Zur Geschichte eines öffentlichen Freiraums

200 Jahre Wiener Volksgarten

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Der unter Denkmalschutz stehende Volksgarten an der Wiener Ringstraße ist der älteste eigens für die Öffentlichkeit entworfene und bestimmte Garten Wiens und gleichzeitig ein frühes Beispiel für eine solche Anlage in Europa. Ein großes Aber bleibt jedoch: Auch wenn heute der Name "Volksgarten" etwas anderes suggeriert, war es eine vom Herrscher dem Volk geschenkte Grünfläche. Um es pointiert zu formulieren: ein Garten, geschaffen für das Volk im Auftrag des Monarchen – und nicht von (gewählten) Repräsentanten des Volkes.
Wien Parks und Gärten
Abb. 1: Die Wiener Burg im Jahre 1825 (Ausschnitt mit dem Volksgarten). Abb.: Lithographie von Franz Orlitsek. Aus: Wien, seine Geschicke und seine Denkwürdigkeiten, 1825

Enge Stadt und wenig Grün

Ab den 1840er-Jahren entstanden in den großen Industriestädten Englands erstmals Parks, die von Anfang an öffentlich zugänglich waren und auch ausdrücklich der Erholung der Arbeiter dienten. Es wurden neue Grünräume geschaffen, um gleich mehrere Aufgaben zu erfüllen: Förderung der Gesundheit, Steigerung der Arbeitsfähigkeit durch systematische Erholung, Vermittlung bürgerlicher Verhaltensformen und Bildung, aber auch Ablenkung von politischen Problemen.

In Kontinentaleuropa hingegen war in vielen Fällen der zentrale Anlass für solche Grünanlagen ein anderer: die fehlende Nutzung der überflüssig gewordenen mittelalterlichen Befestigungssysteme, die man nun abtrug. Diese neu gewonnenen Freiräume wurden im Einzelfall im Auftrag des Herrschers "verschönert", wie das Beispiel des Wiener Volksgartens zeigt.

In der befestigten kaiserlichen Residenzstadt Wien hatte es bis Mitte des 18. Jahrhunderts de facto keine öffentlich zugänglichen Grünräume gegeben. Dies dürfte ein wesentlicher Grund gewesen sein, dass unter Kaiser Joseph II. ab 1770 das nicht verbaute Glacis vor der Stadt "reguliert" wurde. Zuerst erfolgte das Anlegen von Straßen und Wegen, dann von Alleen und Rasenflächen. Von diesen Maßnahmen profitierte man bis zur Schleifung der Stadtbefestigung in den 1850er Jahren und der daran anschließenden Errichtung der Ringstraße.

Napoleon und die Folgen

Dass trotz der Stadtbefestigung bereits seit 1823 ein "Garten für das Volk" nahe der Hofburg existiert, hat mit einer Machtdemonstration Napoleon Bonapartes zu tun, der 1809 vor dem Abzug seiner Truppen die Burgbastei sprengen ließ.

Der österreichische Kaiser Franz (1768–1835) nutzte den frei gewordenen Raum für eine großzügige Erweiterung und Umplanung des Areals vor der Hofburg, die auch aufgrund des Wiener Kongresses (1814/1815) erst Jahre später verwirklicht wurden. Einerseits sollte ein eigener privater Garten für den Kaiser entstehen, andererseits ein öffentlich zugänglicher Garten (s. Abb. 1).

Die Überlegung, einen Grünraum für das Volk anzulegen, wurde bereits früh in der Öffentlichkeit bekannt. So berichtete der aus Wien stammende, jedoch damals bereits seit längerem in Landshut lebende Arzt Joseph August Schultes nach seiner Wien-Reise 1817 von einem Park "für die Wiener" dicht am Burgtor, der dank der "Huld ihres Kaisers [. . . ] zu ihrer Erholung und Unterhaltung geöffnet haben wird."

