Warum wir sie auch in Zukunft brauchen

"Landespflege" und "Landschaftsarchitektur"

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In diesem Jahr fanden zum 56. Mal die Landespflegetage in Veitshöchheim statt, eine der größten Fachtagungen des Garten- und Landschaftsbaus im deutschsprachigen Raum. Die Bezeichnung Landespflege begegnet einem sonst allerdings kaum noch. Im September 2022 löste sich der Deutsche Rat für Landespflege (www.landespflege.de) auf, kaum eine Hochschule führt den Begriff noch bei der Bezeichnung eines Studiengangs.
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Abb. 1a: 1970er - Dr. Walter Kolb und sein Team in Veitshöchheim entwickeln den "Rasenziegel". Foto: LWG

Der breite, kaum vermittelbare Anspruch an die sogenannte Landespflege, der Nachfolgebegriff der Landesverschönerung zu Zeiten der ersten Landschaftsarchitekten, führte ab den späten 1980er Jahren zur Umbenennung und Diversifizierung der Studiengänge in Naturschutz und Landschaftspflege, Landschaftsplanung, Umweltplanung und Garten- und Landschaftsarchitektur, letztere mit starkem Bezug zum Hochbau und zur Objektplanung.

Landespflege als Fachrichtung der öffentlichen Verwaltung blieb jedoch bis heute erhalten. Seit 1948 betreut das Kuratorium des Oberprüfungsamtes die insgesamt 13 Fachrichtungen des Technischen Referendariats in Deutschland, unterstützt vom Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und dem Deutschen Landkreistag. Bayern und Baden-Württemberg gehören dem Kuratorium allerdings nicht an.

Ein baubezogenes Referendariat Landschaftsarchitektur

    Die Auflistung der Einsatzorte spiegelt die Verwurzelung des Referendariats Landespflege im institutionalisierten Naturschutz wider (BMVI 2013).

    Der nach zwei Dienstjahren und umfangreichen Abschlussprüfungen erworbene Titel Assessor*in der Landespflege bietet "innerhalb der staatlichen Verwaltung für Naturschutz und Landschaftspflege vielfältige berufliche Möglichkeiten" (www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/Z/OPA/landespflege-start.html).

    Die Seite http://www.landespflege-referendariat.de/die-referendar-innen/ illustriert aktuell gängige Verwaltungslaufbahnen. Mit großem Aufwand wurde das Prüfstoffverzeichnis an neueste Anforderungen angepasst. Zwar stammt etwa ein Fünftel der Referendare aus der Objektplanung und können die Referendare eigene thematische Schwerpunkte setzen. (Palandt 2024, mdl. Auskunft). Das Referendariat Fachrichtung Landespflege ebnet jedoch nicht den Weg in eine fachübergreifende Zusammenarbeit in der Objektplanung, wie sie jetzt für qualifizierte biodiversitätsfördernde blaugrüne Infrastruktur innerhalb der Siedlungen notwendig wäre (Edelmann 2022).

    Die Bundesarchitektenkammer schlägt vor, ein Referendariat für Landschaftsarchitekten ("Landespflege-Referendariat") in allen Bundesländern einzuführen, "das deren Position in den Führungsebenen der Staatsbauverwaltungen stärkt" und in den Ländern ohne eigenständiges Landespflege-Referendariat den Absolventen des Studiums Landschaftsarchitektur übergangsweise den Zugang zum Referendariat im Bereich Städtebau zu eröffnen (BAK 2023).

    Die notwendige Verknüpfung mit den Planungsdisziplinen Hochbau, Straßenbau und Wasserwirtschaft zur Realisierung blaugrüner Infrastruktur und insbesondere Gebäudegrün in den Landes- und Kreisverwaltungen könnte durch die Anpassung der Einsatzorte besser bewältigt werden.

