Hitze, Trockenheit und Hochwasser können eingedämmt werden
Gestalterische Potenziale klimaangepasster Freiraumplanung
von: Dr.-Ing. Katrin KorthIm Unterschied zu heißeren Klimazonen, in denen der Städtebau traditionell auf lokale klimatische Rahmenbedingungen reagiert - mit engen Gassen, weißen Fassaden und Brunnenanlagen in Atriumhäusern - spielt das Klima im europäischen Städtebau immer noch eine eher untergeordnete Rolle.¹ Dabei haben sich die stadtklimatischen Verhältnisse schon jetzt stark verändert und die weiter fortschreitenden Klimaveränderungen werden die meisten Städte in den nächsten Jahren vor erhebliche Herausforderungen stellen. Zu erwarten sind Auswirkungen auf Gesundheit und Lufthygiene sowie Wirkfolgen für Freiräume und Grünflächen, auf die mit stadtplanerischen Strategien regiert werden muss. Stadtklimatische Veränderungen umfassen zum einen deutlich höhere und länger anhaltende Temperaturen, die eine Überhitzung der Innenstädte bewirken, und zum anderen zunehmende Starkregenereignisse, die mit den klassischen Kanalisationsnetzen nicht mehr gefasst werden können und das Hochwasserrisiko erhöhen.²
Große Bedeutung für Anpassungsstrategien kommt den urbanen Grünräumen zu, deren Potenziale meist unter dem Themenkomplex Wasserspeicherfähigkeit und Verdunstung von Grünräumen oder auch Frisch- und Kaltluftschneisen diskutiert werden. Gerade die Kaltluftschneisen stehen aber auch für das "urbane Blau", verlaufen doch viele entlang der Fließgewässerstrukturen. Es lohnt also der Blick auf den Themenkomplex Wasser in der Stadt als Baustein klimaangepasster Stadtplanung, der zwar in seiner Bedeutung prinzipiell bekannt ist, gleichwohl immer noch vergleichsweise wenig Raum in der Stadt- und Freiraumplanung findet und der in seiner Summe deutlich mehr umfasst als die erwähnten Kaltluftschneisen. Wasser in der Stadt kann dabei neben vielfältigen funktionalen Aspekten im Sinne von Klimaanpassungsstrategien auch große gestalterische Potenziale für die Freiraumplanung eröffnen.
Zur stadtklimatischen Bedeutung von Wasser
Bis in die Neuzeit hinein war die Lage einer Stadt sowie ihre Luft- und Wasserqualität fester Bestandteil von Stadtbeschreibungen.³ So war die Bedeutung von Stadtbächen jenseits ihrer infrastrukturellen Funktion schon lange bekannt. Prominentes Beispiel dafür ist Freiburg, wo die Stadtbäche neben der Versorgung mit Brauchwasser und der Ableitung von Regenwasser immer auch der Verbesserung der Frischluftsituation in den engen Gassen dienten. Auch die positive Wirkung von Brunnen für das Stadtklima ist schon lange bekannt.
So wurden in südlichen Ländern gezielt urbane Wasserelemente zur Erfrischung und Luftbefeuchtung errichtet, um das sommerlich aufgeheizte Klima auf den steinernen Plätzen zu verbessern. Die Errichtung von Brunnen wurde dabei sogar in strategische Stadtentwicklungsprogramme eingebettet. Beispielsweise initiierte Papst Sixtus V. in Rom im 16. Jahrhundert ein "Programm zur Verbesserung der Lebensumstände und der Wasserversorgung",4 welches die Anlage neuer Schalenbrunnen und Wasserwände beinhaltete. Viele der heute bewunderten, prachtvollen Brunnen Roms entstammen dieser Zeit. Städtebauer und Architekten setzten sich intensiv mit der positiven Wirkung von Wasser auseinander.
