Forschungsbericht der HS Geisenheim zur Fassadenbegrünung

Förderung der Artenvielfalt in der Vertikalen

von: ,
Unter den Tieren zählen Insekten zur artenreichsten Klasse. Doch in den letzten Jahrzehnten minimieren sich die Bestände drastisch – so sind etwa die Hälfte der 561 Wildbienenarten bedroht.
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
1 Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae) auf einer Kornblume in einer Wiesen-Fassadenbegrünung. Foto: Lisa Plückebaum

Nicht nur die Vielfalt an Insektenarten, auch die Anzahl der Individuen nimmt immer weiter ab (NABU 1, 2023). In dem Manifest "Scientists' warning to humanity on insect extinctions" (Cardoso et al. 2020) macht eine große Gruppe Wissenschaftler:innen deutlich, dass es mehr als notwendig ist, Maßnahmen zum Erhalt der Tierartenvielfalt zu ergreifen.

Es ist bekannt, dass die Dach- und Fassadenbegrünung hierfür eine mögliche Strategie sein könnte (Samways et al. 2020). Dabei bieten sich vor allem Living Walls, also wandgebundene Fassadenbegrünungen an. In Living Walls können fast alle Pflanzenarten verwendet werden, sodass diese potentiell zum Biodiversitätserhalt beitragen (Abb. 1). Jedoch ist unklar, wie genau die Pflanzenauswahl sein muss oder ob das Habitat-Angebot durch bestimmte Strukturen erweitert werden sollte, damit Living Walls einen positiven Effekt auf die Biodiversität haben.

Mit der Installation von Living Walls im Stadtraum wird ein künstlich-natürlicher Lebensraum geschaffen, der impliziert, dass dadurch auch die Artenvielfalt gefördert wird. Studien zeigen, dass die Stadt bereits sehr pflanzen- und tierartenreich ist (Ives et al. 2016; Kühn et al. 2004). Einerseits fliehen die Arten aufgrund von Monokultur und Pestizideinsatz aus dem landwirtschaftlich geprägten Umland (Cardoso et al. 2020). Außerdem bietet die Stadt verschiedenste Habitat-Strukturen wie Mauerfugen oder leerstehende Gebäude (Kowarik 2018; Kühn et al. 2004). Folglich wird geschlossen, dass allein der Einsatz von Living Walls in der Stadt die Biodiversität fördert, da diese für mehr Begrünung sorgen.

Durch den flexiblen Einsatz von Living Walls können diese als Trittsteinbiotope dienen, die urbanes Grün räumlich verbinden und so eine Art Grünkorridor schaffen, über den die Arten Grünflächen wechseln können (Kowarik et al. 2019; Samways et al. 2020). Es gibt allerdings nur wenige Studien, die untersucht haben, inwieweit Trittsteinbiotope im Allgemeinen und insbesondere Dach- und Fassadenbegrünung eine erfolgreiche Rolle spielen (Mayrand und Clergeau 2018; Tzoulas et al. 2007). Generell ist es so, dass Biodiversität in Living Walls kaum untersucht ist (Bennett und Lovell 2014; Chiquet et al. 2013). Schaut man sich die zitierte Literatur genauer an, dann werden diese Aussagen über bodengebundene Fassadenbegrünungen, Dachbegrünungen oder weitere urbane Grüninfrastruktur getroffen (Pfoser 2016). Das bisherige Wissen zum Thema Biodiversität wird von diesen Begrünungsformen auf die Living Walls übertragen. Laut Studien ist eine bodengebundene Fassadenbegrünung vor allem für Vögel, Insekten und Fledermäuse förderlich, da diese Nahrung bietet und die Möglichkeit, ein Nest zu bauen (Chiquet et al. 2013; Gedge et al. 2008; Mayrand und Clergeau 2018; Perini und Rosasco 2013).

