Kommentar
Nicht nur Paris macht es vor
von: Dr.-Ing. Katrin KorthEs ist viel mehr als ein Gebrauchsgegenstand, sondern ein Stück erweiterter, eigener Haushalt. Das ist beim Auto so und noch viel mehr beim Wohnmobil, das ultimative Versprechen grenzenloser Mobilität in den eigenen vier Wänden.
2023 gab es 840.000 Stück und es dürften in den nächsten Jahren noch mehr werden. Dabei sind Wohnmobile genauso wie Autos im Alltag der meisten Städte komplett unpraktisch. Sie sind eben nicht flexibel und verbrauchen viel Platz, nicht nur, wenn sie gefahren werden, sondern vor allem, wenn sie stehen. Das tun sie die meiste Zeit. Durchschnittlich 23 Stunden am Tag stehen Autos und Wohnmobile. Die Entscheidung für den Besitz eines Autos erfolgt höchst individuell, gefördert durch allerlei steuerliche Bevorzugungen (Stichwort Dienstwagenprivileg).
Auch das Abstellen auf der Straße zählt in Deutschland zum Gemeingebrauch einer Straße. An dieser Stelle wird es spannend, denn der Platz reicht schon lange nicht mehr aus. Durch geänderte Aneignungen der Freiräume und vor allem durch den steigenden Platzbedarf für den Radverkehr gibt es heute Anforderungen an Straßenräume, in denen Parkplätze und breite Autotrassen stören. Dazu kommt der Klimawandel mit seinen Entsiegelungs- und Begrünungsstrategien. Momentan scheint es, als würde den Autos der ihnen zustehende Platz weggenommen. Dabei ist es genau anders herum.
Der Platz, der in den letzten Jahrzehnten zu Fuß gehenden Menschen und Radfahrenden genommen wurde, wird heute rückerkämpft. Die Verkehrswende ist letztlich der Kampf um einen begrenzt verfügbaren Stadtraum. Dabei geht es bei ihr weniger um einen ideologischen Kampf unterschiedlicher Verkehrsmittel, sondern um die Gestaltung lebenswerter Städte, in denen Menschen im Mittelpunkt stehen. Das können wir von Paris und Utrecht lernen und auch von immer mehr Städten in Deutschland, die sich auf den Weg gemacht haben.
Katrin Korth