Das kulturelle Erbe der Berliner Landschaftsarchitektin ist in Gefahr
Der TU-Campus von Herta Hammerbacher
von: Dipl.-Ing. Kristina SchönwälderDer Campus der Technischen Universität Berlin befindet sich aus landschaftsarchitektonischer Sicht in einem desolaten Zustand. Seit 1952 von der Berliner Landschaftsarchitektin Herta Hammerbacher geplant, sind jedoch noch viele originale Elemente erhalten, wie ein genauer Blick verrät. Die Pflege und Reaktivierung dieses wichtigen öffentlichen Raums der City West scheint dringend notwendig. Zwei Fragen sind dabei zentral: Was braucht ein Campus heute? Und wie soll man mit dem Erbe Hammerbachers umgehen?
Das Stammgelände - aus der Not im Prozess erbaut
Die Technische Universität Berlin (TU Berlin) liegt mitten im Zentrum der Hauptstadt westlich des großen Tiergartens im Bezirk Charlottenburg. Das Areal erstreckt sich vom Bahnhof Zoologischer Garten im Süden über den Ernst-Reuter-Platz im Westen bis zum Landwehrkanal im Norden und Osten. Die Straße des 17. Juni teilt das Gelände in das historische Stammgelände im Süden und den sogenannten Nordcampus, der nach dem Krieg entstand. Die repräsentativen Gebäude aus der Wilhelminischen Zeit wurden im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Seit 1952 arbeitete Herta Hammerbacher (1900-85) an der Neugestaltung des historischen Stammgeländes.¹ Hammerbacher zählte zu den Protagonisten des Bornimer Stils, den sie Ende der Zwanzigerjahre zusammen mit Karl Foerster und Hermann Mattern in Potsdam-Bornim entwickelte. Den Garten begriffen sie als Raum, Pflanzen als Raumbildner. Mit ihrem landschaftlich geprägten Gestaltungsansatz waren die "Bornimer" bis weit in die Nachkriegszeit sehr erfolgreich.² Seit 1946 war Hammerbacher Lehrbeauftragte für Landschafts- und Gartengestaltung, vier Jahre später Professorin an der TU Berlin. Sie war damit die erste Frau überhaupt, die an der TU Berlin eine Professur erhielt.
SUG-Stellenmarkt
Als Hammerbacher begann, die kriegszerstörten Außenräume der TU neu zu denken, hatte sie vor allem eines im Sinn: Sie wollte einen Garten der Erholung und Kommunikation schaffen, der zudem gestalterischen Vorzeigecharakter aufweist und als Lehrobjekt dienen kann. Sie knüpfte an die Ideen der ursprünglichen Gestaltung an, die sich an den Idealen des Landschaftsgartens des 19. Jahrhunderts orientiert hatte, und dachte diese weiter. Nicht um die "sich selbst ästhetisierenden" und "unnötig schlängelnden Wegen" ging es ihr, sondern um organisch-funktionale Wegeführungen, die sich den pragmatischen Forderungen der damals propagierten, autogerechten Planung widersetzten. Charakteristisch für Hammerbacher ist die Modellierung der Landschaft, insbesondere das Arbeiten mit Mulden und Sitzmauern. Hiermit schafft sie ein Relief, das psychologisch der Abgrenzung von Räumen und somit dem Wohlgefühl und der Orientierung dient. Mit kaum vorhandenen finanziellen Mitteln nach dem Krieg wurden die neuen Außenanlagen des Stammgeländes umgesetzt. Zwei große, abgesenkte und mit Linden umsäumte Rasenflächen fungierten als Liegewiesen. Gehwege wurden in einer ungewöhnlichen Bauweise, rhythmisierend gestreift, aus noch ganz erhaltenen und polygonal gebrochenen Granitplatten wiederverwertet verlegt. Typisch sind die "ausgefransten" Ränder der Wege und der Verzicht auf Randeinfassungen. Der Osten des Geländes wurde durch Rhododendrongehölze untergliedert. Die Gehölze waren Schenkungen, unter anderem aus der nahegelegenen Baumschule des Tiergartens. Ihr genauer Standort wurde erst während des Bauprozesses bestimmt. Den parkenden Verkehr ordnete Hammerbacher entlang der Gebäude an, um die grüne Mitte des Geländes frei zu halten.
