Gärtner gründeten den ersten Wiener Fußballklub
Vom kantigen Spaten zum runden Leder
von: Dr.- Ing. Christian HlavacVerwundert nimmt man zur Kenntnis, dass der erste registrierte Fußballverein in Österreich einen englischen Namen besitzt: First Vienna Football Club, heute meist nur als "die Vienna" bezeichnet. Dass Gärtner diesen Verein gründeten, der im August 2019 seinen 125. Geburtstag feierte, verwundert ebenfalls. Doch beide Dinge hängen ursächlich zusammen.
Die Geschichte des sechsfachen österreichischen Fußballmeisters beginnt mit einem Dorado der Gartenkunst und des Gartenbaues in Wien: den sogenannten Rothschildgärten auf der Hohen Warte im 19. Gemeindebezirk (Döbling). Zu verdanken waren diese Nutzgärten samt kleiner Villa und Park der Familie Rothschild, deren Wurzeln sich in Frankfurt am Main bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. Berühmt wurde die Dynastie durch Mayer Amschel Rothschild (1743-1812), der mit Antiquitäten und alten Münzen zu handeln begann, dann vor allem Geldwechselgeschäfte tätigte und später ein Bankhaus aufbaute (Abb. 3). Einer seiner fünf Söhne, Salomon Mayer, begründete ein Bankhaus in Wien und somit auch die Wiener Linie der Familie. Sein Enkel Nathaniel Rothschild (1836-1905, Abb. 2) interessierte sich hingegen kaum für das Bankgeschäft und überließ die Geschäftsführung seinem jüngeren Bruder. Eines der Steckenpferde von Nathaniel Rothschild war die Botanik samt Gartenbau; insbesondere exotischen Zier- und Nutzpflanzen galt seine Aufmerksamkeit. Und so verwundert es nicht, dass er sich in den 1870er-Jahren auf der sogenannten Hohen Warte für sein Hobby eine prächtige Gartenanlage mit Dutzenden Glashäusern errichten ließ. Im Gegensatz zu seinem Stadtpalais haben sich Reste dieser Rothschild'schen Gärtnerei auf der Hohen Warte erhalten (Abb. 1 und 4).
Eine Gärtnerei mit Park entsteht
Seit Jahrzehnten lässt sich eine "urban legend" verfolgen, die besagt, dass Nathaniel im Jahre 1849 die Gärten anlegen hätte lassen. Da Nathaniel (Jahrgang 1836) in diesem Jahr erst dreizehn Jahre alt gewesen war und zu diesem Zeitpunkt als Jude noch keine Grundstücke hätte kaufen dürfen, scheidet dieses Datum aus. In Publikationen werden als Baubeginn auch die Jahre 1868, 1870, 1882 und 1884 genannt. Da sich Nathaniel Rothschild jedoch 1877 an der Jubiläumsausstellung "50 Jahre Blumenausstellungen in Wien" der k. k. Gartenbaugesellschaft beteiligt hat, dürfte die Anlegung spätestens 1877 erfolgt sein. Klarheit bringt ein Blick in das entsprechende Grundbuch: Aufgrund des Kaufvertrages aus 1874 und des Bescheides aus dem Juni 1877 wurde im gleichen Jahr das Eigentumsrecht für ihn im Grundbuch eingetragen. Rasch wurden die Nutzgärten mit Glashäusern und ein Park errichtet.
Bereits in den 1880er-Jahren galten die "Rothschild-Gärten auf der Hohen Warte" als Inbegriff einer großen und beeindruckenden Pflanzensammlung. Verantwortlich für die Pflege waren zahlreiche Gärtner aus Österreich - und England. Auf welchem Weg diese Fachleute von der Insel nach Wien kamen, lässt sich nur vermuten. Höchstwahrscheinlich bat Nathaniel einen seiner zahlreichen Verwandten aus dem englischen Familienzweig, von denen mehrere große Gartenanlagen besaßen, um die Überlassung von Spezialisten. In Frage kommt unter anderem Ferdinand James Rothschild, der 1874 das riesige Anwesen Waddesdon Manor vom Herzog von Marlborough gekauft hatte; es ist der einzige Landsitz der Rothschilds in England, der noch heute intakt erhalten ist.
