Anmerkungen zum Grün-Ranking deutscher Großstädte

Sind grüne Städte glücklicher?

Grün zu sein ist ein wichtiges Markenzeichen einer Stadt. Es scheint Lebensqualität, wenn nicht gar Glück zu verheißen, weshalb sich die in Frage kommenden Orte fast darum streiten, Deutschlands 'grünste' Stadt zu sein, also das 'meiste Grün' zu haben. Scheinbar ist es jedoch schwierig, das tatsächliche Grün einer Stadt zu bestimmen.¹
Grünflächen
Abb. 1: Hannover: eine der vielen' grünsten Städte'. Foto: Wulf Tessin

'Viel Grün' als Erfassungsproblem

Mal beschränkt man sich auf öffentliche Grünanlagen im engeren Sinne, also auf öffentliche Parks und Gärten, mal mit, mal ohne Kleingärten, mal schließt man Friedhöfe mit ein, ein anderes Mal Stadtwälder, mal Sportflächen, mal 'alles Grün', also landwirtschaftliche Nutzflächen, Brachflächen, Abstandsflächen oder auch private Gärten, ja, manchmal sogar alle unbebauten Flächen. Teilweise werden gar Straßen miteinbezogen, wenn sie etwa als Alleen gestaltet sind, oder Dachbegrünungen.

Manchmal berücksichtigt man 'alle' Grünflächen, mal nur die ab einer bestimmten Größe (also etwa > 0,5 ha). Mal wertet man Satellitenaufnahmen aus, dann wieder Kartenmaterial, mal Flächennutzungspläne, mal Unterlagen der Grünflächenämter. In manchen Fällen werden die entsprechend berücksichtigten Flächen in ihrer absoluten Quadratkilometer-Zahl herangezogen (dann wäre Berlin in Bezug auf öffentliche Grünflächen 'am grünsten'), mal werden sie prozentual auf die Stadtgebietsfläche oder auf die Bevölkerungsgröße bezogen.

Und da Großstädte sich, wie gesagt, gern als 'grüne' oder gar 'grünste' Stadt Deutschlands vermarkten, wird oft jene Statistik verwendet, auf deren Basis man am besten abschneidet. Ein Vergleich der vielen Zahlen ist nur schwer möglich, weil das jeweilige Grün immer etwas anders vermessen wird. So gibt es – je nachdem – eine Vielzahl von Messergebnissen und damit von 'grünsten' Städten in Deutschland: Potsdam hat die höchste Parkflächenquote pro Einwohner (EW), Bremen (unter den Großstädten über 500.000 EW) die höchste Grünflächenquote pro EW, Hannover den höchsten Grünflächenanteil an der Stadtgebietsfläche, Siegen² den höchsten Anteil nicht versiegelter Stadtgebietsfläche.

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Abb. 2: 'Grün': Indikator für Lebensqualität? Foto: Wulf Tessin
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Abb. 3: Buchtitel der 4. Bürgerbefragung (2015). Repro: Wulf Tessin

Aber selbst wenn man sich auf eine Definition dessen einigen könnte, was man unter einer 'grünen' Stadt zu verstehen hat, bliebe immer noch die Frage, wie relevant das eigentlich für die Stadtbevölkerung ist. Würde sich 'viel Grün' (wie auch immer definiert) in einer größeren Zufriedenheit mit dem 'Grün der Stadt' ausdrücken oder gar in einer größeren Zufriedenheit, in der jeweiligen Stadt zu leben, wie es die Grünranking-Ideologie ja suggeriert?

Seit 2006 führt der Verband deutscher Städtestatistiker unter dem Thema Lebensqualität in deutschen Städten Umfragen in einer Reihe von Städten durch, wobei im Folgenden die Umfrageergebnisse aus den Jahren 2006³, 2009/104, 20155 und 2018/196 berücksichtigt werden. Die von 2021 bleiben wegen möglicher Corona-Einflüsse ausgeklammert.

Es wurden in den genannten Jahren in bislang über 30 Großstädten jeweils zwischen 500 und 1000 Personen befragt. Für sie gibt es also Daten zur Zufriedenheit der Bevölkerung mit der jeweiligen städtischen Grünflächenversorgung. Hier wird sie definiert als Zufriedenheit mit den 'Grünflächen wie öffentlichen Parks und Gärten' in der Stadt, wie es im Fragebogen heißt.