    In den Jahren 20/21 legten 510 Referendare die Große Staatsprüfung ab, 60 weitere bestanden die Prüfung (endgültig) nicht. Die Fachrichtung Landespflege ist dabei mit 19 Assessor*innen vertreten, Architektur und Straßenbau mit je rund 40, Umwelttechnik mit 45, Städtebau und Stadtbauwesen mit 95; 14 Referendare absolvierten die Fachrichtung Wasserwesen. Eine in Richtung Objektplanung erweiterte oder zusätzliche 14. Fachrichtung Landschaftsarchitektur würde entsprechend geschulte Landschaftsarchitekten mit Objektplanungs- und Quartiersbezug für den höheren Dienst qualifizieren und den Dreischritt Planung, Bau und Unterhalt einer Grünen Stadt im Ganzen überblickbar und vermittelbar gestalten.

    Die Landesministerien seien gehalten, eine größere Zahl von Referendariatsplätzen anzubieten, um wieder eine umfassende Planungs- und Bauherrenkompetenz zu etablieren; kommunale Ämter, Bauverwaltungen und -betriebe sollten ihrerseits mehr Referendare beim Ministerium anfordern, heißt es im Positionspapier der BAK weiter.

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    Abb. 1b: Veitshöchheimer Versickerungsstation mit Simulation bis zum 150jährigen Regenereignis: Bereits 1996 ging man der Frage nach, wieviel Niederschlag sich auf einem Einfamilienhausgrundstück versickern lässt. Foto: LWG
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    Abb. 1c: 2000 - Die Erprobung mineralischer Zusätze in Dachsubstraten gehört zum Veitshöchheimer Traditionsversuchsfeld Gebäudegrün. Foto: LWG
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    Abb. 1d: 2010er - Die Ergebnisse der Versuchsarbeit, welche Neigungswinkel für grüne Erosionsschutzsysteme möglich sind, fanden schließlich Eingang in eine Europäische Norm. Foto: LWG

    Situation im Wachstumsland Bayern

    In Bayern gibt es für Landschaftsarchitekten kaum Planstellen im höheren Dienst; ausgerechnet dort, wo die verwaltungsorganisatorische Implementierung der aktuellen Anforderungen an Stadtgrün aufgrund der hohen Baunachfrage so dringlich erscheint.

    "Im Eigentum des Freistaates Bayern stehende Gebäude und ihre zugehörigen Freiflächen sollen [. . . ] angemessen begrünt oder bepflanzt werden. Den kommunalen Gebietskörperschaften wird empfohlen, entsprechend zu verfahren." Dieser neue Passus in der Landesbauordnung geht auf das sogenannte Versöhnungsgesetz 2019 zurück. Die Entscheidungswege zum Umfang der Begrünung sind nachvollziehbar zu dokumentieren. Der zusätzliche Aufwand für die Herstellung und den Unterhalt der Gebäudebegrünung ist in der Planung und Kostenermittlung zu berücksichtigen. Um Artenschutzmaßnahmen von Anfang an einzuplanen, sei frühzeitig die fachliche Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekten oder Ökologen wichtig (BayStMB 2020). Wie lange kann diese Mammutaufgabe noch von den Staatlichen Bauämtern ohne eigene Landschaftsarchitekt*innen gestemmt werden?

    Das Landespflege-Referendariat in Bayern läuft über das Landwirtschaftsressort. Der Bezug zur klassischen Umweltverwaltung und zur Bauverwaltung intensiviert sich. Es gibt inzwischen mehr Kooperationsprojekte zwischen den Landesbehörden für Naturschutz und Gartenbau, zum Beispiel die Kampagne gArtenvielfalt des Landesamtes für Umwelt mit dem Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau der LWG.

    Außerdem ist es gelungen mit den Referendar*innen der anderen baubezogenen Fachrichtungen in Austausch zu treten. Vor allem blaugrüne Infrastruktur und urbane Biodiversität sowie die dafür notwendige Vegetationstechnik sind gefragt.

    Das Berufsbild "Landschaftsgärtner" gehört in Deutschland nach wie vor zum Agrarsektor und wird entsprechend gefördert. Dabei ist die berufspraktische (Auftragnehmer-)Seite ein Spiegel der Auftragsgestaltung der öffentlichen Hand: Sehr viele erleben den Beruf immer noch als ABC-Gärtner – heute würde wohl eher zutreffen: BKS-Gärtner – Betonpflaster-Kugelbaum-Stabmattenzaun. Hinzu kommt, dass kaum ein GaLaBau-Betrieb das volle Leistungsspektrum abdeckt, weil dies unwirtschaftlich ist. Das Weiterlernen an einer Fachschule wie zum Beispiel der Meister- und Technikerschule für Gartenbau in Veitshöchheim eröffnet dann vielen Gärtnergehilfen neue Perspektiven. Gärtner sind Gestalter – und zunehmend auch für die Pflege von Ersatzhabitaten verantwortlich.