An der damals geführten Diskussion, welchen Garten man an welchem Standort anzulegen habe, beteiligte sich auch die kaiserlich-königliche (k. k.) Hofgartendirektion, die im März 1817 in einem Schreiben an das k. k. Obersthofmeisteramt meinte, der vom Kaiser vorgesehene Platz für einen Obst- und Blumengarten solle eben nicht als Hofgarten verwendet, sondern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, da "alle Einwohner Wiens für eine [. . . ] mit der herrlichsten Aussicht nach der Welt geschmückten öffentlichen Promenade, seiner Majestät ewigen Dank zahlen würden."

Von der Detailplanungsphase an, die spätestens 1817 begonnen hatte, bis in das Frühjahr 1823 hinein wurde der neue Garten innerhalb des k. k. Obersthofmeisteramts und des k. k. Fortifikationsbauamts unter der Bezeichnung "Publicums Garten vor der k. k. Burg" geführt. Anscheinend erst mit der Eröffnung 1823 setzte sich in der Verwaltung und im allgemeinen Sprachgebrauch der noch heute gebräuchliche Name "Volksgarten" durch.

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Abb. 2: Flugaufnahme des nördlichen Teils des Volksgartens (2019). Foto: Stadt Wien/Christian Fürthner

Doch wer war damals das Volk? Johann Heinrich Zedler hatte Jahrzehnte zuvor in seinem "Grossen vollständigen Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste" den Begriff als "eine Menge oder ein Haufen Leute, welche sich in der Absicht, unter sich alle mit einander gleich durch einerley Rechte und Vortheile zu geniessen, oder um ihres gemeinen Bestens willen mit einander vereiniget und eine Art der Gesellschaft errichtet haben", beschrieben.

Bei dieser Definition ist von gleichen Rechten und Vorteilen die Rede. Übertragen auf den Volksgarten hieße dies, dass alle Untertanen des österreichischen Kaisers diesen "Publikumsgarten" aufsuchen durften. Gab es aus diesem Grund keine Wachen an den Eingängen und im Volksgarten selbst, oder wurden diese in schriftlichen Quellen schlichtweg nie erwähnt? Jedenfalls stünden fehlende Eingangskontrollen im Gegensatz zu den damals ebenfalls im kaiserlichen Besitz befindlichen und öffentlich zugänglichen Grünanlagen in den damaligen Vororten der Stadt: dem Augarten und dem Schönbrunner Schlosspark.

Ein Unterschied lag nur in der ausdrücklichen Widmung: Der Volksgarten wurde eigens für das Volk errichtet und war gleich nach Fertigstellung dem Publikum geöffnet. Die anderen erwähnten kaiserlichen Anlagen bestanden hingegen schon seit Jahrhunderten und wurden erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dem Volk dezidiert zugänglich gemacht.

Debatte über die Gartengestaltung

Können wir davon ausgehen, dass alle Menschen ohne Einschränkung den Volksgarten betreten durften? Skepsis ist angebracht, wie das Beispiel Augarten zeigt. Wer nicht entsprechend gekleidet war und sich nicht benehmen konnte, wurde seinerzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von den Portieren, die der "Ordnung wegen und um Bettler und unnützes Gesindel abzuhalten" den Zutritt kontrollierten, wie es 1779 heißt, abgewiesen.

Diese soziale Beschränkung mittels Eingangskontrollen lässt sich für den Volksgarten nicht nachweisen, auch weil man bis zum Bau der Ringstraße den Volksgarten nicht nur über das Tor, sondern auch über Stiegen und Rampen von den bestehenden Fortifikationsanlagen aus betreten konnte. Heißt dies im Umkehrschluss, dass alle Menschen – egal welchen gesellschaftlichen Standes – ihn einst betreten durften?

Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, dass die Überwachung des öffentlichen Raumes in der Politik jener Zeit eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte. Dies wird bei der Diskussion über die anzuwendende Gestaltung von Volksgärten deutlich.