Mit der Industrialisierung geriet das Wissen um die stadtklimatische Bedeutung von Wasser und Wasserelementen in Vergessenheit. Das Wachstum der Städte und der Ausbau der Kanalisation - einhergehend mit der Versiegelung von Straßen und dem Ziel möglichst schneller Ableitung von Regenwasser - führten zum Verlust vieler Stadtbäche, offener Wasserrinnen und Uferbereiche von Flüssen, die bebaut wurden. Zusammen mit sich ändernden Grundwasserverhältnissen führten die beschriebenen Prozesse, neben der gestiegenen Hochwassergefahr, zu einer schrittweisen Aufheizung der Innenstädte, befördert durch die hohen und dichten Bauweisen aus Beton sowie den im Vergleich zum Umland geringeren Grünflächenanteil.
Auch wenn beim Hochwasserschutz seit vielen Jahren Schutzmaßnahmen geplant und realisiert werden, zeigen doch vor allem die letzten Jahre, dass diese bei den aktuellen stadtklimatischen Veränderungen möglicherweise nicht ausreichen werden. Zukünftig wird es deshalb darauf ankommen, einzelne Maßnahmen viel stärker als bisher zu bündeln und sie als fachübergreifende Themen zu betrachten. In diese Richtung zielen die Konzepte wassersensibler Stadtentwicklung.
Zusammen mit dem Stadtgrün können Wasserelemente einen wirksamen Beitrag innerhalb urbaner Klimaanpassungsstrategien liefern - unabhängig davon, ob es sich um natürliche oder künstliche Fließgewässerstrukturen, um Teiche und Seen, funktionale Bausteine von Regenwassermanagement oder um schmückende urbane Wasserelemente handelt.
Da das Behaglichkeitsempfinden wesentlich durch den Zusammenhang von Strahlungstemperaturen, Luftfeuchtigkeit und Verdunstung bestimmt wird, sind Wasserelemente geeignet, das Mikroklima versiegelter Freiräume zu verbessern. Sie können am Tag punktuell hohe Temperaturen abmildern und genauso abends und nachts Abkühlungseffekte bewirken, wenn infolge der Abstrahlung von Gebäuden und steinernen Freiflächen immer noch hohe Oberflächen- und Lufttemperaturen auftreten. Die Transpirationskühle und das Druckgefälle durch unterschiedliche Temperaturen im Umfeld von - vor allem bewegtem - Wasser fördert kleinräumige Luftzirkulation mit Ausstrahlwirkung auf die unmittelbar angrenzenden Stadträume. Uferbepflanzungen von Flüssen, Bächen oder Teichen wiederum erzeugen Verdunstungskälte, die einen wirksamen Beitrag zur Milderung von Temperaturspitzen leisten kann.
Auf zu neuen Ufern - aktuelle Beispiele
Wie schon einige Male zeigen auch die aktuellen Preisträger des Deutschen Landschaftsarchitektur-Preises genau diese Chancen urbaner Freiraumplanung, die sich aus der Integration von Fließgewässern ergeben. Dabei geht es um mehr als um rein gestalterische Chancen. So bringt die Offenlegung der Sieg neben der Rückgewinnung von Stadtraum verbunden mit der Zurückdrängung des Kfz-Verkehrs, der Sichtbarmachung des Flusses und Rückholung in die Stadt sowie den ökologischen Belangen durch die Renaturierung erhebliche Gewinne für eine klimaangepasste Stadtplanung, entstand doch mit der Freilegung eine breite und zusätzlich im Uferbereich begrünte Frischluftschneise.
In diesem neuen öffentlichen Stadtraum ergänzen sich stadtklimaangepasste Planung und lebenswerte Stadtgestaltung - alles zentral inmitten in der Stadt. Selbst wenn es bisher wenig spezielle Messungen dazu gibt, das Mikroklima entlang solcher Gewässerstrukturen ist im Sommer um ein Vielfaches erträglicher als auf innerstädtischen Straßen oder auf Parkplätzen. Auch abseits dieser Leuchtturmprojekte finden sich vielerorts sehenswerte Beispiele für die Offenlegung verdolter Fließgewässer, den Rückbau kanalartiger Gewässerstrukturen bis hin zur Neuanlage von Stadtgewässern. Die meisten dieser Projekte verbindet neben ihrer stadtbildprägenden Wirkung eine deutliche Verbesserung für das Stadtklima. Dazu kommen bei der Offenlegung oder Neuanlage von Stadtbächen häufig noch Aufgaben im Regenwassermanagement, in dem die Bäche der Aufnahme des Regenwassers dienen, welches dadurch bei Starkregen verzögert in die Vorfluter eingeleitet wird und so Hochwasserspitzen vermeidet.