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
EU-Regionalmanagement – Schwerpunkt Mobilität , Osterholz-Scharmbeck  ansehen
Dipl.-Ing. / Master / Bachelor Landschafts-,..., Hungen   ansehen
Abteilungsleitung Grünbetrieb (m/w/d), Ludwigshafen  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
2 Konstruktionsaufbau (a) und Anzucht der Wiesenelemente (b) auf Gewächshaustischen (c) und die Installation an den Versuchswänden (d). Pro Exposition gibt es 6 Teilmodule, die nebeneinander angeordnet sind (d). Foto: Lisa Plückebaum
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
Tabelle 1: Zusammensetzung der Wiesensaatgutmischung. Die Artenauswahl sollte eine breite Amplitude an Insekten ansprechen und möglichst attraktiv für Insekten sein. Die 25 Wiesenkräuter wurden aufgrund der Wuchshöhe (max. 40 bis 50 cm) ausgewählt und bevorzugen einen trockenen Standort. Da der Versuch auf eine Vegetationsperiode begrenzt war, mussten die Arten einjährig sein, beziehungsweise im ersten Jahr blühen.
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
3 Bewässerungskreislauf der vertikalen Blühwiese. Abb. Lisa Plückebaum

Es ist davon auszugehen, dass Living Walls eine positive Wirkung auf

die Biodiversität haben. Schließlich stellen sie eine

Habitat-Optimierung für den urbanen Raum dar (Francis und Lorimer 2011;

Radic et al. 2019). Aber bei der Gestaltung der Systeme sollte einiges

beachtet werden, damit dieser Effekt überhaupt erreicht werden kann. In

Samways et al. (2020) wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die

Pflanzenauswahl bei der Dach- und Fassadenbegrünung einen Einfluss

darauf hat, wie hoch der Effekt der Biodiversitätsförderung ist.

Aktuelle Living Wall-Projekte zeichnen sich durch eine überwiegend

gleiche Pflanzenauswahl aus (Stollberg und Birgelen 2023). Es werden aus

nachvollziehbaren Gründen bewährte Arten eingesetzt, die sich in

bisherigen Projekten als pflegeleicht, robust und ästhetisch hochwertig

erwiesen haben. Aber die eingesetzten Arten zeichnen sich nicht dadurch

aus, die Artenvielfalt zu fördern.

Es gibt zwei Forschungsprojekte, die sich aktuell mit der Entwicklung

von Biodiversitäts-Living Walls beschäftigen. Die Firma Helix und das

Fraunhofer Institut aus Stuttgart forschen zurzeit an der "UNA TERRA"

Living Wall (Bornschlegl et al. 2023). Ein ähnliches Projekt ist:

"Klima-Forschungs-Station – Artenreiche grüne Gebäudehüllen". Dieses

läuft seit 2021 an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und

Gartenbau (Arand 2022).

Bei beiden Projekten zeichnet sich die Konzeption der Living Wall

nicht nur durch eine biodiversitätsfördernde Pflanzenauswahl aus,

sondern auch durch verschiedene Material-, Struktur- und Nistmodule, die

Ähnlichkeiten mit einem Insektenhotel haben. Neben dem Anflug der

Insekten wird auch das Mikroklima untersucht, denn auch dieses hat

Einfluss auf die Attraktivität des Habitats. Erste Ergebnisse zeigen,

dass sich im Vergleich zur unbegrünten Wand mehr Insekten (vor allem die

Honigbiene und verschiedene Wildbienen-Arten) an der Living Wall zeigen

und auch das Mikroklima im Bestand geringer ist. Beide Studien werden

fortgesetzt, sodass weitere Erkenntnisse zu erwarten sind. Generell

haben die Studien einen guten Ansatz. Allerdings werden sie nur in einer

Exposition der Living Wall und ohne Wiederholungen durchgeführt.

Deutlich hervorgehoben werden soll, dass Dach- und Fassadenbegrünung

einen unterstützenden Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten

kann (Francis und Lorimer 2011). Aber es besteht eine Forschungslücke

bei der Definition, wie die Systeme gestaltet sein müssen (z. B.

Pflanzenauswahl), um wirklich die Biodiversität zu fördern. Bisherige

Erkenntnisse aus den wenigen Forschungsprojekten sollten möglichst von

den Firmen und Planungsbüros in ihre Planung aufgenommen werden.

Auf der Grundlage dieses Wissens wurde im Rahmen einer Masterarbeit

das Potential einer Wiesen-Fassadenbegrünung im Vergleich zu einer

Wiesen-Dachbegrünung hinsichtlich ihres Blühangebots, der Insekten- und

Spinnenanzahl sowie deren Vielfalt untersucht.