Der Nordcampus - ein Landschaftsgarten der Erholung
Zeitgleich mit der Internationalen Bauausstellung im nahegelegenen Hansaviertel wurde 1957 vom Senat des Landes Berlin der Beschluss gefasst, den bis dahin industriell genutzten Bereich nördlich der Straße des 17. Juni zur Expansion der TU frei zu geben. An der Gestaltung der Außenanlagen für die Ausbauplanung arbeitete Hammerbacher zusammen mit Kollegen der Architektur-Fakultät. Sie sah das Nordareal und das Stammgelände als Einheit. Wie im Stammgelände hielt sie auch im Zentrum des Nordcampus einen großen grünen Raum zur Erholung frei. An der sechsspurigen Straße des 17. Juni, die die beiden Teile des Campus extrem trennt, aber wichtigste Schnittstelle zur Öffentlichkeit darstellt, sollte der zentrale Bereich vor den Gebäuden als Forum gestaltet und weitgehend leer gehalten werden, um einen Bogen zur Südseite zu schlagen. Eine geplante Fußgängerunterführung wurde nie realisiert, an der Stelle des Forums wurde 1983 das Mathematikgebäude von Kohlmeier und Satory im ökomodernen Stil fertiggestellt. Bis heute ist die Trennung des Campus durch die Straße des 17. Juni ein städtebauliches Problem der TU Berlin.
Bestehende Großbäume auf dem Gelände des Nordcampus blieben bei der schrittweisen Umsetzung Hammerbachers Gestaltung von 1959-1972 erhalten und bildeten mit neu gepflanzten Heistern, Blütensträuchern und Parkrosen ein rahmendes und doch transparentes Gefüge um die große mittige Rasenmulde. Eine mit Gräsern bepflanzte Böschung im Norden der Wiese definierte in den Jahren nach der Fertigstellung einen privateren Bereich mit Sitzbänken als Aufenthaltszone. Der gestalterische Clou auf der Fläche war die von der österreichischen Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co entworfene Stahlgitter-Pyramide aus dem Jahr 1982 zur Berankung durch Knöterich - zweifellos ein postmodernes, ironisches Zitat der Pyramide im Landschaftspark Branitz, heute unter Denkmalschutz gestellt. Westlich neben der Pyramide wurde ein flacher Teich angelegt. Alle umsäumenden Wege wurden auch hier wieder typisch Hammerbacher mit ausgefransten Rändern und als Folge von Streifen jetzt mit neu aufgekommenen Waschbetonplatten in unterschiedlichen Farbkontrasten verlegt. Plattenschnitte wurden weitgehend vermieden um Arbeitsaufwand zu rationalisieren. Der Wegrand wurde ab und zu mit immergrünen Zwerggehölzen, Cotoneaster, kleinbleibenden Rhododendren und teppichdeckenden Stauden begleitet, die Hammerbacher hier und da gemäß der Bornimer Schule durch Gräser und Solitärstauden einsetzte. "Immer modelliert sie durch leichte Hügelung und künstliche Mulden zuerst den Boden, so dass eine landschaftliche Plastizität entsteht, die die Zusammenhänge zum Bau stärker herausholt und Raumgebilde schafft.
Diese Modellierung erstreckt sich bis in die Blumen- und Pflanzenflächen hinein, wo aus dem Grundpolster wie aus einem Kollektiv sich einzelne Gräser und Blumen eigenwillig erheben."³ Hammerbachers Gestaltung der offenen, freien Mitte die zur Abhaltung "der steinernen Invasion" Lichträume schaffte, wurde 2012 mit dem Bau des Transelektronenmikroskopiegebäudes (TEM) in neoklassizistischer Bauweise auf dem Entree der Fläche entwürdigt.