Dezentrales Regenwassermanagement und Stadtklima
Dezentrales Regenwassermanagement sollte heute eigentlich selbstverständlich sein. Ausgehend vom grundlegenden Ziel, Regenwasser nicht möglichst schnell in die Kanalisation abzuführen, sondern am Ort seines Auftretens zu behandeln, sind mit den Bausteinen offene, oberirdische Ableitung, Retention und verzögerte Ableitung sowie Versickerung und Verdunstung immer auch stadtklimatische Vorteile verbunden, ganz abgesehen von gestalterischen Aspekten, zum Beispiel bei der Gliederung von Straßenräumen. Angesichts weiter zunehmender Starkregenereignisse und der Temperaturanstiege sind diese Potenziale aber noch längst nicht erschöpft. Gerade bei den tendenziell sektoral organisierten Stadtverwaltungen mit ihren unterschiedlichen Flächen- und Objektzuständigkeiten für Straßen, Bäume, Gewässer, Spielplätze und Grünanlagen bedarf es hier noch Überzeugungsarbeit, um beispielsweise Spielplatzflächen als temporäre Überflutungsflächen auszuweisen oder auch gezielt Teile von Parkanlagen bei Starkregenereignissen zu fluten. Und auch wenn es dabei primär um Regenwasserrückhaltung und Hochwasserschutz geht, kann verzögerte Ableitung des Wassers im Sommer eben auch Temperaturspitzen mindern.
Urbane Wassergestaltungen und ihre stadtklimatischen Potenziale
Bei oberflächlicher Betrachtung liegt der Schwerpunkt heutiger urbaner Wassergestaltungen vor allem auf repräsentativen, schmückenden und sozialräumlichen Aspekten. Grundsätzlich wird ihnen eine belebende Wirkung zugestanden, dennoch werden sie nicht selten - insbesondere in Zeiten angespannter kommunaler Haushalte - als letztlich verzichtbare Elemente angesehen. Dass auch urbane Wassergestaltungen einen wirksamen Beitrag für Klimaanpassungsstrategien leisten können, liegt im Grunde genommen auf der Hand, wenn man sich unsere vorwiegend steinern ausgeprägten städtischen Plätze anschaut, auf denen es im Sommer nicht selten unerträglich heiß wird.
Um eine hohe stadtklimatische Wirksamkeit zu erreichen, kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der Wasserelemente an. Geeignet sind Wasserinszenierungen mit starken Wasserbewegungen und großen Wassermengen, ebenso Anlagen, die starke Spritzwasser- und Zerstäubungseffekte verursachen, wie beispielsweise Fontänenfelder. Günstig sind auch Schalenbrunnen und freistehende Wasserfallanlagen mit senkrecht fallenden Wasserbewegungen, da ihre räumliche Wirkung aufgrund der großen Wasseroberflächen und entsprechend großen Abkühlungsflächen und -radien hoch ist.
Eine besondere Qualität, auch hinsichtlich der ästhetischen Anmutung, lässt sich mit Nebelanlagen erzielen, die Wasser in kleinste Bestandteile zerstäuben und hohe Verdunstungseffekte erreichen. Voraussetzung ist dabei, dass sie nicht nur punktuell, sondern flächig oder räumlich angeordnet sind. Weiterhin sind Wasserläufe mit schnell fließendem Wasser, rauen Oberflächenstrukturen und zwischengeschalteten Kaskaden und Stufen stadtklimatisch vorteilhaft. In Kombination mit Vegetation lassen sich die Wirkungen hinsichtlich der Verdunstungseffekte noch verstärken.5
Das Stadtklima immer mitdenken
Höhere und länger andauernde Maximaltemperaturen und zunehmende Starkniederschläge in den Städten bedeuten auch, sich planerisch viel stärker als bisher einerseits mit Sonnenstand, Verschattung, Materialien und Farben und andererseits mit der städtischen Topografie bei Überflutungen beziehungsweise der Überflutungsvorsorge auseinanderzusetzen. Was nützt eine schöne steinerne Sitztreppenanlage am Wasser, wenn diese tagsüber keinerlei Schatten bietet. Und auch das Wasserspiel ohne den schattenspendenden Sitzplatz im Umfeld bietet nur eingeschränktes Vergnügen.