Versuchsaufbau: Die Wiese in der Vertikalen und Horizontalen

Die Untersuchung fand an den Versuchswänden der Hochschule Geisenheim

statt, die für wechselnde Studien genutzt werden (Stollberg et al.

2021; Wohlgemuth et al. 2023). Die Wiesen-Elemente wurden als einfache

Konstruktion aus einem Holzrahmen, Folie zur Abdichtung,

Styrodurplatten, Steinwolle (als Substrat) und Kaninchendraht aufgebaut

(Abb. 2). Diese wurde an drei Standorten installiert: zweimal in der

Vertikalen an einer südlich und westlich ausgerichteten Versuchswand und

einmal als Dachbegrünung (horizontal).

Für die Begrünung wurde eine blühende Wiesen-Saatgutmischung

zusammengestellt (Tabelle 1). Die Pflanzenmischung wurde im März 2023 im

Gewächshaus auf die bereits angefertigte Konstruktion ausgesät und auf

Gewächshaustischen angezogen (Abb. 2). Im Mai 2023 wurden die

vorkultivierten Wiesen-Konstruktionen an die Versuchswände im

Außenbereich installiert. Die Systeme wurden mittels

Tröpfchenbewässerung in einem geschlossenen Bewässerungskreislauf mit

einer Nährlösung versorgt (Abb. 3).

Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
4 Übersicht der Artenanzahl und Summe der Individuen. Abb. Lisa Plückebaum und Maren Stollberg
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
5 Die unterschiedlichen Arten, die an mindestens zwei Standorten vorkamen. Die Balken zeigen den jeweiligen Standort an. Die dargestellten Werte sind die Summe aus der Individuenanzahl von Mittag und Abend im Juli und August. Abb. Lisa Plückebaum und Maren Stollberg

Methoden zur Quantifizierung des Blühangebotes, der Individuenanzahl und der Artenvielfalt

Es wurde untersucht, welche Pflanzenarten dominierten, wie hoch der

Bedeckungsgrad der einzelnen Pflanzenarten war und wie die gewählten

Pflanzen mit der vertikalen Ausrichtung zurechtkamen. Diese Daten wurden

jeweils zwischen der Dach- und Fassadenbegrünung sowie der Exposition

(Süden, Westen) verglichen. Die verschiedenen Pflanzenarten und deren

Wuchsverhalten wurden alle zwei bis drei Wochen kontrolliert und mit

Hilfe einer Fotodokumentation protokolliert.

Die Untersuchung der vorkommenden Insekten und Spinnen fand alle drei

Wochen zwischen Mai und September 2023 statt, was sechs Auswertungen

entspricht. Dabei wurde die Anzahl der Individuen an den Versuchsflächen

überprüft und die Arten bestimmt.

Zur Artbestimmung wurden Fotos aufgenommen und eine Kurzbeschreibung

der Insekten erstellt, im Anschluss mithilfe der Plattform iNaturalist

und einem Bestimmungsbuch auf die Gattung und wenn möglich Art

geschlossen. Die gesamte Wiese war dazu in sechs Teilmodule aufgeteilt;

pro Teilmodul betrug der Aufnahmezeitraum 15 Minuten. Dabei wurde in den

ersten zehn Minuten verstärkt auf die Fluginsekten geachtet und in den

letzten fünf Minuten auf die Arten, die sich an der Wand selbst

aufhielten. Die Aufnahme fand an allen

Wiesen-Fassadenbegrünungselementen alle drei Wochen zwischen 12:00 Uhr

und 17:00 Uhr statt, sowie am Abend/in der Dämmerung ab circa 20:00 Uhr.

Bei den Abendaufnahmen musste, aufgrund der Aufnahmedauer, der Zeitraum

auf zwei Tage aufgeteilt werden. Zudem wurde bei den Aufnahmen darauf

geachtet, dass möglichst ähnliche Wetterverhältnisse herrschten. Nachdem

die Aufnahmen der jeweiligen Tage abgeschlossen waren, wurden die

Arten, die an der Wand selbst noch nicht eindeutig bestimmt werden

konnten, nachbestimmt und das Protokoll aktualisiert und ergänzt.