Zudem gibt es Daten zur Wohnortszufriedenheit. Die Frage also: Trägt 'viel Grün' zu einer größeren Grün-Zufriedenheit oder gar zu einer größeren Wohnortszufriedenheit bei? Es ist dabei von vornherein unstrittig, dass 'Grün' ein Stück Lebensqualität beinhaltet, nur steigt diese in dem Maße, wie eine Stadt viel 'mehr' davon hat?

'Viel Grün' und Wohnortszufriedenheit

Bei der Beantwortung der Frage ist klar, dass die Wohnortszufriedenheit vermutlich weit mehr von anderen Faktoren abhängt als gerade vom 'Grün': etwa den individuellen Haushalts-, Wohn- und Arbeitsverhältnissen der jeweiligen Person oder der Wohndauer 'vor Ort'. Ist der Wohnort eine attraktive Stadt7 wie München, Freiburg oder Dresden oder ähnelt sie mehr Offenbach, Pirmasens oder Duisburg? Unter dieser Vielzahl von möglichen, wohl wichtigeren Einflussfaktoren kann die Grünflächensituation der Stadt also nur eine gewisse Rolle spielen. Aber gibt es überhaupt einen 'messbaren' Einfluss?

Die ersten Ergebnisse sind eher ernüchternd. Geht man vom Grün-Indikator 'unbebaute Stadtgebietsfläche8 aus, so gibt es keinen Zusammenhang zwischen 'viel Grün' und Wohnortszufriedenheit, was sich besonders krass an Siegen zeigen ließe: Die Stadt ist mit fast 86 Prozent 'grüner' (unbebauter) Gebietsfläche sozusagen die 'grünste' Großstadt Deutschlands, wies aber in der Umfrage 2021 eine weit unterdurchschnittliche Wohnortszufriedenheitsquote aus9 – trotz, gerade oder gar nicht wegen des 'vielen Grüns'? Viel unbebaute Stadtgebietsfläche ist offenbar aus Sicht der Betroffenen kein guter Indikator für die Lebensqualität einer Stadt.

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Abb. 4: Wohnortszufriedenheit in Abhängigkeit vom quantitativen Grünflächenangebot (2015). Verfasser: Wulf Tessin
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Abb. 5: Wolfsburg: Selbst das Theater liegt 'im Grünen'. Foto: Wulf Tessin
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Abb. 6: Qualitätsunterschiede: Grünfläche ist. . . Foto: Wulf Tessin
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Abb. : . . . nicht gleich Grünfläche. Foto: Wulf Tessin

Aber gilt das auch für den Fall, dass man das 'Grün in der Stadt' definiert als öffentliche Grünflächen im engeren Sinne? Tatsächlich sind die Unterschiede in Bezug auf die öffentlichen Grünanlagen (Parks, Grünanlagen, Kleingärten etc.) von Stadt zu Stadt teilweise beachtlich:

Mitte der 2010er Jahre (den hier zugrundeliegenden Jahren der Umfragen) gab es vor allem im süddeutschen Raum Großstädte mit (z. T. deutlich) unter 20 Quadratmeter/EW (Heidelberg, Stuttgart, Pforzheim, Erlangen, Fürth etc.), Städte mit 20–30 Quadratmeter/EW (Regensburg, Karlsruhe, Osnabrück, Mannheim, München oder Düsseldorf) und welche (fast ausschließlich nördlich des Mains) mit teils weit über 30 Quadratmeter/EW (Bremen, Kassel, Braunschweig, Münster, Wolfsburg, Köln, Essen)10.

Durchgängiges Ergebnis aller hier referierten Umfragen des Verbandes deutscher Städtestatistiker aus den 2010er Jahren ist nun, dass die Zufriedenheit mit dem Wohnort (trotz der Unterschiedlichkeit der untersuchten Städte) recht hoch ist. 70, 80, ja bis zu 90 Prozent der jeweils befragten Personen äußerten sich 'eher' beziehungsweise 'sehr' zufrieden, selbst noch in den gemeinhin insgesamt als 'eher unattraktiv' eingestuften Städten wie Saarbrücken, Zwickau oder Oberhausen.

