Eine Schafherde hält Wiesen kurz und fördert Diversität
Tierische Grünpfleger - Beweidung mit Schafen
von: Dipl.-Ing. Katja RichterEs ist eine tiefe Zuneigung zum Schaf, als Herdentier und archaischem Begleiter des Menschen." Wolfram Seitz-Schüle, Geschäftsführer der Handwerkskammer Freiburg, kümmert sich in seiner Freizeit um eine kleine Herde Schafe. Schon sein Vater hielt Schafe als Kleinvieh. Während einem Studiensemester in Neuseeland 1989 hatte dieses früh angelegte Interesse eine neue Dimension erfahren. Nachdem er mit seiner Frau, Agraringenieurin wie er, einen historischen Wirtschaftshof mit ausreichend Grünland am ehemaligen Kartäuserkloster in Freiburg bezogen hatte, kam die erste eigene kleine Heidschnucken-Herde.
Inzwischen hat der Freizeit-Schäfer auf Ostpreußische Skudden umgestellt. Die Hausschafrasse ist scheu mit einem deutlich ausgeprägten Herdentrieb. Eine wichtige Eigenschaft, um auf stadtnahen Weiden die Tiere vor gutgemeintem, aber oft lebensgefährlichen Füttern durch Spaziergänger zu schützen. Die Rasse steht auf der roten Liste der bedrohten Nutztierrassen. Als kleinste deutsche Rasse verschwinden die weißwolligen Tiere mit den schlanken Köpfen fast im hohen Gras.
Beim Fressen sind Skudden nicht wählerisch, sehr genügsam und machen auch nicht Halt vor Brombeeren und Brennnesseln. Das macht sie wertvoll für den Einsatz in der Landschaftspflege. Entscheidend ist zudem, dass die Rasse als besonders stabil und resistent gegenüber Krankheiten ist. Sie sind weniger anfällig für die Moderhinke, eine weitverbreitete bakterielle Klauenfäule bei Schafen. Dadurch eigenen sie sich auch für eine Beweidung von sumpfigem Gelände. Solche Verhältnisse finden sich zum Beispiel an Bachläufen, die wegen ihrer Unzugänglichkeit mit zum Repertoire der Beweidungstruppe gehört.
Die Herde besteht vor dem Winter aus zirka 70 Tieren. Wenn im Frühling die Lämmer zur Welt kommen, steigt die Anzahl auf ungefähr 100 Schafe. Die Zibben gebären in der Regel Zwillinge.
In der Zeit, wenn die Lämmchen erwartet werden, geht Wolfram Seitz-Schüle zweimal täglich bei den Tieren vorbei. Sobald ein Mutterschaf geworfen hat, nimmt er die beiden Neugeborenen und lockt die Mutter damit in die Lämmerboxen im Stall. Hier haben die kleinen Schafe und ihre Mutter zwei bis drei Tage Zeit, sich aneinander zu gewöhnen und wieder zu Kräften zu kommen. Bevor sie wieder zur Herde dürfen, werden die Neulinge gechippt, damit sind auch die Verwandtschaftsverhältnisse klar.
Für die eigene Nachzucht verwendet Seitz-Schüle ausschließlich Zibben und Böcke, die im Herdbuch der Rasse geführt werden, denn es gibt nur noch wenige tausend reinrassige Skudden-Schafe in Deutschland. Die nicht zur Bestandserhaltung gebrauchten Lämmer verkauft er an andere Schafhalter weiter. Der Rest wird für den Eigenbedarf geschlachtet, nur ein geringer Teil wird verkauft.
Da die Skudde eine asaisonale Schafrasse ist, die weiblichen Tiere also das ganze Jahr über trächtig werden können, sind Böcke und Weibchen in getrennten Herden unterwegs. Dabei hat sich eine unerwartete Eigenschaft gezeigt: Die Bockherde frisst im Gegensatz zu ihren Kolleginnen gerne das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera), das sich über das Verschleudern seiner Samen invasiv vermehrt. Zuerst werden die rosafarbenen Blüten genascht. Nachdem auch die Samenstände verspeist sind, kommen zuletzt die Blätter dran. Am Ende bleibt nur der Stängel.
Scheren + Wolle
Die Tiere werden im Juni geschoren. Für die kälteverträgliche Rasse aus Norddeutschland kann das Weinbauklima im Breisgau ganz schön warm werden. Wolfram Seitz-Schüle beherrscht das Handwerk und schert seine Tiere selber. Seit zur Herde die beiden Alpakas "Tango" und "Bluebaeri" gehören, wird er von einer professionellen Schererin aus der Region unterstützt.