SUG-Stellenmarkt
Da Fußball in England zu diesem Zeitpunkt schon eine lange Tradition hatte, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass zumindest einer dieser nach Wien gekommenen englischen Gärtner auch Fußball spielen konnte. Laut der 1919 anlässlich der Feier "25 Jahre Vienna" herausgegebenen Festschrift kam die Ballsportart jedoch mit einem Wiener in die Stadt: Ein Sohn des Rothschild'schen Garteninspektors Anton Joli (1839-1911) namens Franz (1870-1905) brachte den Sport nach einem längeren Aufenthalt auf der Insel nach Österreich mit und begann, mit seinen österreichischen und englischen Gärtnerkollegen mit einem "Football" auf einer Wiese der Rothschild-Gärten auf der Hohe Warte zu kicken. Da das Fußballspiel schnell Schäden auf der Wiese verursachte, fanden die Partien bald unweit der Gärten auf einem improvisierten Fußballfeld statt (Abb. 5). Erst später übersiedelte man - nach zwei Zwischenstationen - in nächster Nähe auf jene Fläche, auf der heute noch das (neue) Stadion der Vienna steht.
Arbeitsmigration
Dass Gärtner aus anderen, fremdsprachigen Ländern als Facharbeitskräfte nach Wien kamen, ist kein Phänomen des späten 19. Jahrhunderts, sondern lässt sich über viele Jahrhunderte zurückverfolgen. Ein Beispiel: Der bedeutende Schönbrunner Gärtner Adrian Stekhoven (1704-1782), dem wir den ersten botanischen Garten in Schönbrunn verdanken und der in der Nähe von Den Haag geboren wurde, kam aus Leiden (Provinz Südholland) nach Wien. Er steht stellvertretend für einen europaweiten beruflichen Austausch, der - trotz mangelnder Quantität und Qualität der Transportmittel - bereits im 18. Jahrhundert stark ausgeprägt war.
Doch zurück zu den Fußball spielenden Gärtnern auf der Hohen Warte: Am 22. August 1894 fanden sich auf Anregung von Franz Joli ungefähr zwanzig junge Leute zur Gründung des "First Vienna Football Club" zusammen. Als Klubfarben wurden in Anbetracht des Umstandes, dass Julius Schuster, Generaldirektor der Güterdirektion der österreichischen Rothschilds, die Schirmherrschaft über den Verein übernahm, die Baron Rothschild'schen Farben Gelb und Blau angenommen. Das noch heute gültige Vereinsabzeichen (Abb. 6) mit dem Ball und den drei Beinen stammt vom im Dienst Nathaniels stehenden Gärtner William Beale. Dieser nahm Anleihen bei der Flagge der Isle of Man, seiner Heimatinsel, die zwischen Irland und der britischen Hauptinsel in der Irischen See liegt. Dieses Logo ist heute noch das sichtbare Zeichen der engen Verbindung zwischen dem englischen Sprachraum und dem Fußballklub Vienna. Bei dessen Gründung waren neben den Österreichern Franz Joli, Georg Fuchs und Josef Anlauf - um drei Namen zu nennen - auch die Engländer Jules Major, James (John) Black, William Beale, A. Kent und Roberts anwesend.
Das erste offizielle Spiel der Vienna, welches gleichzeitig das erste österreichische Fußballspiel zwischen zwei eingetragenen Vereinen war, fand am 15. November 1894 auf eigenem Platz gegen den "Vienna Cricket and Football Club" statt, einem Wiener Verein, der ganz kurz nach der Vienna den Vereinsstatus erhielt. Mit von der Partie waren unter anderem Franz Joli und sein jüngerer Bruder Max (1879-1946) sowie Jules Major. Die Gegner von den Crickets waren alle gebürtige Engländer, die jedoch beruflich nichts mit dem Gartenbau zu tun hatten. Das erste Spiel der Vienna gegen einen auswärtigen Verein fand am 20. Oktober 1895 am eigenen Platz gegen den "Grazer Akademisch-technischen Radfahrverein" vor rund 700 Personen statt. Einige Tage später folgte das Match der Vienna beim Vienna Cricket and Football Club auf der Jesuitenwiese im Prater, dem Spielort der Crickets. Bei diesen beiden Spielen waren auf Seiten der Vienna auch die Herren Ch. Chawood, J. Chawood und J. Woolley dabei. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass auch diese Männer Rothschild'sche Gärtner aus dem englischsprachigen Raum waren.
