Fernöstliche Gestaltung eines Gründerzeit Entrees in Frankfurt a.M.
Der Vorgarten als Wartezimmer
von: Dipl.-Ing.(FH) Thomas HerrgenWenn nicht, legten die Bewohner*innen einen neuen Garten auf der Fläche an, teilweise auch mit Sitzplätzen, Spielmöglichkeiten für die Kinder oder mit anderen Ausstattungselementen. Wer im Sommer abends durch den quirligen Stadtteil schlendert, kann Menschen beim Grillen, Lesen, bei einem Glas Wein oder einfach in der Hängematte chillen sehen.
Der halböffentliche Raum
Für einige Jahre gab es in der Mainmetropole auch einen Vorgarten-Wettbewerb. Hausbesitzer*innen konnten sich bewerben, eine Experten-Jury besichtigte alle Gärten und schließlich gab es eine(n) Gewinner*in. Die Stadt Frankfurt zeichnete damit Bürger aus, die vor ihren Häusern kleine Oasen anlegten, denn die Einsicht war gewachsen, dass Vorgärten einen erheblichen Teil zur Stadtgestaltung, für mehr Grün, zur Artenvielfalt/Biodiversität und zum besseren Mikroklima beitragen können.
Und Vorgärten als halböffentliche Räume sind nicht nur Schmuckflächen und Aushängeschild der Bewohnerinnen und Bewohner. Wenn im Erdgeschoss ein Gewerbe angesiedelt ist, kann die kleine grüne Vorfläche auch zur Visitenkarte und zur Wartezone (nicht nur in Corona-Zeiten) einer im sanierten Altbau angesiedelten Heilpraxis werden, wie dieses Beispiel aus Frankfurt am Main zeigt. Die im Inneren praktizierte chinesische Medizin wird außen von einer Gartengestaltung ergänzt, die sich an Feng Shui (chinesisch 風水 / 风水 , Fēngshuǐ = "Wind und Wasser") anlehnt. Ziel dieser daoistischen Harmonielehre aus China ist es, den Menschen durch eine besondere Gestaltung der Wohn-, Lebens- und Außenräume mit seiner Umgebung in Einklang zu bringen.
SUG-Stellenmarkt
Aushängeschild des Viertels
Die Heilpraktikerin, die sich den Methoden der traditionellen chinesischen Medizin und der Naturheilkunde verschrieben hat, zog vor einigen Jahren in das Erdgeschoss eines Gründerzeitgebäudes im Stadtviertel Nordend ein. Danach ließ sie den Vorgarten neugestalten.
Neben funktionalen Elementen wie einem Müllstandort, dem Pflasterweg zum Eingang, Beleuchtung, Briefkasten und Fahrradstellplatz ist der Garten auch dicht bepflanzt. Er beinhaltet eine Bank, einen Quellstein und teilweise grazile Gehölze, wie etwa einen schirmförmigen Grünen Schlitz-Ahorn. Der alte schmiedeeiserne Zaun ist mit Clematis bepflanzt und im Hintergrund über der Mauer zum Nachbarn duftet Flieder.
Der Garten strahlt Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Als Empfangsbereich vor dem Gebäude und der Heilpraxis ist er auch Warte- und Aufenthaltszone und er sorgt durch seine strukturelle und pflanzliche Vielfalt für Biodiversität. Er ist inzwischen das Aushängeschild und der Hingucker der gesamten Straße geworden.
Fernöstliche Planung mit Schwüngen
Planung und Ausführung lagen in der gleichen Hand einer Garten- und Landschaftsbaufirma aus dem Umland von Frankfurt. Die Bauherrin kannte diese schon von der Gestaltung ihres privaten Gartens und so lag es nahe, den Firmeninhaber, der auch fernöstliche Ideen in Gärten umsetzt, erneut zu beauftragen. Nach einer Ortsbesichtigung mit Bestandsaufnahme und gründlichem Aufmaß begann die Planung.
Sie sah einen Vorgarten als Empfangsbereich im klassischen Stil vor, passend zur Gründerzeitfassade. Außer dem hellen Sandsteinpflaster im 10er Format vom schmiedeeisernen Eingangstor zur Haustüre war als befestigte Fläche ein im Bogen verlaufender Splittweg mit Aufstellfläche für eine Bank geplant. Sie war schon vor Corona eine Wartemöglichkeit für Patienten im Freien und bewährte sich während der Pandemie als funktionales Element.
Der neben dem Eingang vorgesehene Fahrradständer kam nicht zur Ausführung. Für einen temporären Praxis-Stellplatz ist aber dennoch genügend Aufstellfläche vorhanden. Weitere Ausstattung sind ein Müllschrank mit Holztüren für vier Tonnen à 240 Liter (Sonderanfertigung Schlosser/Schreiner) und einige kleinere bis mittlere Findlinge, einer davon als Wasserspiel in Form eines Quellsteins mit Beleuchtung. Die für beides notwendige Außensteckdose konnte direkt an der Innenseite der Vorgartenmauer installiert werden.