Die Außenanlagen der Architekturfakultät - ein Lehrgarten unter Denkmalschutz
Hammerbachers ungewöhnlichstes Projekt auf dem Campus sind die Außenanlagen vor den beiden Gebäuden der Architekturfakultät von Bernhard Hermkes und Hans Scharoun am Ernst-Reuter-Platz die sie im Jahr 1963 entwarf. Der Ernst-Reuter-Platz ist ein riesiger Kreisverkehr mit zentralem Aufenthaltsbereich und Denkmal für das "freie Berlin", den Bernhard Hermkes in Folge eines Wettbewerbsgewinns 1955 realisierte. Der über einen Meter erhöhte Vorplatz der Architekturfakultät mit der Bronze-Flamme von Bernhard Heiliger ist Teil dieser Denkmalanlage, die unter anderem für ihr streng quadratisches Bodenraster bekannt ist, das den riesigen, autogerechten Freiraum optisch zusammenbinden soll. Hammerbacher nahm das von Werner Düttmann konzipierte quadratische Raster des Platzes auf und interpretierte es im Bereich der Architekturfakultät neu. Sie unterteilte es im Kleinen spannungsvoll durch kontrastreiche Plattentexturen und blitzförmige Bänke aus Sichtbeton. Vor allem aber arbeitete sie mit einem rautenförmigen Raster, das sich formal an den Kanten der beiden Teilbauten orientiert und in einen Senkgarten überleitet. Über eine Brücke erreicht man den Eingang zum Gebäudearm Scharouns, der die Bibliothek beinhaltet. Eine Wendeltreppe führt in den Garten aus terrassierten Sichtbetonmauern, die mit Rhododendren, Zwergsträuchern, Bodendeckern und Kletterpflanzen bepflanzt sind, auf einen ruhigen, geschützten Platz. Von hier aus gelangt man wieder in das Gebäude. Ein zweiter tiefer gelegter Garten wächst nördlich des Architekturgebäudes, gleichermaßen in die Werkstatträume hinein.
Den Senkgärten kam in didaktischer Weise eine besondere Aufgabe zu. Hammerbacher erarbeitete das Projekt mit ihren Studierenden und der Fachschaft Architektur. Es sollte ein Demonstrations-, Experimentier- und Lehrobjekt sein, der "Intensivzonen" in direkter Nähe der Architekturfakultät bietet und dessen Pflanzflächen künftig durch eine Art Weisungsrecht des Lehrgebiets für Landschafts- und Gartengestaltung durch neu einzustellendes gärtnerisches Personal organisiert werden sollten. Damit konnte es hier also eine aufwendigere Gestaltung geben, die besonderer Erholungsort und pädagogisches Lehrobjekt zugleich war. Die Auffassung der Fachschaft Architektur war: "Wenn Studenten noch nicht einmal beim Neubau ihrer eigenen Universität gute Beispiele sehen, dann wird sich Resignation und Mittelmaß umso eher in ihrem späteren Tun ausbreiten." Die gesamte Außenanlage um die Architekturfakultät und der Ernst-Reuter Platz stehen heute unter Gartendenkmalschutz.
Zeitsprung
Was von Hammerbachers Gestaltung auf dem Campus der TU Berlin heute noch zu sehen ist, ist traurig. Etwa die zugewachsenen, verwilderten Strauchflächen und ausgewachsenen Eiben, die nicht - wie ursprünglich gedacht - transparent niedrig gehalten wurden, sondern Angsträume erzeugen. Die Beläge sind nach knapp 60 Jahren marode und zerbrochen. Die Wiesenfläche des Stammgeländes wird aktuell zur Hälfte als Stellplatz ohne Befestigung genutzt und ist von Spontanvegetation umsäumt. Die Teichfläche auf dem Nordcampus ist ausgetrocknet und mit Maschendraht einzäunt. Hammerbachers einst mit den Studierenden liebevoll gestalteter Senkgarten an der Architekturfakultät nennt sich heute nicht mehr Kandinsky-, sondern Efeugarten, was bedeutet, dass die Pflege auf ein Minimum reduziert wurde. Pflanzkübel und Wechselflorbeete machen sich - fast zynisch - als wenigstens im Zaum zu haltendende Verlegenheitslösung über den gesamten Campus breit.