Ein Naturstadion
Über 25 Jahre lang spielte die Vienna auf ganz einfachen Rasenflächen ohne spezielle Infrastruktur. Das erste richtige Stadion entstand 1921 auf dem noch heute genutzten Grund am Abhang der Hohen Warte (Abb. 7). Es war zu diesem Zeitpunkt das größte Fußballstadion außerhalb der britischen Inseln - und besticht noch heute durch die Naturarena mit dem Stehplatzbereich. Das Eröffnungsspiel mit 12.000 Besuchern im Juni 1921 bestritt man gegen den Wiener Klub SC Hakoah. Aus heutige Sicht unvorstellbar war der Andrang im Hohe-Warte-Stadion, als im April 1923 bei einem Fußballländerspiel die Nationalmannschaft Österreichs gegen jene Italiens antrat: Über 75.000 Zuschauer wurden gezählt. Zu diesem Zeitpunkt war Fußball spielen noch ein Hobby, auch wenn manchen Spitzenspielern illegal "Gehälter" ausbezahlt wurden. Eineinhalb Jahre später spielten keine Amateure mehr - egal ob Gärtner oder nicht - in der obersten Spielklasse, in der auch die Vienna vertreten war, denn mit der Saison 1924/1925 startete offiziell die Profimeisterschaft in Österreich. Und doch spielte Jahrzehnte später ein Wiener Gärtner eine ehrenamtliche Rolle bei der Vienna: Der Wiener Stadtgartendirektor Alfred Auer (1922-2002) übernahm von März 1969 bis zum Frühjahr 1973 zuerst die Funktion des geschäftsführenden Vizepräsidenten des Vereins, dann die des Präsidenten.
Das Jubiläum "125 Jahre Vienna" feierte man am 17. Juli 2019 mit einem Freundschaftsspiel gegen den kurz davor in die deutsche Bundesliga aufgestiegenen Verein Union Berlin, das vor 4000 Zuschauern mit einem 1:4 endete (Abb. 8).
Lob für die Rothschild'schen Gärtner
Doch kommen wir zurück zu den Rothschild-Gärten, die in den sechs Jahrzehnten ihres Bestehens mehrmals hoch gelobt wurden. So schrieb ein deutscher Teilnehmer des Wiener Internationalen Gartenbau-Kongresses 1927 über die Anlage in Döbling in der Zeitschrift "Die Gartenwelt": "Uneingeschränktes Lob muß den Pflegestätten größerer Pflanzenschätze und unter diesen vornehmlich den Pflanzenhäusern von Schönbrunn und der Rothschild'schen Gärtnerei auf der Hohen Warte, gezollt werden. Überraschten schon die Häuser in Schönbrunn nicht nur durch den Reichtum der durch die schwere Zeit hindurchgeretteten Gattungen und Arten, sondern auch durch den vorzüglichen Kulturzustand der Pflanzen, so wirkt die Besichtigung der Rothschild-Gärtnerei vollends überraschend und geradezu beschämend auf die Kongreßteilnehmer und zwar nicht nur auf uns Reichsdeutsche. [. . . ] In der Rothschild-Gärtnerei schritten wir durch ganze Häuser voll prächtigster Croton, Drazaenen, Cordylinen, Blatt-Begonien, Clivien, Palmen, Anthurien, Dieffenbachien und anderer Warmhauspflanzen aller Art, nicht zu vergessen die großen, in ausgezeichneter Verfassung befindlichen Orchideenschätze, aber auch durch zu grünen Wandelgängen umgestaltete Verbindungshäuser und durch Häuser mit reizvollen, beispielsweise japanischen Gartenmotiven. Das gartenliebende Wien möge sich glücklich schätzen, diese Gartenkulturstätte [auf der Hohen Warte], um die die Welt es beneiden kann, in seinen Mauern beherbergen zu dürfen." Vor allem in Gärtnerkreisen galten die dort befindlichen Nutzgärten und Glashäuser (Abb. 9) der Familie Rothschild als Pflichtexkursionsziel, wie ein Berliner Handelsgärtner 1902 ebenfalls in der Zeitschrift "Die Gartenwelt" festhielt: "Als Gärtner in Wien und nicht in Schönbrunn und bei Rothschild gewesen zu sein, hieße wirklich mit dem Fach gefrevelt zu haben." Im gleichen Jahr notierte Josef Gerhold in der Zeitschrift "Illustrierte Flora": "Bereuen wird es niemand dieses Dorado der Gartenkunst besucht zu haben, denn sowohl der so herrliche im englischen Stile angelegte Park, wie die Obstgärten und die Glashauspflanzen sind einzig."
