Bedarfe, Prioritäten, Realisierung
Klimawandelanpassung in Hessens Gartenkunstwerken
von: Prof. Dr. Inken FormannDarunter befinden sich bedeutende historische Gärten und Parks wie der Klostergarten Seligenstadt, der Schlossgarten Weilburg und der Prinz-Georg-Garten Darmstadt als Zeugnisse der Barockzeit oder die Staatsparks Fürstenlager und Hanau-Wilhelmsbad als Landschaftsgärten. Die Erhaltung dieser Kulturdenkmäler geschieht aus öffentlichem Interesse, also im Dienste unserer kultivierten Gesellschaft und einer lebenswerten Zukunft.
Klimakrise gefährdet Gärten
Gartenkunstwerke sind durch die Klimakrise existenziell in ihrem Fortbestand gefährdet. Auch in Hessens Gärten und Parks müssen immer mehr Bäume gefällt werden, weil sie absterben. Seit 2017 fehlen dem 28 Hektar großen Staatspark Hanau-Wilhelmsbad 792 Altbäume: Gründe sind Trockenheit, Pilz- und Schädlingsbefall oder Orkane. Neben den dramatischen Baumverlusten wird die Klimakrise durch massive Schäden im baulichen Bestand sichtbar: Wassergebundene Wege spülen durch Starkregenereignisse aus, Hochwasserereignisse überfluten Gebäude und Gartenpartien.
Periodisches Trockenfallen lässt hölzerne Uferbefestigungen vorzeitig altern. Folgen sind erheblich gestiegene Ausgaben für Gehölzerhalt und Baumpflege, Bauunterhaltung und eine Verlagerung der Tätigkeitsbereiche der Gärtnerinnen und Gärtner. Die komplexe Problemlage erfordert daher dringend zusätzliche Personal- und Sachmittel für Klimawandelanpassungsmaßnahmen allein für die rund 400 Hektar großen Gärten der SG, weitere für Hessen Kassel Heritage und die durch den Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen, LBIH, betreuten Anlagen.
Wassermanagement ist zwingend
Zunehmend fehlt das Wasser zur überlebenswichtigen Versorgung der Pflanzen sowie zur Gewährleistung der Ökosysteme in Seen und Bächen. Dabei ist "bewegtes oder ruhendes (den Himmel spiegelndes) Wasser" nach der Charta von Florenz neben dem Bodenrelief, den Pflanzen und den baulichen Ausstattungen ein zentrales Wesensmerkmal historischer Gärten.¹ Wasser ist die Seele der Gärten.
Es lässt Pflanzen wachsen und belebt Gärten sinnlich und gestalterisch, etwa in Form von Flüssen und Bächen, Seen und Teichen, Kanälen, Becken und Brunnen, als Kaskaden, Fontänen, Wasserfälle und Wasserkünste. Neben einer wirkkräftigen Bauunterhaltung und einem zeitgemäßen Baummanagement ist daher die Wasserverfügbarkeit in historischen Gärten und Parks sicherzustellen und zu fördern. Denn das Vorhandensein der richtigen Menge an Wasser ist der entscheidende Faktor für den Fortbestand der von Menschenhand geschaffenen, lebenden Gartenschöpfungen.
SUG-Stellenmarkt
Klimaplan 2030 fördert Erhaltung historischer Gärten
Die Grundlagen für Klimaschutz und Klimawandelanpassungen sind gelegt: Der zwischen acht hessischen Ministerien abgestimmte Klimaplan 2030 bringt Maßnahmen für die historischen Gärten in die klimaneutrale Zukunftsgestaltung Hessens ein.² Das Handlungspaket GS-08 adressiert die Themen Baumpflege, Bewässerung, Brauchwassernutzung sowie die Wegeinstandsetzung nach Starkregenereignissen.
Die Umsetzung dieses Klimaplans und alle weiteren Bemühungen zur CO2-neutralen Landesregierung müssen schnell realisiert, durch neue Forschungsstände inhaltlich erweitert und die Finanzierung sichergestellt werden.
Der Weg zur Klimaneutralität sollte weltweit das Gebot der Stunde sein: Nur so kann die Erderwärmung begrenzt und eine Verschärfung der Problemlage verhindert werden. Auf dem Spiel steht eine lebenswerte Zukunft.
Der von der SG und Hessen Kassel Heritage gemeinsam eingebrachte Handlungskatalog zur Klimawandelanpassung der historischen Gärten fördert in diesem Zusammenhang die Erhaltungspraxis und denkmalgerechte Erneuerung der Gärten. Denn nur intakt und resilient können sie ihre wichtigen ökologischen und gesellschaftsstabilisierenden Funktionen wahrnehmen.
Erhöhter Personalbedarf bei den Gärtnern
Notwendig sind für die historischen Gärten statt Einzel-Projektförderung zuvorderst dauerhaft gesicherte Personalmittel für fachgerechte Pflege und Erneuerung der Bestände sowie zur Erstellung von Konzepten, die Nachhaltigkeit und Denkmalschutz übereinbringen.
Die Kernkompetenz der Gärtner und Gärtnerinnen ist es, die Einflüsse der belebten und unbelebten Umwelt auf die Pflanzen zu erkennen, und darauf sofort und kontinuierlich, zielgerichtet und fachkundig zu reagieren. Langjährig in einem Garten wirkende Fachkräfte kennen ihre Pflanzen und Standorte am besten und wissen, wann und wieviel zu gießen ist und welche Zusätze Pflanzen stärken. Von höchster Priorität sind daher Investitionen in Gärtner und Gärtnerinnen.³
Wegen der erheblich gestiegenen Anforderungen an das Berufsfeld sollte dabei dringend deutschlandweit eine Diskussion zur Verbesserung der Eingruppierung angestoßen werden, um auch zukünftig nachwuchs- und wettbewerbsfähig zu sein.
Das Positionspapier "Personalbedarf für historische Gärten" der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen (AGDS) bietet eine solide Grundlage für die Berechnung des nötigen gärtnerischen Personalbestands.4 Die ermittelten Kennzahlen basieren auf langjährigen Erfahrungswerten der Leiter und Leiterinnen der 13 Gartenabteilungen, die gemeinsam rund 140 bedeutende Gartenkunstwerke in Deutschland betreuen.
Nun zeichnet sich ab, dass gegenüber den Berechnungen aus 2016 ein zusätzlicher "Klimaaufschlag" von rund 30 Prozent nötig ist, da sich die Arbeitsaufwände im Zuge der Klimakrise erhöhen und neue Tätigkeitsbereiche dazukommen.
Dieser Mehraufwand begründet sich aus dem gestiegenen Aufwand für Nachpflanzungen und Bewässerung sowie zur Gewährleistung der Verkehrssicherungspflicht. Aufgrund von Trockenheit haben die Baumkontroll- und -pflegearbeiten erheblich zugenommen.
Es müssen mehr Totholz entfernt, Ausfälle entnommen und in kahlen Partien nachgepflanzt werden. Naturverjüngung in waldartigen Beständen muss fachkompetent entwickelt werden. Zudem muss schnell und fachgerecht auf Ausspülungen im Wegebau sowie auf Orkan- und Unwetterschäden reagiert werden.
Historische Gärten brauchen Bestandserfassungen sowie Entwicklungskonzepte
Grundlage der fachgerechten Parkpflege und Fortentwicklung der Bestände sind Denkmalkonzepte. Diese werden erst durch Kenntnis der individuellen Entwicklungsgeschichte des Ortes sowie mit aktuellen Bestandsaufnahmen möglich, die neben Gehölz- und Baubestand, Wasseranlagen und Topografie und auch archäologische Kenntnisse und Leitungsverläufe einbeziehen. Damit sind Investitionen in Vermessungen und Grundlagenerfassungen nötig.
Das Labor für Geoinformation der Frankfurt University of Applied Sciences hat dazu behördenübergreifend die Grundlagen für die Einführung eines Geoinformationssystems für das Kulturerbe gelegt, mit dem dieses digitale Wissen systematisch verfügbar wird und aktuell gehalten werden kann. Auch um diesen (bei Kommunen längst etablierten) digitalen Standard zu erreichen, bedarf es entsprechend qualifizierte wissenschaftliche Stellen sowie Sachmittel.
Zusätzlich benötigt die Fachabteilung Gärten neue Planungskompetenz: Das Baummanagement muss nicht nur die Verkehrssicherheit gewährleisten, sondern die Bestände qualitätsvoll und zukunftsfähig weiterentwickeln.
Jede Liegenschaft braucht zudem ein Wassermanagementkonzept. Wasser muss sparsamer eingesetzt und in Wiederverwendungskreisläufe gelenkt werden. Dafür müssen für jeden Garten über seine Grenzen hinaus individuelle Lösungen gefunden werden, die Gebäude und Außenräume als Einheit sehen.