Ergebnisse

Während des gesamten Untersuchungszeitraums vom 31.05. bis 15.09.2023

konnten 3702 Individuen an Insekten und Spinnen gezählt und aufgenommen

werden. Diese unterteilten sich in 202 verschiedene Arten. Beim

Vergleich der verschiedenen Expositionen war die Anzahl der Individuen

an der Südfassade und der horizontalen Ausrichtung nahezu gleich

(Südfassade: 1371; horizontal: 1369). Die Westfassade zeigte eine

geringere Individuenanzahl (967) (Abb. 4). Bei der Vielzahl der Arten

zeigte die Südfassade mit 121 Arten die höchste Diversität. Darauf folgt

die Westfassade mit 116 und die horizontale Fläche mit 106 Arten (Abb. 4

und Tabelle 2). Nicht nur durch die verschiedenen Expositionen, sondern

auch durch die verschiedenen Tageszeiten und Wettereinflüsse, änderten

sich die Anzahl der Individuen und die Artendiversität. In den

Abendstunden waren meist Spinnen aufzufinden, welche sich tagsüber eher

in den Modulen versteckten. Insekten, wie Bienen- und Hummelarten, etwa

die gewöhnliche Schmalbiene (Lasioglossum calceatum) oder Erdhummel

(Bombus terrestris), waren am Abend seltener vorzufinden.

Zum Beispiel konnten am 22. August von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr an der

Südfassade 36 Arten, an der Westfassade 19 Arten und auf der

horizontalen Fläche 20 Arten aufgenommen werden. Abends waren es in

derselben Woche an der Südfassade 20 Arten, an der Westfassade 14 Arten

und an der horizontalen Fläche acht Arten (Abb. 5–6).

Zudem ist bei der zeitlichen Abfolge der Kreislauf der Nahrungskette,

vor allem in Bezug auf Läuse und Marienkäfer, gut zu erkennen. Während

den ersten Aufnahmen waren sehr viele verschiedene Läuse vorzufinden,

danach nahm die Population verschiedenster Marienkäferarten zu.

Insgesamt waren auf den Modulen acht verschiedene Marienkäferarten zu

finden, insgesamt waren es 190 Marienkäfer. Neben dem

Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella septempunctata) und dem Variablen

Flach-Marienkäfer (Hippodamia variegata), welche am häufigsten vorkamen,

wurden 21 Harlekin-Marienkäfer (Harmonia axyridis) gesichtet (Abb. 7).

Auch ein Teil des Lebenszyklus der Grünen Reiswanze (Nezara viridula)

konnte über den Sommer hinweg auf den Modulen beobachtet werden (Abb.

7). Am 17.07. konnten die Wanzen meist paarweise angetroffen werden. Bei

der nächsten Aufnahme am 01.08. waren bereits die ersten Nymphen zu

sehen. Die Population stieg in den folgenden Wochen immer weiter an. Im

September ging die Population wieder zurück und die Grünen Reiswanzen

hatten zum Großteil ihren adulten Zustand erreicht. Weitere 26 Arten,

wie die Kohlwanze (Eurydema oleracea), die Beerenwanze (Dolycoris

baccarum) (Abb. 8) und die Zweipunktige Wiesenwanze (Closterotomus

norwegicus) wurden gesichtet (Tabelle 2).

Beim Vergleich der verschiedenen Standorte hinsichtlich ihrer

Vegetationszusammensetzung war festzustellen, dass sich die vertikalen

Flächen nur minimal unterschieden, im Gegensatz dazu aber die

horizontale Fläche eine deutlich höhere Diversität aufwies. Zum Beispiel

kam die Kuckuckslichtnelke (Lychnis flos-cuculi) nur auf der

horizontalen Fläche vor. Außerdem wurde ersichtlich, wie unterschiedlich

manche Pflanzen in Bezug auf die veränderte Ausrichtung reagierten. Zum

Beispiel wuchs die Kornblume (Centaure cyanus) an den vertikalen

Flächen deutlich üppiger und verdrängte so einige andere Arten, welche

dahingehend auf diesen Versuchsflächen nicht vorzufinden waren. Auf der

horizontalen Fläche hingegen kooperierten die Arten untereinander und

bildeten so eine buntere und durchmischtere Begrünung (Abb. 9).

Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
6 Arten und Individuenanzahl an den unterschiedlichen Expositionen am Mittag und Abend im Juli und August 2023, wenn die Individuenzahl > 5 war. Abb. Lisa Plückebaum und Maren Stollberg
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
Tabelle 2: Aufgenommene Arten, von denen zwischen 1 und 4 Individuen gezählt wurden. Aufgeteilt nach den Expositionen, J = Juli, A=August, x =gesichtet.

Fazit – Das Vertikale-Habitat ist nicht nur eine Nahrungsquelle!

Anhand der Untersuchungen zeigt sich, wie vielfältig und artenreich

kleinste Vegetationsflächen sein können. Dabei ist zu beachten, aus

welchen unterschiedlichen Gründen die Insekten das Angebot angenommen

hatten. Gerade zur Mittagszeit im Sommer konnten viele Insekten

beobachtet werden, die die Module anflogen, um Wasser zu trinken.

Besonders stark vertreten waren hierbei verschiedene Wespenarten,

Schwebfliegen und Honigbienen.

Aber auch als Bruthabitat für Wanzen und Marienkäfer haben sich die

Flächen bewährt. Dies zeigte sich dadurch, dass deren Lebenszyklus

vollständig beobachtet werden konnte. Zudem ist es erstaunlich, wie

schnell die Flächen von den Insekten angenommen wurden. Bereits nach

einem Tag konnten die ersten Exemplare gesichtet werden. Vermutlich

würden auch in der Stadt kleinste Grünflächen als Trittsteinbiotope

angenommen. Hierbei sind die unterschiedlichen Distanzen und mögliche

Barrieren zu beachten, welche die Insekten zurücklegen müssen (NABU 2,

2023). So sollte etwa bei den Bienen die Distanz zwischen Nahrungsquelle

und Nistplatz maximal 250 bis 300 Meter betragen (BUND, 2023). Die

zurücklegbaren Distanzen sind abhängig von der Art und dem Alter der

Insekten. Zudem ist darauf zu achten, was es im Umfeld bereits gibt und

welche Strukturen die Insekten dort noch brauchen. Ergänzt werden

könnten Bruthabitate, Nahrungs- und Wasserquellen. Bruthabitate sollten

dabei an die Art angepasst sein. Die Gemeine Löcherbiene (Heriades

truncorum) bevorzugt beispielsweise bestehende Gänge in Hölzern

(Deutsches Bienen Journal, 2021). Die Fassadenbegrünung könnte durch

löchrige Tothölzer oder andere hohle Stängel ergänzt werden. Eine

vielfältige Pflanzenauswahl kann als Nahrungsquelle dienen. Dabei ist zu

beachten, dass sich die unterschiedlichen Insekten je nach Alter in

verschiedenen Stadien befinden, so dass sich der Nahrungsbedarf

unterscheidet. Weiterhin sollte untersucht werden, inwiefern die

Zusammensetzung der Pflanzenarten eine Rolle spielt und welchen Einfluss

diese auf die Biodiversitätsförderung hat. Die Wasserquelle ist bei

einer Living Wall allein schon durch das Bewässerungssystem gegeben;

zusätzlich wäre eine extra Insektentränke denkbar.

In zukünftigen Living Wall-Projekten sollten zusätzlich zur Technik

und der Pflanzenauswahl auch die Bedürfnisse der Insekten und Tiere

mitbeachtet werden. Die Kombination aus verschiedenen

Habitat-Strukturen, Mikrohabitaten und einer Begrünung besitzt viel

Potential. Im Versuch wurde festgestellt, dass auch eine vertikale Wiese

verschiedene Insekten anzieht. Um aber grundlegend sagen zu können,

dass Fassadenbegrünung einen positiven Einfluss auf die Biodiversität

hat, müssen weitere Forschungsprojekte durchgeführt werden. Doch schon

jetzt können Living Walls mit für Insekten förderlichen Strukturen

ausgestattet werden, um eine Förderung der Biodiversität zu erreichen.

Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
7 Populationsverhalten dargestellt anhand der Anzahl der Individuen innerhalb der Untersuchungswochen von Blattläusen (Aphidinae) und Marienkäfer (Coccinelliadae) (A). Populationskurve der Grünen Reiswanze (Nezara viridula) (B). Abb. Lisa Plückebaum
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
8 Beerenwanze (Dolycoris baccarum), 14.07.2023. Foto: Lisa Plückebaum
Artenvielfalt Bauwerksbegrünung
9 Entwicklung der Versuchsflächen während des Untersuchungszeitraums. Foto: Lisa Plückebaum

Quellen

BUND: Artenvielfalt in der Landwirtschaft – Biotop-
vernetzung, www.bund-rlp.de/themen/tiere-pflanzen/wildbienen/wissenschaftlicher-hintergrund

Deutsches Bienen Journal: Löcherbiene, 04.10.2021, www.bienenjournal.de/glossar/loecherbiene

NABU: Trittsteinbiotope in urbanen Räumen, https://lebensader-oberrhein.de/trittsteinbiotope-in-urbanen-raeumen.html

Literaturverzeichnis

Arand, Katja (2022): BiodiVertikaler Lebensraum. Wandbegrünung als

urbanes Habitat für Wildbienen. Hg. v. Bayerische Landesanstalt für

Weinbau und Gartenbau (LWG), Institut für Stadtgrün und Landschafts-
bau. Online verfügbar unter www.lwg.bayern.de/landespflege/gartendokumente/fachartikel/304600/index.php, zuletzt geprüft am 19.07.2023.

Bennett, Ashley B.; Lovell, Sarah T. (2014): A comparison of

arthropod abundance and arthropod mediated predation services in urban

green spaces. In: Insect Conserv Divers 7 (5), S. 405–412. DOI:

10.1111/icad.12062.

Bornschlegl, Sebastian; Krause, Pia; Kropp, Cordula; Leistner, Philip

(2023): Analysis of the Microclimatic and Biodiversity-Enhancing

Functions of a Living Wall Prototype for More-than-Human Conviviality in

Cities. In: Buildings 13 (6), S. 1393. DOI: 10.3390/buildings13061393.

BUND: Artenvielfalt in der Landwirtschaft – Biotopvernetzung, Online verfügbar unter www.bund-rlp.de/themen/tiere-pflanzen/wildbienen/wissenschaftlicher-hintergrund/

Cardoso, Pedro; Barton, Philip S.; Birkhofer, Klaus; Chichorro,

Filipe; Deacon, Charl; Fartmann, Thomas et al. (2020): Scientists’

warning to humanity on insect extinctions. In: Biological Conservation

242 (108426). DOI: 10.1016/j.biocon.2020.108426.

Chiquet, Caroline; Dover, John W.; Mitchell, Paul (2013): Birds and

the urban environment: the value of green walls. In: Urban Ecosyst 16

(3), S. 453–462. DOI: 10.1007/s11252-012-0277-9.

Deutsches Bienen Journal (2021): Löcherbiene, Online
verfügbar unter www.bienenjournal.de/glossar/loecherbiene

Francis, Robert A.; Lorimer, Jamie (2011): Urban reconciliation

ecology: the potential of living roofs and walls. In: Journal of

Environmental Management 92 (6), S. 1429–1437. DOI:

10.1016/j.jenvman.2011.01.012.

Gedge, Dusty; Newton, John; Cradick, Karl; Cooper, Phil; Partington,

Tony; Grant, Gary et al. (2008): Living roofs and walls. Technical

report – supporting London Plan Policy. Unter Mitarbeit von Design for

London. London: Greater London Authority.

Ives, Christopher D.; Lentini, Pia E.; Threlfall, Caragh G.; Ikin,

Karen; Shanahan, Danielle F.; Garrard, Georgia E. et al. (2016): Cities

are hotspots for threatened species. In: Global Ecology and Biogeography

25 (1), S. 117–126. DOI: 10.1111/geb.12404.

Kowarik, Ingo (2018): Urban wilderness: Supply, demand, and access.

In: Urban Forestry & Urban Greening 29, S. 336–347. DOI:

10.1016/j.ufug.2017.05.017.