Unter Nathaniel Rothschild wurde die Anlage auf der Hohen Warte zu einem berühmten "Wiener Garten". Bereits ab 1890 konnte man gegen eine Eintrittsgebühr den Park und die Nutzgärten samt den Gewächshäusern besichtigen: Bis 1924 sind die Öffnungstage mit Eintrittsgebühr zu Gunsten der 1881 gegründeten Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft nachweisbar. So wird im "Illustrierten Wiener Extrablatt" im Mai 1901 vermerkt: "Die Glashäuser des Freiherrn Nathaniel von Rothschild auf der Hohen Warte sind heute von 2.00 bis 6.00 Uhr Nachmittags gegen ein Entrée von 1 Krone zu Gunsten der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft geöffnet. Am letzten Besuchstage wurden diese sehenswürdigen Anlagen von mehr als tausend Personen besichtigt." Gelobt wurden damals die Rosen- und Azaleenarrangements sowie die Palmen und Farne. Aufmerksamkeit erregten auch das Kakteenhaus, die Orchideenhäuser und die Obst- und Gemüsegärten.
Als Nathaniel Rothschild 1905 kinderlos starb, erbte sein Neffe Alphonse (1878-1942) die Gärten auf der Hohen Warte. In den 1910er- und 1920er-Jahren arbeiteten auf dem 85.000 Quadratmeter großen Areal zwischen 60 und 100 Gärtner, fünf Revierchefs und ein Gartendirektor, zwanzig Lehrlinge und ein Dutzend Volontäre. Zu dieser Zeit wurden von den Gärtnern in den Glashäusern unter anderem Orchideen und Veilchen kultiviert sowie Melonen, Erdbeeren, Feigen, Kirschen, Ananas, Nektarinen, Pfirsiche, Äpfel, Birnen, Bananen und Gemüse gezogen. Der Gärtnereibetrieb nahm auch nach dem Ersten Weltkrieg an Garten(bau)ausstellungen teil. So heißt es, dass sich bei der Jubiläums-Blumenschau 1927, ausgerichtet von der Österreichischen Gartenbaugesellschaft in der Wiener Hofburg, neben den Gartenbaubetrieben von Wien und Umgebung, den Gartenämtern des Staates und der Städte "wie immer in Wien das Haus Rothschild alter Tradition gemäß mit seinen Schätzen an Orchideen und anderen seltenen Pflanzen würdig anschloß."
Der Park, der direkt an die Wirtschaftsgebäude und die Glashäuser angrenzte, beeindruckte vor allem durch die großen Kastanien und Blutbuchen, einen Ginkgo und einen Mammutbaum. Von den zahlreichen exotischen Bäumen im Park, die zum Teil von der Hamburger Baumschule Lorenz von Ehren geliefert wurden (Abb. 10), haben sich noch einige erhalten.
Der Hauptzweck der Gartenanlagen bestand zu Nathaniels und Alphons Zeiten darin, für die übrigen freiherrlichen Güter in Niederösterreich Blumen und Obst zu jeder Jahreszeit zu liefern. Blumen und Obst wurden täglich mit eigenen Wagen von der Hohen Warte in das Innenstadtpalais von Nathaniel gebracht oder - wenn Nathaniel auf Reisen war - nachgesendet, sofern er sich in halbwegs erreichbarer Nähe befand. Überzähliges Obst und Gemüse dürfte in der Stadt verkauft worden sein. Die zweite, nicht weniger wichtige Aufgabe bestand darin, Orchideen zu züchten und in Europa zu verbreiten. Nathaniel schickte sogenannte orchid hunters in die gesamte Welt, um zu neuen Pflanzen zu kommen.
Die Öffnung der Gärten und des Parks unter Nathaniel und Alphonse Rothschild diente erstens zur Finanzierung der von Nathaniel mitgegründeten Wiener Rettungsgesellschaft und zweitens zur Präsentation gärtnerischer Leistungen. Das Teehaus - später oft als Villa bezeichnet - und der umgebende Park dienten selten aber doch der Erholung der Familie und vermutlich auch als gesellschaftlicher Treffpunkt.
Der Park, in Anlehnung an den späten Landschaftsgarten gestaltet, mit einem Rundweg, zahlreichen kurzen "Brezelwegen", einer an ein Arboretum erinnernden Baumsammlung, Teich etc. stellt eine zeittypische großbürgerliche Parkanlage des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts dar. Auffällig war die enge räumliche Verzahnung des Parks mit dem Areal der Glashäuser: Die Flächen für die Erholung und die Standorte für Ausblicke auf den Wienerwald und die Stadt - das "Schöne" - und die Flächen für die Nutzpflanzen - das "Nützliche" - wurden nicht getrennt, sondern prallten optisch hart aufeinander.
