Über 2000 Besucher auf dem Augsburger Messegelände

Deutsche Baumpflegetage kehren schwungvoll ins Rampenlicht zurück

Baumpflege
Mögen die Spiele beginnen: Bei frühsommerlichen Temperaturen öffnete die Messe Augsburg im Mai endlich wieder ihre Tore für die Deutschen Baumpflegetage. Foto: Antje Kottich

Ein Befreiungsschlag nach zwei Jahren Zwangspause: So fühlten sich die Deutschen Baumpflegetage in Augsburg an, die für drei Maitage wieder zum Mekka der deutschen Baum-Szene wurden.

Wie groß die Sehnsucht nach persönlichem Austausch war, zeigte sich in den starken Besucherzahlen. Während knapp 1600 Baum-Experten zu den Fachvorträgen im Großen Saal und im Kletterforum pilgerten, besuchten rund 600 Gäste die dazugehörige Messe. Strahlender Sonnenschein und das Ende der Maskenpflicht trugen ihren Teil dazu bei, dass sich auf dem Augsburger Messegelände ein langvermisstes Gefühl der Normalität einstellte.

Entsprechend euphorisch fiel die Begrüßung durch die Veranstalter Prof. Dr. Dirk Dujesiefken und Thomas Amtage aus. Die beiden eröffneten die Tagung in bester Showmaster-Manier und bespielten die Bühne mit einer Begeisterung, die den Grundton für die kommenden drei Tage setzte. Es war den beiden anzumerken, wie sehr sie sich über das Zustandekommen ihrer Veranstaltung freuten. Doch natürlich geriet die erste Tagung nach Corona nicht zur selbsttherapeutischen Nabelschau, sondern überzeugte durch ein vielfältiges Rahmenprogramm, das manche Überraschung bereithielt.

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Vom "Züchtigungswahn" zur Waldstraße

So konnte erstmalig der bekannte Autor und Naturfotograf Conrad Amber für einen Vortrag gewonnen werden. Der Österreicher, der sich selbst als "die Stimme der Bäume" bezeichnet, hat bei seinem Schaffen eher die breite Öffentlichkeit im Blick. Vor dem anwesenden Fachpublikum wirkte Amber daher wie ein Exot, der mit ungewohnt markigen Worten seine Thesen vertrat.

Dem modernen Menschen attestierte er einen "Züchtigungswahn" gegenüber der Natur, deren Formsprache deshalb zusehends verlorengehe. Mit Blick auf das urbane Grün urteilte Amber: "Ordnung tötet." Dass es auch anders geht, zeigte der Naturfotograf mithilfe von Bildern, die an verschiedenen Orten weltweit entstanden sind. Da wurde beispielsweise ein sonst kerzengerader Parkweg um ein Gehölz-Ensemble herumgebaut oder bei einem Wohnungsneubau die Unterkellerung kleiner als geplant realisiert, um angrenzende Bäume nicht fällen zu müssen.

Grundsätzlich, so Amber, brauche es überall in der Gesellschaft wieder "mehr Achtsamkeit und Respekt vor Bäumen", da sie enorme Ökosystemdienstleistungen für uns verrichten, "ohne, dass wir danke sagen".

Der Österreicher forderte einen tiefgreifenden Bewusstseinswandel, der mittelfristig eine üppige, wilde Bepflanzung inmitten von Metropolen nach sich ziehen könnte. Waldstraßen wie die Rua Gonçalo de Carvalho im brasilianischen Porto Alegre seien dabei Ambers Ideal auch für deutsche Städte. Doch der Weg dahin sei noch weit, denn: "In Mitteleuropa haben wir uns mit Gesetzen gegen Bäume zugemüllt", so Amber.

Neben kühnen Visionen hatte er auch eine mutmachende Botschaft im Gepäck: Seine Social Media-Beiträge über Bäume würden bei Laien stets auf positive Resonanz stoßen. Das Mobilisierungspotenzial für eine Politik zum Wohl der Bäume sei in der Gesellschaft also zweifelsohne vorhanden.

Vorbildlicher Alleenschutz in Frankreich

Über ein Best-Practice-Beispiel des Alleenschutzes berichteten Chantal Pradines, Geschäftsführerin von Allées-Avenues (Alleen der Zukunft) und Erick Constenou vom Straßenreferat des Conseil Départemental von Haute-Garonne. Die Behörden des südwestfranzösischen Département schaffen es seit rund 20 Jahren, Alleenschutz und Verkehrssicherheit in Einklang zu bringen.

Dies gelingt laut Constenou dank eines Management-Plans, der einheitlich und abgestimmt im gesamten Département zur Anwendung kommt. So wird den - vornehmlich aus Platanen - bestehenden Alleen ein gewissenhaftes Monitoring zuteil, das schnelle und effektive Pflegemaßnahmen für die Bäume ermöglicht.

Zudem werden bei Auftreten des Platanenkrebses zügig Maßnahmen zu dessen Bekämpfung ergriffen. Wann immer sicherheitsbedingte Eingriffe in den Alleenbestand nötig werden, erfolgen diese nur gezielt und punktuell mit Rücksicht auf die Bäume. Sollten Fällungen doch einmal unvermeidbar sein, wird für jeden abgeholzten Baum ein neuer nachgepflanzt.

Das oft vorgebrachte Argument, Alleen würden das Risiko von Autounfällen erhöhen, entkräftete Constenou mit einer offiziellen Statistik: Während in Frankreichs Metropolregionen auf eine Million Einwohner rund 53 Verkehrstote pro Jahr kämen, seien es im alleenreichen Haute-Garonne "nur" 40 Verkehrstote auf eine Million Einwohner.

Generell, so Chantal Pradines, habe der Alleenschutz in Frankreich eine enorme Aufwertung erfahren. Ermutigt von Best-Practice-Beispielen wie in Haute-Garonne, habe die Politik 2016 einen expliziten Alleenschutz ins Französische Umweltgesetz geschrieben. Seither sei es untersagt, Alleebäume vorschnell zu fällen, ihre Gestalt radikal zu ändern oder ihren Erhalt in irgendeiner Form zu gefährden.

Sollte eine Kommune einen Eingriff an Alleebäumen planen, müsse der Handlungsbedarf zunächst nachgewiesen werden, erläuterte Pradines. Der allgemeine Verweis auf die Verkehrssicherheit genüge seither nicht mehr, um beispielsweise eine Kappung an Alleebäumen zu rechtfertigen. Pradines erklärte diesen Quantensprung im Alleenschutz damit, dass in Frankreich ein tiefgreifendes Umdenken stattgefunden habe. Ihre Landsleute würden Alleen inzwischen mit größerer Wertschätzung begegnen.

Hendrik Behnisch

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