Kowarik, Ingo; Hiller, Anne; Planchuelo, Greg; Seitz, Birgit; Lippe,

Moritz von der; Buchholz, Sascha (2019): Emerging Urban Forests:

Opportunities for Promoting the Wild Side of the Urban Green Infra-
structure. In: Sustainability 11 (22), S. 6318. DOI: 10.3390/su11226318.

Kühn, Ingolf; Brandl, Roland; Klotz, Stefan (2004): The flora of

German cities is naturally species rich. In: Evolutionary Ecology

Research, (6), S. 749–764, zuletzt geprüft am 23.07.2020.

Mayrand, Flavie; Clergeau, Philippe (2018): Green Roofs and Green

Walls for Biodiversity Conservation: A Contribution to Urban

Connectivity? In: Sustainability 10 (4), S. 985. DOI:

10.3390/su10040985.

NABU 1: Auf der Kippe, Warum Insekten gefährdet sind – und mit ihnen das ganze Ökosystem, Online verfügbar unter www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/insektensterben/22696.html

NABU 2: Trittsteinbiotope in urbanen Räumen, Online verfügbar unter https://lebensader-oberrhein.de/trittsteinbiotope-in-urbanen-raeumen.html

Perini, Katia; Rosasco, Paolo (2013): Cost–benefit analysis for green

façades and living wall systems. In: Building and Environment 70, S.

110–121. DOI: 10.1016/j.buildenv.2013.08.012.

Pfoser, Nicole (2016): Fassade und Pflanze. Potenziale einer neuen

Fassadengestaltung. Dissertation. Technische Universität Darmstadt,

Darmstadt. Fachbereich Architektur, zuletzt geprüft am 23.01.2017.

Radi, Mina; Brkovi Dodig, Marta; Auer, Thomas (2019): Green Facades

and Living Walls—A Review Establishing the Classification of

Construction Types and Mapping the Benefits. In: Sustainability 11 (17),

S. 4579. DOI: 10.3390/su11174579.

Samways, Michael J.; Barton, Philip S.; Birkhofer, Klaus; Chichorro,

Filipe; Deacon, Charl; Fartmann, Thomas et al. (2020): Solutions for

humanity on how to conserve insects. In: Biological Conservation 242.

DOI: 10.1016/j.biocon.2020.108427.

Stollberg, Maren; Birgelen, Alexander von (2023): Vertical plants:

Plant design of Living walls – evaluation of 34 perennials in a textile

based Living wall over a three years experiment. In: Front. Hortic. 2,

Artikel 1091026. DOI: 10.3389/fhort.2023.1091026.

Stollberg, Maren; Birgelen, Alexander von; Mählmann, Jens (2021):

Begrünte Fassadenkacheln - Pflanzen für die Wandbegrünung. Eignung von

Stauden in textilen Vegetationsträgern (09). Online verfügbar unter https://stadtundgruen.de/artikel/eignung-von-stauden-in-textilen-vegetationstraegern-begruente-fassadenkacheln-pflanzen-fuer-die-wandbegruenung-5567.

Tzoulas, Konstantinos; Korpela, Kalevi; Venn, Stephen; Yli-Pelkonen,

Vesa; Ka?mierczak, Aleksandra; Niemela, Jari; James, Philip (2007):

Promoting ecosystem and human health in urban areas using Green

Infrastructure. A literature review. In: Landscape and Urban Planning 81

(3), S. 167–178.

Wohlgemuth, Jonas; Lehberger, Mira; Braun, Stephanie; Matschinsky,

Tanja; Stollberg, Maren (2023): Interdisziplinäre Untersuchung zu

Livingwalls in Geisenheim. Effekte auf Oberflächentemperatur und

menschliche Wahrnehmung. In: Stadt+Grün (02). Online verfügbar unter https://stadtundgruen.de/artikel/effekte-auf-oberflaechentemperatur-und-menschliche-wahrnehmung-interdisziplinaere-untersuchung-zu-livingwalls-in-geisenheim-17497.

M. Sc. Maren Stollberg
Autorin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zierpflanzenforschung und urbanen Gartenbau

Hochschule Geisenheim
 Lisa Plückebaum
Autorin

Master Landschaftsarchitektur

Hochschule Geisenheim

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen