Artensterben

Direktor Botanischer Garten Berlin fordert weiterreichende Diskussion

Dem am 13. Mai vorgelegten Bericht des Weltbiodiversitätsrats zufolge sind eine Million Pflanzen- und Tierarten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. "Doch die aktuelle mediale, politische und öffentliche Diskussion zum Thema Artensterben greift zu kurz", gibt Thomas Borsch, Biologe und Direktor des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin der Freien Universität, zu bedenken. "Es geht nicht nur darum, dass eine Millionen Arten komplett von unserem Planeten verschwinden werden. Zugleich erfahren die übrigen Arten massive Verluste ihrer genetischen Vielfalt. Diese ist aber der Garant für ein Überleben der Art - und somit ist das Artensterben noch viel dramatischer, als bislang diskutiert", so Borsch weiter.

"Alarmierend ist: Auch früher häufigen Pflanzenarten geht es massiv an den Kragen", weiß der Biologe aus eigener Forschungsarbeit. Die Intensivierung der Landnutzung aber auch das Ausräumen der Landschaft gerade in den letzten 20 Jahren habe zu einem flächenhaften Verlust vieler Pflanzen und anderer Organismen geführt, so Borsch. Ein sichtbares Beispiel sei die als Heilpflanze bekannte Arnika (Arnica montana), die heute nur noch in den Alpen häufig - aber in den Mittelgebirgen selten und im Norddeutschen Tiefland bereits fast ausgestorben ist. Die Forschungsarbeit des Botanischen Gartens Berlin deckte unlängst die dramatische genetische Verarmung der Arnika in Deutschland auf.

"Es reicht nicht, eine Pflanzenart nur dem Namen nach in Deutschland in einem Schutzgebiet oder Botanischen Garten zu erhalten. Die genetische Vielfalt ist wichtig, um der Art wirklich eine Chance zum Überleben zu geben", fordert Thomas Borsch. Denn die genetischen Unterschiede innerhalb einer Art sind natürlicherweise groß, je nachdem in welchem Naturraum die Art vorkommt. Das heißt konkret: Die Arnika, die nahe der Ostsee vorkommt ist nicht die gleiche wie in den Mittelgebirgen oder den Alpen. Grund dafür ist die natürliche Evolution, wodurch sich die Pflanzen im Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt regional angepasst haben. Wie bedeutsam diese Unterschiede innerhalb einer Art in Zukunft werden können, begründet Borsch: "Gerade die Arnika-Pflanzen des Tieflandes kommen mit wärmeren Bedingungen gut zurecht. Aufgrund des Klimawandels könnten gerade diese Vorkommen ein großes Potential für das Überleben der Art haben: die genetische Vielfalt hilft zum Überleben."

"Das große Pflanzensterben betrifft uns alle. Denn ohne pflanzliche Vielfalt gibt es kein Überleben", warnt Borsch. Pflanzen spielen eine besondere Rolle in Lebensräumen, denn sie produzieren die Biomasse, von der viele andere Organismen abhängen. Das gilt nicht nur für Insekten, sondern auch für unsere Spezies Mensch - Pflanzen sind die Grundlage unserer Ernährung, sie sind unersetzlich als Rohstoffe, in der Medizin und durch ihre Rolle im Naturhaushalt. "Der aktuelle Trend, eine wahllos zusammengestellte Tüte mit Pflanzensamen als Beigabe zu Konsumgütern zu legen, um etwas gegen das Insektensterben zu tun, ist wenig hilfreich", kritisiert Borsch. Dies zeigt zwar, dass die Thematik in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Aber es suggeriere vor allem, dass es eine schnelle Lösung zu einem komplexen Problem gibt. Doch die Beruhigung des Gewissens helfe nicht weiter. "Nötig ist ein ganzheitlicher Ansatz und Wissen über Pflanzen und deren Beziehungen zu anderen Organismen, um lokal und regional gute Maßnahmen umsetzen zu können. Wirklicher Insektenschutz muss vor allem heißen, die natürlichen Lebensräume von Insekten zu schützen oder auch wiederherzustellen. Und dabei spielt die für die Insekten wichtige Pflanzenvielfalt eine Schlüsselrolle, denn gerade seltene Insektenarten sind auf seltene Pflanzenarten spezialisiert", führt Borsch weiter aus.

Borsch fordert ein globales Umdenken vor allem beim Konsumverhalten, Lebensstil, Landwirtschaft und Mobilität. Aktuell ist das wichtigste, die artenreichen Lebensräume und Vorkommen seltener Arten schnell zu sichern, solange sie noch vorhanden sind. Das kann jedoch nur mit Hilfe entsprechender politischer Weichenstellung gelingen.

In Deutschland hat sich der Anteil von 31 Prozent gefährdeter Arten von Blütenpflanzen (also Bäume, Sträucher, Kräuter, Gräser) im Jahre 1998 auf 38 Prozent im Jahre 2018 erhöht. Das belegen die Roten Listen, die vom Bundesamt für Naturschutz in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und vielen Ehrenamtlichen erstellt werden.

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