Anspruch auf Rückschnitt

Wenn von einem Nachbargrundstück Äste und Zweige überhängen

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Ansprüche des Nachbarn auf Rückschnitt von dem Nachbargrundstück überhängender Äste und Zweige stehen im Mittelpunkt des rechtskräftigen Berufungsurteils des LG Köln vom 02.03.2023 – 6 S 27/20 –.
Baumpflanzung
Für den Kläger ergibt sich nach zwischenzeitlich erfolgter Bebauung des Grundstücks eine Beeinträchtigung durch erheblichen Laub- und Fruchtfall der benachbarten Bäume. Foto: whiteaster, adobe stock

Der ohne Tatbestand (wegen unzweifelhafter Unzulässigkeit eines weiteren Rechtsmittels gegen die Entscheidung, §§ 543 Abs. 1, 544 Abs. 2 ZPO) ergangenen Entscheidung des Berufungsgerichts lag folgender (der Pressemitteilung des LG Köln vom 31.03.2023 EdM 03/2023 entnommene) Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger macht Ansprüche auf Rückschnitt der von dem Nachbargrundstück des Beklagten auf sein Grundstück herüberwachsenden Äste und Zweige verschiedener Bäume (einer Kastanie, zweier Schwarzerlen und dreier Ahorn-Bäume) geltend. Das Grundstück des Klägers war bis 2015 unbebaut. Für den Kläger ergibt sich nach zwischenzeitlich erfolgter Bebauung des Grundstücks eine Beeinträchtigung durch erheblichen Laub- und Fruchtfall der benachbarten Bäume. Das AG Leverkusen hat den Beklagten durch Urteil vom 16.01.2020 – 21 C 202/19 – antragsgemäß aus § 1004 BGB i. V. m. § 910 BGB verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das LG Köln durch Urteil vom 02.03.2023 – 6 S 27/20 – die Klage insgesamt abgewiesen.

Das LG Köln räumt zunächst aufgrund des eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachtens einen Überhang ein, der das Eigentum des Klägers beeinträchtigen könnte. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass für das Vorliegen einer Beeinträchtigung nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers maßgeblich ist, sondern die objektive Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung.

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Baumpflanzung
Die Entscheidung des LG Köln steht in diametralem Gegensatz zu der umstrittenen Entscheidung des BGH zum Anspruch auf das Selbsthilferecht des Nachbarn bei Überhang. Foto: eivaisla, adobe stock

Ebenso zutreffend weist das Gericht auf die Darlegungs- und Beweislast des Baumeigentümers hin, dass von den herüberragenden Ästen keine Beeinträchtigung ausgeht, unter anderem unter Hinweis auf das Urteil des BGH vom 11.06.2021 – V ZR 234/19 – (SuG 10/2021, 58 mit Anmerkung Braun).

Im Gegensatz zur zuvor zitierten BGH-Entscheidung verneint das LG Köln aber eine relevante Beeinträchtigung. An einer solchen fehle es, wenn die Störungen im Vergleich zu den Wirkungen des Rückschnitts des Überwuchses außer Verhältnis stünden. Dann sei die Beseitigung des Überhangs unzumutbar. Dies sei – unter Hinweis auf das Urteil des OLG Köln vom 12.07.2011 – 4 U 18/10 –, juris – dann der Fall, wenn der Rückschnitt die Gefahr eines Absterbens der Bäume nach sich ziehe. Dann liefe das Rückschnittsbegehren letztlich auf eine verbotene Beseitigung des Baumes hinaus.

Außerdem könne der Nachbar den Rückschnitt vorliegend nicht mehr verlangen, weil die fraglichen Gehölze unstreitig mindestens sechs Jahre alt seien. Unter dieser Voraussetzung sei eine Beseitigung nach § 47 Abs. 1 NachbG NRW ausgeschlossen. Ein Rückschnitt liefe vorliegend letztlich nämlich auf eine Beseitigung der Gehölze insgesamt hinaus. Dies ergebe sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten. Danach verursache eine Entfernung des Überhangs so massive Schädigungen der Gehölze, dass kaum eines der betroffenen Gehölze überleben werde.

Die Entscheidung des LG Köln steht in diametralem Gegensatz zu der umstrittenen Entscheidung des BGH vom 11.06.2021 – V ZR 204/19 – zum Anspruch auf das Selbsthilferecht des Nachbarn bei Überhang. Eine solche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Entscheidung ist vollkommen legitim wegen der verfassungsrechtlich in Art. 97 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit.

Kritikwürdig ist aus meiner Sicht allerdings die Vorgehensweise, die dem Gericht offenbar bekannte BGH-Entscheidung zu zitieren, sie aber inhaltlich weitgehend zu ignorieren, ohne sich bewusst von ihr abzugrenzen.

Rechtlich verfehlt ist aus meiner Sicht der nach Auffassung des LG Köln bestehende Ausschluss des Anspruchs wegen § 47 Abs. 1 NachbG NRW. Hier hat der BGH in der zuvor erwähnten Grundsatzentscheidung völlig zurecht im Hinblick auf die vergleichbare Regelung im Nachbarrechtsgesetz Berlin darauf hingewiesen, dass ein aus Bundesrecht, nämlich dem BGB, resultierender Beseitigungsanspruch nicht durch Landesrecht ausgeschlossen werden kann.

Ebenso hat der BGH in dieser Entscheidung der von dem OLG Köln vertretenen Rechtsauffassung zur Unzumutbarkeit des Beseitigungsanspruchs bei Gefahr des Absterbens des Baumes bei Durchführung eines Rückschnitts, der das LG Köln sich vorliegend anschließt, eine klare Absage erteilt.

Meiner Meinung nach sprechen inhaltlich für die dem Erhalt der Bäume dienende Auffassung des OLG Köln die besseren Argumente, als für die des BGH. Allerdings sollte man dies dann als Gericht auch – anders als das LG Köln vorliegend – inhaltlich thematisieren statt die Argumentation des BGH schlicht zu ignorieren.

Die Entscheidung des LG Köln ist meiner Auffassung nach daher im Ergebnis begrüßenswert, inhaltlich aber nur teilweise überzeugend.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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