Gärtnerische Praxis zum Wassersparen bereits etabliert
In der gelebten gärtnerischen Praxis haben sich Maßnahmen zum Wassersparen bereits etabliert: Bei Jungbäumen sparen Bewässerungssäcke Wasser. Zudem wird in den frühen Morgenstunden auf kühlen Boden ein- bis zweimal pro Woche viel gewässert, statt täglich nur wenig. Wo es unter Wurzelschutz und Erhalt archäologischer Bodenschichten möglich ist, wird der Einbau automatischer Unterflur- und Tröpfchenbewässerungen vorangetrieben.
Denn nur mit zusätzlicher Bewässerung lassen sich Stauden- und Schmuckbeete mit Wechselflor, Topf- und Kübelpflanzensammlungen sowie Gemüsekulturen erhalten. Seit Jahren müssen auch Gehölze und zentrale Rasenpartien bewässert werden, um die gestaltgebende historische Substanz zu erhalten und der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Gießroboter könnten zukünftig unterstützen und menschliche Ressourcen sparen. Fachwissen kann dann in anspruchsvollere Arbeiten fließen.
Technische Investitionen brauchen Planung und Forschung
Es muss geklärt werden, woher das Wasser zur Bewässerung kommt und wo Brunnen und Zapfstellen installiert werden können. Standorte für die Sammlung von Dachflächenwasser müssen gefunden und Zisternen denkmalgerecht untergebracht werden.
Das Installieren von sogenannten "Regendieben" an Fallrohren ist dabei eine günstige und effektive Lösung zur Nutzung von Dachflächenwasser. Das Regenwasser der Dachflächen wird dabei aus den Fallrohren durch Schläuche direkt in angrenzende Vegetationsflächen geleitet. Das Verbleiben des Wassers vor Ort entlastet zudem das Abwassersystem und spart Niederschlagswassergebühren.
Insbesondere der Erforschung und Reaktivierung historischer Wassersysteme und Meliorationen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Oftmals zeigt der Blick in die Geschichte Ideen auf, wie Wasser mehrfach genutzt anstatt abgeführt werden kann.
Ein Beispiel dafür ist das ausgefeilte Zisternensystem der Barockstadt Weilburg.5 Auch müssen die Bemühungen um Sanierung der oft in der Kaiserzeit letztmalig sanierten Leitungen dringend verstärkt werden.
Welche Klimawandelanpassungsmaßnahmen in historischen Gärten sinnvoll sind, klärt die Fachgruppe Gärten der AGDS, im Rahmen des Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) Projektes "Handlungsstrategien zur Klimaanpassung: Erfahrungswissen der staatlichen Gartenverwaltungen".6
Mit über 80 Handlungsempfehlungen zur Klimawandelanpassung wirkt sie als Ideengeberin, Multiplikatorin und Qualitätssicherung. Es zeigt sich dabei, dass nicht nur technische Anpassungen, sondern komplexe Handlungsstrategien aus dem Zusammenhang Gehölze-Boden-Wasser notwendig und wissenschaftliche Forschungskooperationen mit Hochschulen unverzichtbar sind.
Historische Gärten brauchen Notfallpläne
Zu Recht rufen viele Landkreise und Kommunen zum Wassersparen auf, beschränken Wasserentnahmen aus Brunnen oder offenen Gewässern und den Wasserverbrauch für Gartenbewässerung.
Historische Parks und Gärten sollten aufgrund ihrer gesellschaftlichen Relevanz in Zukunft dabei rechtlich explizit berücksichtigt und bevorzugt werden. Sie müssen im Wettbewerb mit anderen Verbrauchern nicht nur wegen ihrer gesetzlich geforderten nationalen Erhaltungspflicht priorisiert werden.
Es muss auch berücksichtigt werden, dass die hessischen Kulturdenkmäler Kloster Lorsch, Osteinscher Niederwald bei Rüdesheim im Oberen Mittelrheintal sowie der von Hessen Kassel Heritage betreute Bergpark Wilhelmshöhe UNESCO-Welterbestätten sind. Ihnen werden außergewöhnliche universelle Werte für die gesamte Weltgemeinschaft für gegenwärtige und zukünftige Generationen zugemessen.