Es mangelt an Bänken oder diesen fehlen die Sitzlatten. Überall scheinen sich Notlösungen breit gemacht zu haben um den Campus irgendwie nutzbar zu machen. Kurzum: Aufgrund mangelnder Pflegeinvestitionen und einem verloren gegangenem Wissen wie die Gestaltung von Hammerbacher richtig zu pflegen wäre, ist der Campus in einen desolaten Zustand geraten, der alles andere als ein Aushängeschild für die TU Berlin ist.
Dass die Barrierefreiheit der über lange Jahre unveränderten Außenanlagen mangelhaft ist, braucht eigentlich nicht weiter ausgeführt zu werden. Hinzu kommt ein nicht vorhandenes Orientierungssystem. Die größte Barriere ist jedoch das Fehlen eines Aufzugs am U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz. Bemühungen der Berliner Verkehrsbetriebe BVG für einen barrierefreien Zugang zu dieser immens wichtigen Haltestelle wurden von der Denkmalschutzbehörde 2015 abgelehnt.4 Es ist geradezu diskriminierender Wahnsinn, dass Rollstuhlfahrende täglich den Umweg über den S-Bahnhof Tiergarten oder Zoologischer Garten auf sich nehmen müssen, von wo aus sie über 1,7 Kilometer weit zum Hauptgebäude fahren müssen, während Hunderte von Parkplätzen an der Straße des 17. Juni wertvollen Freiraum beanspruchen.
Die Hertzallee im neuen Auftritt
Und doch geschieht langsam etwas auf dem Campus: 2014 wurde ein Wettbewerb zur Neugestaltung der Hertzallee ausgelobt den die Arge Lavaland und Treibhaus, Berlin, für sich entscheiden konnte. Die Jury unter Vorsitz von Cordula Loidl-Reisch, Professorin für Landschaftsbau und Objektbau an der TU Berlin würdigte, " dass hier mit wenigen Mitteln eine deutlich lesbare Ordnungs- und Orientierungsstruktur innerhalb der heterogenen Umgebung des Campus entsteht und die Kombination der dunklen Basaltfläche mit dem hellgrauen Granitband, der Farbigkeit der Staudenbeete und dem Grün der Bäume eine ruhige und zugleich elegante Atmosphäre erwarten lässt, die dem Ort eine hohe Wertigkeit verleiht."5 Vier platzartige Bereiche sehen die Architekten im Verlauf der Allee vor, die unterschiedliche Formen des Aufenthalts erlauben sollen. Am südlichen Eingangsbereich zur Zentralbibliothek an der Fasanenstraße sind Sitzelemente und Tische vorgesehen, die Gelegenheiten für gemeinsames Arbeiten im Freien bieten. Ein Café, ein Campus-Kiosk und ein Schaufenster der Wissenschaften sollen die Hertzallee zusätzlich zu einem neuen Anziehungspunkt auf dem Campus machen.
Den VerfasserInnen des Entwurfs war es insbesondere wichtig, den vielen historischen Schichten gerecht zu werden, weswegen sie sich für eine eher zurückhaltende Gestaltung entschieden, die sich in ihrer Beschaffenheit in das urbane Umfeld Charlottenburg eingliedern soll: "Die TU Berlin hat mit der Hertzallee auch einen Bildungsauftrag: Sie soll die Öffentlichkeit stärker anziehen. Dringend bräuchte es ein innovatives Gesamtkonzept für das gesamte TU-Areal. Die Hertzallee ist wenigstens ein Start zur Aufwertung des Campus. Formal haben wir versucht, nichts falsch zu machen, um den restlich angrenzenden Flächen, für eine hoffentlich baldige Neugestaltung, gestalterisch noch nichts vorzugeben", betont Laura Vahl vom Büro Lavaland.6 In Kürze wird der erste Teil fertig gestellt sein.
Zukunftsprojekt Ostcampus
Andere bauliche Entwicklungen auf dem Campus sind hinsichtlich der Landschaftsarchitektur weniger überzeugend als der sanfte und überlegte Reparaturansatz der Hertzallee. Zu nennen ist hier in erster Linie der Ausbau des sogenannten Ostcampus. Gemeint ist das Karree zwischen Fasanenstraße und Bahngleisen, das letzte große Areal in der City West ohne hohe Nutzungsdichte. Neben einigen kleineren Institutsbauten steht hier seit 2004 die Zentralbibliothek der TU von Walter A. Noebel. Direkt daneben wird der Neubau für das Institut für Mathematik errichtet. Aus dem kürzlich entschiedenen Wettbewerb gingen Code Unique Architekten aus Dresden mit ihrem Entwurf eines sachlichen, unaufgeregten Forschungsbaus mit strenger Rasterfassade als Gewinner hervor.7
Der Juryentscheid ist auch ein Votum gegen eine innovative, vielleicht sogar experimentelle Architektur, die die Technische Universität auf mutige und ungewöhnliche Weise nach außen vertreten würde. Unter ökologisch und sozial nachhaltigen Vorzeichen hätte man hier vielleicht auf ein Greenbuilding Design setzten sollen, das den aktuellen Umweltproblemen in unseren Städten entgegenwirken kann. Der dringlichen Zielformulierung aus dem Institut für Landschaftsarchitektur der TU Berlin, eine intensive Dach- und Fassadenbegrünung als Auflage in den Wettbewerb zu integrieren, wurde von den AusloberInnen nicht nachgegangen. Für die Umsetzung des Masterplans werden immerhin über 500 Bäume fallen.
Der erste bedeutende Neubau neben der Zentralbibliothek, der nach über 30 Jahren auf dem Campus entsteht, übernimmt nicht die Verantwortung eines zukunftsfähigen Vorzeigeobjekts, der einer technischen Hochschule mit internationalem Exzellenzanspruch entsprechen würde. So wenig progressiv sich die Architektur zeigt, so wenig sucht der städtebauliche Masterplan von yellow z urbanism architecture (Berlin/Zürich) und bgmr Landschaftsarchitekten (Berlin/Leipzig) den Anschluss an die bestehenden Außenanlagen von Hammerbacher, die trotz der vielen Mängel und teilweisen Überformungen immer noch als prägendes Struktur des Campus begriffen werden können. Der Entwurf für das Ostgelände hat formal nichts mit Stamm- und Nordgelände zu tun. Mit maximaler Verdichtung und der Ausrichtung zu den neuen City West Hochhäusern sieht der Nordcampus nur schmale Korridore für den Außenraum vor. Hammerbachers Leitgedanke eines landschaftlichen Freiraumgefüges wurden nicht aufgegriffen und nicht zu aktualisieren versucht. Es wurde nicht auf eine dritte freie Mitte gesetzt, um die Aufenthaltsqualität zu steigern. Es wäre sinnvoll gewesen, sich im Vorfeld der Planungen des Erbes im eigenen Haus stärker bewusst zu werden und darüber nachzudenken, inwiefern