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    Abb. 2: Im Rahmen des Kooperationsprojekts gArtenvielfalt werden faunistische artenschutzrelevante Informationen mit bau- und vegetationstechnischen Empfehlungen für den Garten- und Landschaftsbau verknüpft. Abb.: Sarah Heuzeroth, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt
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    Abb. 3: "Creative Conservation" – hier am Beispiel Wiesen/Grünland – versucht, den ökologischen Handlungsspielraum an einem konkreten Ort auszunutzen. Dafür braucht es Landschaftsarchitekten und Landespfleger, Betonung auf "Pflege". Abb.: Theresa Edelmann (nach Emery 1986)
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    Abb. 4: Das Forschungs- und Beratungsspektrum der Abteilung Landespflege, heute Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau (ISL), zeigt deutlich, wieviel fachliche Expertise in der Objektplanung notwendig geworden ist, um nachhaltige Siedlungen zu schaffen und zu unterhalten. Abb.: Theresa Edelmann

    Urbanes Grün ansprechen

    Wo werden außerdem grundsätzliche umweltschutzrelevante Fachinformationen für die gärtnerischen Bauauftragnehmer generiert und vermittelt? Anwendungsorientierte Forschungsergebnisse liefern neben den Hochschulen die Lehr- und Versuchsanstalten für Gartenbau. Durch den fehlenden Kontakt zum (staatlichen) Bauwesen werden Empfehlungen aus der anwendungsorientierten Forschung jedoch kaum ins Projektmanagement implementiert (siehe z. B. Eppel 2022).

    Die Zugehörigkeit dieser Landesanstalten für Gartenbau zur Landwirtschaftsverwaltung erschwert den gegenseitigen Bezug zum Planungs-, Ausschreibungs- und Bauprozess: Das entsprechende Forschungsinformationssystem Agrar und Ernährung (FISA), ein Informationsportal des Bundes und der Länder, kennt kein Urbanes Grün, der "Gartenbau" ist lediglich Teil des "Fachgebiets Pflanzenproduktion". So gelangen dringend benötigte Informationen, beispielsweise zur Standortvorbereitung, Pflanzenauswahl und Bewässerung urbanen Grüns, nur über Umwege in die Praxis.

    Eine wichtige Rolle bei der Informationsvermittlung in die Praxis spielt die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), die als Regelwerksgeber die Koordination landschaftsbaulich relevanter Versuche und Testläufe vieler staatlicher Einrichtungen im deutschsprachigen Raum übernimmt, derzeit noch unter dem Titel "Versuche in der Landespflege".

    Ein klares Signal aus Bayern war 2018 die Umbenennung der Abteilung Landespflege in Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau (ISL) an der dortigen Landesanstalt für Gartenbau.

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    Abb. 5: Die Forschungsinstitute des deutschen Gartenbaus laden mit der kostenlosen Broschüre "Versuche in der Landespflege" alle Planungs-, Bau- und Pflegebeteiligten ein, Erprobtes und Empfehlenswertes zu nutzen. Abb.: FLL
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    Abb. 6: Impulsvortrag Stephan Lenzen, Präsident des BDLA: "Mit der Einführung eines Grünflächenfaktors (GFF) in die BauNVO kann der Umfang an grün-, biodiversitäts- und klimawirksamen Flächen dargestellt und festgesetzt werden."