Blütenaspekte das ganze Jahr
Bei der Bepflanzung bilden eine Säulenkirsche (Prunus serrulata 'Amanogawa') rechts neben dem Hauseingang, Flieder (Syringa vulgaris in den Sorten 'President Lincoln' und 'Katherine Havemeyer') vor der Grenzmauer zum nördlichen Nachbarn, Hortensien (Hydrangea macrophylla 'Bodensee' und H. 'Endless Summer') zusammen mit dem Schlitz-Ahorn (Acer palmatum 'Dissectum'), dem Immergrünen Kissenschneeball (Viburnum davidii) und der Ball-Alpenrose (Rhododendron yakushimanum 'Schneekrone', rein weiss) das Gerüst.
Hinzu kommen Kräuter wie Rosmarin, Lavendel, Salbei und Stauden wie Frauenmantel (Alchemilla mollis) oder Heuchera in Sorten. Den schmiedeeisernen Zaun haben sich die beiden gepflanzten Berg-Waldreben (Clematis montana 'Rubens') inzwischen vollkommen erobert. Ihre rosafarbenen Blüten sind im Frühling eine einzige Pracht.
Dynamik und Pflege
Seit Beendigung der Fertigstellungspflege kümmert sich die Praxisinhaberin selbst um den kleinen Vorgarten. Die Bewässerung erfolgte in den Anfangsjahren ursprünglich automatisch, über Tropfrohre. Der Garten ist vormittags bis etwa 12:30 Uhr stark besonnt und trocknet in den Sommermonaten leicht aus.
Heute wird manuell bewässert. So manches Wildkraut, Stauden und andere Pflanzen kommen und fügen sich ein, oder verschwinden auch wieder. Die Heilpraktikerin ist der Überzeugung, dass "die Pflanzen zu den Menschen kommen" und man sie gewähren lassen müsse. So darf auch die nicht gesäte oder gepflanzte Brennnessel, die Knoblauchsrauke oder die Zitronenmelisse im Garten verbleiben. Gehölze, wie der Grüne Schlitz-Ahorn (geht sehr in die Breite) oder die Clematis-Rankpflanze am Zaun müssen regelmäßig geschnitten werden.
Die Töpfe auf den Fensterbänken (mit großem Untersetzer-Blech) werden jeweils jahreszeitlich bepflanzt und der Splitt muss ab und zu gerecht und von Laub und Pflanzenteilen befreit werden. Ansonsten ist die Pflanzung inzwischen gut eingewachsen, vor allem die Gehölze benötigen kaum Pflege.
Mit kleineren Hinzu- oder Anpflanzungen wie dem weißen Kugel-Zierlauch, erfährt der Vorgarten auch schon einmal Veränderungen. Im Wesentlichen ist er vom Charakter her jedoch so geblieben wie geplant, und das zeichnet doch den Entwurfsverfasser und Ausführenden sowie die Nutzerin der kleinen innerstädtischen Anlage aus.
Projektinformationen
Projekt: Privater Vorgarten in Frankfurt am MainHistorisches Umfeld, Gründerzeitgebäude
Bauherr: privat beziehungsweise Heilpraxis
Planung & Ausführung:
Thomas Korte
Garten- und Landschaftsbau
Zum Köpperner Tal
10861381 Friedrichsdorf
www.korte-galabau.de
Planungszeitraum: Dezember/Januar 2011/2012
Bauausführung: Frühjahr 2012
Zeitgleich mit dem Vorgarten wurde auch der (Hof-) Garten hinter dem Haus im gleichen Stil gestaltet.
Pflege:
Fertigstellungs-/Unterhaltungspflege
im Anschluss Materialien:
- –Sandsteinpflaster gelb/grau 10/10/10
- Kies hell (statt gepl. Kalksteinsplitt)
- Müllbox mit grauen Holztüren (Sonderanfertigung)
- Automatische Bewässerung mit Tropfrohr (nicht mehr in Betrieb)
- Englische Stil-Bank (Holz)
- Quellstein mit Beleuchtung
Charakter-Pflanzen:
- Säulenkirsche (Prunus serrulata 'Amanogawa')
- Flieder (Syringa vulgaris, Sorten 'President Lincoln' und 'Katherine Havemeyer')
- Hortensien (Hydrangea macrophylla, 'Bodensee' und H. 'Endless Summer')
- Grüner Schlitz-Ahorn (Acer palmatum 'Dissectum')
- Immergrüner Kissenschneeball (Viburnum davidii)–
- Ball-Alpenrose (Rhododendron yakushimanum 'Schneekrone', reinweiß)
- Berg-Waldrebe (Clematis montana 'Rubens')
- Lavendel (Lavandula angustifolia 'Munstead')
Größe:
- Breite (Straßenseite) circa 12 Meter
- Tiefe circa 3,5 Meter
- Gesamtfläche circa 42 Quadratmeter
Baukosten: keine Angabe