man das Werk von Hammerbacher nicht nur in seiner objekthaften Gestaltung schützen, sondern in seinen Grundsätzen weiterdenken könnte. Um ein kleines gedankliches Experiment zu wagen: Würde Hammerbacher heute noch entwerfen, würde sie wohl für ein nachhaltig konzipiertes Raumgefüge plädieren, für einen Landschaftsgarten, der Aufenthalts- und Arbeitsort für die heutige Generation digital agierender Studierender wäre. Natürlich muss sich ein Landschaftsgarten heute anderen Anforderungen stellen, denn das Verständnis der Freiraumnutzung hat sich in den letzten 60 Jahren gewandelt und ist offensiver geworden. Die Bewegung im Außenraum ist hektischer geworden. Hammerbachers Intention wäre es vielleicht gewesen, im Sinne der Erholung und Wahrnehmungssensibilisierung wieder einen Landschaftsgarten zur Entschleunigung auf dem Campus hervorzubringen. Wieder hätte sie mit zeitgenössischen Pflanzen, innovativen Materialien und einer Formensprache am Puls der Zeit gearbeitet. Neue Nutzungstrends hätte sie wohl mit Sportangebot und Workspaces mit Stromversorgung für das Arbeiten im Freien gefördert. Ganz sicher wären Dachflächen intensiv begrünte Gärten, zur nachhaltigen Nutzung, Hitzereduzierung und Regenwasserdrosselung. Immer hätte der Freiraum didaktischen Vorzeigecharakter.
Vielleicht ist das Bornimer Konzept des 'Gartens als Raum' in unserer heutigen Gesellschaft, die das Grün mehr denn ja als Sehnsuchtsort und intensiv genutzter Erholungsraum im urbanen Gefüge zu schätzen weiß, aktueller als man im ersten Moment vermuten mag. Das Institut der Landschaftsarchitektur der TU Berlin hofft, ab sofort auf eine intensivere Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren in Verwaltung und Politik. Ziel wäre es einen Gestaltungsbeirat für die TU Berlin zu gründen und einen offenen, internationalen Landschaftsarchitektur-Wettbewerb auszuloben, der dem Anspruch einer internationalen Exzellenz-Universität im Herzen Berlins angemessen ist und einen Masterplan mit einer schrittweise umsetzenden Entwicklungsstrategie für die nächsten zehn Jahre sowie eine Langzeitstrategie für die nächsten 50 Jahre hervorbringt. Zuvor müsste natürlich erst einmal geklärt werden, was von Hammerbachers kulturellem Erbe zu erhalten ist - historisches Abbild oder zukunftsweisendes Sinnbild?
Anmerkungen
1 Grundlegend zu Hammerbacher ist die Doktorarbeit von Jeong-Hi Go, Herta Hammerbacher (1900-1985). Virtuosin der Neuen Landschaftsarchitektur. Der Garten als Paradigma, Berlin 2006. Das Buch ist bei Google Books als Volltext verfügbar.
2 vgl. Lars Hopstock in Journal of Landscape Architecture , J'Beauty is more than beauty': Examining Karl Foerster's position in German garden culture, 2007.
3 Ilse Langner, im Frauenportrait- Artikel Die ZEIT, 12.09.1957 Nr. 37, online abrufbar unter www.zeit.de/1957/37/professor-herta-hammerbacher
4 Jana Luck, im Artikel "Bizzarer Denkmalstreit am Ernst-Reuter-Platz", Tagesspiegel am 18.04.2016 online abrufbar unter www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/charlottenburg-wilmersdorf/bvg-aufzug-versus-blumenkuebel-bizarrer-denkmalstreit-am-ernst-reuter-platz/13459816.html
5 Wettbewerb zur Neugestaltung der verlängerten Hertzallee auf dem Campus Charlottenburg ist entschieden, Medieninformation der TU Berlin, 6.10.2014, www.tu-berlin.de/?id=152295
6 Kristina Schönwälder im Interview mit Laura Vahl am 30.11.2017
7 Gregor Harbusch, Ganz schön sachlich siegt. Wettbewerb an der TU Berlin entschieden, 17.10.2017, www.baunetz.de/cid/5206262