Qualifikation

Anforderungen an die Qualität von Baumkontrollen

Recht Baumkontrolle
Am 25.02.2020 befuhr ein Fahrer mit einem Lkw einen Wirtschaftsweg der beklagten Gemeinde. Dabei wurde der Lkw durch eine umstürzende Weide beschädigt. Foto: Maren Winter, Adobe Stock

Dem weit überwiegend Klage stattgebenden rechtskräftigen Berufungsurteil des OLG Hamm vom 04.11.2022 -I- 11 U 86/21 - lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 25.02.2020 befuhr ein Fahrer der klagenden Firma mit einem Lkw einen Wirtschaftsweg der beklagten Gemeinde. Dabei wurde der Lkw, als er die Unfallstelle passierte, durch eine umstürzende Weide beschädigt. Die letzte Sichtkontrolle des Baumes vor dem Unfall fand ohne Befund im November 2019 durch den Bauhofleiter der Beklagten, einen gelernten Maurer ohne zusätzliche Qualifikation zur Baumkontrolle, statt. Mit der Klage macht die Klägerin Schadenersatz in Höhe von knapp 6.400 Euro geltend.

Das LG Münster hat die Klage ohne Beweisaufnahme durch Urteil vom 03.05.2021 - 11 O 302/20 - abgewiesen. Das Gericht geht weder von einer schadenursächlich gewordenen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die beklagte Gemeinde als Baumeigentümerin aus noch von der Kausalität einer etwaigen Verkehrssicherungspflichtverletzung für den schadenursächlich gewordenen Baumumsturz. Auf die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung hin hat das OLG Hamm durch Urteil vom 04.11.2022 -I- 11 U 86/21 - die Entscheidung aufgehoben und der Klage weit überwiegend in Höhe von knapp 6.100 Euro stattgegeben.

Nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten geht das OLG Hamm davon aus, dass bei ordnungsgemäßer Sichtkontrolle des Baumes Handlungsbedarf hätte erkannt werden müssen und der Baum noch bis zum Jahresende 2019, jedenfalls aber vor dem Baumumsturz am 25.02.2020, hätte gefällt werden müssen und entfernt worden wäre. Das Gericht ist demgemäß überzeugt davon, dass die Sichtkontrolle vom November 2019 nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Bei ordnungsgemäßer Sichtkontrolle hätte der Baum als abbruch- und umsturzgefährdet erkannt werden müssen. Bei weiterer sachgerechter Vorgehensweise wäre er zeitnah nach der Kontrolle gefällt worden. Mögliche Erhaltungsmaßnahmen wären bei einem am Rande eines Wirtschaftsweges stehenden Baum nicht wirtschaftlich gewesen und folglich unterblieben. Als ausgebildetem Maurer ohne eine Zusatzqualifikation zur Baumkontrolle fehlten dem Baumkontrolleur ungeachtet langjähriger Erfahrung als Bauhofleiter die erforderlichen Fachkenntnisse für eine fachlich qualifizierte Sichtkontrolle des Baumes.

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Dies sei im Rahmen seiner Vernehmung und der durchgeführten Anhörung der gerichtlich beauftragten Sachverständigen deutlich geworden. Der beklagten Gemeinde sei es zuzumuten, für die Baumkontrolle fachkundiges eigenes Personal einzusetzen oder alternativ eine Fachfirma hiermit zu beauftragen. Die Qualität durchzuführender Baumkontrollen richte sich nach einem objektiven Maßstab. Größe oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Gebietskörperschaft seien möglicherweise für die Frage der Häufigkeit durchzuführender Kontrollen von Bedeutung. Die Pflicht zur Durchführung von Baumkontrollen durch fachkundige Personen bestehe aber unabhängig hiervon, da nur eine diesem Maßstab genügende Kontrolle zur sachgerechten Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht geeignet sei. Eine durch nicht fachkundige Personen erfolgte Kontrolle komme hingegen einer unterlassenen Kontrolle gleich. Baumkontrolleure müssten in einer Weise geschult sein, dass sie die im konkreten Fall vorliegenden Krankheitsanzeichen für ein Absterben des Baumes und sich hieraus ergebende Gefahren einer Instabilität und der daraus folgenden Notwendigkeit weiterer Maßnahmen erkennen können. Regelmäßige Baumkontrollen seien im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht auch entlang von Wirtschaftswegen untergeordneter Verkehrsbedeutung notwendig.

Das Urteil des OLG Hamm überzeugt hinsichtlich der Anforderungen an die Qualifikation und die notwendige Fachkunde von Baumkontrolleur*innen. Hierzu existiert bislang - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung. Nach den einschlägigen FLL-Baumkontrollrichtlinien (Ausgabe 2020) sind gemäß 5.2.5 (Fachliche Eignung zur Durchführung von Kontrollen) Regelkontrollen von Personen durchzuführen, die über ausreichende Fachkenntnisse verfügen. Die Fachkenntnisse sind regelmäßig zu vertiefen. Wer als für die Verkehrssicherheit von Bäumen Verantwortliche/r selbst nicht über entsprechende Fachkenntnisse oder sachkundiges Personal verfügt, muss solche Kräfte hinzuziehen. Eine entsprechende Regelung findet sich ebenfalls unter 2.3 der von der BADK (Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Kommunalversicherer) und der GALK (Gartenamtsleiterkonferenz beim Deutschen Städtetag) herausgegebenen Musterdienstanweisung zur Baumkontrolle (Ausgabe 2021). Die Entscheidung des OLG Hamm liegt auf dieser Linie, ohne auf die FLL-Baumkontrollrichtlinien als aktuellen Stand der Technik hinzuweisen. Einer eingehenderen Begründung bedürfte hingegen meiner Meinung nach die Behauptung, Bäume müssten generell entlang von Wirtschaftswegen kontrolliert werden. Dies trifft nur dann zu, wenn es sich um öffentlich gewidmete Wege handelt. Hierzu enthält die Entscheidung leider keine notwendigen Sachverhaltsangaben.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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