    Der Klassiker erfindet sich wieder einmal neu

    "Zeit für Grün" war das diesjährige Motto der Veitshöchheimer Landespflegetage, ausgerichtet vom ISL. Geboten waren zehn Fachbeiträge an zwei Tagen, begleitet von einer Mini-Fachmesse, auf der es sich wie gewohnt mit den Ausstellern fachsimpeln ließ. Die Hälfte der Vorträge kam aus der hauseigenen Forschung und Beratung und spannte den weiten Bogen zwischen Gebäudegrün (Angyal und Leopoldseder), Artenschutz innerhalb der Siedlung (Schorr und Spindler) und Anpassung an den Klimawandel durch entsprechende Gestaltung (Adelsberger), Sortimentsentwicklung (Körber) und Grünflächenunterhalt (Kendzia).

    Stephan Lenzen eröffnete die Fachtagung mit Einblicken in die BUGA Mannheim in landschaftlichem Maßstab. Welche Buchsersatzpflanzen aktuell in Frage kommen, präsentiert von Dr. Gerd Reidenbach, TLLLR Erfurt, brachte die rund 700 Zuhörer, davon etwa 120 Studierende, Mitarbeiter und Ehrengäste, wieder zurück auf Objektplanungsebene.

    Der zweite Tag bleibt sicher einigen Teilnehmern in Erinnerung, war doch der letzte mitreißende Auftritt von Klaus Körber, Bereichsleiter Technik und Unternehmensentwicklung am Institut für Erwerbs- und Freizeitgartenbau der LWG, dabei. Konstruktiv-nachdenklich stimmte der Beitrag vom Veitshöchheimer Absolventen Jörg Jaroszewski, Leiter der Stadtgärtnerei Stein bei Nürnberg, der am Beispiel Be- und Entwässerung mit Baumrigolen aufzeigte, dass in kleinen Kommunen Innovation manchmal leichter fällt, weil nur wenige Entscheider eingebunden werden müssen. Hanne Roth aus Ingolstadt verabschiedete schließlich das Publikum mit eindrucksvollen Fotos ihrer kreativen Versickerungspflanzungen an Parkplätzen. Öffentliche und gewerbliche Parkplätze als eine der wichtigsten aktuellen Bauaufgaben wahr- und ernstzunehmen wird umso leichter gelingen, je breiter aufgestellt der höhere grüne Dienst ist und je besser er die verfügbare gartenbaulich-landespflegerische Forschung in seine tägliche Arbeit integrieren kann.

    Die Grüne Stadt benötigt zweierlei: die klassische Vermeidung und Verminderung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sowie eine biodiversitätsbewusste kreative Quartiers- und Objektplanung, die von öffentlich bediensteten Landespflegern und Landschaftsarchitekten getragen und begleitet wird.

    Einsatzorte während eines baubezogenen Referendariats Fachrichtung Landschaftsarchitektur

    • untere Verwaltungsbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege (mind. 16 Wochen)
    • Fachverwaltungen der Nachbargebiete der Landespflege (Zitat: "Landesfachdienststelle für Naturschutz/Landschaftspflege/Umwelt, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft/Flurbereinigung, Forstwirtschaft, Straßenbau") und bei wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes und des Bundes (16 Wochen)
    • Kommunalverwaltung, insbesondere Grünflächenämter (mind. acht Wochen)
    • Planungs-, Kommunal- oder Regionalverband
    • Landesmittelbehörde und/oder Landesoberbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege
    • Landesmittel- und/oder Landesoberbehörden: Organisationseinheiten (OE) für Städtebau wie auch Ländlicher Raum, Bauwesen, Wasserwirtschaft, Geoinformation und Digitalisierung, inkl. Förderprogramme
    • Lehr- und Versuchsanstalten für Gartenbau (länderübergreifend)
    • Deutscher Städtetag, Landes-Gemeindetag
    • untere Verwaltungsbehörde: OE für Umwelt, Bauen (kreiseigener Bau, Baugenehmigungsbehörde), Mobilität und Energie, inkl. Fördervollzug, Kreisbauhof
    • Kommunalverwaltung: entsprechende OE einschließlich Kommunalunternehmen für Abfall, Versorgung etc., Bauhof
    • Interkommunale und regionale Zusammenschlüsse

    Quellen

    Dipl.-Ing. Theresa Edelmann
    Autorin

    Landschaftsarchitektin BYAK, Stellv. Leitung des Arbeitsbereichs Natur und Landschaft am Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau, LWG Veitshöchheim

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