In welcher Stadt auch immer: Es gibt (wohl primär aufgrund der persönlichen Lebensumstände) einen Kern von jeweils mindestens 10 Prozent Unzufriedenen, 20 Prozent 'eher' und 40 Prozent 'sehr' Zufriedenen, so dass nur rund 30 Prozent der Bevölkerung überhaupt teilweise wohnortsspezifisch entscheiden, wie zufrieden sie sind, in der Stadt X zu leben.

Das führt in generell attraktiven Städten wie München, Freiburg, Münster oder Dresden immerhin zu Hochzufriedenheitsquoten von (z. T. weit) über 60 Prozent, in weniger attraktiven sind es 'nur' rund 40 Prozent. Die Frage ist also: Welchen Beitrag leistet nun gerade das quantitative Grünflächenangebot einer Stadt zu diesen Hochzufriedenheitsunterschieden?

Vorliegende Ergebnisse¹¹ und eigene exemplarische Berechnungen für das Jahr 2015 (auf der Basis von 18 Städten) ergeben ein uneinheitliches Bild: Da gibt es Großstädte mit 'viel Grün' im engeren Sinne (> 30 m²/EW), wo die Hochzufriedenheit mit dem Wohnort in der Tat überdurchschnittlich ist (z. B. Braunschweig, Münster), aber auch Städte (z. B. Oberhausen), wo sie unterdurchschnittlich oder gerade mal durchschnittlich ausfällt (z. B. Wolfsburg oder Kassel).

Und auf der anderen Seite stehen Großstädte (Stand 2012) mit 'wenig Grün' (< 20 m²/EW), wo die Hochzufriedenheitsquote bezüglich der Stadt 'trotzdem' überdurchschnittlich ist (Freiburg, Nürnberg), sowie natürlich auch Städte (z. B. Saarbrücken, Zwickau), wo sie deutlich unter dem Durchschnitt liegt.

Für die anderen Umfragejahrgänge gilt Ähnliches. Generell gewinnt man den Eindruck, dass (rein quantitativ gesehen) 'grüne' Städte im weiteren (unbebaute Stadtgebietsfläche) und im engeren Sinne (öffentliche Grünanlagen) nur dann eine hohe Wohnortszufriedenheit auslösen, wenn sie auch sonst (kulturell, ökonomisch, landschaftlich etc.) attraktiv sind, ihnen aber das 'viele Grün' nicht sonderlich nutzt, wenn sie ansonsten relativ wenig zu bieten haben.

'Viel Grün' scheint eine ansonsten schon gegebene Attraktivität einer Stadt zwar weiter zu verstärken, aber eine sonst eher mäßige Anziehungskraft nicht kompensieren zu können (vgl. z. B. Kassel und Wolfsburg, zwei statistisch gesehen sehr, sehr 'grüne Städte'). Andererseits kann eine gewisse Attraktivität der Stadt eine eher unterdurchschnittliche Grünversorgung offenbar relativ leicht kompensieren, wenn man an bestimmte süddeutsche Städte wie etwa Heidelberg, Nürnberg oder Freiburg denkt, die eine 'trotzdem' überdurchschnittliche Wohnortszufriedenheit aufweisen. Letztlich entscheidet immer die Gesamtattraktivität der Stadt über die Wohnortszufriedenheit der Bevölkerung. 'Grün allein' bringt es in keinem Fall.

Man kann sehr wohl das rein quantitativ ausgerichtete, allseits beliebte Grünranking der Städte ('möglichst viel Grün' im Stadtgebiet) für Aspekte wie etwa Kleinklima oder Ökologie für relevant halten, für die Wohnortszufriedenheit der Bevölkerung gilt das nur sehr bedingt.

Ebenso wenig trifft das für die vielzitierte Lebensqualität einer Stadt zu, die ja der Grünranking-Logik zufolge mit stadtweit möglichst 'viel Grün' verbunden sein soll.

Natürlich ist das angesichts der Fülle anderer (persönlicher wie städtischer) Einflussfaktoren nicht weiter verwunderlich. Die 'glücklichsten' Großstädte (die mit der größten Wohnortszufriedenheit) sind in Süddeutschland in keinem einzigen Fall besonders 'grün', die nördlich des Mains gelegenen allerdings allesamt schon. Sie sind aber – und das ist entscheidend – alle auch sonst noch attraktiv (z. B. Hamburg, Bremen oder Münster). Ist das weniger der Fall, hilft auch im Norden selbst sehr 'viel Grün' nicht (s. Kassel oder Wolfsburg), die Stadt für die einheimische Bevölkerung insgesamt überdurchschnittlich anziehend zu machen.