Lesen wir in diesem Zusammenhang, was der deutsche Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld 1785 im fünften Band seines weit verbreiteten Werks "Theorie der Gartenkunst" zum Thema Volksgärten zu sagen hatte:

"Eine ansehnliche Stadt muß in ihrem Umfang einen oder mehrere große offene Plätze haben, wo sich das Volk in gewissen Zeitpunkten der Freude oder der Noth versammeln und sich ausbreiten kann, wo eine freye und gesunde Luft athmet, und die Schönheit des Himmels und der Landschaft sich wieder zum Genuß eröffnet. [. . . ] Allein außer diesen Plätzen kann eine weise Polizey bald in dem Bezirk der Stadt, bald nahe vor ihren Thoren besondere Oerter für den Spaziergang des Volks einrichten. [. . . ] Diese Volksgärten sind, nach vernünftigen Grundsätzen der Polizey, als ein wichtiges Bedürfniß des Stadtbewohners zu betrachten." Es seien hierbei gerade Alleen zu bevorzugen, um "die Aufsicht der Polizey, die an solchen Plätzen oft unentbehrlich ist", zu erleichtern.

Der Aspekt der Aufsicht klingt auch bei der Beschreibung des Wiener Volksgartens durch Franz Heinrich Böckh aus dem Jahr 1823 an: Anlagen mit geschwungenen Wegen im Sinne des Landschaftsgartens "sind hinsichtlich der großen Volksmenge, der in denselben möglicher Weise vorkommen könnenden Unsittlichkeiten und Unfüge auf ausdrücklichen allerhöchsten Befehl als nicht anwendbar verworfen worden."¹

Für den regelmäßigen Stil sprach ein weiteres Argument, wie der bayerische Hofgarten-Intendant und erfahrene Praktiker Friedrich Ludwig von Sckell in seinem 1818 erstmals erschienenen Werk "Beiträge zur bildenden Gartenkunst für angehende Gartenkünstler und Gartenliebhaber" zum Thema Volksgärten festhielt: Dass nämlich in diesen "das Volk auf einmal in Masse gesehen werden kann und daher auch in solchen Alleen einen weit imposantern Anblick gewährt, als in den allerschönsten Schlangen-Wegen der Naturgärten."

Auf das Sehen als soziale Interaktion wies bereits der deutsche Schriftsteller Wilhelm Gottlieb Becker 1796 hin. In Volksgärten bei großen Städten versammle sich nämlich "zu gewissen Stunden eine große Menge von Menschen, nicht sowohl um die Natur zu genießen (wenn es auch ein Naturgarten wäre) sondern um Menschen zu sehen, sich zu unterhalten, sich selbst sehen zu lassen und Bekannte aufzusuchen. [. . . ] Uibrigens ist es doch immer ein angenehmes Schauspiel, das Gewühl einer großen Menge von Menschen beisammen übersehen zu können, ein Schauspiel, welches uns eine Naturanlage nicht auf diese Art gewähren kann."²

Auch der bekannte englische Gartenkünstler und Gartenschriftsteller John Claudius Loudon hatte in seinen in den 1820er- und 1830er-Jahren erschienenen Werken, die auch ins Deutsche übersetzt worden waren, für Geradlinigkeit im wahrsten Sinn des Wortes plädiert: "For a limited space in towns, and where a variety of trees and shrubs will not thrive, no description of garden is better adapted for a public promenade than one laid out geometrically."³ Und so finde man laut Loudon "öffentliche Gärten oder Spaziergänge für Fußgänger" mit ganz wenigen Ausnahmen "in allen Ländern und zu allen Zeiten, im geometrischen Styl angelegt."4

Dies alles dürften Gründe gewesen sein, dass der nach Plänen des Elsässers Louis Rémy angelegte Volksgarten – entgegen der damals vorherrschenden Mode des Landschaftsgartens mit seinen gekrümmten und geschlängelten Wegen – im regelmäßigen Stil mit Alleepflanzungen konzipiert wurde.