Mit der eher groben Wolle der Skudden ist in Deutschland kein Geld zu machen, da hochwertigere Produkte aus Australien und Neuseeland den Weltmarkt beherrschen.
Einen kleinen Teil verwenden deshalb die Schülern und Schülerinnen des UWC Robert Bosch College für Projektarbeiten. Der andere Teil wird zu Düngepellets verarbeitet. Durch die thermische Behandlung sind die Nähstoffe leicht abbaubar und so schneller pflanzenverfügbar. Außerdem enthält Schafwolle Schwefel, der oft im Boden fehlt.
Unterstützung durch die Stadt
Die Kommune profitiert vom Engagement Seitz-Schüles. Im September 2021 erhielt die Stadt Freiburg das bundesweite Label "StadtGrün naturnah" in Gold als Auszeichnung für vorbildliches Engagement in Sachen naturnahe Grünflächengestaltung. Neben konkreten ökologischen Aufwertung durch die Stadt, wird auch auf das Potential durch bürgerschaftliches Engagement gesetzt. Ein Baustein ist die Beweidung durch die wolligen Mitarbeiter.
Für Jutta Herrmann-Burkart, Abteilungsleiterin Grünflächen und stellvertretende Amtsleitung des Freiburger Garten- und Tiefbauamts (GuT) nennt den Einsatz der "Mäh-Mädels" optimal. Viele der beweideten Steillagen sind für die städtischen Gärtner anstrengend und nicht ganz ungefährlich zu pflegen. Sie schätzt zudem das enorm hohe Know-How von Wolfram Seitz-Schüle: "Wir haben ein ganz großes Interesse, die Beweidung im Stadtgebiet mit ihm auf feste Beine zu stellen." Dafür wurde im letzten Jahr eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus dem GuT, dem Umwelt- und dem Forstamt und natürlich mit dem Weide-Fachmann gebildet.
Ziel ist ein Konzept, dass eine für beide Seiten zufriedenstellende Zusammenarbeit aus freien Schäfern und der Stadt zu erarbeiten.
Bislang trägt sich das Modell durch das ehrenamtliche Engagement des Agraringenieurs. Die vom Land Baden-Württemberg festgesetzten Vergütungstarife sind gerade mal kostendeckend für Anschaffungen und Material. Die Stadt unterstützt mit dem Bau kleinerer Unterstände oder dem Kontrollieren der Zäune. Auch werden die Arbeiten eng mit dem Bauhof und dem Gartenamt abgestimmt.
Einen angestellten Stadthirten sieht Jutta Herrmann-Burkart kritisch: "Da müssten wir für die komplette Infrastruktur sorgen und bräuchten zwei Hirten, damit diese sich gegenseitig vertreten können." Der finanzielle Aufwand dafür ist wohl nicht aus der Stadtkasse zu stemmen.
Die Arbeitsgruppe will zukünftig regelmäßige Treffen abhalten, pandemiebedingt verlief die Arbeit bislang noch etwas eingeschränkt. Bis zum nächsten Jahr aber soll das Konzept stehen. Jutta Herrmann-Burkart sieht es ausdrücklich auch als Leitfaden für andere Kommunen in Sachen Beweidung öffentlicher Grünflächen.
Weideflächen
Für die Stadt Freiburg pflegt Wolfram Seitz-Schüle mit seinen Schafen hauptsächlich drei größere Flächen mit über 10 Hektar. Begonnen hat alles mit den Flächen rund um die Kartause, dem heutigen UWC Robert Bosch College, später kam eine Fläche der Erzdiözese an einer Waldkappelle im Stadtwald dazu. Schon bald ging das GuT mit weiteren Landschaftspflegeverträgen auf den Schäfer zu. Ein Großteil der Flächen mit etwa 7 Hektar liegt gleich neben seiner Wohnung auf dem Gelände des ehemaligen Kartäuserklosters.
Weil der Hirte keine Hunde beschäftigt, werden die Herden per modernem englischen Viehanhänger, dem "Schaftaxi" zu den neuen Weiden chauffiert. Ein Spaziergang durch die Stadt wäre für die scheuen Tiere wohl auch zu aufregend.
