekt als gärtnerisch betreute Anlage vorgestellt worden. Neben der Naturnähe geht es um Nachhaltigkeit und um ein weiteres Angebot für Gemeinschaftsgrabanlagen. Das neue Grabgestaltungskonzept wurde bereits 2018 mit dem Innovationspreis Gartenbau des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ausgezeichnet.

Ebenfalls neu in der Grabgestaltung ist die "Fließende Form". Drei Mustergrabstellen sind hier bereits in sich mit überwiegend geschwungenen, organischen Formen gestaltet und flossen im Beispiel Heilbronn zusätzlich ineinander über. Am Rand der Grabausstellung, seitlich eines Wegebogens mit leichtem Gefälle entstand so eine ineinander verwobene Grabgestaltung, die leicht abwärts "floss". Außergewöhnliche Grabzeichen und eine Holzbank, die aber nicht genutzt werden konnte, ließen den Betrachter einmal mehr staunen.

Einzel-, Doppel- und Urnengräber

Auch "normale", bepflanzte Gräber sorgen durch die Art oft vielfältiger Gestaltung mit Materialien, Pflanzen, Bodenbewegung und Strukturen für Abwechslung, Vielfalt und sind damit die Voraussetzung für Biodiversität. Von den insgesamt 67 Mustergräbern in Heilbronn entfielen mit Abstand die meisten Beispiele auf Einzelgräber, gefolgt von Doppelwahlgräbern und einer Reihe von Urnengräbern. Alle plädierten mit teilweise großartigen Gestaltungsideen für das bepflanzte Grab, inklusive Stein oder Grabzeichen mit Namen und Lebensdaten. Neben verschiedensten Natursteinen wie Granit, Muschelkalk und Sandstein waren auch Corten-Stahl, Edelstahl und Holz verarbeitet. Manchmal wurden Bildgravuren in einen polierten Stein eingearbeitet, die den Verstorbenen und Szenen aus seinem Leben zeigten. Andere Grabgestaltungen thematisierten den Beruf oder das Hobby des Bestatteten, zum Beispiel mit Musikinstrumenten oder Symbolen des Schachspiels. Das Grabzeichen muss auch nicht immer den Hintergrund bilden. Bei Einzelbeispielen wanderte es zur Mitte oder nach vorn und eröffnet für die Gestaltung ganz neue Perspektiven.

Bei der Bepflanzung von Gräbern ist generell ein klarer Trend zu organischen Formen, Schwüngen oder auch Tropfen zu erkennen, während geometrische Gestaltungen mit Streifen, Quadraten oder Dreiecken eher die Ausnahme bilden und vornehmlich bei Urnengrabbeispielen zu finden sind. Bei letzteren besteht immer die Herausforderung, auf kleiner Fläche im Kontrast zum relativ großen Grabzeichen ein Bepflanzungskonzept zu erstellen, das ablesbar ist und nicht überladen wirkt. Weniger ist mehr, lautet hier die Devise, was oft auf ein Hintergrundgehölz und ein bis zwei Bodendecker hinausläuft, mit einer kleinen Insel für den Wechselflor. Gut entworfen und umgesetzt entfalten dann kleine Urnengrabflächen fast die gleiche Wirkung wie ein großes Einzel- oder Doppelgrab.

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Abb. 5: Sechs verschiedene Sorten Hauswurz (Sempervivum), zwei kleine Chilenische Schmucktannen (Araucaria araucana) seitlich des Grabzeichens und eine organisch-wellenförmige Wechselflorfläche sorgen für ein außergewöhnliches und vielfältiges Bepflanzungsbeispiel dieses Einzelmustergrabes. Foto: Thomas Herrgen

Prämierung und Aussicht

Die Grabzeichen wurden gleich zu Beginn der BUGA vom Bundesverband Deutscher Steinmetze prämiert, in Gold, Silber und Bronze. Die Wechselflor Pflanzungen wurden jahreszeitbezogen drei Mal (Frühjahr, Sommer, Herbst) umgepflanzt und von einer Kommission der Bundesgartenschau bewertet. Auch hier konnte je Mustergrab und Jahreszeit eine Plakette in Gold, Silber und Bronze vergeben werden. Für den Sommerflor fand die Prämierung Ende Mai statt, die für Herbst Ende August. Die Zahl der Goldprämierungen war außerordentlich hoch, da es viele abwechslungsreiche, kreative Bepflanzungsbeispiele gab, oft in Kombination mit unbelebten Materialien, die für viele Strukturen und Formen sorgten.

Die Bundesgartenschau Heilbronn und ihre bemerkenswerte Ausstellung "Grabgestaltung und Denkmal" endete am 6. Oktober 2019. Es wäre wünschenswert, wenn einige BUGA-Ideen zur Biodiversität, auch jene der Mustergrabausstellung, weiter getragen und zur Artenvielfalt im Land beitragen würden.

Ausstellung Friedhöfe
Abb. 6: Auch die sehr kleinen Urnengrab-Flächen können durch geschickten Einsatz von Gehölzen (hier: Urweltmammutbaum in Sorten; Scheinzypresse), Bodendeckern und Wechselflor organisch und abwechslungsreich gestaltet werden. Foto: Thomas Herrgen

Weitere Informationen

www.buga2019.de

Interaktiver Geländeplan (Punkt 93 Grabgestaltung & Denkmal):

meine.buga2019.de/unsere-buga.php

www.bund-deutscher-friedhofsgaertner.de

www.naturruh.de

Der geänderte und fortgeschriebene Text basiert auf der Erstveröffentlichung in "Friedhofskultur" 7/2019

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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