Das Eröffnungsdatum

Betreffend die Eröffnung des Volksgartens müssen wir einen Fakt verblüffend zur Kenntnis nehmen: Diese hat im Jahr 1823 in allen damaligen Zeitungen und Zeitschriften keinen Widerhall gefunden. Dies trotz der Tatsache, dass dieser Grünraum am damaligen Rand der Stadt der erste im Großraum Wien war, der eigens für das Volk errichtet wurde. Hatte man diesen Garten tatsächlich am 1. März 2023 "feierlich eröffnet", wie man häufig – ohne Quellenangabe – liest?

Soll tatsächlich in der kühlen Jahreszeit diese Grünfläche ihrer Bestimmung übergeben worden sein? Die Beantwortung der Frage ist einfach und gleichzeitig unspektakulär: Ohne viel Aussehen und ohne große Feier machte man am späten Nachmittag des 1. Mai 1823 den Volksgarten erstmals zugänglich, wie in einem Akt des zuständigen Obersthofmeisteramts und in einer kurzen Notiz von Ende Juni 1823 in der in Leipzig erscheinenden Zeitung für die elegante Welt zu lesen ist.

Zusätzlich hilft uns die Nachricht von Franz Carl Weidmann, der in seinem Beitrag über die Verschönerungen Wiens in der Zeitschrift Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst Ende April 1823 davon spricht, dass die Anlage des Gartens "ihrer Vollendung mit raschen Schritten" entgegengehe. Dass die Grünanlage am 1. Mai 1823 noch nicht den Vorstellungen aller Nutzer entsprochen haben wird, zeigt sich in der erwähnten Notiz in der Zeitung für die elegante Welt: "Dem Garten fehlt es an dem, was ihn erst zum Garten bildet, an Gras und belaubten Bäumen."

Vom Äußeren Burgplatz, dem heutigen Heldenplatz, war der Volksgarten damals durch einen Wall abgetrennt. Durch eine Toranlage gelangten die Spaziergänger in den Garten auf den heute noch vorhandenen halbkreisförmigen Platz mit einem Bassin samt Springbrunnen. Von dort gehen fünf radial angeordnete Alleen in den Garten, dessen Rasenkompartimente mit regelmäßigen Baumpflanzungen aus Linden, Spitzahornen, Ulmen und Kanadischen Pappeln versehen waren.

Der neue Grünraum dürfte für den Adel und die Bürgerschaft der engen, damals noch befestigten Stadt rasch an Bedeutung gewonnen haben. Mit ein Grund für die hohe Akzeptanz dieser neuen Grünfläche war sicher die Existenz des im Mai 1823 eröffneten Corti'schen Kaffeehauses, einem noch heute bestehenden halbkreisförmigen Kolonnadenbau. Mit diesem Kaffeehaus erfüllte man auch die Forderung von Gartentheoretikern und -praktikern jener Zeit. So hatte Friedrich Ludwig von Sckell 1818 gefordert, dass in Volksgärten auch "Gebäude im guten Geschmack", wo Erfrischungen und Speisen eingenommen werden können, errichtet werden müssten.

Ein Tempel im Zentrum

Der ästhetisch zentrale Punkt des Volkgartens ist hingegen noch heute der Theseustempel (s. Abb. 3), der von 2008 bis 2011 renoviert wurde. Namensgebend für dieses Gebäude ist die sogenannte Theseusgruppe. Im Jahre 1804 hatte Napoleon Bonaparte diese Skulpturengruppe des Sieges von Theseus über den Kentauren Eurytion beim Bildhauer Antonio Canova beauftragt.

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Abb. 3: Der Theseustempel im Volksgarten (Juni 2016). Fotos: Soweit nicht anders angegeben, Christian Hlavac
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Abb. 4: Der Theseustempel im Volksgarten (Juni 2016). Aus: Franz Carl Weidmann, Panorama von Wien, 1832

Nach der Niederlage und Verbannung Napoleons erwarb sein Schwiegervater, der österreichische Kaiser Franz, die damals noch nicht ganz vollendete Plastik. Nach der Vollendung der Bildhauerarbeit im Jahr 1819 gelangte die Skulptur nach Wien.