Stärker als bisher erfordert die planerische Auseinandersetzung, ob und wie Ufer oder auch Wasserelemente generell zugänglich gemacht werden können, auch mit einfachen Mitteln, um im Sommer Abkühlung zu ermöglichen. Gerade bei diesem Thema geht es nicht nur primär um Kinder, an die man vielleicht als erstes denkt, sondern insbesondere um ältere Menschen, die bei Hitze großen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind und denen eine Teilhabe am Leben im öffentlichen Stadtraum dennoch ermöglicht werden sollte. Beim Umgang mit Überflutungen wird es zukünftig stärker darauf ankommen, Stadträume multicodiert zu nutzen, um vorhandene Flächen und Volumen kurzfristig generieren zu können, ohne zusätzlich neuen Platz in Anspruch zu nehmen.
Ein weiterer Baustein klimaangepasster Freiraumplanung sind Trinkbrunnen, die im Sinne der Daseinsvorsorge eine stärkere Bedeutung bekommen werden. Die Haltung ist in den Städten heute divergent. Einige Städte installieren offensiv Trinkbrunnen im Stadtgebiet, meist als Angebot der Stadtwerke, einige Städte sind noch zurückhaltend. Als Beitrag zur Gesundheitsvorsorge sind Trinkbrunnen unverzichtbar. Denkbar sind weiterhin temporäre Wasserinstallationen, sozusagen der mobile Wasserspielplatz in der Stadt. Gerade an besonders heißen Tagen könnte sich damit - ähnlich wie den Eisbahnen im Winter - eine besondere Attraktion schaffen lassen.6
Unser Behaglichkeitsempfingen hängt nicht nur von messbaren Faktoren wie Hitze und Luftfeuchtigkeit ab, sondern wird auch visuell und durch die Aufenthaltsqualität eines Freiraums sowie die Zugänglichkeit von Wasser und Wasserelementen beeinflusst. Gerade die Sichtbarkeit und gute Zugänglichkeit von Wasser hat einen unschätzbaren hohen emotionalen Wert. Darum werden beispielsweise auch kleine, einfache Stadtbrunnen mit geringer Wasserbewegung von den Bürgerinnen und Bürgern positiv wahrgenommen. Für die Freiraumplanung ergeben sich daraus viele Ansatzpunkte. In diesem Sinn ist wassersensible Stadtentwicklung kein Schlagwort oder ein weiteres technisches Mittel, um Städte vor Hochwasser zu schützen oder das Stadtklima zu verbessern, sondern eine Möglichkeit, sich den unterschiedlichen Herausforderungen fachübergreifend und mit einer hohen gestalterischen Qualität zu nähern.
ANMERKUNGEN
¹ Nicole Baumüller: Hitze als Planungsfaktor. Klimaanpassung als kommunale Aufgabe der Stadtplanung. In PlanerIn 4/2012, Seite 17.
² Siehe Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden Württemberg (Hrsg.): Klimafibel Baden-Württemberg, Stuttgart 2012.
³ Simon-Muscheid, Katharina: Städtische Zierde - gemeiner Nutzen - Orte der Begegnung. Öffentliche Brunnen in mittelalterlichen Städten. In: Bräuer, Helmut; Schlenkrich, Elke (Hrsg.): Die Stadt als Kommunikationsraum. Beiträge zur Stadtgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Leipzig 2001, Seite 702.
4 Symmes, Marilyn (Hrsg.): Brunnen von der Renaissance bis zur Gegenwart. Stuttgart 1999, Seite 35.
5 Siehe auch Korth, Katrin: Wassergestaltungen auf städtischen Plätzen in Kleinstädten und kleinen Mittelstädten Baden-Württemberg. Dissertation am Karlsruher Institut für Technologie, Fakultät für Architektur, Karlsruhe 2016.
6 Siehe auch Stadt Nürnberg (Hrsg.): Klimaanpassung Nürnberg, Nürnberg 2012.
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