Das langfristige Ziel der Stadt ist ein Freilegen alter Parkstrukturen am Schlossberg. Auf der Anhöhe, die wie einer Nase in die Schwarzwaldmetropole hineinragt, liegen auch die über vier Jahre alten Ruinen einer Befestigungsanlage des Festungsbaumeisters Vauban. Die Grundrisse sind nur zu erahnen, weil der Wald die wertvollen historischen Zeugnisse überwuchert.
Von großem Interesse sind die Übergangsbereiche zwischen Flachwiesen und Waldrand. Für mehr Vielfalt an Flora und Fauna wird der Wald in den Randbereichen um einige Meter ausgedünnt. Durch das Beweiden entsteht mit der Zeit eine neue, sehr artenreiche Übergangszone aus Holunder (Sambucus nigra), Vogelbeere (Sorbus aucuparia) und anderen Heckengehölzen.
Flachlandmähwiese
Wo möglich, wird das Grünland relativ spät im Juni zum ersten Mal geschnitten. Dafür hat sich Wolfram Seitz-Schüle einen Bergtraktor mit Doppelmessermähwerk und einen Bandrechen angeschafft. Damit das Saatgut herausfällt, wendet er das Schnittgut für einige Tage, nach Büroschluss versteht sich. Ein befreundeter Landwirt presst ihm das Heu dann zu Ballen - Winterfutter für die Schafe.
Je nach Wetterlage reicht die Vegetationsperiode nicht mehr für eine Öhmd, also einen zweiten Schnitt. Hier kommen dann die Wiederkäuer zum Einsatz.
Sehr steiles Gelände wird auch zu 100 Prozent beweidet und je nach Pflanzenzusammensetzungen und naturschutzfachlichen Zielen mit Maschinen nachbearbeitet.
Die Standzeiten der Herden sind ganz vom jeweiligen Aufwuchs abhängig. Konnte im letzten, sehr feuchtwarmen Sommer sogar ein zweites Mal gemäht werden, kam es im Hitzesommer 2018 zu Notschlachtungen, weil kein Futter mehr für die Tiere zu erwerben war.
Motivation und Bürgerschaftliches Engagement
Neben dem ökologischen Aspekt der Beweidung hat Wolfram Seitz-Schüle noch ein weiteres Anliegen: mit seiner Arbeit will er auch zeigen, dass die ganz gewöhnlichen offenen Landschaften ein besonderes Kulturgut sind. Die meisten Menschen nehmen unser Landschaftsbild wohl als ganz "natürlich" wahr. In Wirklichkeit stecken dahinter menschengemachte Eingriffe, sei es durch landwirtschaftliche Maschinen und Nutzung oder eben die Beweidung durch Tiere.
Die direkte Nähe seiner Weideflächen zum Stadtgebiet bietet immer wieder Gelegenheiten, mit Spaziergängern in Austausch zu kommen. Die kuscheligen Sympathieträger sind für Vorbeikommende ein leichter Einstieg in ein persönliches Gespräch mit dem Schäfer. Dabei erzählt er gerne von seiner Arbeit, erklärt den Nutzen einer Beweidung für das Ökosystem und schafft Verständnis für seine Tiere. Ein Problem stellt zum Beispiel das Füttern der Tiere dar, dass zwar gut gemeint ist, aber den Schafen oft schlecht bekommt. Immer wieder mischen freilaufende Hunde die scheue Herde auf oder die Zäune sind herunter getreten.
Florian Schüle, der Mikrosystemtechniker der Familie, hat sich des Problems angenommen und ein Tool entwickelt, das die Funktionsfähigkeit der Elektrozäune digital überwacht. Per LowRange (LoRa) kann der Zustand der Einfriedungen so jederzeit vom smartphone aus geprüft werden. In Zukunft soll damit auch der Zustand der Herde angezeigt werden, was die täglichen Präsenzkontrollen erleichtern würde.
Bildungsangebot
Durch die Präsenz der Herde im Stadtwald entsteht eine neue, alltäglichere Bindung zwischen Menschen und Nutztier. Das Winterquartier der Schafe direkt neben einer Waldgaststätte ist vielen Freiburgern bekannt, weil hier, im Gegensatz zu den Wanderschäfereien, regelmäßig Tiere zu beobachten sind. Neben der alten Kartause bietet eine kleine Terrasse den perfekten Blick hinunter ins malerische Dreisamtal: Wie auf einem alten Landschaftsgemälde tummeln sich hier neben dem bunten Klostergarten die Schafe nebst Alpakas.
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