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Abb. 8: BUGA Koblenz: Aufwertung mit begrenzter Wirkung? Grafik: Wulf Tessin

'Viel Grün' und Grünflächenzufriedenheit

Wenn das rein quantitative 'viele Grün' einer Stadt (wie auch immer definiert) die Wohnortszufriedenheit oder die Lebensqualität einer Stadt nicht sonderlich zu beeinflussen scheint, dann vielleicht doch wenigstens die Grünflächenzufriedenheit. In die fließen ja nicht nur quantitative, sondern vor allem auch qualitative 'Grün'-Aspekte ein, wie etwa Verteilung, Erreichbarkeit, Vielfalt, Pflegezustand, Aufenthalts- und Gestaltungsqualität, gartenhistorisches Renommee, und natürlich ebenso die (nicht mal ausschließlich 'grünen') Einstellungen und Ansprüche der jeweiligen Bevölkerung (bis hin zu lokalpatriotischen Motiven).

Durchgängiges Ergebnis aller hier referierten Umfragen ist abermals, dass die Grünflächenzufriedenheit im engeren Sinne (öffentliche Parks und Gärten) insgesamt (trotz aller Unterschiede) in allen bisher untersuchten Städten recht hoch ist.

70, 80, ja bis zu 90 Prozent der jeweiligen Befragten äußerten sich 'eher' beziehungsweise 'sehr' zufrieden: Folge einerseits eines mehrheitlich wohl eher mäßigen (auch resignativ' anpassungsbereiten') Interesses am Grün, andererseits aber wohl auch einer letztlich doch akzeptablen Versorgung mit öffentlichen Parks und Gärten in allen untersuchten Städten.

Die Quote der Hochzufriedenen variierte allerdings doch zwischen rund 25 Prozent (Saarbrücken, Heidelberg, Recklinghausen, Osnabrück) und um die 50 Prozent (Dresden, Wolfsburg, Münster oder Kassel).

Mindestens 10 Prozent der Bevölkerung sind jedoch in jeder Stadt mit dem Grün immer 'eher unzufrieden', mindestens rund 40 Prozent immer 'eher' und knapp 25 Prozent immer 'sehr zufrieden' – völlig unabhängig von der realen Grün-Gesamtsituation vor Ort.

Letztlich wird man also davon ausgehen dürfen, dass 'nur' der verbleibende Rest, also rund ein Viertel der Befragten, 'volatil' in seiner Einstellung zum Grün der jeweiligen Stadt ist. Also die Menschen, die auf eine über- oder unterdurchschnittliche Grün-Situation in einer Stadt überhaupt spezifisch reagieren, weil sie ihnen bewusst oder wichtig ist.

Was man vielleicht an der Stadt Koblenz zeigen kann: Vor der Bundesgartenschau im Jahre 2011 war die Hochzufriedenheit mit der Versorgung der Stadt mit öffentlichen Parks und Gärten weit unterdurchschnittlich (Umfrageergebnisse 2006, 2009), danach immer noch unterdurchschnittlich, aber immerhin hatte sich die Quote der Hochzufriedenen von rund 20 auf fast 30 Prozent erhöht (Umfrageergebnisse 2015, 2019).

Selbst eine so publikumswirksame und mit erheblichem Aufwand betriebene Bundesgartenschau bewirkt also nur bei einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung eine Einstellungsänderung; in Koblenz vermutlich wohl auch deshalb, weil ein Großteil der Grünflächenaufwertung auf dem Gelände der Festung Ehrenbreitstein, also rechtsrheinisch, erfolgte und für die Mehrheit der Stadtbevölkerung (trotz Seilbahn) nicht alltagsrelevant geworden ist (wohl aber für den Tourismus).

Vor diesem Hintergrund einer einerseits recht kleinen 'grünsensiblen'' volatilen' Bevölkerungsgruppe, andererseits einer allgemein verbreiteten Grünflächenzufriedenheit in allen Städten und ihrer ja immer multifaktoriellen Bedingtheit, verwundert es dann vielleicht nicht mehr, dass zwischen der rein quantitativen Grünflächenquote pro EW und der entsprechenden Grünflächenzufriedenheit in der Bevölkerung praktisch kein statistischer Zusammenhang zu bestehen scheint.