Für langanhaltende Trockenphasen mit limitierter Wasserverfügbarkeit sind dezidierte Notfallpläne für die Bewässerung historischer Gärten zu erarbeiten. Im Sinne einer "Triage" ist dabei zu regeln, welche Pflanzenbestände am ehesten aufgegeben werden könnten (z. B. Sommerflor) und welche unbedingt gerettet werden müssen (etwa markante Altbäume).
Für diese Abwägung braucht es Kriterien, die den Substanzschutz und die Denkmalqualitäten ebenso einbeziehen, wie Klima- und Umweltrelevanz, Wirtschaftlichkeit und Ressourcenschutz, Wohlfahrtswirkungen und Nachhaltigkeit.
Für den Erhalt des Gartenerbes sollte nicht nur die Denkmalpflege eintreten: Es braucht eine größere Lobby für das Gartenerbe sowie gelebte Partnerschaft mit dem Arten- und Naturschutz. Der Personalbestand muss es ermöglichen, dass regionalplanerische Wasser-Allianzen, die gemeinsam über Gartengrenzen hinaus wirken und sich gemeinsam zugunsten des Kulturguts einbringen, gelingen.
Gartendenkmäler sind grüne Oasen
Die gesetzlich geschützten Gärten und Parks sind als "grüne Paradiese" insbesondere während Trockenperioden gesamtgesellschaftlich von erheblicher Bedeutung. Mit ihrer Formen-, Farben- und Sinnesvielfalt, ihrer Ästhetik und Lebendigkeit sowie ihren jahrhundertelangen Ordnungsstrukturen geben Gartendenkmäler Rückblicke auf vergangene Blütezeiten der Kultur, Sicherheit und Hoffnung.
Gärten und Parks wirken auf den Menschen stabilisierend, inspirierend und fördern Resilienz. Mit ihren Schattenplätzen sind sie auch vor dem Hintergrund des Hessischen Hitzeaktionsplans (HHAP) zukunftsrelevant.7
Die staatlich unterhaltenen Gärten dienen in besonderem Maße der Allgemeinheit. Sie sind kostenlos und für alle Menschen gleichermaßen zugänglich.
Damit ermöglichen sie Teilhabe, Bildung, Erholung und gesellschaftlichen Dialog. Insbesondere vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsbemühungen ist die Vorbildfunktion dieser von Menschen gestalteten Naturorte ein wichtiger Beitrag im Prozess, die 17 Sustainable Development Goals der UN umzusetzen.
Nur intakte Gärten bieten die dafür nötigen Qualitäten. Der Weg dahin wird in Hessen behördenübergreifend beschritten: nicht zuletzt mit dem 2. Nachhaltigkeitssymposium für die Dienststellen des Landes am 22. November 2023 eigens mit Fokus auf grüne Außenanlagen.
ANMERKUNGEN
1 Charta von Florenz. Charta der historischen Gärten, Florenz, 21. Mai 1981.
2 Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.): Klimaplan Hessen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität, 2023, S. 49 (interner Maßnahmenkatalog., S. 53–55), www.klimaplan-hessen.de
3 Das 2007 in einem Positionspapier der Fachgruppe Gärten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen (AGDS) gehaltene Plädoyer für den Erhalt und Ausbau der gärtnerischen Eigenregiebetriebe ist aktueller denn je. Vgl. Notwendigkeit der Gartenpflege in Eigenregie in den staatlichen Gärten der Schlösserverwaltungen, in: Michael Rohde (Hg.): Pflege historischer Gärten – Theorie und Praxis, Leipzig 2008, S. 517–518, 541. Vergabe der Leistungen an Fremdfirmen kann weder schnell noch kontinuierlich genug auf die Menge an Schäden reagieren.
4 Fachgruppe Gärten (Hg.): Personalbedarf für historische Gärten, 2. Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen, Potsdam 2016.
5 Mathias Döring: Weilburg und sein Wasser. Die Wasserversorgung der barocken Residenz im 18. und 19. Jahrhundert. Siegburg 2005.
6 Initiiert 2019 von Cord Panning (Stiftung Fürst- Pückler-Park Bad Muskau) für die AGDS, konzipiertb von Prof. Dr. Michael Rohde (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg) mit der Fachgruppe Gärten der AGDS und wissenschaftlich betreut von Holger Rothamel bei der Stiftung Fürst-Pückler-Park Bad Muskau.
7 Hessisches Ministerium für Soziales und Integration: Hessischer Hitzeaktionsplan (HHAP), Wiesbaden, Februar 2023, www.soziales.hessen.de
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