Schon nach dem Erwerb des Kunstwerkes durch Kaiser Franz war der Architekt Pietro Nobile beauftragt worden, ein Gebäude in Form eines griechischen Tempels als architektonische Hülle für die Skulpturengruppe zu entwerfen. Der erst nach der Eröffnung des Gartens fertiggestellte Bau ist eine verkleinerte Version des Hephaistos-Tempels am Rande der Agora von Athen. Man kennt ihn auch unter den Namen Theseion oder Theseum, da man einst glaubte, die Knochen des griechischen Helden Theseus seien hier begraben.

Auch in diesem Fall unterstützten Gartentheoretiker und -praktiker jener Zeit indirekt die Errichtung dieses Gebäudes: Der bereits erwähnte Friedrich von Sckell zählte 1818 auf, welche "Verzierungen" in Volksgärten angebracht seien, darunter auch "schöne Tempel der alten Kunst". Nur sollten diese "nicht kleinlich ausgeführt werden und als Muster der höhern und reinern Baukunst erscheinen."

Der Tempel diente nicht nur als Aufstellungsort der Skulpturengruppe, welche besichtigt werden konnte und die seit 1890 im Kunsthistorischen Museums steht, sondern nahm auch im Untergeschoss die kaiserliche Antikensammlung auf. Die Besucher fanden dort antike Büsten, ein Mithrasrelief, Sarkophage, Opferaltäre und Inschriftenplatten.

Rund um das Gebäude – ein bedeutendes Beispiel des "Greek Revival" in Österreich – standen einst große Säulenpappeln (s. Abb. 4), die aufgrund ihres Wuchses an mediterrane Zypressenhaine und die einstigen Baumpflanzungen beim Hephaisteion in Athen erinnern sollten. Alle Säulenpappeln verschwanden 1863; sie wurden gefällt und gegen Linden und Ahornbäume ausgetauscht. Einerseits dürfte diese schlanke, sehr rasch wachsende Pappelvarietät aus der Mode gekommen sein, andererseits steigt im Alter rasch die Gefahr eines Windbruchs.

Erste Vergrößerung

Anlässlich der Errichtung der Ringstraße wurde der Volksgarten 1863/1864 vergrößert und gleichzeitig umgestaltet. So verschwanden jener Wall, der den Volksgarten vom Paradeplatz, dem heutigen Heldenplatz, abschloss, und die den Garten nach außen abschließende Kurtine; der Basteigraben wurde zugeschüttet. Zuvor hatten die Besucher auf den umlaufenden und begehbaren hohen Festungsmauern eine weite Sicht über das Glacis und die Vorstädte.

Nach mehreren Planvarianten, die einen "landschaftlichen" Stil zeigen, entschied man sich, die regelmäßige Gestaltung des alten Teils zu übernehmen. Die endgültige Planung des neuen Teils entlang der Ringstraße stammt vom Hofgärtner Franz Antoine der Jüngere (1815–1886), der auch das noch heute in seinen Ausmaßen bestehende Parterre mit Brunnenanlage vorsah (s. Abb. 5 und 6).

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Abb. 5: Blick über das große Parterre an der Ringstraße zum Burgtheater (Oktober 2022). Foto: Christian Hlavac
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Abb. 6: Blick über das große Parterre mit Bäumen zum Burgtheater. Postkarte, um 1898. Wien Museum
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Abb. 7: Rosarium am Rande des großen Parterres (Juni 2023). Foto: Christian Hlavac

Wie Jochen Martz betont, war die Randpartie dieses Parterres – der heutige Rosengarten (s. Abb. 7) – ursprünglich fast ausschließlich mit Fliederbüschen bepflanzt. Die heute den Gartenteil bestimmenden buchseingefassten Rosenrabatte in den mittleren Parterrefeldern wurden erst Anfang der 1930er-Jahre angelegt.

Mit der Flächenerweiterung änderte sich auch die Umfassung des Volksgartens: 1864 errichtete man ein monumentales gusseisernes Gitter der Salm'schen Eisengießerei in Blansko (Mähren), welches zwischen 1993 und 1997 generalsaniert wurde (s. Abb. 9). Doch schon 1823 hatte es am Haupteingang des Gartens beim heutigen Heldenplatz eine Toranlage gegeben. Wann diese offen und wann geschlossen war, lässt sich aufgrund fehlender Quellen nicht klären.

Mit der Erweiterung des Volksgartens Richtung der Ringstraße in den 1860er Jahren änderte sich die Lage, denn im Dezember 1864 ordnete das Obersthofmeisteramt in einem Schreiben an den Hofgärtner Antoine Folgendes an: "Das neue Gitterthor des k. k. Volksgartens [nahe des heutigen Burgtheaters] werde von nun an in den Monaten November, December, und Jänner um sieben Uhr morgens geöffnet und um sechs Uhr abends geschlossen, in den Monaten Oktober, Februar und März um sechs Uhr morgens geöffnet und um acht Uhr abends geschlossen, endlich in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, August und September um fünf Uhr morgens geöffnet."

Bei Konzerten oder Festen im Garten müsse man die Zeiten entsprechend anpassen. Die Öffnung und Schließung des Tores habe durch das Hofgartenpersonal zu geschehen und der Schlüssel müsse jedes Mal dem Hofgärtner Antoine in Aufbewahrung übergeben werden. Weiter heißt es in der Anordnung, dass der Hofgärtner eigens eine "Kundmachungstafel" am Tor anzubringen habe, auf der die Sperrstunden vermerkt werden. Diese Tafel müsse – so die Vorgabe – so aussehen, dass die einzelnen "Monate und die Sperrstunde herausgenommen und nach Erforderniß gewechselt werden können." An der Form dieser Tafel hat sich im Großen und Ganzen bis heute wenig geändert (s. Abb. 8).

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Abb. 8: Die heutigen Kundmachungstafeln an den Eingängen des Volksgartens (März 2023). Foto: Christian Hlavac
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Abb. 9: Blick gegen Süden über die 1864 errichtete Toranlage. Foto von August Stauda, 1868. Wien Museum Foto: Christian Hlavac
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Abb. 10: Blick auf den Volksgarten. Postkarte, gedruckt 1912. Wien Museum
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Abb. 11: Das Kaiserin-Elisabeth-Denkmal mit dem abgesenkten Parterre (August 2020). Foto: Christian Hlavac

Krampen und Schiebtruhen

Aus der Zeit der ersten räumlichen Erweiterung des Volksgartens haben sich zahlreiche "Ausweise" des Hofgärtners Antoine über jene "Gegenstände" erhalten, "welche bei der Anlage des k. k. Volksgartens erforderlich sind". So benötigte man im Oktober 1863 Sand und Schotter, 1226 Stück Bäume und Sträucher aus der k. k. Baumschule im Park von Laxenburg (Niederösterreich), 1100 Baumstangen und 200 Kubikklafter Gartenerde. Im darauffolgenden Monat waren 1500 Stück Rasenziegel und 25 Stück "roth und weißblühende Kastanienbäume" gefragt. Mit Verwunderung nimmt man zur Kenntnis, dass im Februar 1864 gleich 157 Stück Krampen bestellt wurden.

Im März ermächtigte man den Hofgärtner, "in die neuen Anlagen des Hofburg- und Volksgartens" 100 Stück gusseiserne Gartenbänke mit Eichenlatten und Armlehnen bei der fürstlich Salm'schen Eisengießerei zu bestellen; die neuen Bänke sollten danach mit einem "schönen dunkelbraunen Ölfarbenanstriche" versehen werden. Im August musste Erde nachgeliefert werden, um Setzungen am Volksgarten-Einfassungsgitter auszugleichen.

Im April 1865 folgte die Bestellung von fünf Ahornbäumen, 1150 Stück Waldgehölz, diversen hölzernen Werkzeugen (22 Stück Schiebtruhen und 60 Stück Rechen), diversen eisernen Werkzeugen (sechs Stück Rechen und 70 Schaufeln) sowie 240 Baumstangen. Schließlich folgten im Mai 1865 unter anderem 654 Stück Gehölz aus der Laxenburger Baumschule, Rasenziegel zur Einfassung der Parterres und Mistbeeterde "zur Hebung der Blumenbeete".