Zwar gibt es einige Beispiele, wo viel öffentliches Grün auch eine überdurchschnittliche Grünzufriedenheit auslöst (z. B. Bremen, Kassel, Wolfsburg), aber eben auch Gegenbeispiele. Die Untersuchung des Verbandes deutscher Städtestatistiker aus dem Jahr 2006 sieht deshalb keinen derartigen Zusammenhang als statistisch erwiesen an.¹²

Das ändert sich allerdings etwas, wenn man die (etwas aussagekräftigeren) Hochzufriedenheitsquoten heranzieht. Eigene exemplarische Berechnungen (Abb. 9) für das Jahr 2015 ergaben für Städte mit mehr als 30 Quadratmetern Grünfläche/ EW einen durchschnittlichen Hochzufriedenheitswert von immerhin rund 40 Prozent, für Städte mit weniger als 20 Quadratmeter/EW einen von 'nur' rund 30 Prozent.

Dennoch: Obwohl die einen Städte mehr als doppelt so 'viel Grün' (pro Kopf) vorzuweisen haben, liegt ihre 'grüne' Hochzufriedenheitsquote im Schnitt gerade mal um 10 Prozent höher, weil (s. o.) das 'besonders viele Grün' offenbar nur für eine sehr kleine Bevölkerungsgruppe im Hinblick auf ihre Grünzufriedenheit relevant ist.

Darüber hinaus wird erkennbar, dass sich die Hochzufriedenheitsquote bezüglich des städtischen Grüns ab einem Wert von 20 Quadratmeter/EW kaum noch verändert; so wiesen Städte mit mehr als 30 Quadratmeter/EW im Schnitt (im Einzelfall schon) keine höheren Hochzufriedenheitsquoten aus als Städte mit mehr als 20 Quadratmeter/EW.

Grünflächen
Abb.: 9 Grünflächenzufriedenheit in Abhängigkeit vom quantitativen Grünflächenangebot (2015). Verfasser: Wulf Tessin

Es ist, als würde ab 20 Quadratmeter Grünflächen je Einwohner ziemlich abrupt das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzenertrag greifen: Jeder weitere Quadratmeter Grün pro EW bringt kaum noch (viel) mehr an Grünzufriedenheit, was auch damit zusammenhängen könnte, dass die Grünflächen selbst in unterdurchschnittlich versorgten Großstädten ja nicht wegen 'Überfüllung' geschlossen werden müssen.

Sie sind nicht einmal zwingend schlechter erreichbar, wie eine Studie zeigt, die untersuchte, wieviel Prozent der jeweiligen Bevölkerung eine Strecke von höchstens 500 Metern bis zu einer mindestens 1 Hektar großen Grünfläche zurücklegen müssen. Hier lag etwa Braunschweig (eine Stadt mit 'viel Grün') hinter Saarbrücken, einer Stadt mit relativ wenig, aber vielleicht besser räumlich verteiltem Grün¹³.

Schließlich fällt natürlich in Abbildung 8 auf, dass die Hochzufriedenheitsquote innerhalb der drei Stadtgruppen (> 30 m², 20–30 m² und < 20 m² Grünfläche/EW) stärker variiert (vgl. die jeweiligen Minimum-/Maximumwerte) als zwischen ihnen, was abermals keinen engen, gar determinierenden systematischen Zusammenhang zwischen Grün-Quantität und Grün-Zufriedenheit nahelegt.

Abschließend lässt sich also konstatieren, dass der im Grün-Ranking der Städte benutzte Indikator 'viel Grün' und die entsprechende Maxime 'je mehr desto besser' weder bezüglich der Wohnorts- noch bezüglich der Grünflächenzufriedenheit der Leute wirklich greift, abgesehen von einer relativ kleinen Gruppe speziell Interessierter und einer kleinen Gruppe von Großstädten, deren Grünversorgung weit unterdurchschnittlich ist und deutlich unter 20 Quadratmeter/EW liegt.