Der Beginn vom Ende
Die österreichische Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit, zugespitzt am sogenannten Schwarzen Freitag im Jahre 1929, traf auch den österreichischen Zweig des Hauses Rothschild. Der Lebensstandard Alphonse Rothschilds wurde einfacher, Luxus wurde abgebaut. Dementsprechend reduzierte man auch das Gärtnerpersonal auf der Hohen Warte. Das Ende des gärtnerischen Paradieses auf der Hohen Warte kam jedoch erst mit dem sogenannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Mit dem Vertrag vom 13. Juli 1939 wurde das gesamte in Österreich verbliebene Vermögen von Alphonse und seinem Bruder Louis, Chef des Bankhauses Rothschild, "Reichseigentum". Laut Grundbuch sind die meisten Grundstücke, auf der sich die Gartenanlagen und der Park der Rothschilds befanden, im Zuge eines "Reichsfluchtsteuerbescheides" (Februar 1939) vom Deutschen Reich einverleibt worden. Diese Grundstücke gingen aufgrund eines Kaufvertrages im Jänner 1943 in das Eigentum der Stadt Wien über.
Der Zweite Weltkrieg führte zu massiven Zerstörungen in den Rothschildgärten: Die rund 70 Glas-, Treib- und Schauhäuser und das Teehaus wurden im März 1945 durch Bomben teils beschädigt, teils zur Gänze zerstört. Nach Kriegsende ließ das Wiener Stadtgartenamt 27 Glashäuser für Blattpflanzen wieder aufbauen. Bereits im Winter 1946/1947 wurden einige Glashäuser, in denen Orchideen aufbewahrt und Gemüse gepflanzt wurden, wieder beheizt. Die Stadt richtete nun auf einem Teil der Flächen einen Reservegarten ein. Dieser diente dazu, Pflanzen für Empfänge und andere Anlässe der Stadt Wien zur Verfügung zu stellen.
Über die Grundstücke auf der Hohen Warte kam es in den frühen 1960er-Jahren zu einem Rechtsstreit. Beim Rechtsstreit ging es um die Frage, ob Clarice Rothschild (eine von drei berechtigten Erbparteien) bei einem Besuch in Wien die Grundstücke auf der Hohen Warte der Stadt Wien (mündlich) geschenkt (!) habe oder nicht. Nachdem die Stadt Wien in erster Instanz verlor, verzichtete die Kommune auf einen Einspruch und kaufte im August 1963 im Rahmen eines Vergleiches Clarice Rothschild die Grundstücke ab.
Bis zum Jahre 1969 befand sich der städtische Reservegarten auf der Hohen Warte. Im Zuge der Wiener Internationalen Gartenschau 1964 (WIG 64) konnte man dort eine Kakteenschau im Kakteenhaus und ein Palmenhaus besichtigen. Der Reservegarten wurde 1969 nach Hirschstetten übersiedelt. Im gleichen Jahr begann das Stadtgartenamt mit den ersten Arbeiten an der Umgestaltung des einstigen Privatbesitzes in eine kommunale Parkanlage und der Demolierung der noch existierenden Glashäuser. Erst 1977 war der nördliche Teil der einstigen Rothschildgärten als "Heiligenstädter Park" öffentlich zugänglich (Abb. 11). Der südlich gelegene Teil der Rothschildgärten verschwand einerseits 1978 durch den Bau eines Hallenbades und andererseits 1988 durch das angebaute Sommerbad. Und so erinnert unter anderem nur noch das Pförtnerhaus mit seinem mächtigen Tor, ein kleines Gärtnerhaus und der nahe "First Vienna Football Club" an das einstige "Dorado der Gartenkunst".
Literatur
Hlavac, Christian: Landschaftsgärten aus der Zeit 1770 bis 1890 im Wiener Umland. Entstehungsfaktoren an Beispielen aus den einstigen Vororten Döblings. Dissertation. Wien 2012.
Hlavac, Christian: Gewächshäuser und Pflanzensammlungen der Familien Arthaber/Wertheimstein und Rothschild in Wien. In: Orangeriekultur in Österreich, Ungarn und Tschechien. Schriftenreihe des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland. Bd. 10. Berlin 2014, S. 46-59.
Juraske, Alexander: "Blau-Gelb ist mein Herz". Die Geschichte des First Vienna Football Club 1894. Wien 2017.
Keen, Mary, Hatton, Tom: Eythrope - Der legendäre Garten der Rothschilds. München 2015.
O. V.: First Vienna Football Club 1894-1919. 25 Jahre Wiener Fußball. Wien 1919.