Zweite Erweiterung

Die letzte Erweiterung erfolgte 1883/1884 mit einem 25 Meter breiten Streifen entlang der heutigen Löwelstraße; seit dieser Erweiterung umfasst der Volksgarten eine Gesamtfläche von fast 51.000 Quadratmeter. Hofgärtner Franz Antoine gestaltete diesen Streifen zunächst schlicht als historistisches Parterre. Mit Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich jedoch alles: Denn das Gelände sollte ein Denkmal für die ermordete österreichische Kaiserin Elisabeth aufnehmen. Seit 1907 sitzt sie in Stein gehauen etwas versteckt in diesem Gartenteil.

Gleich drei Herren waren für die heutige Gestaltung dieses Jugendstil-Ensembles verantwortlich, das 1907 feierlich eröffnet und 1997 renoviert wurde. Die Sitzstatue entwarf der Bildhauer Hans Bitterlich, die architektonische Gestaltung stammt vom Architekten Friedrich Ohmann. Die Gartenumgestaltung beim Denkmal wurde hingegen nach Vorgaben Ohmanns durch den Hofgartenverwalter Josef Vesely von 1905 bis 1907 durchgeführt (s. Abb.11).

Auch wenn wir diese beiden Vergrößerungen und Veränderungen im Laufe von zwei Jahrhunderten nicht ausblenden können, bleibt eine Tatsache bestehen: Der seit 1919 von den Österreichischen Bundesgärten betreute Volksgarten ist die erste eigens für die Öffentlichkeit entworfene und bestimmte Grünfläche Wiens.

Ein großes Aber bleibt jedoch: Auch wenn heute der Name "Volksgarten" etwas anderes suggeriert, war es eine vom Herrscher "huldvoll" dem Volk geschenkte Grünfläche.

Die Conclusio: Wir können den Wiener Volksgarten als einen weitgehend uneingeschränkt zugänglichen Grünraum verstehen, der sich von einem herrschaftlichen privaten Garten, welcher zeitlich oder räumlich nur eingeschränkt für die Bevölkerung und Fremde zugänglich war, unterschied.

ANMERKUNGEN

1 Franz Heinrich Böckh: Merkwürdigkeiten der Haupt- und Residenz-Stadt Wien und ihrer nächsten Umgebungen. Zweyter Teil. Wien 1823, S. 148.

2 Wilhelm Gottlieb Becker: An Herrn Krauß in Berlin. In: Taschenbuch für Garten Freunde. Leipzig 1796, S. 90–116, hier S. 101 f.

3 John Claudius Loudon: Remarks on laying out Public Gardens and Promenades. In: The Gardeners’Magazin. December 1835, S. 644–669, hier S. 666.

4 John Claudius Loudon: Eine Encyclopädie des Gartenwesens [. . . ]. Band 2. Weimar 1825/1826, S.1384. ARCHIVALISCHE QUELLEN Akten der Hofgartendirektion (Staatsarchiv) und des Wiener Landesarchivs. LITERATUR Hlavac, Christian, Göttche, Astrid (2016): Die Gartenmanie der Habsburger. Die kaiserliche Familie und ihre Gärten 1792–1848. Wien. Hellmut Lorenz, Anna Mader-Kratky Hrsg. (2016): Die Wiener Hofburg 1705–1835. Die kaiserliche Residenz vom Barock bis zum Klassizismus. Wien. Jochen Martz (2010): „Waren hier die alten Wälle?“ Zur Genese und Entwicklung der gärtnerischen Nutzung auf dem Gelände der fortifikatorischen Anlagen im Bereich der Wiener Hofburg. In: ÖZKD, 2010, Heft 1/2, S. 116–127.

Dr.- Ing. Christian Hlavac
Autor

Gartenhistoriker und Gartentouristiker am Zentrum für Garten, Landschaft und Tourismus, Wien

Zentrum für Garten, Landschaft und Tourismus

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