Das besagt nun nicht, dass das Grün nicht 'als solches' Einfluss auf die Wohnortszufriedenheit hätte, sondern nur, dass es nicht so sehr die Grün-Quantität ist, sondern die subjektiv erlebte Grün-Situation als 'Ganzes'. Schaut man sich nämlich über alle Befragungsjahrgänge die Städte mit überdurchschnittlichen Hochzufriedenheitsquoten bezüglich des öffentlichen Grüns an (N= 14), dann gab es in zehn von ihnen auch überdurchschnittliche Hochzufriedenheitsquoten mit dem jeweiligen Wohnort. In nur vier – mäßig attraktiven – Städten wie Bielefeld, Wolfsburg, Kassel und Fürth war das nicht der Fall.

Noch eindeutiger auf der anderen Seite: Schaut man sich die untersuchten Städte mit nur durchschnittlichen oder gar unterdurchschnittlichen Hochzufriedenheitsquoten bezüglich des städtischen Grüns im engeren Sinne an (N= 20), dann ergibt sich, dass nur in zwei, allerdings attraktiven Städten (Freiburg und Koblenz) die Hochzufriedenheit mit dem Wohnort (sozusagen trotzdem) überdurchschnittlich war, in allen anderen (der mäßigen Grünflächenzufriedenheit entsprechend?) nicht.

Was aber nichts daran ändert, dass weder 'viel Grün' noch 'große Grünflächenzufriedenheit' notwendige, geschweige denn hinreichende Voraussetzungen für eine überdurchschnittliche Wohnortszufriedenheit, eine 'glückliche' Stadt, sind.

Anmerkungen:

1 Vgl.hierzu: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Hrsg., 2002, Wie grün sind deutsche Städte? Bonn, S.18ff.

2https: //interaktiv.morgenpost.de/gruenstestädte-deutschlands/ (letzter Zugriff: 29.09.2023).

3https://www.nuernberg.de/imperia/md/statistik/dokumente/veroeffentlichungen/berichte/monatsberichte/2007/statistik_aktuell_200703.pdf, Abb.3 und Abb.9, (letzter Zugriff: 29.09.2023).

4https://www.mannheim.de/sites/default/files/page/14400/b201104_urban_audit_2009.pdf, S.38 u. 50 (letzter Zugriff: 29.09.2023).

5 https://www.nuernberg.de/imperia/md/statistik/dokumente/veroeffentlichungen/berichte/umfragen/urban_audit_d_vierte_koordinierte_buergerbefragung_lebensqualitaet_aus_buergersicht_deutsche_staedte_im_vergleich_2015.pdf, S.31 und 67 (letzter Zugriff: 29.09.2023).
6 https://www.nuernberg.de/imperia/md/statistik/dokumente/veroeffentlichungen/berichte/sonderberichte/s272a_buergerbefragung_lebensqualitaet_deutsche_staedte_im_vergleich.pdf S.49 u.73 (letzter Zugriff: 29.09.2023).

7 W. Tessin, 2023: Gepflegte Urbanität – Großstädtische Attraktivitätsunterschiede und Wohnortszufriedenheit, S.33–36, in: Forum Stadt, Bd.1

8https://interaktiv.morgenpost.de/gruenste-städte-deutschlands/ (letzter Zugriff: 29.09.2023).

9https://www.koblenz.de/downloads/aemter-und-Eigenbetriebe/statistikstelle/umfragen/2023-lebensqualitaet-in-deutschen-staedten-gesamtbericht.pdf?cid=2z0r, S.60 (letzter Zugriff: 29.09.2023).

10https://www.deutschland123.de (eigene Berechnungen) (letzter Zugriff: 29.09.2023).

11 K. Klein, B. Rösel, Zufriedenheit mit Grünflächen und Sportanlagen; S.85-89, in: Verband Deutscher Städtestatistiker (VDSt), Hrsg., 2008, Lebensqualität aus Bürgersicht – deutsche Städte im Vergleich. Erste koordinierte Bürgerbefragung in deutschen und europäischen Städten. Sonderausgabe der Zeitschrift Stadtforschung und Statistik; S.85

12 Ebenda, S.85.

13 B. Richter, K. Grunewald, G. Meinel, 2016, Analyse von Wegedistanzen in Städten zur Verifizierung des Ökosystemleistungsindikators ‚Erreichbarkeit städtischer Grünflächen‘, S.472–481, In: AGIT – Journal für Angewandte Geoinformatik, H.2, S.476.

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